S 76 KR 2138/10 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
76
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 2138/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 368/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt. Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin sind nicht erstattungsfähig.

Gründe:

Der bei dem Sozialgericht (SG) Berlin am 15. November 2010 eingegangene zulässige Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren und eine Versichertenkarte auszustellen, ist nicht begründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches (des Anspruchs der Antragstellerin auf die begehrte Regelung) und eines Anordnungsgrundes (einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres Funktionszusammenhangs ein bewegliches System: Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto strengere Anforderungen sind dann an den Anordnungsgrund zu stellen und umgekehrt. Dabei sind auch, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05). Nach dieser Rechtsprechung müssen sich die Gerichte im Übrigen stets schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen.

Ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist, weil die Antragstellerin auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeld II und wegen Bestehens einer privaten Krankenversicherung bis Ende 1997 pflichtversichertes Mitglied der Antragsgegnerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ist, kann offen bleiben (für entsprechende Konstellationen bejahend SG Berlin, Beschluss vom 1. März 2010, Az.: S 36 KR 182/10 ER, juris, nachgehend Landessozialgericht – LSG – Berlin-Potsdam, Beschluss vom 6. Mai 2010, Az.: L 9 KR 102/10 B ER sowie Beschluss vom 21. Mai 2010, Az.: L 9 KR 33/10 B ER, juris; SG Augsburg, Beschluss vom 01. September 2009, Az.: S 12 KR 235/09 ER, sozialgerichtsbarkeit.de; offen gelassen von LSG Essen, Beschluss vom 23. August 2010, Az.: L 16 KR 329/10 B ER, juris, welches jedoch einen Ausschluss von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5a Alt. 2 SGB V auch für Fälle bejaht, in denen die selbständige Tätigkeit nicht bis zum Beginn des Arbeitslosengeld-II-Bezugs ausgeübt worden ist). Denn die Antragstellerin hat vorliegend das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin, insbesondere weder aus ihrer eidesstattlichen Versicherung noch aus dem vorgelegten Arztbericht, und ist auch sonst nicht ersichtlich. Zwar wird in der Antragsschrift vorgetragen, die Antragstellerin leide unter sehr starkem, medikamentös behandeltem Blutdruck und könne in der Mitte ihres Blickfeldes nicht sehen; beides könne als Notfallbehandlung nicht durchgeführt werden. In ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt die Antragstellerin, sie leide unter Bluthochdruck und habe Tabletten nehmen müssen; in der Mitte des Blickfeldes könne sie wegen eines Schattens einen Punkt nicht richtig sehen. Eine akute Behandlungsbedürftigkeit ist darin nicht zu erkennen, ebenso wie in der vom V Klinikum N empfohlenen Nachbehandlung anlässlich der Vorstellung wegen eines Schulterschmerzes am 04. August 2010. Konkrete unabweisbar erscheinende Behandlungen wegen der dort mitgeteilten Gesundheitsstörungen gehen aus der Bescheinigung nicht hervor. Zwar hat die Erlangung von Krankenversicherungsschutz erhebliche Bedeutung, es ist aber nicht ersichtlich, dass aktuell ärztliche Behandlungsmaßnahmen unabweisbar wären.

Die Antragstellerin ist darauf zu verweisen, sich um – endgültigen – Versicherungsschutz zu bemühen und entsprechend ihrer (seit 01. Januar 2009 bestehenden) Verpflichtung eine private Krankenversicherung zumindest im Basistarif abzuschließen (vgl. LSG Essen, Beschluss vom 23. August 2010, Az.: L 16 KR 329/10 B ER, juris). Sie ist weiterhin nach § 193 Abs. 3 VVG berechtigt und verpflichtet, sich in der privaten KV zu versichern. Für die Versicherungsunternehmen der privaten KV besteht gemäß § 193 Abs. 5 VVG Kontrahierungszwang für eine Versicherung im Basistarif. Die Versicherung im Basistarif kann nicht wegen Vorerkrankungen abgelehnt werden.

Der Antrag war nach alledem abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§§ 73a SGG, 114 ZPO).
Rechtskraft
Aus
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