S 180 SF 1712/10 E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
180
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 180 SF 1712/10 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 10. Dezember 2009 (Az. S 58 AL .../09) wird die vom Erinnerungsführer an den Erinnerungsgegner zu gewährende Vergütung auf 740,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der dem beigeordneten Erinnerungsgegner zu gewährenden Vergütung.

Der Klägerin wurde durch Beschluss des Sozialgerichts vom 13.07.2009 Prozesskostenhilfe gewährt und der Erinnerungsgegner als Rechtsanwalt beigeordnet. Der Erinnerungsgegner hatte namens der Klägerin im April 2009 Klage gegen zwei Sperrzeitbescheide der Beklagten eingereicht. Der erste Bescheid betraf eine zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der zweite Bescheid gleichen Datums beinhaltete eine einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III. Den Widerspruch gegen den letztgenannten Bescheid hatte der Erinnerungsgegner für die Klägerin eingelegt, während sie das andere Widerspruchsverfahren selbst geführt hatte.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung im November 2009 schlossen die Beteiligten einen Vergleich. Darin wurde der Bescheid über die zwölfwöchige Sperrzeit aufgehoben und die Klage im Übrigen zurückgenommen.

Mit Formularantrag vom 22.11.2009 beantragte der Erinnerungsgegner die Festsetzung seiner Vergütung nach folgender Berechnung: Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 420,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG 290,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG 270,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Summe 1.000,00 EUR.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsgegner zu gewährende Vergütung auf den Betrag von 800,00 EUR fest. Dabei legte sie folgende Berechnung zugrunde: Verfahrensgebühr nach Nr. 3103/3102 VV RVG 330,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG 250,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Summe 800,00 EUR.

Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin u. a. aus, dass entgegen der Ansicht des Erinnerungsgegners die Mittelgebühren nach Nr. 3102 VV RVG und Nr. 3103 VV RVG nicht zu addieren seien. Für das Klageverfahren sei nur eine Verfahrensgebühr festzusetzen, wobei zu berücksichtigen sei, dass sich das Verfahren auf zwei Widerspruchsverfahren bezogen habe. In Anbetracht der ausführlichen Klagebegründung, des Arbeitsaufwandes für die Prüfung von zwei Widerspruchsbescheiden werde eine Gebühr von 330,00 EUR für angemessen gehalten. Die Einigungsgebühr werde auf 250,00 EUR festgesetzt, da insbesondere der Ausgang des Verfahrens mit der Aufhebung der zwölfwöchigen Sperrzeit für die Klägerin eine hohe wirtschaftliche Bedeutung gehabt habe.

Gegen diesen Vergütungsfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 25. Januar 2010. Der Erinnerungsführer meint, es komme Nr. 3103 VV RVG zum Tragen, da der beigeordnete Rechtsanwalt bereits in einem Widerspruchsverfahren tätig gewesen sei. Die Tätigkeit bezüglich des zweiten Widerspruchsverfahrens könne über eine leicht über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr von 200,00 EUR berücksichtigt werden. Die vom Erinnerungsgegner vorgenommene Addition der Verfahrensgebühren verstoße gegen den Grundsatz kostensparender Kostenführung. Die Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG sei trotz des insoweit fehlenden Antrags zu berücksichtigen, da hier Absetzungen zu tätigen und alle dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren und Auslagen zu berechnen seien. Die Einigungsgebühr betrage nur 190,00 EUR. Insgesamt folge daraus eine Vergütung von 725,90 EUR (200 EUR Verfahrensgebühr, 200 EUR Terminsgebühr, 190 EUR Einigungsgebühr, 20 EUR Auslagenpauschale, 115,90 EUR Umsatzsteuer).

Der Erinnerungsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die Ansicht des Erinnerungsführers führe dazu, dass die Mehrarbeit für die Bearbeitung von zwei Widersprüchen nicht berücksichtigt werde. Allein durch die Tätigkeit bezüglich des Widerspruchsverfahrens, in dem er die Klägerin nicht vertreten habe, habe er die Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG verdient. Diese Gebühr sei wegen des weiteren Widerspruchs angemessen zu erhöhen. Das habe das Gericht mit guten Gründen getan, indem es eine Erhöhung von 80,00 EUR vorgenommen habe. Die Ansetzung des Erinnerungsführers bezüglich der Einigungsgebühr sei mangels Begründung nicht nachvollziehbar.

II.

Die zulässige Erinnerung vom 25. Januar 2010, hier eingegangen am selben Tag, ist zum Teil begründet. Im angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss sind im Ergebnis zu Unrecht Gebühren und Auslagen in Höhe von 800,00 EUR festgesetzt worden. Anzusetzen sind nach Ansicht der Kammer folgende Kostenpositionen:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 330,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV RVG 190,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Summe 740,00 EUR.

Die Verfahrensgebühr folgt aus dem Rahmen des Gebührentatbestands der Nr. 3102 VV RVG und nicht der Nr. 3103 VV RVG. Sie ist auch nicht unbillig hoch. Insoweit kann der Erinnerung nicht gefolgt werden. Allerdings fällt die Einigungsgebühr gem. Nr. 1006, 1005 VV RVG mit 250,00 EUR zu hoch aus, angemessen ist die Mittelgebühr von 190,00 EUR. Entgegen der Erinnerung kann die Kammer zudem keine Grundlage für die Festsetzung der Umsatzsteuer erkennen.

Nach § 3 Abs. 1 RVG entstehen Betragsrahmengebühren in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Personen gehört. Da die Klägerin zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht anwendbar ist, entstehen hier Betragsrahmengebühren.

Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 RVG.

Unter Beachtung der Bemessenskriterien des § 14 Abs. 1 RVG ist hier die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 330,00 EUR nicht zu beanstanden. Die Erinnerung hat insoweit keinen Erfolg.

Richtig geht der Erinnerungsführer davon aus, dass hier eine einheitliche Tätigkeit des Rechtsanwalts im Klageverfahren vorliegt und somit nicht etwa Nr. 3102 VV RVG und Nr. 3103 VV RVG nebeneinander zur Anwendung kommen können. Allerdings kommt der Gebührenrahmen aus Nr. 3103 VV RVG hier zur Überzeugung der Kammer nicht zur Anwendung. Nr. 3103 VV RVG ist anwendbar, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Es ist vorliegend keine Tätigkeit des Bevollmächtigten in dem der Nachprüfung der Verwaltungsakte dienenden Verwaltungsverfahren (Widerspruchsverfahren) i. S. d. Nr. 3103 VV RVG vorausgegangen. Wenn bei mehreren Streitgegenständen im Klageverfahren der Rechtsanwalt nicht in sämtlichen vorausgegangenen Widerspruchsverfahren die Vertretung übernommen hatte, ist der niedrigere Gebührenrahmen aus Nr. 3103 VV RVG nicht anwendbar.

Nach der Gesetzesbegründung soll mit dem geringeren Gebührenrahmen in Nr. 3103 VV RVG berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren bzw. im Vorverfahren die Tätigkeit im anschließenden Klageverfahren "durchaus erleichtert" (BT-Drs. 15/1971, S. 212). Danach soll der "durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand" ausschließlich durch den gegenüber Nr. 3102 VV RVG geringeren Rahmen berücksichtigt werden. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung, dass der niedrigere Rahmen für den Fall vorgeschlagen wird, dass "der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren oder in einem dem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden weiteren Verwaltungsverfahren tätig geworden ist" (BT-Drs. 15/1971, S. 212). Der Wortlaut der Gesetzesbegründung deutet somit darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht den Fall einer partiellen Vorbefassung des Rechtsanwalts vor Augen hatte, sondern nur den Fall einer gänzlichen Vorbefassung. Dies schlägt sich auch im Wortlaut der Regelung nieder, da sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts "im" vorausgegangenen Verwaltungs- oder Vorverfahren voraussetzt.

Dieses Ergebnis wird auch gestützt durch den Sinn und Zweck der Regelung, der in der Berücksichtigung von Arbeitserleichterungen bzw. Synergieeffekten besteht (SG Berlin, Beschluss v. 10.06.2009, S 165 SF 601/09 E; vgl. zu der Parallelregelung in Nr. 2401 VV RVG bzw. Nr. 2501 VV RVG a. F.: BSG, Urteil v. 25.02.2010, B 11 AL 24/08 R und Beschluss der Kammer v. 26.07.2010, S 180 SF 1443/09 E, zitiert nach juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Wenn der Rechtsanwalt nur zum Teil in den vorausgegangenen Widerspruchsverfahren beteiligt war, können solche Synergien auch nur teilweise bestehen. Insbesondere bei einer Vorbefassung bezüglich eines untergeordneten Streitgegenstands - wie in diesem Fall - ist die Annahme von gebührenmindernden Synergieeffekten nicht gerechtfertigt. So betraf hier die Vorbefassung nur die einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung, während der Erinnerungsgegner im Widerspruchsverfahren betreffend die zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht beauftragt war. Im Klageverfahren entfiel der ganz überwiegende Vortrag auf die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, die für die Klägerin auch wirtschaftlich weitaus bedeutsamer war. Der Erinnerungsgegner konnte mithin nur sehr beschränkt von Synergieeffekten profitieren. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist die Anwendung von Nr. 3103 VV RVG daher nicht angezeigt.

Der niedrigere Gebührenrahmen von Nr. 3103 VV RVG rechtfertigt sich ferner auch dadurch, dass der Rechtsanwalt bezüglich seiner vorangegangen Tätigkeit bereits eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG verdient und diese gegenüber seinem Mandanten in Rechnung stellen kann (vgl. zu der Parallelregelung in Nr. 2401 VV RVG bzw. 2501 VV RVG a. F.: BSG, Urteil v. 25.02.2010, B 11 AL 24/08 R Rn. 29 und Beschluss der Kammer v. 26.07.2010, S 180 SF 1443/09 E, zitiert nach juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Vorliegend hat der Rechtsanwalt die Klägerin im Vorverfahren bezüglich der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, die den Hauptstreitgegenstand im Klageverfahren bildete, nicht vertreten und kann insoweit auch keine Vergütung verlangen. Es erscheint daher auch aus diesem Grunde nicht angemessen, die Verfahrensgebühr aus dem Rahmen in Nr. 3103 VV RVG zu bilden.

Darüber hinaus spricht gegen die Anwendbarkeit von Nr. 3103 VV RVG, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift zu der Grundregel in Nr. 3102 VV RVG handelt und solche Ausnahmeregelungen nach allgemeiner Ansicht eng auszulegen sind.

Sollte im Einzelfall der Rechtsanwalt von seiner Tätigkeit in einem der vorausgegangenen Widerspruchsverfahren erheblich profitieren und der Umfang der Anwaltstätigkeit gegenüber sonstigen sozialgerichtlichen Klageverfahren damit unterdurchschnittlich sein, kann dies auch innerhalb des Gebührenrahmens in Nr. 3102 VV RVG durch angemessene Abschläge auf die Mittelgebühr berücksichtigt werden. Dies wäre hier denkbar gewesen, wenn der Erinnerungsgegner die Klägerin in dem Widerspruchsverfahren bezüglich der zwölfwöchigen Sperrzeit vertreten hätte.

Innerhalb des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG ist zutreffend keine niedrigere Gebühr als 330,00 EUR festgesetzt worden. Die Bewertungen im angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss zu Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch im Übrigen sind Fehler bei der Bestimmung der Verfahrensgebühr nicht ersichtlich. Die Kammer kann ebenfalls nicht erkennen, dass nach den Bemessenskriterien des § 14 RVG hier, wie vom Erinnerungsführer beantragt, nur eine Gebühr in Höhe von 200,00 EUR festzusetzen wäre. Ein Zuschlag von 80,00 EUR auf die Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG erscheint billig. Dabei ist festzuhalten, dass die vom Erinnerungsgegner eingereichte Klagebegründung nicht nur ausführlich war, sondern sich zudem mit einschlägiger, auch höchstrichterlicher Rechtsprechung befasste. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin waren angesichts der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterdurchschnittlich. Allerdings war die Bedeutung der Angelegenheit für sie deutlich überdurchschnittlich, da es um die Bewilligung von Arbeitslosengeld für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ging. Ein besonderes Haftungsrisiko des Bevollmächtigten ist nicht ersichtlich. Insgesamt erscheint die Festsetzung einer Verfahrensgebühr von 330,00 EUR angemessen.

Die angemessene Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG ist mit der Erinnerung mit 190,00 EUR (Mittelgebühr) zu bestimmten. Unstreitig ist eine Einigungsgebühr angefallen, da die Beteiligten in dem Verhandlungstermin vom 20.11.2009 zur Beendigung des Rechtsstreits einen gerichtlichen Vergleich geschlossen haben.

Der im Termin geschlossene Vergleich weist keine Besonderheiten auf. Der Vergleich beinhaltet drei kurze Regelungen zu den beiden Streitgegenständen und der Kostenerstattung. Er ist nicht besonders kompliziert oder umfangreich. Der Inhalt des Prozessvergleichs wurde offenbar auf Vorschlag des Vorsitzenden mit der Vertreterin der Beklagten im Termin vereinbart. Die Anforderungen an die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss des gerichtlichen Vergleichs sind somit als durchschnittlich zu bewerten (vgl. Beschluss der Kammer v. 03.12.2010, S 180 SF 1755/09 E, zitiert nach juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Auch die im angefochtenen Beschluss betonte hohe wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeberin rechtfertigt keine Zuschläge auf die Mittelgebühr. Denn dieser gesteigerten Bedeutung stehen die überdurchschnittlich schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin gegenüber, vgl. die obigen Ausführungen. Im Übrigen sind Anhaltspunkte für die Festsetzung einer höheren Gebühr nicht ersichtlich. Mithin war die Mittelgebühr festzusetzen.

Die Kammer hat entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers keine Umsatzsteuer festgesetzt. Denn die Festsetzung der Umsatzsteuer ist vom Erinnerungsgegner nicht beantragt worden. Insoweit gilt es zu beachten, dass auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren eine Bindung an den Antrag des beigeordneten Rechtsanwalts besteht und eine darüber hinausgehende Festsetzung nicht zulässig ist (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 55 Rn. 23; Pukall in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 55 Rn. 29). Anerkannt ist aber, dass ein Positionsaustausch möglich ist und damit statt einer geforderten, aber nicht oder nicht in der begehrten Höhe entstandenen Gebühr, eine andere, nicht geforderte, aber entstandene Gebühr festgesetzt werden darf (Müller-Rabe, a. a. O., § 55 Rn. 24; Pukall, a. a. O., § 55 Rn. 29). Offenbar geht der Erinnerungsführer davon aus, dass hier ein solcher Tausch von Gebührenpositionen die Ansetzung der Umsatzsteuer zulässt.

Fraglich ist insoweit, ob nach diesen Grundsätzen statt einer beantragten höheren Gebühr eine nicht beantragte Umsatzsteuer festgesetzt werden darf. Denn dabei handelt es sich nicht um eine angefallene Gebühr, die möglicherweise übersehen worden ist, sondern um eine Auslage, die im Regelfall stets anfällt. Diese Frage kann hier aber dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Festsetzung von bestimmten Kostenpositionen ausdrücklich nicht begehrt wird, ist ein Positionstausch nicht zulässig (vgl. Müller-Rabe, a. a. O., § 55 Rn. 24). Hier kann nach den vorliegenden Umständen davon ausgegangen werden, dass bewusst die Festsetzung der Umsatzsteuer nicht beantragt wurde. Zunächst hat der Erinnerungsgegner für seinen Festsetzungsantrag einen Vordruck benutzt und die darin vorgesehene Zeile "Umsatzsteuer auf die Vergütung" frei gelassen, während er die übrigen einschlägigen Positionen ordnungsgemäß angegeben hat. Zudem hat er gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss, in dem die Umsatzsetzer nicht angesetzt wurde, keine Erinnerung eingelegt. Schließlich hat er im Erinnerungsverfahren nicht etwa sinngemäß geltend gemacht, dass die Umsatzsteuer zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Demnach ist die Festsetzung der Umsatzsteuer nicht beantragt worden und kann eine Festsetzung auch nicht im Wege des Positionstausches erfolgen.

Ferner gilt es zu beachten, dass die Nichtgeltendmachung der Umsatzsteuer durchaus nicht ein Versehen sein muss. Der Rechtsanwalt kann etwa als sog. Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Entrichtung der Umsatzsteuer befreit sein, vgl. auch die Anmerkung zu Nr. 7008 VV RVG. Da der Rechtsanwalt in diesem Fall für seine Dienstleistung keine Umsatzsteuer abführen muss, kann er sie auch nicht dem Auftraggeber oder der Staatskasse in Rechnung stellen. Da hier nicht bekannt ist, ob der Erinnerungsgegner die Regelung des § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch genommen hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Umsatzsteuer als Auslage angefallen ist. Wenn das Entstehen dieser Auslage aber nicht festgestellt werden kann, scheidet ein Positionstausch auch aus diesem Grunde aus.

Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss war somit nach den vorstehenden Ausführungen abzuändern. Die Erinnerung war demnach zum Teil erfolgreich, weil die Einigungsgebühr zu hoch angesetzt worden ist.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Die Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht statthaft, vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.06.2008, L 1 B 60/08 SF AL.
Rechtskraft
Aus
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