S 180 SF 2308/10 E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
180
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 180 SF 2308/10 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 02. März 2010 (Az. S 25 U /08) wird der Betrag der von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.246,16 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen. Die Erinnerungsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsführers zu 10 Prozent zu erstatten.

Gründe:

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 1.246,16 EUR entsprechend der nachstehenden Berechnung festzusetzen:

Klageverfahren Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 460,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG 380,00 EUR Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG 25,20 EUR Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG 40,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (19 %) 175,78 EUR Summe 1.100,98 EUR

Berufungsverfahren Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG 102,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (19 %) 23,18 EUR Summe 145,18 EUR Gesamtbetrag 1.246,16 EUR.

Die zulässige Erinnerung vom 09.03.2010, hier eingegangen am 10.03.2010, ist nur zum Teil begründet. Sie hat Erfolg, soweit die Anhebung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 376,00 EUR auf die Höchstgebühr von 460,00 EUR begehrt wird. Soweit dagegen die Festsetzung einer höheren Verfahrensgebühr gem. Nr. 3204 VV RVG für das Berufungsverfahren sowie des vom Erinnerungsführer für das Sachverständigengutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verauslagten Kostenvorschusses in Höhe von 1.000,00 EUR begehrt wird, war die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG für das Verfahren vor dem Sozialgericht ist die Erinnerung begründet. Die vom Bevollmächtigten des Erinnerungsführers beantragte Höchstgebühr von 460,00 EUR erscheint für die Kammer unter Berücksichtigung der Bemessenskriterien nach § 14 Abs. 1 RVG jedenfalls nicht unbillig.

Umfang und Schwierigkeit der Anwaltstätigkeit sind weit überdurchschnittlich. Es handelte sich um ein langwieriges Verfahren auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei das Vorliegen eines Arbeitsunfalls streitig war. Es wurden zwei umfangreiche Sachverständigengutachten durch das Gericht eingeholt, nachdem bereits die Erinnerungsgegnerin im Verwaltungsverfahren ein medizinisches Gutachten herangezogen hatte. Der Bevollmächtigte musste sich insbesondere mit dem ersten Sachverständigengutachten eingehend befassen und seine Bedenken mehrfach schriftsätzlich vortragen, nachdem durch das Gericht wiederholt eine Klagerücknahme angeregt worden war. Zudem wurden im Verfahren schriftliche Aussagen von zwei Zeugen eingeholt, mit denen sich der Bevollmächtigte ebenfalls vertieft auseinanderzusetzen hatte. Diese Zeugen wurden im zweiten Termin vor dem Sozialgericht auch vernommen. Sowohl die eingehende Befassung mit den medizinischen Fachgutachten als auch die umfangreiche Beweiswürdigung sind Gründe für überdurchschnittliche tatsächliche Schwierigkeiten der Anwaltstätigkeit (vgl. BSG, Urteil v. 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris Rn. 33).

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Erinnerungsführer wird als merklich überdurchschnittlich eingeschätzt, auch wenn keine konkreten Leistungen im Streit standen. Denn die Feststellung des Arbeitsunfalls ist regelmäßig Grundlage für bedeutende und hohe Ansprüche des Versicherten. Hierbei ist zu bedenken, dass die mittel- und langfristigen Folgen eines Arbeitsunfalls ungewiss und sehr gravierend sein können. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Erinnerungsführers sind mit den Beteiligten als durchschnittlich einzustufen.

Insgesamt ist die beantragte Höchstgebühr nach Nr. 3102 VV RVG nicht unbillig, so dass der Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit zugunsten des Erinnerungsführers abzuändern war.

Der Erinnerung kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit für die Verfahrensgebühr des Berufungsverfahrens der Betrag von 310,00 EUR statt der festgesetzten 102,00 EUR begehrt wird. Die beantragte Mittelgebühr nach Nr. 3204 VV RVG ist unbillig. Im angefochtenen Beschluss wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Berufung durch die Erinnerungsgegnerin nur zur Fristwahrung eingereicht worden war und der Bevollmächtigte ohne Begründung lediglich die Zurückweisung der Berufung beantragt hatte. Noch vor Übersendung einer Berufungsbegründung wurde das Rechtsmittel durch die Erinnerungsgegnerin zurückgenommen. Auch wenn die inhaltliche Bearbeitung durch den Bevollmächtigten - wie dieser mit der Erinnerung vorträgt - trotz der fehlenden Berufungsbegründung stattgefunden hatte, ist die Festsetzung der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt. Die streitige Sach- und Rechtslage war dem Bevollmächtigten durch seine Beteiligung im Verfahren vor dem Sozialgericht bekannt. Ohne Kenntnis einer Berufungsbegründung konnte er nicht abschätzen, ob und inwieweit eine Auseinandersetzung mit anderen, bislang nicht erörterten Sach- und Rechtsfragen erforderlich war. Die Anforderungen an die Anwaltstätigkeit sind im Kostenfestsetzungsbeschluss daher zutreffend als weit unterdurchschnittlich bewertet worden. Als über dem Durchschnitt liegender Umstand bleibt für die Verfahrensgebühr des Berufungsverfahrens nur die Bedeutung der Angelegenheit für den Erinnerungsführer. Alle anderen Bemessenskriterien sind weit unterdurchschnittlich, so dass eine höhere Gebühr als 102,00 EUR - also etwa die doppelte Mindestgebühr von 50,00 EUR - nicht gerechtfertigt sein kann.

Schließlich ist die Erinnerung auch bezüglich der beantragten Kosten für das Sachverständigengutachten nach § 109 SGG nicht begründet. Die Kosten für ein solches Gutachten gehören zur Überzeugung der Kammer nicht zu den gem. § 193 Abs. 2 SGG erstattungsfähigen notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

Nach § 109 Abs. 1 S. 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGG). Diese Vorschrift in § 109 Abs. 1 S. 2 SGG zur Kostentragung stellt eine spezielle und abschließende Regelung dar, die gegenüber der allgemeinen Kostentragungsregelung nach § 193 SGG Vorrang hat (vgl. SG Frankfurt, Beschluss v. 21.03.1991, S 18 S 284/87; Knittel in: Henning, SGG, § 193 Rn. 43 und § 183 Rn. 5; Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Aufl., § 193 Rn. 14; Straßfeld in: Jansen, SGG, 2. Aufl., § 193 Rn. 28; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 109 Rn. 16b). Es handelt sich bei den Gutachtenskosten nach § 109 SGG um Gerichtskosten, die ausnahmsweise auch in gerichtskostenfreien Verfahren durch die kostenprivilegierten Kläger zu übernehmen sind, wenn das Gericht nicht etwas anderes bestimmt. Da diese Kosten also begrifflich keine außergerichtlichen Kosten des Klägers nach § 193 SGG darstellen und § 109 Abs. 1 S. 2 SGG hierzu eine abschließende Spezialregelung enthält, können sie niemals nach § 193 SGG durch den Kostenschuldner zu ersetzen sein (Knittel, a. a. O.; Rohwer-Kahlmann, a. a. O.; Straßfeld, a. a. O.; a. A. aber: Zeihe, SGG, 8. Aufl., § 193 Rn. 15d; wohl auch Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 193 Rn. 7a, wonach nur "idR" der Weg über § 109 in Betracht kommt).

Dem Kläger, von dem ein Kostenvorschuss für die Einholung des Sachverständigengutachtens angefordert worden ist, bleibt also zur Kostenerstattung nur die Möglichkeit, einen Antrag auf Kostenübernahme durch die Staatskasse nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGG zu stellen. Insbesondere wenn der Kläger in dem Verfahren obsiegt und die Beklagte entsprechend zur Kostenerstattung verpflichtet ist, wird der Kläger in aller Regel den nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGG übernommenen Kostenvorschuss auf seinen Antrag durch Entscheidung des Gerichts erstattet bekommen. Denn in diesen Fällen wird regelmäßig das Sachverständigengutachten nach § 109 SGG die Sachaufklärung im Klageverfahren gefördert haben, so dass eine Kostenübernahme seitens der Staatskasse angezeigt ist (vgl. Keller, a. a. O., § 109 Rn. 16a). Daher dürfte auch der Erinnerungsführer die von ihm gezahlten Kosten aus der Landeskasse erstattet bekommen können. Ein Anspruch auf Erstattung durch den unterlegenen Klagegegner besteht jedenfalls nicht.

Der Erinnerung war nach alledem nur zu einem geringen Teil zu entsprechen, im Übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Die Kammer hält im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammern des Sozialgerichts Berlin eine eigenständige Kostenentscheidung auch im Erinnerungsverfahren für notwendig, und zwar aus den z. B. in den Beschlüssen der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 164 SF 118/09 E vom 6. März 2009 - und der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar 2009 - grundsätzlich dargelegten Gründen.

Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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