Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
71
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 321/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Honorarbescheiden, insbesondere die Frage, ob die Regeln des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) zum unbeschränkten Wachstum von Jungpraxen auch für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gelten, bzw. wie diese Regeln für angestellte Ärzte auszugestalten sind.
Die Klägerin nimmt seit dem 1. Oktober 1994 im Verwaltungsbezirk L an der vertragsärztlichen Versorgung teil und betreibt die ... Gesundheitszentrum B ... GmbH, eine nach § 311 Absatz 2 SGB V zugelassene Einrichtung.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2007, eingegangen bei der Beklagten am 10. Januar 2007 legte die Klägerin gegen die Honorarfestsetzungsbescheide des Quartals II/2006 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, in Anwendung von § 9 Absatz 10 b Honorarverteilungsvertrag (HVM) in der ab dem 1. April 2006 geltenden Fassung sei das Individualbudget fehlerhaft festgesetzt worden. Die Änderung von § 9 Absatz 10 b zum II. Quartal 2006 habe dem Ziel gedient, zu verhindern, dass MVZ Praxen mit kleinem Individualbudget aufkaufen und diese Praxen dann durch Nachbesetzung bis zum Fachgruppendurchschnitt wachsen dürften. Dieser Passus könne jedoch keinesfalls auf Einrichtungen nach § 311 SGB V so Anwendung finden, dass Praxisanteilen in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis, die sich noch in der Aufbauphase befinden, keine Wachstumsmöglichkeiten für die Versorgung von zusätzlichen Patienten entsprechend der HVM-Regelung für Jungpraxen zugestanden werde. Diesen Praxen sei noch nach dem alten HVM rechtsverbindlich ein Individualbudget zugeordnet worden. Auf dieser von der Beklagten zugeordneten Basis seien die neuen Ärzte gewonnen und die neuen Praxen ausgestattet worden, medizinisches Hilfspersonal eingestellt und die leistungsbezogene Vergütung für Ärzte vereinbart worden. Die Auslegung des neuen HVM treffe insbesondere fachübergreifende Gemeinschaftspraxen, die in Absprache mit dem Zulassungsausschuss nach der Gesetzesänderung erst zum 1. Januar 2004 hätten neu besetzt werden können. Die Klägerin hätte im Zusammenhang mit der Umstellung der Abrechnungssystematik auf fachübergreifende Gemeinschaftspraxen mit dem Zulassungsausschuss in Abstimmung mit dem Vorstand der Beklagten eine Übergangsregelung für die Nachbesetzung von circa 40 rechtlich zugelassenen, aber zum 1. Januar 2004 nicht besetzten Arztsitzen zum 31. Dezember 2006 vereinbart. In dieser Übergangszeit habe sie alle freien Arztstellen besetzt. Vor dem Hintergrund der mit dem Zulassungsausschuss unter aktiver Teilnahme der Beklagten getroffenen Vereinbarung habe sich der Geschäftsführer und ärztliche Leiter der Klägerin intensiv bemüht, den in der vorgenannten sowie weiteren Einrichtungen tätigen ärztlichen Kollegen eine dauerhafte Perspektive für die Ausübung ihrer ambulanten ärztlichen Tätigkeit zu organisieren. Der Aufbauprozess der somit zusätzlich entstandenen Praxen, die in der Regel weniger als zwei Jahre an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen würden, würde durch diese neue Auslegung des HVM gestoppt. Damit seien auch alle in die Zukunft gerichteten Investitionen, die im Rahmen der 20 Quartale für eine volle Versorgungspraxis kalkuliert worden seien, gefährdet. Es werde daher darum gebeten, für die Nachbesetzung die Gleichbehandlung zu den Nachbesetzungen bei Praxen mit niedergelassenen Ärzten zu gewährleisten und ihnen damit eine Wachstumsmöglichkeit entsprechend der für Jungpraxen geltenden Regelungen zuzugestehen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007, ausgefertigt am 10. Mai 2007, zurück. Soweit die Klägerin geltend mache, bei nach § 311 SGB V zugelassenen Einrichtungen sei eine Einschränkung der Zuwachsregelungen nicht zulässig, ergebe sich der Adressatenkreis bereits aus § 9 Absatz 10 HVM. So seien die folgenden Regelungen auf zugelassene Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V, MVZ und Gemeinschaftspraxen anzuwenden. Der in § 9 Absatz 10 b, 3. Spiegelstrich HVM verwendete Terminus "Einrichtungen" beziehe sich demnach also auf die zuvor genannten "Einrichtungen" nach § 311 Absatz 2 SGB V bzw. auf MVZ, so das die Norm vorliegend anwendbar sei. Zudem habe das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt ausgeführt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bei der Ausformung des HVM einen Gestaltungsspielraum habe, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung sei (Urteil vom 10.12.2003, Az. B 6 KA 54/02 R). Aus den Geboten der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit folge nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssten. Vielmehr dürfe aus sachlichem Grund abgewichen werden; solche Gründe für eine Einschränkung der Wachstumsmöglichkeiten von in Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V angestellten Ärzten lägen vorliegend darin, dass deren Situation sich von in freier Praxis niedergelassenen Vertragsärzten unterscheide. Die Regelungen der §§ 9 Absatz 8 c, d HVM seien auf die Situation von Praxisneugründungen in freier Niederlassung zugeschnitten und berücksichtigten die Anlaufphase bei einer Neuzulassung. Ein wesentlicher Unterschied sei, dass die Klägerin Inhaberin schon seit langem bestehender Arztsitze sei und diese nach eigenem Ermessen neu besetzen könne. Dies bedeute, dass bei dem Ausscheiden eines Leistungserbringers der Arztsitz bei der Klägerin verbleibe und ein neuer Arzt angestellt werden könne, der dann diese Stelle besetze. Bei Anwendung der Neupraxis-Regelungen bei der (Neu-)Anstellung von Ärzten würde dies jedoch dazu führen, dass schon seit langem bestehende Arztsitze mit unterdurchschnittlichem Individualbudget durch personellen Wechsel immer wieder auf den Status "Neupraxis" mit erneutem Lauf der Zeitspanne von 20 Quartalen für das zulässige Jung- bzw. Neupraxiswachstum gesetzt werden müssten. Dies sei jedoch nicht Sinn der vorgenannten Wachstumsregelungen, da diese nur eine zeitlich begrenzte Privilegierung neu zugelassener Vertragsärzte bezweckten. Darüber hinaus würde eine uneingeschränkte Anwendung der Neupraxis-Regelungen auf angestellte Ärzte auch eine deutliche Besserstellung gegenüber niedergelassenen Vertragsärzte bedeuten, da diese nicht die Möglichkeit hätten, ihren Status in der vorgenannten Weise zu ändern. Auch eine Umstellung der Abrechnungssystematik von nach § 311 SGB V zugelassenen Einrichtungen auf fachübergreifende Gemeinschaftspraxen stelle keine Vergleichbarkeit mit der Situation von Praxen in freier Niederlassung her, da die Arztsitze grundsätzlich weiterhin von diesen Einrichtungen gehalten würden, während die Arztsitze in einer niedergelassenen Gemeinschaftspraxis personenbezogen seien. Diese Diskrepanz werde auch dadurch verdeutlicht, dass verschiedene von der Klägerin vertretene Einrichtungen eine Anzahl von Arztsitzen über längere Zeit nicht besetzt habe. In einer niedergelassenen Gemeinschaftspraxis würde ein solcher Arztsitz bei fehlender Nachfolgezulassung entfallen. Aufgrund der Bindung der Arztsitze an die jeweilige Einrichtung hätten jedoch auch nicht besetzte Arztsitze in von der Klägerin vertretenen Einrichtungen fortbestanden und hätten auch nach längerer Zeit neu besetzt werden können. Dies verdeutliche, dass die Arztsitze - ähnlich wie in einem MVZ, das über eigene Arztsitze verfüge - nicht personenbezogen seien. Soweit diese schon lange bestehenden Arztsitze über Individualbudgets verfügen, sei es in diesem Zusammenhang daher rechtskonform, hinsichtlich der Wachstumsregelungen die für Altpraxen geltenden Bestimmungen anzuwenden.
Am 7. Juni 2007 erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Die Beklagte habe bei der Nachbesetzung von zum Teil über mehrere Jahre nicht besetzten Praxissitzen für die einzelnen Einrichtungen die jeweiligen Individualbudgets zugrunde gelegt, die teilweise existierten, ohne § 9 Absatz 8 lit. c) HVM - Wachstumsregelungen für Jungpraxen - zur Anwendung zu bringen. Es gehe vorliegend um die Frage, ob die Regelung in § 9 Absatz 10 b) HVM mit höherrangigem Recht in Einklang zu bringen sei, wenn und soweit bei der Einrichtung zwar dem Grunde nach die Stelle existierte, jedoch über einen längeren Zeitraum nicht besetzt gewesen sei. Die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R -, vom 10.03.2004 - B 6 KA 3/03 R - und vom 28.03.2007 - B 6 KA 10/06 R - sei auf die Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V anwendbar. Zwar handele es sich bei diesen Einrichtungen nicht wie in den Entscheidungen des BSG um Einzelpraxen. Da der HVM jedoch mit den Individualbudgets auf den einzelnen Arzt abstelle, der in der Einrichtung beschäftigt sei, bestehe die erforderliche Vergleichbarkeit zur Einzelpraxis. Diesen Anforderungen werde die Regelung in § 9 Absatz 10 lit. b) HVM nicht gerecht. Zumindest nach einem Zeitraum von zwei Jahren des Nichtbesetztseins der Praxis habe eine vollständige Verflüchtigung des Patientenklientels stattgefunden, mit der Konsequenz, dass dann die Praxis als Anfängerpraxis zu bewerten sei. Dies jedoch lasse der HVM der Beklagten nicht zu, so dass er nicht mit den Grundsätzen des BSG zur Honorarverteilungsgerechtigkeit in Einklang zu bringen sei. Darüber hinaus ergebe sich eine Rechtswidrigkeit der Bescheide der Beklagten, weil sie im Rahmen ihres Ermessens verpflichtet gewesen wäre, ein individuelles Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt unbegrenzt zuzulassen. Neben dem Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei zusätzlich ein unmittelbarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Grundgesetz (GG) festzustellen. Es bestehe - auch vor dem Hintergrund von § 72 Absatz 1 Satz 2 SGB V - keine sachliche Rechtfertigung, Anfängerpraxen außerhalb von MVZ anders zu behandeln als Anfängerpraxen innerhalb von MVZ. Seitens der Beklagten liege kein Gestaltungsmissbrauch vor; vielmehr handele es sich bei der Nachbesetzung um ein auch mit der Beklagten abgestimmtes Verfahren. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die beiden Schriftsätze des Bevollmächtigten der Klägerin vom 18. Februar 2008 und vom 28. Juli 2009 Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 14. April 2010 ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten vortragen, angesichts der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. März 2010 – Aktenzeichen B 6 KA 43/08 R – sei jedenfalls damit zu rechnen, dass das gesamte Regelungskonzept der Individualbudgets als rechtswidrig bewertet werden müsse.
Unter dem 13. November 2007 hatte die Beklagte für folgende Einrichtungen der Beklagten Bescheide erlassen, mit denen das Individualbudget rückwirkend angehoben wurde:
- "G H Straße" (Abrechnungsnummer 7 ) für Herrn Dr. O (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal II/2006) - "Haus " (Abrechnungsnummer 7 ) für Frau L (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal II/2006, nur für den Primärkassenbereich) - "E L Heim " (Abrechnungsnummer 7 ) für Herrn Dr. S /Frau L (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal IV/2006) - "Haus " (Abrechnungsnummer 7 ) für Frau Dr. W (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal II/2006, nur für den Primärkassenbereich) - "F J C " (Abrechnungsnummer 7 ) für Frau B (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal IV/2006, nur für den Primärkassenbereich)
Die Klägerin beantragt,
den Honorarbescheid für das Quartal II/2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, neu über den Honoraranspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, soweit eine Honorarerhöhung nicht schon im Zuge der Umsetzung der Bescheide vom 13. November 2007 erfolgt ist, und zwar für folgende Einrichtungen:
1. Ambulanz P , Abrechnungsnummer 7 2. Arztpraxis für Innere Medizin, Abrechnungsnummer 7 3. Gesundheitszentrum B , Abrechnungsnummer 7 4. Poliklinik "Am -Krankenhaus K k", Abrechnungsnummer 7 , 5. Poliklinik "A ...T ...", Abrechnungsnummer 7 , 6. Poliklinik "E -L -H ", Abrechnungsnummer 7 7. Poliklinik "E -L -H ", Abrechnungsnummer 7 , 8. Poliklinik "F -J -C ", Abrechnungsnummer 7 9. Poliklinik "F -J -C ", Abrechnungsnummer 7 10. Poliklinik "F -J -C ", Abrechnungsnummer 7 11. Poliklinik "G H Straße", Abrechnungsnummer 7 12. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 13. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 14. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 15. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 16. Poliklinik " M straße", Abrechnungsnummer 7 17. Poliklinik "W Straße", Abrechnungsnummer 7 "
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22. Mai 2008 und 16. Oktober 2009 Bezug genommen. Es wird insbesondere die Frage einer Aktivlegitimation der Klägerin aufgeworfen. Im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R sei anzumerken, dass dieses zwar Bestimmungen zu den Individualbudgets des dort streitgegenständlichen Honorarverteilungsvertrags im Bezirk der KV Nord-Württemberg für rechtswidrig erklärt hat. Es sei jedoch nicht davon auszugehen, dass die durch das BSG angestellten rechtlichen Erwägungen zur Rechtswidrigkeit der im KV-Bezirk Berlin geltenden Honorarverteilungsregelungen führten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.
Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V nehmen zwar von Gesetzes wegen an der vertragsärztlichen Versorgung teil, so dass Leistungserbringer die Polikliniken selbst und nicht die wirtschaftlichen Träger der Einrichtung sind. Unabhängig davon kann nach Auffassung der Kammer Klage auch durch den Träger der Einrichtung selbst erhoben werden. Überdies ergibt sich eine Aktivlegitimation der Klägerin jedenfalls bereits unter dem Gesichtspunkt der Adressatentheorie, hat die Beklagte doch die streitgegenständlichen Bescheide an die Klägerin selbst gerichtet.
Die Kammer geht nicht davon aus, dass die Bescheide der Beklagten vom 13. November 2007 gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits geworden sind. Die Bescheide – die fünf von 17 Einrichtungen der Klägerin betreffen, für die hier Klage erhoben worden war – beziehen sich ihrem Regelungsgehalt nach auf eine Neufestsetzung des Individualbudgets ab dem Quartal II/2006 (wobei zwei der fünf Bescheide dem Antrag nur mit der Maßgabe stattgeben, dass eine Erhöhung ab dem Quartal IV/2006 gewährt wird), treffen also eine Regelung, die zeitlich deutlich über den Streitgegenstand dieses Verfahrens hinausgeht, geht es doch in dem vorliegenden Verfahren lediglich um das Quartal II/2006. Zudem sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Honorarbescheide für das II. Quartal 2006, so dass ein Anspruch auf Festsetzung eines höheren Individualbudgets zwar implizit geprüft wird, aber lediglich mit Wirkung für das streitgegenständliche Quartal.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind indes diejenigen Honorarbescheide geworden, die für das Quartal II/2006 im Zuge der Umsetzung der Bescheide vom 13. November 2007 ergangen sind. Unter welchem Datum entsprechende Honorarbescheide erlassen wurden, konnte durch die Beteiligten indes in der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt werden.
Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Honorarfestsetzungsbescheide der Beklagten für das II. Quartal 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass bereits das Regelungskonzept der Individualbudgets für das hier streitgegenständliche Quartal II/2006 rechtswidrig gewesen wäre. Die Kammer hält das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R, das zu den Honorarverteilungsregelungen des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg ergangen ist, im Ergebnis nicht auf die für das Quartal II/2006 geltenden Honorarverteilungsregelungen im Bezirk der Beklagten übertragbar. Die für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für das II. Quartal 2006 vereinbart hatten, entsprachen zwar nicht den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Bestimmung sind in der Honorarverteilung "insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, - und gemäß § 85 Absatz 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinaus gehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind.
Von den beiden Elementen "arztgruppenspezifische Grenzwerte" und "feste Punktwerte" wichen die in dem Quartal II/2006 geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten ab.
Da es vor dem Hintergrund der Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 – wonach eine Rechtmäßigkeit der Honorarverteilungsregelungen trotz Abweichungen von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V dann in Betracht kommt, wenn bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind (vgl. dazu unten) – auf einen Vergleich der Bestimmungen des in dem Quartal II/2006 geltenden HVM mit den davor geltenden Honorarverteilungsregelungen ankommt, sind auch diese in eine Bewertung im Lichte der Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V miteinzubeziehen:
Zum 1. Juli 2003 erfolgte auf der Grundlage des HVM in der Fassung vom 19. Juni 2003 durch die Beklagte erstmalig die Honorarverteilung auf Grundlage sogenannter Individualbudgets. Das Individualbudget als maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen wurde aus den individuellen Umsätzen im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde.
Nach § 9 Absatz 2 HVM wurden Leistungen, die Ärzte über das ihnen zugeordnete maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen hinaus abrechneten, auf dieses Punktvolumen gekürzt. Die nach Kürzung verbleibenden maximal zulässigen punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einer Fachgruppenquote multipliziert. Die Fachgruppenquote ergab sich, indem die zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe durch das Produkt des maximal zulässigen Punktzahlvolumens der Fachgruppe mit 5,112929 Cent dividiert wurde. Das sich daraus ergebende individuelle Punktzahlvolumen des Arztes wurde mit 5,112929 Cent vergütet. Wurde dieses maximal abrechenbare Punktzahlvolumen im Abrechnungsquartal von einer Praxis unterschritten, trat die abgerechnete Leistungsmenge an die Stelle des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens. Überschritt das abgerechnete Punktzahlvolumen eines Arztes das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen, ergaben sich von 5,11929 Cent abweichende praxisindividuelle Punktwerte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 5,112929 Cent nicht allein das nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelte Punktzahlvolumen maßgeblich war. Eine Verminderung des nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelten Punktzahlvolumens trat dann ein, wenn die Summe der auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlen aller Ärzte der Fachgruppe größer war als die in Punkte umgerechnete zur Vergütung zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe und damit die Fachgruppenquote kleiner 1 war. Die Fachgruppenquote war in jedem Abrechnungsquartal verschieden und ergab sich erst nach Abschluss des Abrechnungsquartals, so dass vor dem jeweiligen Abrechnungsquartal dem Arzt nicht bekannt war, welche Punktmenge mit welchem Punktwert vergütet wird. Es gab also keine vorab dem Arzt bekannten festen Punktwerte.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 ist der ab dem 1. Juli 2003 geltende HVM durch einen neuen HVM ersetzt worden. Dieser neue HVM sah auch weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage von Individualbudgets vor. Nach der Vorschrift des § 9 Absatz 1 HVM sollten die abgerechneten Leistungen bis zum Erreichen der Grenze des Individualbudgets mit einem festen Punktwert von 4,15 Cent vergütet werden. Die über die Grenzen des Individualbudgets hinaus abgerechneten Leistungen sollten mit einem Restpunktwert vergütet werden. Das Individualbudget wurde nach den Regelungen des § 9 Absatz 2 HVM ermittelt. Dazu wurden wiederum zunächst die individuellen Umsätze im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde wiederum durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Dieses Individualbudget wurde jedoch nicht der Vergütung im Abrechnungsquartal zugrunde gelegt. Vielmehr wurde das nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelte Individualbudget mit der Fachgruppenquote multipliziert (§ 9 Absatz 5 HVM). Erst dieses Produkt ergab die Punktzahl, die dann im konkreten Abrechnungsquartal mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Dieses Punktzahlvolumen war jedoch Schwankungen unterworfen, denn die Fachgruppenquote wurde in jedem Quartal neu berechnet. So wurden die jeweils zur Verfügung stehenden Honorarfonds zunächst um 3,9% bei den Hausärzten und 5% bei den Fachärzten gekürzt, um mit den aus der Kürzung resultierenden Beträgen den Restpunktwert zu finanzieren. Das verbleibende Honorar für eine Fachgruppe wurde durch 4,15 Cent dividiert, so dass sich daraus die Punktmenge der Fachgruppe ergab, die mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Sodann wurde dieses Punktvolumen durch die Summe der für die Ärzte nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelten Punktvolumen geteilt. Dieser Quotient war die Fachgruppenquote. Der Betrag der Fachgruppenquote war also von dem jeweils im Abrechnungsquartal zur Verfügung stehenden Honorar der Fachgruppe abhängig. Das tatsächlich mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütete Punktzahlvolumen war somit nur dann mit dem auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlvolumen identisch, wenn die Fachgruppenquote gleich 1 war. War aber die Fachgruppenquote kleiner 1, wurde gemäß § 9 Absatz 5 lit. a) HVM das gemäß § 9 Absatz 2 ermittelte Punktzahlvolumen durch die Multiplikation mit dem Fachgruppenquotienten vermindert und damit weniger Punkte mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet als die Berechnung nach § 9 Absatz 2 HVM ergab. Die übrigen Punkte wurden mit dem Restpunktwert vergütet. Da die Fachgruppenquote dem abrechnenden Arzt erst mit seinem Honorarbescheid bekannt wurde, wusste der Arzt bei seiner Leistungserbringung nicht, welche Punktmenge mit dem Punktwert von 4,15 Cent und welche Punktmenge mit dem Restpunktwert vergütet würde. Einen vorab feststehenden Punktwert gab es also auch nach dem ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM nicht. Auch in dem hier streitgegenständlichen Quartal II/2006 galt ein HVM – derjenige in der Fassung der Vereinbarung vom 10. April 2006 - der die Regelungen des ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM zur Vergütung auf Grundlage von Individualbudgets fortführte. Damit ergab sich der Punktwert für den einzelnen Arzt aus dem Honorarvolumen für die Arztgruppe dividiert durch die Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen. Somit hing die Höhe des Punktwertes davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen dem Honorarvolumen für die Arztgruppe zu der Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen verhielt: Je nachdem, ob diese von den Ärzten abgerechnete Punktmenge größer oder kleiner war, errechnete sich ein geringerer oder höherer Punktwert. Somit war ein sogenannter floatender Punktwert nach Maßgabe des der Arztgruppe zugeordneten Honorarvolumens vorgegeben. Dieser stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V.
Zudem fehlten in den Honorarverteilungsregelungen der Beklagten auch arztgruppenspezifische Festlegungen. Das Merkmal arztgruppenspezifischer Grenzwerte im Sinne des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB erfordert, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Hierfür reicht nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet ist. Vielmehr müsste die Regelung zum Beispiel jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen, und zwar dergestalt, dass eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgegeben wird und deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen dann zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (vgl. BSG, andere Angaben oben, Randnummern 15 und 17 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Bei der Bemessung des Individualbudgets auf der Grundlage der Honorarverteilungsregelungen der Beklagten war die Arztgruppenzugehörigkeit des jeweiligen Arztes jedoch unbeachtlich.
Ob die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V verfolgen, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen – feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte – fehlt.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für das II. Quartal 2006 vereinbart hatten, erfüllten jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Diese Regelung ist auch – wie das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 entschieden hat (vgl. Randnummer 20-22 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – von der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz in Verbindung mit Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V gedeckt. Die in dieser Übergangsregelung festgelegte Voraussetzung, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden müssen, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind, ist erfüllt: Die oben dargestellten Honorarverteilungsregelungen entfernen sich – chronologisch betrachtet – nicht von den Vorgaben fester Punktwerte und arztgruppenspezifischer Grenzwerte. Insoweit unterscheiden sie sich von dem HVM des KV-Bezirks Nord-Württemberg, den das oben genannte Urteil des BSG zum Gegenstand hatte. Die dort bis zum 31. März 2005 geltenden Honorarverteilungsbestimmungen enthielten keine Regelung über einen floatenden Punktwert und waren daher dem System, das in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V angelegt ist, näher als die Bestimmungen des ab dem 1. April 2005 geltenden HVM (vgl. hierzu BSG, andere Angaben oben, Randnummer 16 und 24 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Insofern führten die ab dem 1. April 2005 im Bezirk der KV Nord-Württemberg geltenden Bestimmungen von der Zielrichtung der Realisierung von Regelleistungsvolumina weg und waren deshalb nicht von der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gedeckt. Vorhandene Steuerungsinstrumente wurden nicht "fortgeführt". Für die im Bezirk der Beklagten geltenden Honorarverteilungsregelungen gilt indes Folgendes: im Unterschied zu dem bis zum 30. Juni 2005 gültigen HVM sieht der ab dem 1. Juli 2005 gültige HVM zwar keinen festen Punktwert, wohl aber bereits einen Zielpunktwert in Höhe von 4,15 Cent vor (§ 9 Absatz 1 HVM). Dieser Zielpunktwert wurde relativ stabil erreicht und in einigen Quartalen sogar übertroffen. Annäherungsweise konnte somit Kalkulationssicherheit für die Ärzte bei der Verteilung des Honorars geschaffen werden, so dass die Einhaltung der gemäß § 85 Absatz 4 SGB V geforderten Steuerungswirkung im Wesentlichen – noch - möglich war.
Zum anderen wurden die Leistungen, die über das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen abgerechnet worden sind, gemäß § 9 Absätze 1, 3 und 6 HVM zu einem abgestaffelten Punktwert – Restpunktwert – vergütet. Auch insoweit werden Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V – und zwar diejenige aus Satz 8 der genannten Vorschrift – bereits teilweise umgesetzt.
Auch im hier streitgegenständlichen II. Quartal 2006 galten die gleichen Vergütungsmodalitäten wie ab dem III. Quartal 2005, das heißt insbesondere Vergütung der abgerechneten Leistungen mit einem zwar nicht festen Punktwert, wohl aber mit einem Zielpunktwert hinsichtlich der innerhalb des Individualbudgets abgerechneten Leistungen und mit einem Restpunktwert hinsichtlich der das Individualbudget überschreitenden Leistungsmenge.
Vor diesem Hintergrund führten die von der Beklagten in den maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen vorgenommenen Änderungen von den Vorgaben des in § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 genannten Zielsetzungen nicht weg, sondern stellten eine schrittweise - und nach Auffassung der Kammer gerade noch ausreichende - Annäherung an diese Vorgaben dar. Bei der Auslegung der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V ist auch zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es – wie auch das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 vertritt (vgl. Randnummer 21 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise Abweichungen zu tolerieren. Dass dies auch im Interesse der Vertragsärzte war, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass – um sofort einen festen Punktwert garantieren zu können – die Höhe der Individualbudgets hätte signifikant abgesenkt werden müssen. Konsequenz wäre eine geringere Vergütung gewesen, als dies mit der Festlegung von Zielpunktwerten der Fall war.
Nicht hinnehmbar wäre es indes gewesen, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen – sei es auch nur vorübergehend – weiter von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt. Dies ist hier – wie oben dargelegt – nicht der Fall gewesen.
Soweit die Klägerin ausführt, die Übergangsregelung aus Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 sei zeitlich bis zum 31. Dezember 2005 befristet und könne im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr greifen, da hier Bescheide für das II. Quartal 2006 streitbefangen seien, ist dies nicht zutreffend. Die Übergangsregelung aus Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 ist über den 31. Dezember 2005 hinaus verlängert worden. Dies ergibt sich aus den Beschlüssen der 4. Sitzung des Erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 Absatz 4 SGB V vom 16. Dezember 2005. Dort heißt es unter Teil V des Beschlusses, der ursprüngliche Beschluss zu den Regelleistungsvolumen vom 13. Mai 2004 werde zunächst auch im Jahre 2006 nicht angewendet, bleibe jedoch weiterhin entsprechend den Vorgaben von Teil IV des RLV-Beschlusses vom 29.10.2004 Ausgangspunkt für eine Anschlussregelung.
Ist das Regelungskonzept der Individualbudgets in der Ausprägung, wie es der HVM der Beklagten vorgesehen hat, in dem hier streitgegenständlichen II. Quartal 2006 gemessen an den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Sätze 7 und 8 SGB V in Verbindung mit der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 als – noch – rechtmäßig anzusehen, so kann die Klägerin aus diesem grundsätzlich auch einen Anspruch auf Berücksichtigung eines höheren Individualbudgets im Rahmen der hier angefochtenen Honorarfestsetzungsbescheide herleiten.
Die Klägerin hat indes konkret keinen Anspruch auf die Zuordnung eines höheren Individualbudgets für die von ihr betriebenen Einrichtungen im streitgegenständlichen Quartal II/2006. Die angefochtenen Honorarfestsetzungsbescheide sind in Anwendung des für das Quartal II/2006 gültigen HVM in der Fassung der Vereinbarung vom 10. April 2006 rechtmäßig festgesetzt worden.
Die Honorarverteilungsregelungen der Kassenärztlichen Vereinigung sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 GG herleitet, zu messen. Bedeutsam ist vor allem die Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 3 SGB V, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen sind. Danach sind ärztliche Leistungen grundsätzlich gleichmäßig zu vergüten, der normsetzenden Körperschaft verbleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihren Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (Urteil des BSG vom 9. September 1998, Aktenzeichen B 6 KA 55/97 R).
Rechtsgrundlage für die Bestimmung der anzuwendenden Wachstumsregelungen ist § 9 Absatz 10 HVM. § 9 Absatz 10 a HVM bestimmt, dass das Individualbudget einer Einrichtung, die im Bemessungszeitraum in der jetzigen Zusammensetzung am derzeitigen Tätigkeitsort gestanden hat, auf der Basis der Quartale I/2002 bis IV/2002 ermittelt wird. Einrichtungen, die nicht unter die in § 9 Absatz 8 a HVM genannte Regelung fallen, erhalten gemäß § 9 Absatz 10 b HVM ein Individualbudget, das sich aus den Individualbudgets eines oder mehrerer Partner beziehungsweise den auf die angestellten Ärzte entfallenden Anteilen des Individualbudgets berechnet. Die Zuwachsregelungen finden auch bei Einrichtungen Anwendung, jedoch mit der Einschränkung, dass § 9 Absatz 8 c, d HVM nicht für angestellte Ärzte gelten, die ihre Zulassung in eine Einrichtung eingebracht oder eine bestehende Arztstelle in einer Einrichtung nachbesetzt haben. Für diese Ärzte gilt die Regelung in § 9 Absatz 2 Satz 6 HVM entsprechend. § 9 Absatz 12 und 13 HVM bleiben unberührt.
In der hier relevanten Konstellation bedeutet dies: besetzt ein MVZ oder eine Poliklinik einen Arztsitz mit einem unter dem Fachgruppendurchschnitt liegenden Individualbudget durch einen "Jungarzt" nach, der weniger als 20 Quartale zugelassen ist, kann die Einrichtung nicht das Individualbudget einer Jungpraxis beanspruchen. Die Einrichtung erhält kein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitts, sondern behält nur das vorhandene unterdurchschnittliche Individualbudget. Die Wachstumsregel für Altpraxen gilt davon unbeschadet weiter (§ 9 Absatz 10 b, zweiter Spiegelstrich HVM in Verbindung mit § 9 Absatz 8 b HVM). Vorbehaltlich des § 10 HVM bleibt der Poliklinik und dem angestellten Arzt noch die Möglichkeit, innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren zum Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Klägerin, der HVM der Beklagten kappe die Möglichkeiten des Wachstums nach 20 Quartalen, nicht nachzuvollziehen.
Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die Regelung des § 9 Absatz 10 b, dritter Spiegelstrich HVM mit höherrangigem Recht in Einklang steht und insbesondere der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und die aus Artikel 3 GG herzuleitenden Anforderungen gewahrt bleiben:
Die Beklagte hat mit dieser Regelung für MVZ und Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V nur ausgeschlossen, dass dem "Jungpraxen-Privileg" bei einer Nachbesetzung durch einen angestellten Arzt Vorrang vor der Übernahme des vorhandenen Individualbudgets zukommt. Bei einer Poliklinik hängt der Status einer Jungpraxis also vom Arztsitz ab und nicht von der Frage, wie lange der angestellte Arzt schon zugelassen ist. Mit der Regelung des § 9 Absatz 10 b, dritter Spiegelstrich HVM hat die Beklagte sich innerhalb des ihr von § 85 Absatz 4 SGB V gewährten Gestaltungsspielraumes (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003, Az. B 6 KA 54/02 R) gehalten. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verpflichtet die Beklagte keineswegs, auch angestellten Ärzten bis zum 20. Quartal nach ihrer Zulassung das Jungpraxis-Privileg eines unbeschränkten Wachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt zuzugestehen. Soweit sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des BSG zu den Wachstumsmöglichkeiten von unterdurchschnittlich abrechnenden Altpraxen beruft, kann sich die Kammer ihrer Auffassung nicht anschließen. Ihre Auffassung, die Rechtsprechung des BSG zum Wachstum sei auch auf Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V anwendbar, teilt die Kammer nicht. In § 9 Absatz 10 b HVM ist vielmehr geregelt, welches Individualbudget einer Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V für die dort angestellten Ärzte zuzuordnen ist, wenn diese Ärzte weniger als 20 Quartale zugelassen sind. Es geht also gar nicht um das Wachstum von unterdurchschnittlichen Altpraxen, sondern um das privilegierte Wachstum von Jungpraxen. Die Regelungen des HVM zum Wachstum von Jungpraxen hält die Kammer indes nicht auch auf angestellte Ärzte in MVZ und Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V übertragbar. Das BSG hat seine Rechtsprechung zum Wachstum von Arztpraxen für den freiberuflich tätigen Vertragsarzt in eigener Praxis entwickelt und nicht für den angestellten Arzt. So ist in dem Urteil des BSG vom 10. März 2004, Az. B 6 KA 3/03 R, ausdrücklich die Rede von der "Position des Vertragsarztes im Wettbewerb mit den Berufskollegen" und einer fünfjährigen "Aufbauphase". Die von der Klägerin zitierten Urteile streiten nach Auffassung der Kammer vielmehr für die Ansicht, dass die mit dem Jungpraxis-Privileg verbundene Aufbauphase zeitlich mit dem Beginn des Betriebes verbunden sein muss und nicht mit dem Zeitpunkt, an dem der Arzt zugelassen wurde. Denn der eindeutige Sinn und Zweck des Privilegs für Jungpraxen besteht darin, einer neu zugelassenen Praxis eine wirtschaftliche Aufbauphase zu verschaffen, damit sie im Wettbewerb Fuß fassen kann. Bei einem im MVZ oder einer Poliklinik angestellten Arzt ist eine solche Förderung aber gar nicht erforderlich und auch nicht geboten, weil der angestellte Arzt auf einem bestehenden Arztsitz üblicherweise in einen laufenden Betrieb einsteigt. Unter Gesichtspunkten des Individualbudgets ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte einen angestellten Arzt nur auf das dem Arztsitz zugeordnete Individualbudget verweist und ihm damit aufgibt, von diesem Niveau aus unter weiteren Voraussetzungen mit Hilfe der Wachstumsregeln für unterdurchschnittliche Praxen bis zum Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Die Entscheidungsgründe der zitierten Urteile sprechen vielmehr gegen die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass einem MVZ oder einer Poliklinik bei Anstellung eines Jungpraxis-Arztes jedes Mal einen Förderungszeitraum von fünf Jahren zu Gute kommen soll. Dies würde den Einrichtungen gegenüber den Einzelpraxen der niedergelassenen Vertragsärzte einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gäbe. Denn für den in Einzelpraxis niedergelassenen Vertragsarzt läuft nach fünf Jahren das Jungpraxis-Privileg aus, während eine juristische Person die Möglichkeit hätte, durch Nachbesetzung des Arztsitzes mit einem angestellten Jungarzt ein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitt für weitere fünf Jahre zu sichern. Auch die Ausführungen der Klägerin zu Art. 3 Abs. 1 GG greifen im Ergebnis nicht durch. Anders als die Klägerin meint, verletzt § 9 Absatz 10 b dritter Spiegelstrich HVM den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Die Klägerin versucht, mit der Praxisnachfolge eines einzeln niedergelassenen Vertragsarztes und der Nachbesetzung eines Sitzes in einer Poliklinik ein unzulässiges Vergleichspaar auf einen Nenner zu bringen. Nach Auffassung der Kammer bestehen zwischen beiden Konstellationen jedoch gewichtige Unterschiede, die es rechtfertigen und geradezu gebieten, eine Ungleichbehandlung vorzunehmen. Tritt ein Jungarzt die Praxisnachfolge eines Vertragsarztes mit unterdurchschnittlichem Individualbudget ein, steht rechtlich und wirtschaftlich die Übernahme der Praxis im Hintergrund. Tatsächlich baut der Nachfolger in der Einzelpraxis mit der Übernahme erst seine eigene Jungpraxis auf. Besetzt dagegen ein MVZ oder eine Poliklinik einen Arztsitz mit einem angestellten Arzt nach, setzt die Einrichtung damit die vertragsärztliche Tätigkeit mit dem angestellten Arzt fort. Denn Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V erbringen ihre vertragsärztlichen Leistungen durch angestellte Ärzte. Der allein niedergelassene Vertragsarzt bestreitet seine Aufbauphase dagegen durch persönlich erbrachte Leistungen. Das kann dem Vertragsarzt aber nicht insoweit zum Wettbewerbsnachteil gereichen, als dass für ihn eine zeitlich befristete Aufbauphase gilt, während für die Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V jeweils eine neue fünfjährige Aufbauphase zu laufen beginnt, wenn sie den Arztsitz mit einem Jungarzt nachbesetzt. Aufgrund der Unterschiede zu Praxen in freier Niederlassung kommt somit eine Privilegierung von Arztsitzen in Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V durch Anwendung der Neu- und Jungpraxenregelungen auch auf angestellte Ärzte nicht in Betracht. Vielmehr liegen hinreichende sachliche Gründe für eine ungleiche Behandlung vor. Es ist als ein im Rahmen des Sicherstellungsauftrages der Beklagten legitimes und sogar gebotenes Ziel zu werten, Vertragsärzte in freier Niederlassung und deren Vergütungsansprüche nicht faktisch schlechter zu stellen als Einrichtungen im Sinne des § 311 Absatz 2 SGB V.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Rahmen der Honorarverteilung sicherstellen muss, dass es über das Konstrukt eines MVZ oder einer Poliklinik nicht zu einer Ausweitung der Menge von zu einem bestimmten Punktwert vergüteten Leistungen kommt, die sich bei einer begrenzten Gesamtvergütung finanziell nachteilig auf andere Leistungserbringer im Vertragsarztsystem auswirkt. Über die Gründung eines MVZ oder einer Poliklinik könnten - folgte man der Auffassung der Klägerin - Beschränkungen des Wachstums einer Einzelpraxis zu Lasten der übrigen Leistungserbringer im Vertragsarztsystem "ausgehebelt" werden. Wachstumsmöglichkeiten innerhalb eines MVZ bzw. einer Einrichtung im Sinne des § 311 Absatz 2 SGB V können daher nur in dem Maße bestehen, in dem sie auch innerhalb des in diese Einrichtung eingebrachten Vertragsarztsitzes bestanden haben. Dass es im konkreten Fall zu keinem Gestaltungsmissbrauch gekommen sein mag, rechtfertigt es nicht, in entsprechenden Einzelfällen von den dargelegten Grundsätzen abzuweichen. Eine Differenzierung von Ansprüchen auf ein Wachstum des Individualbudgets danach, ob im Einzelfall der Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen ist oder nicht, ist zum einen nicht praktikabel und kommt zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Vielmehr hat die Beklagte über eine allgemeingültige Regelung sicherzustellen, dass es erst gar nicht zu einem solchen Gestaltungsmissbrauch - zum Nachteil insbesondere der in freier Praxis niedergelassenen Vertragsärzte - kommen kann.
Nicht zuletzt spricht auch der Wortlaut des § 311 Absatz 2 SGB V für die oben dargelegte Sichtweise: Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V soll ermöglicht werden, weiterhin in dem Umfang, in dem sie am 31. Dezember 2003 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Bei der gesetzlichen Normierung handelt es sich um eine Bestandsgarantie für die genannten Einrichtungen zum vorgenannten Stichtag. Zwar ist die Norm hinsichtlich der Honorarverteilung systematisch nicht anwendbar, sie verdeutlicht jedoch den Charakter des Bestandsschutzes für die genannten Einrichtungen. Im Lichte dieser Bestimmung ist auch der Anwendungsbereich von § 9 Absatz 10 b HVM zu definieren. So findet sich der genannte Bestandsschutzgedanke auch in der genannten Regelung des HVM wieder. Daher ist es nach Auffassung der Kammer zulässig, die Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V in jene Regelungen des HVM einzubeziehen, die für Vertragsärzte gelten, die schon länger als 20 Quartale zugelassen sind. So haben die genannten Einrichtungen zwar einen Anspruch auf Zuordnung des bis zur Änderung von § 9 Absatz 10 b HVM am 1. April 2006 maximal erreichten Punktzahlvolumens, ein weiteres Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt ist jedoch nur im Rahmen der für Altpraxen geltenden Wachstumsstufen im Sinne des § 9 Absatz 8 b HVM möglich. Damit wird das bisher erreichte Abrechnungsvolumen gesichert und zugleich die Möglichkeit eines weiteren Wachstums eröffnet. Eine Anwendung der Jung- bzw. Neupraxenregelungen bei Arztsitzen, für die ein Individualbudget ermittelt werden kann, wird jedoch ausgeschlossen, da es sich hierbei gerade nicht um Regelungen handelt, die vorrangig dem Bestandsschutz dienen.
Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO).
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Honorarbescheiden, insbesondere die Frage, ob die Regeln des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) zum unbeschränkten Wachstum von Jungpraxen auch für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gelten, bzw. wie diese Regeln für angestellte Ärzte auszugestalten sind.
Die Klägerin nimmt seit dem 1. Oktober 1994 im Verwaltungsbezirk L an der vertragsärztlichen Versorgung teil und betreibt die ... Gesundheitszentrum B ... GmbH, eine nach § 311 Absatz 2 SGB V zugelassene Einrichtung.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2007, eingegangen bei der Beklagten am 10. Januar 2007 legte die Klägerin gegen die Honorarfestsetzungsbescheide des Quartals II/2006 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, in Anwendung von § 9 Absatz 10 b Honorarverteilungsvertrag (HVM) in der ab dem 1. April 2006 geltenden Fassung sei das Individualbudget fehlerhaft festgesetzt worden. Die Änderung von § 9 Absatz 10 b zum II. Quartal 2006 habe dem Ziel gedient, zu verhindern, dass MVZ Praxen mit kleinem Individualbudget aufkaufen und diese Praxen dann durch Nachbesetzung bis zum Fachgruppendurchschnitt wachsen dürften. Dieser Passus könne jedoch keinesfalls auf Einrichtungen nach § 311 SGB V so Anwendung finden, dass Praxisanteilen in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis, die sich noch in der Aufbauphase befinden, keine Wachstumsmöglichkeiten für die Versorgung von zusätzlichen Patienten entsprechend der HVM-Regelung für Jungpraxen zugestanden werde. Diesen Praxen sei noch nach dem alten HVM rechtsverbindlich ein Individualbudget zugeordnet worden. Auf dieser von der Beklagten zugeordneten Basis seien die neuen Ärzte gewonnen und die neuen Praxen ausgestattet worden, medizinisches Hilfspersonal eingestellt und die leistungsbezogene Vergütung für Ärzte vereinbart worden. Die Auslegung des neuen HVM treffe insbesondere fachübergreifende Gemeinschaftspraxen, die in Absprache mit dem Zulassungsausschuss nach der Gesetzesänderung erst zum 1. Januar 2004 hätten neu besetzt werden können. Die Klägerin hätte im Zusammenhang mit der Umstellung der Abrechnungssystematik auf fachübergreifende Gemeinschaftspraxen mit dem Zulassungsausschuss in Abstimmung mit dem Vorstand der Beklagten eine Übergangsregelung für die Nachbesetzung von circa 40 rechtlich zugelassenen, aber zum 1. Januar 2004 nicht besetzten Arztsitzen zum 31. Dezember 2006 vereinbart. In dieser Übergangszeit habe sie alle freien Arztstellen besetzt. Vor dem Hintergrund der mit dem Zulassungsausschuss unter aktiver Teilnahme der Beklagten getroffenen Vereinbarung habe sich der Geschäftsführer und ärztliche Leiter der Klägerin intensiv bemüht, den in der vorgenannten sowie weiteren Einrichtungen tätigen ärztlichen Kollegen eine dauerhafte Perspektive für die Ausübung ihrer ambulanten ärztlichen Tätigkeit zu organisieren. Der Aufbauprozess der somit zusätzlich entstandenen Praxen, die in der Regel weniger als zwei Jahre an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen würden, würde durch diese neue Auslegung des HVM gestoppt. Damit seien auch alle in die Zukunft gerichteten Investitionen, die im Rahmen der 20 Quartale für eine volle Versorgungspraxis kalkuliert worden seien, gefährdet. Es werde daher darum gebeten, für die Nachbesetzung die Gleichbehandlung zu den Nachbesetzungen bei Praxen mit niedergelassenen Ärzten zu gewährleisten und ihnen damit eine Wachstumsmöglichkeit entsprechend der für Jungpraxen geltenden Regelungen zuzugestehen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007, ausgefertigt am 10. Mai 2007, zurück. Soweit die Klägerin geltend mache, bei nach § 311 SGB V zugelassenen Einrichtungen sei eine Einschränkung der Zuwachsregelungen nicht zulässig, ergebe sich der Adressatenkreis bereits aus § 9 Absatz 10 HVM. So seien die folgenden Regelungen auf zugelassene Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V, MVZ und Gemeinschaftspraxen anzuwenden. Der in § 9 Absatz 10 b, 3. Spiegelstrich HVM verwendete Terminus "Einrichtungen" beziehe sich demnach also auf die zuvor genannten "Einrichtungen" nach § 311 Absatz 2 SGB V bzw. auf MVZ, so das die Norm vorliegend anwendbar sei. Zudem habe das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt ausgeführt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bei der Ausformung des HVM einen Gestaltungsspielraum habe, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung sei (Urteil vom 10.12.2003, Az. B 6 KA 54/02 R). Aus den Geboten der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit folge nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssten. Vielmehr dürfe aus sachlichem Grund abgewichen werden; solche Gründe für eine Einschränkung der Wachstumsmöglichkeiten von in Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V angestellten Ärzten lägen vorliegend darin, dass deren Situation sich von in freier Praxis niedergelassenen Vertragsärzten unterscheide. Die Regelungen der §§ 9 Absatz 8 c, d HVM seien auf die Situation von Praxisneugründungen in freier Niederlassung zugeschnitten und berücksichtigten die Anlaufphase bei einer Neuzulassung. Ein wesentlicher Unterschied sei, dass die Klägerin Inhaberin schon seit langem bestehender Arztsitze sei und diese nach eigenem Ermessen neu besetzen könne. Dies bedeute, dass bei dem Ausscheiden eines Leistungserbringers der Arztsitz bei der Klägerin verbleibe und ein neuer Arzt angestellt werden könne, der dann diese Stelle besetze. Bei Anwendung der Neupraxis-Regelungen bei der (Neu-)Anstellung von Ärzten würde dies jedoch dazu führen, dass schon seit langem bestehende Arztsitze mit unterdurchschnittlichem Individualbudget durch personellen Wechsel immer wieder auf den Status "Neupraxis" mit erneutem Lauf der Zeitspanne von 20 Quartalen für das zulässige Jung- bzw. Neupraxiswachstum gesetzt werden müssten. Dies sei jedoch nicht Sinn der vorgenannten Wachstumsregelungen, da diese nur eine zeitlich begrenzte Privilegierung neu zugelassener Vertragsärzte bezweckten. Darüber hinaus würde eine uneingeschränkte Anwendung der Neupraxis-Regelungen auf angestellte Ärzte auch eine deutliche Besserstellung gegenüber niedergelassenen Vertragsärzte bedeuten, da diese nicht die Möglichkeit hätten, ihren Status in der vorgenannten Weise zu ändern. Auch eine Umstellung der Abrechnungssystematik von nach § 311 SGB V zugelassenen Einrichtungen auf fachübergreifende Gemeinschaftspraxen stelle keine Vergleichbarkeit mit der Situation von Praxen in freier Niederlassung her, da die Arztsitze grundsätzlich weiterhin von diesen Einrichtungen gehalten würden, während die Arztsitze in einer niedergelassenen Gemeinschaftspraxis personenbezogen seien. Diese Diskrepanz werde auch dadurch verdeutlicht, dass verschiedene von der Klägerin vertretene Einrichtungen eine Anzahl von Arztsitzen über längere Zeit nicht besetzt habe. In einer niedergelassenen Gemeinschaftspraxis würde ein solcher Arztsitz bei fehlender Nachfolgezulassung entfallen. Aufgrund der Bindung der Arztsitze an die jeweilige Einrichtung hätten jedoch auch nicht besetzte Arztsitze in von der Klägerin vertretenen Einrichtungen fortbestanden und hätten auch nach längerer Zeit neu besetzt werden können. Dies verdeutliche, dass die Arztsitze - ähnlich wie in einem MVZ, das über eigene Arztsitze verfüge - nicht personenbezogen seien. Soweit diese schon lange bestehenden Arztsitze über Individualbudgets verfügen, sei es in diesem Zusammenhang daher rechtskonform, hinsichtlich der Wachstumsregelungen die für Altpraxen geltenden Bestimmungen anzuwenden.
Am 7. Juni 2007 erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Die Beklagte habe bei der Nachbesetzung von zum Teil über mehrere Jahre nicht besetzten Praxissitzen für die einzelnen Einrichtungen die jeweiligen Individualbudgets zugrunde gelegt, die teilweise existierten, ohne § 9 Absatz 8 lit. c) HVM - Wachstumsregelungen für Jungpraxen - zur Anwendung zu bringen. Es gehe vorliegend um die Frage, ob die Regelung in § 9 Absatz 10 b) HVM mit höherrangigem Recht in Einklang zu bringen sei, wenn und soweit bei der Einrichtung zwar dem Grunde nach die Stelle existierte, jedoch über einen längeren Zeitraum nicht besetzt gewesen sei. Die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R -, vom 10.03.2004 - B 6 KA 3/03 R - und vom 28.03.2007 - B 6 KA 10/06 R - sei auf die Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V anwendbar. Zwar handele es sich bei diesen Einrichtungen nicht wie in den Entscheidungen des BSG um Einzelpraxen. Da der HVM jedoch mit den Individualbudgets auf den einzelnen Arzt abstelle, der in der Einrichtung beschäftigt sei, bestehe die erforderliche Vergleichbarkeit zur Einzelpraxis. Diesen Anforderungen werde die Regelung in § 9 Absatz 10 lit. b) HVM nicht gerecht. Zumindest nach einem Zeitraum von zwei Jahren des Nichtbesetztseins der Praxis habe eine vollständige Verflüchtigung des Patientenklientels stattgefunden, mit der Konsequenz, dass dann die Praxis als Anfängerpraxis zu bewerten sei. Dies jedoch lasse der HVM der Beklagten nicht zu, so dass er nicht mit den Grundsätzen des BSG zur Honorarverteilungsgerechtigkeit in Einklang zu bringen sei. Darüber hinaus ergebe sich eine Rechtswidrigkeit der Bescheide der Beklagten, weil sie im Rahmen ihres Ermessens verpflichtet gewesen wäre, ein individuelles Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt unbegrenzt zuzulassen. Neben dem Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei zusätzlich ein unmittelbarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Grundgesetz (GG) festzustellen. Es bestehe - auch vor dem Hintergrund von § 72 Absatz 1 Satz 2 SGB V - keine sachliche Rechtfertigung, Anfängerpraxen außerhalb von MVZ anders zu behandeln als Anfängerpraxen innerhalb von MVZ. Seitens der Beklagten liege kein Gestaltungsmissbrauch vor; vielmehr handele es sich bei der Nachbesetzung um ein auch mit der Beklagten abgestimmtes Verfahren. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die beiden Schriftsätze des Bevollmächtigten der Klägerin vom 18. Februar 2008 und vom 28. Juli 2009 Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 14. April 2010 ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten vortragen, angesichts der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. März 2010 – Aktenzeichen B 6 KA 43/08 R – sei jedenfalls damit zu rechnen, dass das gesamte Regelungskonzept der Individualbudgets als rechtswidrig bewertet werden müsse.
Unter dem 13. November 2007 hatte die Beklagte für folgende Einrichtungen der Beklagten Bescheide erlassen, mit denen das Individualbudget rückwirkend angehoben wurde:
- "G H Straße" (Abrechnungsnummer 7 ) für Herrn Dr. O (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal II/2006) - "Haus " (Abrechnungsnummer 7 ) für Frau L (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal II/2006, nur für den Primärkassenbereich) - "E L Heim " (Abrechnungsnummer 7 ) für Herrn Dr. S /Frau L (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal IV/2006) - "Haus " (Abrechnungsnummer 7 ) für Frau Dr. W (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal II/2006, nur für den Primärkassenbereich) - "F J C " (Abrechnungsnummer 7 ) für Frau B (rückwirkende Anhebung des Individualbudgets auf 60% des Fachgruppendurchschnitts zum Quartal IV/2006, nur für den Primärkassenbereich)
Die Klägerin beantragt,
den Honorarbescheid für das Quartal II/2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, neu über den Honoraranspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, soweit eine Honorarerhöhung nicht schon im Zuge der Umsetzung der Bescheide vom 13. November 2007 erfolgt ist, und zwar für folgende Einrichtungen:
1. Ambulanz P , Abrechnungsnummer 7 2. Arztpraxis für Innere Medizin, Abrechnungsnummer 7 3. Gesundheitszentrum B , Abrechnungsnummer 7 4. Poliklinik "Am -Krankenhaus K k", Abrechnungsnummer 7 , 5. Poliklinik "A ...T ...", Abrechnungsnummer 7 , 6. Poliklinik "E -L -H ", Abrechnungsnummer 7 7. Poliklinik "E -L -H ", Abrechnungsnummer 7 , 8. Poliklinik "F -J -C ", Abrechnungsnummer 7 9. Poliklinik "F -J -C ", Abrechnungsnummer 7 10. Poliklinik "F -J -C ", Abrechnungsnummer 7 11. Poliklinik "G H Straße", Abrechnungsnummer 7 12. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 13. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 14. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 15. Poliklinik "H d ... G ", Abrechnungsnummer 7 16. Poliklinik " M straße", Abrechnungsnummer 7 17. Poliklinik "W Straße", Abrechnungsnummer 7 "
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22. Mai 2008 und 16. Oktober 2009 Bezug genommen. Es wird insbesondere die Frage einer Aktivlegitimation der Klägerin aufgeworfen. Im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R sei anzumerken, dass dieses zwar Bestimmungen zu den Individualbudgets des dort streitgegenständlichen Honorarverteilungsvertrags im Bezirk der KV Nord-Württemberg für rechtswidrig erklärt hat. Es sei jedoch nicht davon auszugehen, dass die durch das BSG angestellten rechtlichen Erwägungen zur Rechtswidrigkeit der im KV-Bezirk Berlin geltenden Honorarverteilungsregelungen führten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.
Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V nehmen zwar von Gesetzes wegen an der vertragsärztlichen Versorgung teil, so dass Leistungserbringer die Polikliniken selbst und nicht die wirtschaftlichen Träger der Einrichtung sind. Unabhängig davon kann nach Auffassung der Kammer Klage auch durch den Träger der Einrichtung selbst erhoben werden. Überdies ergibt sich eine Aktivlegitimation der Klägerin jedenfalls bereits unter dem Gesichtspunkt der Adressatentheorie, hat die Beklagte doch die streitgegenständlichen Bescheide an die Klägerin selbst gerichtet.
Die Kammer geht nicht davon aus, dass die Bescheide der Beklagten vom 13. November 2007 gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits geworden sind. Die Bescheide – die fünf von 17 Einrichtungen der Klägerin betreffen, für die hier Klage erhoben worden war – beziehen sich ihrem Regelungsgehalt nach auf eine Neufestsetzung des Individualbudgets ab dem Quartal II/2006 (wobei zwei der fünf Bescheide dem Antrag nur mit der Maßgabe stattgeben, dass eine Erhöhung ab dem Quartal IV/2006 gewährt wird), treffen also eine Regelung, die zeitlich deutlich über den Streitgegenstand dieses Verfahrens hinausgeht, geht es doch in dem vorliegenden Verfahren lediglich um das Quartal II/2006. Zudem sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Honorarbescheide für das II. Quartal 2006, so dass ein Anspruch auf Festsetzung eines höheren Individualbudgets zwar implizit geprüft wird, aber lediglich mit Wirkung für das streitgegenständliche Quartal.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind indes diejenigen Honorarbescheide geworden, die für das Quartal II/2006 im Zuge der Umsetzung der Bescheide vom 13. November 2007 ergangen sind. Unter welchem Datum entsprechende Honorarbescheide erlassen wurden, konnte durch die Beteiligten indes in der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt werden.
Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Honorarfestsetzungsbescheide der Beklagten für das II. Quartal 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass bereits das Regelungskonzept der Individualbudgets für das hier streitgegenständliche Quartal II/2006 rechtswidrig gewesen wäre. Die Kammer hält das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R, das zu den Honorarverteilungsregelungen des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg ergangen ist, im Ergebnis nicht auf die für das Quartal II/2006 geltenden Honorarverteilungsregelungen im Bezirk der Beklagten übertragbar. Die für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für das II. Quartal 2006 vereinbart hatten, entsprachen zwar nicht den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Bestimmung sind in der Honorarverteilung "insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, - und gemäß § 85 Absatz 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinaus gehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind.
Von den beiden Elementen "arztgruppenspezifische Grenzwerte" und "feste Punktwerte" wichen die in dem Quartal II/2006 geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten ab.
Da es vor dem Hintergrund der Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 – wonach eine Rechtmäßigkeit der Honorarverteilungsregelungen trotz Abweichungen von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V dann in Betracht kommt, wenn bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind (vgl. dazu unten) – auf einen Vergleich der Bestimmungen des in dem Quartal II/2006 geltenden HVM mit den davor geltenden Honorarverteilungsregelungen ankommt, sind auch diese in eine Bewertung im Lichte der Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V miteinzubeziehen:
Zum 1. Juli 2003 erfolgte auf der Grundlage des HVM in der Fassung vom 19. Juni 2003 durch die Beklagte erstmalig die Honorarverteilung auf Grundlage sogenannter Individualbudgets. Das Individualbudget als maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen wurde aus den individuellen Umsätzen im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde.
Nach § 9 Absatz 2 HVM wurden Leistungen, die Ärzte über das ihnen zugeordnete maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen hinaus abrechneten, auf dieses Punktvolumen gekürzt. Die nach Kürzung verbleibenden maximal zulässigen punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einer Fachgruppenquote multipliziert. Die Fachgruppenquote ergab sich, indem die zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe durch das Produkt des maximal zulässigen Punktzahlvolumens der Fachgruppe mit 5,112929 Cent dividiert wurde. Das sich daraus ergebende individuelle Punktzahlvolumen des Arztes wurde mit 5,112929 Cent vergütet. Wurde dieses maximal abrechenbare Punktzahlvolumen im Abrechnungsquartal von einer Praxis unterschritten, trat die abgerechnete Leistungsmenge an die Stelle des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens. Überschritt das abgerechnete Punktzahlvolumen eines Arztes das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen, ergaben sich von 5,11929 Cent abweichende praxisindividuelle Punktwerte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 5,112929 Cent nicht allein das nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelte Punktzahlvolumen maßgeblich war. Eine Verminderung des nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelten Punktzahlvolumens trat dann ein, wenn die Summe der auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlen aller Ärzte der Fachgruppe größer war als die in Punkte umgerechnete zur Vergütung zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe und damit die Fachgruppenquote kleiner 1 war. Die Fachgruppenquote war in jedem Abrechnungsquartal verschieden und ergab sich erst nach Abschluss des Abrechnungsquartals, so dass vor dem jeweiligen Abrechnungsquartal dem Arzt nicht bekannt war, welche Punktmenge mit welchem Punktwert vergütet wird. Es gab also keine vorab dem Arzt bekannten festen Punktwerte.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 ist der ab dem 1. Juli 2003 geltende HVM durch einen neuen HVM ersetzt worden. Dieser neue HVM sah auch weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage von Individualbudgets vor. Nach der Vorschrift des § 9 Absatz 1 HVM sollten die abgerechneten Leistungen bis zum Erreichen der Grenze des Individualbudgets mit einem festen Punktwert von 4,15 Cent vergütet werden. Die über die Grenzen des Individualbudgets hinaus abgerechneten Leistungen sollten mit einem Restpunktwert vergütet werden. Das Individualbudget wurde nach den Regelungen des § 9 Absatz 2 HVM ermittelt. Dazu wurden wiederum zunächst die individuellen Umsätze im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde wiederum durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Dieses Individualbudget wurde jedoch nicht der Vergütung im Abrechnungsquartal zugrunde gelegt. Vielmehr wurde das nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelte Individualbudget mit der Fachgruppenquote multipliziert (§ 9 Absatz 5 HVM). Erst dieses Produkt ergab die Punktzahl, die dann im konkreten Abrechnungsquartal mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Dieses Punktzahlvolumen war jedoch Schwankungen unterworfen, denn die Fachgruppenquote wurde in jedem Quartal neu berechnet. So wurden die jeweils zur Verfügung stehenden Honorarfonds zunächst um 3,9% bei den Hausärzten und 5% bei den Fachärzten gekürzt, um mit den aus der Kürzung resultierenden Beträgen den Restpunktwert zu finanzieren. Das verbleibende Honorar für eine Fachgruppe wurde durch 4,15 Cent dividiert, so dass sich daraus die Punktmenge der Fachgruppe ergab, die mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Sodann wurde dieses Punktvolumen durch die Summe der für die Ärzte nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelten Punktvolumen geteilt. Dieser Quotient war die Fachgruppenquote. Der Betrag der Fachgruppenquote war also von dem jeweils im Abrechnungsquartal zur Verfügung stehenden Honorar der Fachgruppe abhängig. Das tatsächlich mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütete Punktzahlvolumen war somit nur dann mit dem auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlvolumen identisch, wenn die Fachgruppenquote gleich 1 war. War aber die Fachgruppenquote kleiner 1, wurde gemäß § 9 Absatz 5 lit. a) HVM das gemäß § 9 Absatz 2 ermittelte Punktzahlvolumen durch die Multiplikation mit dem Fachgruppenquotienten vermindert und damit weniger Punkte mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet als die Berechnung nach § 9 Absatz 2 HVM ergab. Die übrigen Punkte wurden mit dem Restpunktwert vergütet. Da die Fachgruppenquote dem abrechnenden Arzt erst mit seinem Honorarbescheid bekannt wurde, wusste der Arzt bei seiner Leistungserbringung nicht, welche Punktmenge mit dem Punktwert von 4,15 Cent und welche Punktmenge mit dem Restpunktwert vergütet würde. Einen vorab feststehenden Punktwert gab es also auch nach dem ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM nicht. Auch in dem hier streitgegenständlichen Quartal II/2006 galt ein HVM – derjenige in der Fassung der Vereinbarung vom 10. April 2006 - der die Regelungen des ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM zur Vergütung auf Grundlage von Individualbudgets fortführte. Damit ergab sich der Punktwert für den einzelnen Arzt aus dem Honorarvolumen für die Arztgruppe dividiert durch die Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen. Somit hing die Höhe des Punktwertes davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen dem Honorarvolumen für die Arztgruppe zu der Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen verhielt: Je nachdem, ob diese von den Ärzten abgerechnete Punktmenge größer oder kleiner war, errechnete sich ein geringerer oder höherer Punktwert. Somit war ein sogenannter floatender Punktwert nach Maßgabe des der Arztgruppe zugeordneten Honorarvolumens vorgegeben. Dieser stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V.
Zudem fehlten in den Honorarverteilungsregelungen der Beklagten auch arztgruppenspezifische Festlegungen. Das Merkmal arztgruppenspezifischer Grenzwerte im Sinne des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB erfordert, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Hierfür reicht nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet ist. Vielmehr müsste die Regelung zum Beispiel jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen, und zwar dergestalt, dass eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgegeben wird und deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen dann zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (vgl. BSG, andere Angaben oben, Randnummern 15 und 17 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Bei der Bemessung des Individualbudgets auf der Grundlage der Honorarverteilungsregelungen der Beklagten war die Arztgruppenzugehörigkeit des jeweiligen Arztes jedoch unbeachtlich.
Ob die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V verfolgen, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen – feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte – fehlt.
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für das II. Quartal 2006 vereinbart hatten, erfüllten jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Diese Regelung ist auch – wie das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 entschieden hat (vgl. Randnummer 20-22 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – von der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz in Verbindung mit Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V gedeckt. Die in dieser Übergangsregelung festgelegte Voraussetzung, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden müssen, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind, ist erfüllt: Die oben dargestellten Honorarverteilungsregelungen entfernen sich – chronologisch betrachtet – nicht von den Vorgaben fester Punktwerte und arztgruppenspezifischer Grenzwerte. Insoweit unterscheiden sie sich von dem HVM des KV-Bezirks Nord-Württemberg, den das oben genannte Urteil des BSG zum Gegenstand hatte. Die dort bis zum 31. März 2005 geltenden Honorarverteilungsbestimmungen enthielten keine Regelung über einen floatenden Punktwert und waren daher dem System, das in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V angelegt ist, näher als die Bestimmungen des ab dem 1. April 2005 geltenden HVM (vgl. hierzu BSG, andere Angaben oben, Randnummer 16 und 24 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Insofern führten die ab dem 1. April 2005 im Bezirk der KV Nord-Württemberg geltenden Bestimmungen von der Zielrichtung der Realisierung von Regelleistungsvolumina weg und waren deshalb nicht von der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gedeckt. Vorhandene Steuerungsinstrumente wurden nicht "fortgeführt". Für die im Bezirk der Beklagten geltenden Honorarverteilungsregelungen gilt indes Folgendes: im Unterschied zu dem bis zum 30. Juni 2005 gültigen HVM sieht der ab dem 1. Juli 2005 gültige HVM zwar keinen festen Punktwert, wohl aber bereits einen Zielpunktwert in Höhe von 4,15 Cent vor (§ 9 Absatz 1 HVM). Dieser Zielpunktwert wurde relativ stabil erreicht und in einigen Quartalen sogar übertroffen. Annäherungsweise konnte somit Kalkulationssicherheit für die Ärzte bei der Verteilung des Honorars geschaffen werden, so dass die Einhaltung der gemäß § 85 Absatz 4 SGB V geforderten Steuerungswirkung im Wesentlichen – noch - möglich war.
Zum anderen wurden die Leistungen, die über das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen abgerechnet worden sind, gemäß § 9 Absätze 1, 3 und 6 HVM zu einem abgestaffelten Punktwert – Restpunktwert – vergütet. Auch insoweit werden Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V – und zwar diejenige aus Satz 8 der genannten Vorschrift – bereits teilweise umgesetzt.
Auch im hier streitgegenständlichen II. Quartal 2006 galten die gleichen Vergütungsmodalitäten wie ab dem III. Quartal 2005, das heißt insbesondere Vergütung der abgerechneten Leistungen mit einem zwar nicht festen Punktwert, wohl aber mit einem Zielpunktwert hinsichtlich der innerhalb des Individualbudgets abgerechneten Leistungen und mit einem Restpunktwert hinsichtlich der das Individualbudget überschreitenden Leistungsmenge.
Vor diesem Hintergrund führten die von der Beklagten in den maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen vorgenommenen Änderungen von den Vorgaben des in § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 genannten Zielsetzungen nicht weg, sondern stellten eine schrittweise - und nach Auffassung der Kammer gerade noch ausreichende - Annäherung an diese Vorgaben dar. Bei der Auslegung der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V ist auch zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es – wie auch das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 vertritt (vgl. Randnummer 21 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise Abweichungen zu tolerieren. Dass dies auch im Interesse der Vertragsärzte war, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass – um sofort einen festen Punktwert garantieren zu können – die Höhe der Individualbudgets hätte signifikant abgesenkt werden müssen. Konsequenz wäre eine geringere Vergütung gewesen, als dies mit der Festlegung von Zielpunktwerten der Fall war.
Nicht hinnehmbar wäre es indes gewesen, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen – sei es auch nur vorübergehend – weiter von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt. Dies ist hier – wie oben dargelegt – nicht der Fall gewesen.
Soweit die Klägerin ausführt, die Übergangsregelung aus Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 sei zeitlich bis zum 31. Dezember 2005 befristet und könne im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr greifen, da hier Bescheide für das II. Quartal 2006 streitbefangen seien, ist dies nicht zutreffend. Die Übergangsregelung aus Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 ist über den 31. Dezember 2005 hinaus verlängert worden. Dies ergibt sich aus den Beschlüssen der 4. Sitzung des Erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 Absatz 4 SGB V vom 16. Dezember 2005. Dort heißt es unter Teil V des Beschlusses, der ursprüngliche Beschluss zu den Regelleistungsvolumen vom 13. Mai 2004 werde zunächst auch im Jahre 2006 nicht angewendet, bleibe jedoch weiterhin entsprechend den Vorgaben von Teil IV des RLV-Beschlusses vom 29.10.2004 Ausgangspunkt für eine Anschlussregelung.
Ist das Regelungskonzept der Individualbudgets in der Ausprägung, wie es der HVM der Beklagten vorgesehen hat, in dem hier streitgegenständlichen II. Quartal 2006 gemessen an den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Sätze 7 und 8 SGB V in Verbindung mit der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 als – noch – rechtmäßig anzusehen, so kann die Klägerin aus diesem grundsätzlich auch einen Anspruch auf Berücksichtigung eines höheren Individualbudgets im Rahmen der hier angefochtenen Honorarfestsetzungsbescheide herleiten.
Die Klägerin hat indes konkret keinen Anspruch auf die Zuordnung eines höheren Individualbudgets für die von ihr betriebenen Einrichtungen im streitgegenständlichen Quartal II/2006. Die angefochtenen Honorarfestsetzungsbescheide sind in Anwendung des für das Quartal II/2006 gültigen HVM in der Fassung der Vereinbarung vom 10. April 2006 rechtmäßig festgesetzt worden.
Die Honorarverteilungsregelungen der Kassenärztlichen Vereinigung sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 GG herleitet, zu messen. Bedeutsam ist vor allem die Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 3 SGB V, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen sind. Danach sind ärztliche Leistungen grundsätzlich gleichmäßig zu vergüten, der normsetzenden Körperschaft verbleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihren Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (Urteil des BSG vom 9. September 1998, Aktenzeichen B 6 KA 55/97 R).
Rechtsgrundlage für die Bestimmung der anzuwendenden Wachstumsregelungen ist § 9 Absatz 10 HVM. § 9 Absatz 10 a HVM bestimmt, dass das Individualbudget einer Einrichtung, die im Bemessungszeitraum in der jetzigen Zusammensetzung am derzeitigen Tätigkeitsort gestanden hat, auf der Basis der Quartale I/2002 bis IV/2002 ermittelt wird. Einrichtungen, die nicht unter die in § 9 Absatz 8 a HVM genannte Regelung fallen, erhalten gemäß § 9 Absatz 10 b HVM ein Individualbudget, das sich aus den Individualbudgets eines oder mehrerer Partner beziehungsweise den auf die angestellten Ärzte entfallenden Anteilen des Individualbudgets berechnet. Die Zuwachsregelungen finden auch bei Einrichtungen Anwendung, jedoch mit der Einschränkung, dass § 9 Absatz 8 c, d HVM nicht für angestellte Ärzte gelten, die ihre Zulassung in eine Einrichtung eingebracht oder eine bestehende Arztstelle in einer Einrichtung nachbesetzt haben. Für diese Ärzte gilt die Regelung in § 9 Absatz 2 Satz 6 HVM entsprechend. § 9 Absatz 12 und 13 HVM bleiben unberührt.
In der hier relevanten Konstellation bedeutet dies: besetzt ein MVZ oder eine Poliklinik einen Arztsitz mit einem unter dem Fachgruppendurchschnitt liegenden Individualbudget durch einen "Jungarzt" nach, der weniger als 20 Quartale zugelassen ist, kann die Einrichtung nicht das Individualbudget einer Jungpraxis beanspruchen. Die Einrichtung erhält kein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitts, sondern behält nur das vorhandene unterdurchschnittliche Individualbudget. Die Wachstumsregel für Altpraxen gilt davon unbeschadet weiter (§ 9 Absatz 10 b, zweiter Spiegelstrich HVM in Verbindung mit § 9 Absatz 8 b HVM). Vorbehaltlich des § 10 HVM bleibt der Poliklinik und dem angestellten Arzt noch die Möglichkeit, innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren zum Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Klägerin, der HVM der Beklagten kappe die Möglichkeiten des Wachstums nach 20 Quartalen, nicht nachzuvollziehen.
Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die Regelung des § 9 Absatz 10 b, dritter Spiegelstrich HVM mit höherrangigem Recht in Einklang steht und insbesondere der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und die aus Artikel 3 GG herzuleitenden Anforderungen gewahrt bleiben:
Die Beklagte hat mit dieser Regelung für MVZ und Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V nur ausgeschlossen, dass dem "Jungpraxen-Privileg" bei einer Nachbesetzung durch einen angestellten Arzt Vorrang vor der Übernahme des vorhandenen Individualbudgets zukommt. Bei einer Poliklinik hängt der Status einer Jungpraxis also vom Arztsitz ab und nicht von der Frage, wie lange der angestellte Arzt schon zugelassen ist. Mit der Regelung des § 9 Absatz 10 b, dritter Spiegelstrich HVM hat die Beklagte sich innerhalb des ihr von § 85 Absatz 4 SGB V gewährten Gestaltungsspielraumes (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003, Az. B 6 KA 54/02 R) gehalten. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verpflichtet die Beklagte keineswegs, auch angestellten Ärzten bis zum 20. Quartal nach ihrer Zulassung das Jungpraxis-Privileg eines unbeschränkten Wachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt zuzugestehen. Soweit sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des BSG zu den Wachstumsmöglichkeiten von unterdurchschnittlich abrechnenden Altpraxen beruft, kann sich die Kammer ihrer Auffassung nicht anschließen. Ihre Auffassung, die Rechtsprechung des BSG zum Wachstum sei auch auf Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V anwendbar, teilt die Kammer nicht. In § 9 Absatz 10 b HVM ist vielmehr geregelt, welches Individualbudget einer Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V für die dort angestellten Ärzte zuzuordnen ist, wenn diese Ärzte weniger als 20 Quartale zugelassen sind. Es geht also gar nicht um das Wachstum von unterdurchschnittlichen Altpraxen, sondern um das privilegierte Wachstum von Jungpraxen. Die Regelungen des HVM zum Wachstum von Jungpraxen hält die Kammer indes nicht auch auf angestellte Ärzte in MVZ und Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V übertragbar. Das BSG hat seine Rechtsprechung zum Wachstum von Arztpraxen für den freiberuflich tätigen Vertragsarzt in eigener Praxis entwickelt und nicht für den angestellten Arzt. So ist in dem Urteil des BSG vom 10. März 2004, Az. B 6 KA 3/03 R, ausdrücklich die Rede von der "Position des Vertragsarztes im Wettbewerb mit den Berufskollegen" und einer fünfjährigen "Aufbauphase". Die von der Klägerin zitierten Urteile streiten nach Auffassung der Kammer vielmehr für die Ansicht, dass die mit dem Jungpraxis-Privileg verbundene Aufbauphase zeitlich mit dem Beginn des Betriebes verbunden sein muss und nicht mit dem Zeitpunkt, an dem der Arzt zugelassen wurde. Denn der eindeutige Sinn und Zweck des Privilegs für Jungpraxen besteht darin, einer neu zugelassenen Praxis eine wirtschaftliche Aufbauphase zu verschaffen, damit sie im Wettbewerb Fuß fassen kann. Bei einem im MVZ oder einer Poliklinik angestellten Arzt ist eine solche Förderung aber gar nicht erforderlich und auch nicht geboten, weil der angestellte Arzt auf einem bestehenden Arztsitz üblicherweise in einen laufenden Betrieb einsteigt. Unter Gesichtspunkten des Individualbudgets ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte einen angestellten Arzt nur auf das dem Arztsitz zugeordnete Individualbudget verweist und ihm damit aufgibt, von diesem Niveau aus unter weiteren Voraussetzungen mit Hilfe der Wachstumsregeln für unterdurchschnittliche Praxen bis zum Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Die Entscheidungsgründe der zitierten Urteile sprechen vielmehr gegen die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass einem MVZ oder einer Poliklinik bei Anstellung eines Jungpraxis-Arztes jedes Mal einen Förderungszeitraum von fünf Jahren zu Gute kommen soll. Dies würde den Einrichtungen gegenüber den Einzelpraxen der niedergelassenen Vertragsärzte einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gäbe. Denn für den in Einzelpraxis niedergelassenen Vertragsarzt läuft nach fünf Jahren das Jungpraxis-Privileg aus, während eine juristische Person die Möglichkeit hätte, durch Nachbesetzung des Arztsitzes mit einem angestellten Jungarzt ein Individualbudget in Höhe des Fachgruppendurchschnitt für weitere fünf Jahre zu sichern. Auch die Ausführungen der Klägerin zu Art. 3 Abs. 1 GG greifen im Ergebnis nicht durch. Anders als die Klägerin meint, verletzt § 9 Absatz 10 b dritter Spiegelstrich HVM den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Die Klägerin versucht, mit der Praxisnachfolge eines einzeln niedergelassenen Vertragsarztes und der Nachbesetzung eines Sitzes in einer Poliklinik ein unzulässiges Vergleichspaar auf einen Nenner zu bringen. Nach Auffassung der Kammer bestehen zwischen beiden Konstellationen jedoch gewichtige Unterschiede, die es rechtfertigen und geradezu gebieten, eine Ungleichbehandlung vorzunehmen. Tritt ein Jungarzt die Praxisnachfolge eines Vertragsarztes mit unterdurchschnittlichem Individualbudget ein, steht rechtlich und wirtschaftlich die Übernahme der Praxis im Hintergrund. Tatsächlich baut der Nachfolger in der Einzelpraxis mit der Übernahme erst seine eigene Jungpraxis auf. Besetzt dagegen ein MVZ oder eine Poliklinik einen Arztsitz mit einem angestellten Arzt nach, setzt die Einrichtung damit die vertragsärztliche Tätigkeit mit dem angestellten Arzt fort. Denn Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V erbringen ihre vertragsärztlichen Leistungen durch angestellte Ärzte. Der allein niedergelassene Vertragsarzt bestreitet seine Aufbauphase dagegen durch persönlich erbrachte Leistungen. Das kann dem Vertragsarzt aber nicht insoweit zum Wettbewerbsnachteil gereichen, als dass für ihn eine zeitlich befristete Aufbauphase gilt, während für die Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V jeweils eine neue fünfjährige Aufbauphase zu laufen beginnt, wenn sie den Arztsitz mit einem Jungarzt nachbesetzt. Aufgrund der Unterschiede zu Praxen in freier Niederlassung kommt somit eine Privilegierung von Arztsitzen in Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V durch Anwendung der Neu- und Jungpraxenregelungen auch auf angestellte Ärzte nicht in Betracht. Vielmehr liegen hinreichende sachliche Gründe für eine ungleiche Behandlung vor. Es ist als ein im Rahmen des Sicherstellungsauftrages der Beklagten legitimes und sogar gebotenes Ziel zu werten, Vertragsärzte in freier Niederlassung und deren Vergütungsansprüche nicht faktisch schlechter zu stellen als Einrichtungen im Sinne des § 311 Absatz 2 SGB V.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Rahmen der Honorarverteilung sicherstellen muss, dass es über das Konstrukt eines MVZ oder einer Poliklinik nicht zu einer Ausweitung der Menge von zu einem bestimmten Punktwert vergüteten Leistungen kommt, die sich bei einer begrenzten Gesamtvergütung finanziell nachteilig auf andere Leistungserbringer im Vertragsarztsystem auswirkt. Über die Gründung eines MVZ oder einer Poliklinik könnten - folgte man der Auffassung der Klägerin - Beschränkungen des Wachstums einer Einzelpraxis zu Lasten der übrigen Leistungserbringer im Vertragsarztsystem "ausgehebelt" werden. Wachstumsmöglichkeiten innerhalb eines MVZ bzw. einer Einrichtung im Sinne des § 311 Absatz 2 SGB V können daher nur in dem Maße bestehen, in dem sie auch innerhalb des in diese Einrichtung eingebrachten Vertragsarztsitzes bestanden haben. Dass es im konkreten Fall zu keinem Gestaltungsmissbrauch gekommen sein mag, rechtfertigt es nicht, in entsprechenden Einzelfällen von den dargelegten Grundsätzen abzuweichen. Eine Differenzierung von Ansprüchen auf ein Wachstum des Individualbudgets danach, ob im Einzelfall der Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen ist oder nicht, ist zum einen nicht praktikabel und kommt zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Vielmehr hat die Beklagte über eine allgemeingültige Regelung sicherzustellen, dass es erst gar nicht zu einem solchen Gestaltungsmissbrauch - zum Nachteil insbesondere der in freier Praxis niedergelassenen Vertragsärzte - kommen kann.
Nicht zuletzt spricht auch der Wortlaut des § 311 Absatz 2 SGB V für die oben dargelegte Sichtweise: Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V soll ermöglicht werden, weiterhin in dem Umfang, in dem sie am 31. Dezember 2003 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Bei der gesetzlichen Normierung handelt es sich um eine Bestandsgarantie für die genannten Einrichtungen zum vorgenannten Stichtag. Zwar ist die Norm hinsichtlich der Honorarverteilung systematisch nicht anwendbar, sie verdeutlicht jedoch den Charakter des Bestandsschutzes für die genannten Einrichtungen. Im Lichte dieser Bestimmung ist auch der Anwendungsbereich von § 9 Absatz 10 b HVM zu definieren. So findet sich der genannte Bestandsschutzgedanke auch in der genannten Regelung des HVM wieder. Daher ist es nach Auffassung der Kammer zulässig, die Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V in jene Regelungen des HVM einzubeziehen, die für Vertragsärzte gelten, die schon länger als 20 Quartale zugelassen sind. So haben die genannten Einrichtungen zwar einen Anspruch auf Zuordnung des bis zur Änderung von § 9 Absatz 10 b HVM am 1. April 2006 maximal erreichten Punktzahlvolumens, ein weiteres Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt ist jedoch nur im Rahmen der für Altpraxen geltenden Wachstumsstufen im Sinne des § 9 Absatz 8 b HVM möglich. Damit wird das bisher erreichte Abrechnungsvolumen gesichert und zugleich die Möglichkeit eines weiteren Wachstums eröffnet. Eine Anwendung der Jung- bzw. Neupraxenregelungen bei Arztsitzen, für die ein Individualbudget ermittelt werden kann, wird jedoch ausgeschlossen, da es sich hierbei gerade nicht um Regelungen handelt, die vorrangig dem Bestandsschutz dienen.
Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO).
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