Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
182
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 182 KR 669/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Sozialgericht Berlin erklärt sich für örtlich unzuständig und legt die Streitsache dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Abschlägen auf Arzneimittel.
Der Kläger ist selbständiger Apotheker und Inhaber zweier Apotheken in Bad G und K. Die beklagte Krankenkasse hat sich im Jahre 2010 mit der Innungskrankenkasse (IKK) Niedersachsen zusammengeschlossen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des gesamten gesetzlichen Kassenabschlags für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Anspruch, die er im Kalenderjahr 2009 an die Versicherten der Beklagten einschließlich der IKK Niedersachsen abgegeben hat. Er stützt seinen Anspruch auf § 130 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und macht geltend, die Beklagte habe seine Rechnung nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang beglichen.
Die Klage wurde am 22. Dezember 2010 zum Sozialgericht Hildesheim erhoben. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 wies das Gericht darauf hin, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Berlin oder das zuständige Sozialgericht Hannover zu verweisen. Der Kläger wandte sich gegen eine Verweisung. Die Beklagte verhielt sich dazu nicht. Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 erklärte sich das Sozialgericht Hildesheim für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren sei die Vergütung für Arzneimittel auf der Basis eines auf Bundesebene gemäß § 129 SGB V geschlossenen Rahmenvertrages ("Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in der Fassung vom 7. Dezember 2009, geschlossen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V.", im Folgenden: Rahmenvertrag). Nach der Neufassung des § 57a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab dem 1. April 2008 sei örtlich zuständig das Sozialgericht Berlin als Sozialgericht, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat.
Der Rahmenvertrag, der auch das Nähere über das Zustandekommen des Zahlungs- und Lieferanspruchs zwischen Krankenkasse und Apotheke regelt, enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
"§ 2 Geltungsbereich des Rahmenvertrages
(1) Der Rahmenvertrag hat einerseits Rechtswirkung für die Krankenkassen nach § 4 SGB V. (2) Der Rahmenvertrag hat andererseits Rechtswirkung für die nach § 129 Absatz 3 SGB V bestimmten Apotheken. Apotheken, die weder einem Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes noch diesem Rahmenvertrag beigetreten sind, sind von der Lieferung ausgeschlossen. [ ]
§ 3 Zahlungs- und Lieferanspruch
(1) Ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke kommt für vertragsgegenständliche Produkte durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande. Ist ein Preis nicht durch gesetzliche oder vertragliche Regelungen bestimmt, so bedarf es einer Einigung zwischen Apotheke und Krankenkasse über den Preis. Vertragsärztliche Verordnungen dürfen ab Ausstellung längstens einen Monat zu Lasten der Krankenkasse beliefert werden, sofern eine entsprechende Regelung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V getroffen ist. Das Nähere kann in den ergänzenden Verträgen geregelt werden. (2) Ist eine Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllt, so besteht kein vertraglicher Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse.
§ 8a Apothekenabschlag
(1) Der Apothekenabschlag richtet sich nach § 130 SGB V. (2) Mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 haben die Partner des Rahmenvertrages eine vertragliche Anpassung des Apothekenabschlages nach den Vorgaben des § 130 Absatz 1 Satz 2 SGB V vorzunehmen.
§ 9 Rechnungsbegleichung
(1) Eine Rechnung im Sinne des § 130 Absatz 3 Satz 1 SGB V besteht mindestens aus folgenden Angaben: - Rechnungsdatum - Name, Anschrift und Institutionskennzeichen der Apotheke - Gesamtbetrag brutto - Gesamtbetrag Zuzahlung - Gesamtbetrag netto - Auflistung der abgegebenen Pharmazentralnummern (PZN) - Gesamtzahl der Verordnungsblätter unter Beifügung der zugrunde liegenden Verordnungen oder deren Images. (2) Die Rechnung gilt im bargeldlosen Zahlungsverkehr mit der Hingabe des Auftrags an das Kreditinstitut als beglichen. Zahlungen an die von der Apotheke beauftragte Abrechnungsstelle haben schuldbefreiende Wirkung. (3) Zahlungen erfolgen unter dem Vorbehalt der sachlichen und rechnerischen Rechnungsprüfung.
§ 14 Schlussbestimmungen
(1) Die Neufassung des Rahmenvertrages tritt zum 1. Januar 2010 in Kraft. [ ]"
Aus der dem Rahmenvertrag vorangestellten "Dokumentation zu Änderungen des Rahmenvertrags" geht hervor, dass die zitierten Bestimmungen bereits seit dem 1. April 2008 in Kraft waren und durch die Änderung vom 7. Dezember 2009 nicht berührt werden.
Mit Schreiben vom 5. April 2011 hat das Sozialgericht Berlin den Beteiligten mitgeteilt, dass es beabsichtige, sich für örtlich unzuständig zu erklären und die Streitsache dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG, wonach das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt wird, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
Das Sozialgericht Hildesheim hat sich mit unanfechtbarem (§ 98 Satz 2 SGG) Beschluss vom 28. Februar 2011 für unzuständig erklärt. Das Sozialgericht Berlin erklärt sich mit dem vorliegenden Beschluss nach § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) rechtskräftig für unzuständig. Es hat die Beteiligten zuvor angehört (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Das gemeinsam nächsthöhere Gericht ist das Bundessozialgericht.
2. Das Sozialgericht Hildesheim ist nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig, weil der Kläger in dessen Bezirk seinen Sitz hat. Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 28. Februar 2011 ist nicht bindend. Ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Unzuständigkeit ist zwar grundsätzlich auch dann verbindlich, wenn die Verweisung prozessuale oder materielle Vorschriften verletzt, denn die Bindungswirkung soll eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verweisungsbeschlüssen im Interesse einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung gerade ausschließen. Eine Ausnahme kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch dann in Betracht, wenn die Verweisung willkürlich ist oder auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruht (vgl. BSG, Beschlüsse vom 25. Februar 1999 – B 1 SF 9/98 S; vom 27. Mai 2004 – B 7 SF 6/04 S; vom 16. September 2009 – B 12 SF 7/09 S; vom 10. März 2010 – B 12 SF 2/10 S; zuletzt vom 3. Dezember 2010 – B 12 SF 7/10 S). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.
Das Sozialgericht Hildesheim hat nicht geprüft, ob der Rahmenvertrag zwischen den Beteiligten anwendbar ist (§ 129 Abs. 3 SGB V, § 2 Abs. 2 Rahmenvertrag) und damit überhaupt Gegenstand des Rechtsstreits sein kann. Es hat ferner nicht geprüft, ob oder gegebenenfalls inwieweit das Sozialgericht Köln zuständig ist. Dies richtet sich danach, ob man bei der Anwendung des § 57a Abs. 4 SGG auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung abstellt. Daher drängt sich der Schluss auf, dass im vorliegenden Fall zwischen den Sozialgerichten Berlin und Köln eine willkürliche Auswahl getroffen wurde. Darüber hinaus verkennt das Sozialgericht Hildesheim den Anwendungsbereich des § 57a Abs. 4 SGG.
3. Das Sozialgericht Berlin ist nicht örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit kann nicht aus § 57a Abs. 4 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) hergeleitet werden. Danach ist in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene betreffen, das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat. Der Rechtsstreit zwischen Apotheker und Krankenkasse auf Rückzahlung eines nach § 130 SGB V einbehaltenen Abschlages ist keine Angelegenheit, bei der eine Entscheidung oder ein Vertrag auf Bundesebene im Sinne des § 57a Abs. 4 SGG "betroffen" ist.
Zwar handelt es sich bei dem zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. geschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung um einen Vertrag auf Bundesebene. Der Rahmenvertrag ist jedoch nicht in der Art und Weise betroffen, wie sie § 57a Abs. 4 SGG voraussetzt, um eine Sonderzuständigkeit zu begründen. Die bloße Berührung des Rahmenvertrages reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss der Rahmenvertrag in qualifizierter Weise betroffen sein. Dies ergibt eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "betroffen", die sich an Wortlaut (dazu unter a), Systematik (dazu unter b), Entstehungsgeschichte (hierzu unter c) sowie Sinn und Zweck (dazu unter d) der Regelung orientiert.
a) Der Wortlaut der Vorschrift gebietet kein Verständnis, wonach ein Vertrag auf Bundesebene bereits dann "betroffen" ist, wenn lediglich seine Anwendung oder seine Auslegung, mit anderen Worten, wenn lediglich die Subsumtion des Sachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Regelungen vom Gericht zu leisten ist. Andernfalls würde das Gesetz den Be¬griff "berührt" verwenden.
Danach ist der Rahmenvertrag nicht betroffen. Er ist weder originärer Streitgegenstand noch wird seine Gültigkeit durch die vorliegende Klage in Frage gestellt. Der Vertrag ist auch nicht Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Forderung, da sich diese allein aus § 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V ergibt. Aus § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V, demzufolge die Modalitäten der Gewährung eines Abschlags im Näheren durch den Rahmenvertrag nach § 129 SGB V geregelt werden, folgt nichts anderes. Denn § 8a Abs. 1 des Rahmenvertrages verweist ohne weitergehende inhaltliche Regelung zurück auf § 130 SGB V.
b) Auch aus der Systematik des § 57a SGG und aus seiner systematischen Stellung innerhalb der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit kann nicht hergeleitet werden, dass ein lediglich mittelbarer Zusammenhang genügt.
aa) Dass der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 57a Abs. 1 und Abs. 2 SGG bei Abs. 3 und Abs. 4 nicht von Vertragsarztangelegenheiten, sondern – allgemeiner – von Angelegenheiten spricht, lässt nur den Schluss zu, dass § 57a Abs. 3 und Abs. 4 SGG auch nichtvertragsärztliche Angelegenheiten erfassen sollen. Ein weitergehender Aussagegehalt kann dem Tatbestandsmerkmal "betroffen" "in regelungssystematischer Hinsicht" hingegen nicht entnommen werden (so aber SG Ulm, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – S 13 KR 529/09, Rz. 13, juris).
bb) Vielmehr spricht die systematische Stellung des § 57a SGG innerhalb der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit für eine enge Auslegung des Begriffs. Nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit im Sozialgerichtsprozess soll grundsätzlich das ortsnahe Gericht zuständig sein, um den Betroffenen durch die Nähe zum Sitz, Wohnsitz sowie Aufenthalts- oder Beschäftigungsort die gerichtliche Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche zu erleichtern (vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 57 Rdnr. 4). Dass dies im Interesse der Beteiligten liegt, zeigt im vorliegenden Fall die Einlassung des Klägers, der sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits gewandt hat. Die Vorschrift des § 57a SGG stellt demgegenüber eine Sonderregelung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Mai 2004 – B 7 SF 6/04 S, Rz. 13, juris: "Sonderzuständigkeit"; Schreiber, SGb 2009, 525 [526]: "Spezialzuweisung"; Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leith¬erer, SGG, 9. Auflage 2008, § 57 Rdnr. 1b). Es handelt sich dabei auch der Sache nach um eine Ausnahmeregelung, weil für eng umgrenzte Fälle in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Regel durchbrochen wird, der das Gesetz ansonsten in möglichst weitem Umfang Geltung zu verschaffen sucht (vgl. zu diesem Erfordernis Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 355 f.). Nach dem Grundsatz "singularia non sunt extendere" muss daher das Tatbestandsmerkmal "betroffen" eng ausgelegt werden (so auch SG Berlin, Beschluss vom 1. September 2008 – S 83 KA 183/08, unveröffentlicht; SG Stuttgart, Beschluss vom 2. August 2010 – S 10 KR 3138/10, Rz. 6, juris; SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris). Sonst verlöre die Vorschrift systemwidrig ihren Ausnahmecharakter.
c) Die Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte sprechen nicht gegen eine restriktive Auslegung. Keinesfalls kann daraus die Begründung einer Sonderzuständigkeit schon bei jeglicher Berührung eines Vertrages auf Landes- oder Bundesebene hergeleitet werden (so aber SG Ulm, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – S 13 KR 529/09, Rz. 14, juris). Dem einschlägigen Dokument von Bundesrat und Bundestag (BT-Drucks. 16/7716, S. 17 = BR-Drucks. 820/07, S. 20, jeweils zu Nummer 12) kann lediglich entnommen werden, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27. Mai 2004 – B 7 SF 6/04 S), wonach § 57a SGG a.F. ausschließlich Angelegenheiten des Vertragsarztrechts betreffe, nunmehr auch nichtvertragsärztliche Angelegenheiten in den Anwendungsbereich der Norm mit einbeziehen wollte (Tabbara, NZS 2008, 8 [13]; Schreiber, SGb 2009, 525 [527]; SG Wiesbaden, Beschluss vom 9. Mai 2008 – S 17 KR 93/08 ER, Rz. 3, juris). Sofern der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 11. Dezember 2008 – L 4 B 79/08 KR, Rz. 16 ff., insbesondere 19 f., juris) den gegenteiligen Standpunkt vertritt und dies damit begründet, der Gesetzgeber habe die bisherige Rechtsprechung dieses Senats ausdrücklich gebilligt, kann dem nicht gefolgt werden. Das parlamentarische Dokument befasst sich – wie bereits dargestellt – ausschließlich mit der vor der Novellierung streitigen Frage, ob § 57a SGG a.F. nur vertragsärztliche oder auch nichtvertragsärztliche Streitigkeiten umfassen soll. Nur insoweit wird eine ältere Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 6. November 2002 – L 4 B 297/02 KR, juris), welcher ein Streit über eine Krankenhausvergütung zugrunde lag, in Bezug genommen. Der Drucksache kann aber weder entnommen werden, der Gesetzgeber habe alle Krankenhausvergütungsstreitigkeiten bestimmten Gerichten zuweisen wollen, noch kann der schlichte Beleg für eine bestimmte Rechtsauffassung als Zustimmung gedeutet werden. Daher kann aus der Gesetzesbegründung und aus der Entstehungsgeschichte nichts für ein extensives Verständnis des Begriffs "betroffen" gewonnen werden.
d) Für das aus der systematischen Stellung hergeleitete Auslegungsergebnis streiten auch Sinn und Zweck der Regelung. Der Gesetzgeber verfolgte mit der speziellen örtlichen Zuweisung in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Vereinfachung der Verwaltung und eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Er hält die Materie des Vertragsarztrechts, insbesondere soweit sie auf Verträgen oder Entscheidungen der Bundesträger beruht, für äußerst komplex. Mittels der Zuweisung könne sich das zuständige Sozialgericht die notwendige Fachkompetenz aneignen und eine einheitliche Rechtsprechung entwickeln. Auf diese Weise solle auch ein höheres Maß an Rechtssicherheit für die Betroffenen entstehen. Würden mehrere unterschiedliche Spruchkörper mit diesen Fragen befasst, dauerten die Verfahren länger und wäre eine Klärung wesentlicher Rechtsfragen unter Umständen erst im Revisionsverfahren möglich (BT-Drucks. 16/7716, S. 17, zu Nummer 12).
aa) Für ein restriktives Verständnis des Wortes "betroffen" in Fällen, in denen wie vorliegend nichtvertragsärztliche Angelegenheiten in Streit stehen, spricht bereits, dass der Gesetzgeber nicht diese, sondern lediglich das Vertragsarztrecht als komplexe und daher konzentrationsbedürftige Materie angesehen hat. Jedenfalls handelt es sich aber im streitgegenständlichen Fall keineswegs um komplexe Fragen, die eine besondere – über die allgemeine richterliche Kompetenz hinausgehende – Fachkompetenz erfordern. Die Regelungen im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung sind klar und verständlich. Sie lassen kaum Raum für Zweifelsfragen. Im Wesentlichen konkretisieren sie die gesetzlichen Regelungen in § 130 SGB V – etwa wenn es um die Anforderungen an eine Rechnung geht, vgl. § 9 des Rahmenvertrages – oder verweisen sogar in § 8a Abs. 1 Rahmenvertrag auf die bundesrechtliche Norm des § 130 SGB V zurück. Die richterliche Tätigkeit erschöpft sich hier in der bloßen Rechtsanwendung (vgl. zur die Landesebene betreffende Parallelvorschrift Schreiber, SGb 2009, 525 [527]: allein die Anwendung reiche nicht zur Begründung der Zuständigkeit nach § 57a Abs. 3 SGG aus). Es ist noch nicht einmal ersichtlich, dass hier einzelne Tatbestandsmerkmale des Regelwerks der Auslegung bedürfen. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, so gehörte auch dies zu den Kernkompetenzen richterlicher Tätigkeit, für die eine wie auch immer geartete Fachkompetenz nicht erforderlich ist. Dass insofern möglicherweise unterschiedliche Gerichte unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten, ist die auch sonst vorkommende natürliche Folge der Vielzahl und Unabhängigkeit der Gerichte, welche letztlich durch den Instanzenzug zumindest teilweise kompensiert wird (SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris).
bb) Nach Sinn und Zweck spricht für eine restriktive Auslegung auch die andernfalls folgende Begründung von Auffangzuständigkeiten, die nicht von den mit der Gesetzesänderung verfolgten Zielen gedeckt wäre. Bei extensiver Auslegung bestünde bundesweit in allen Streitigkeiten zwischen Apotheken und Krankenkassen die Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin oder des Sozialgerichts Köln. Darüber hinaus wäre das Sozialgericht Berlin zuständig in allen Vertragsarztstreitigkeiten, in denen über Honoraransprüche gestritten wird, die sich nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen richten oder für Entscheidungen, bei denen die Bundesmantelverträge heranzuziehen sind (SG Dresden, Beschluss vom 5. Juni 2009 – S 18 KR 167/09, Rz. 4, juris; SG Berlin, Beschluss vom 1. September 2008 – S 83 KA 183/08, unveröffentlicht). Gleiches gilt für Streitigkeiten über Arzneimittelretaxierungen oder für Krankenhausvergütungsstreitigkeiten, wenn über die Abrechnung auf Grundlage bundeseinheitlicher Fallpauschalen gestritten wird (SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris). Die Schaffung einer solchen Generalzuständigkeit kann vom Gesetzgeber aber offensichtlich nicht gewollt sein (vgl. auch Schreiber, SGb 2009, 525 [526, 527]; a.A. wohl 1. und 4. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. Januar 2009 – L 1 B 73/08 KR, Rz. 14 f. und Beschluss vom 11. Dezember 2008 – L 4 B 79/08 KR, Rz. 19 f., jeweils juris).
cc) Es widerspricht ferner Sinn und Zweck von § 57a Abs. 4 SGG, durch extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals "betroffen" weitere problematische Abgrenzungsfragen zu schaffen.
(1) Gerade die vorliegende Streitigkeit zwischen einer Apotheke und einer Krankenkasse zeigt anschaulich die daraus resultierenden praktischen Probleme. Als örtlich zuständiges Gericht käme nämlich auch das Sozialgericht Köln in Betracht, je nachdem ob man auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung abstellt. Eine Abgrenzung nach vertragsärztlicher bzw. vertragszahnärztlicher Verordnung dürfte in Fällen wie dem vorliegend praktisch nicht durchführbar sein. Aus der Systematik des § 57a Abs. 4 SGG kann bei Zweifelsfragen auch kein Vorrang der Kassenärztlichen gegenüber der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung abgeleitet werden.
(2) Daneben stellt sich über den vorliegenden Rechtstreit hinaus noch eine Fülle weiterer problematischer Abgrenzungsfragen. Unklar kann beispielsweise sein, auf wessen Vortrag bei der Bestimmung der Zuständigkeit abzustellen sein sollte, zumal die Rechtsanwendung letztlich alleinige Aufgabe des Gerichts ist. Möglicherweise hält das Gericht rechtliche Gesichtspunkte für entscheidungserheblich, die von den Beteiligten überhaupt nicht als problematisch angesehen werden. Umgekehrt mögen die Beteiligten rechtliche Probleme in den Mittelpunkt des Streits stellen, die das Gericht für unerheblich erachtet. Derartige Unsicherheiten bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, die zu Beginn eines Verfahrens zu klären ist, sind jedoch nicht hinnehmbar (so SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris).
Nach alledem war der Rechtsstreit dem Bundessozialgericht vorzulegen, das hiermit um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht wird.
4. Dieser Beschluss ist nach § 98 Satz 2 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Abschlägen auf Arzneimittel.
Der Kläger ist selbständiger Apotheker und Inhaber zweier Apotheken in Bad G und K. Die beklagte Krankenkasse hat sich im Jahre 2010 mit der Innungskrankenkasse (IKK) Niedersachsen zusammengeschlossen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des gesamten gesetzlichen Kassenabschlags für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Anspruch, die er im Kalenderjahr 2009 an die Versicherten der Beklagten einschließlich der IKK Niedersachsen abgegeben hat. Er stützt seinen Anspruch auf § 130 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und macht geltend, die Beklagte habe seine Rechnung nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang beglichen.
Die Klage wurde am 22. Dezember 2010 zum Sozialgericht Hildesheim erhoben. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 wies das Gericht darauf hin, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Berlin oder das zuständige Sozialgericht Hannover zu verweisen. Der Kläger wandte sich gegen eine Verweisung. Die Beklagte verhielt sich dazu nicht. Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 erklärte sich das Sozialgericht Hildesheim für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren sei die Vergütung für Arzneimittel auf der Basis eines auf Bundesebene gemäß § 129 SGB V geschlossenen Rahmenvertrages ("Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in der Fassung vom 7. Dezember 2009, geschlossen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V.", im Folgenden: Rahmenvertrag). Nach der Neufassung des § 57a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab dem 1. April 2008 sei örtlich zuständig das Sozialgericht Berlin als Sozialgericht, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat.
Der Rahmenvertrag, der auch das Nähere über das Zustandekommen des Zahlungs- und Lieferanspruchs zwischen Krankenkasse und Apotheke regelt, enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
"§ 2 Geltungsbereich des Rahmenvertrages
(1) Der Rahmenvertrag hat einerseits Rechtswirkung für die Krankenkassen nach § 4 SGB V. (2) Der Rahmenvertrag hat andererseits Rechtswirkung für die nach § 129 Absatz 3 SGB V bestimmten Apotheken. Apotheken, die weder einem Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes noch diesem Rahmenvertrag beigetreten sind, sind von der Lieferung ausgeschlossen. [ ]
§ 3 Zahlungs- und Lieferanspruch
(1) Ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke kommt für vertragsgegenständliche Produkte durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande. Ist ein Preis nicht durch gesetzliche oder vertragliche Regelungen bestimmt, so bedarf es einer Einigung zwischen Apotheke und Krankenkasse über den Preis. Vertragsärztliche Verordnungen dürfen ab Ausstellung längstens einen Monat zu Lasten der Krankenkasse beliefert werden, sofern eine entsprechende Regelung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V getroffen ist. Das Nähere kann in den ergänzenden Verträgen geregelt werden. (2) Ist eine Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllt, so besteht kein vertraglicher Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse.
§ 8a Apothekenabschlag
(1) Der Apothekenabschlag richtet sich nach § 130 SGB V. (2) Mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 haben die Partner des Rahmenvertrages eine vertragliche Anpassung des Apothekenabschlages nach den Vorgaben des § 130 Absatz 1 Satz 2 SGB V vorzunehmen.
§ 9 Rechnungsbegleichung
(1) Eine Rechnung im Sinne des § 130 Absatz 3 Satz 1 SGB V besteht mindestens aus folgenden Angaben: - Rechnungsdatum - Name, Anschrift und Institutionskennzeichen der Apotheke - Gesamtbetrag brutto - Gesamtbetrag Zuzahlung - Gesamtbetrag netto - Auflistung der abgegebenen Pharmazentralnummern (PZN) - Gesamtzahl der Verordnungsblätter unter Beifügung der zugrunde liegenden Verordnungen oder deren Images. (2) Die Rechnung gilt im bargeldlosen Zahlungsverkehr mit der Hingabe des Auftrags an das Kreditinstitut als beglichen. Zahlungen an die von der Apotheke beauftragte Abrechnungsstelle haben schuldbefreiende Wirkung. (3) Zahlungen erfolgen unter dem Vorbehalt der sachlichen und rechnerischen Rechnungsprüfung.
§ 14 Schlussbestimmungen
(1) Die Neufassung des Rahmenvertrages tritt zum 1. Januar 2010 in Kraft. [ ]"
Aus der dem Rahmenvertrag vorangestellten "Dokumentation zu Änderungen des Rahmenvertrags" geht hervor, dass die zitierten Bestimmungen bereits seit dem 1. April 2008 in Kraft waren und durch die Änderung vom 7. Dezember 2009 nicht berührt werden.
Mit Schreiben vom 5. April 2011 hat das Sozialgericht Berlin den Beteiligten mitgeteilt, dass es beabsichtige, sich für örtlich unzuständig zu erklären und die Streitsache dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG, wonach das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt wird, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
Das Sozialgericht Hildesheim hat sich mit unanfechtbarem (§ 98 Satz 2 SGG) Beschluss vom 28. Februar 2011 für unzuständig erklärt. Das Sozialgericht Berlin erklärt sich mit dem vorliegenden Beschluss nach § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) rechtskräftig für unzuständig. Es hat die Beteiligten zuvor angehört (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Das gemeinsam nächsthöhere Gericht ist das Bundessozialgericht.
2. Das Sozialgericht Hildesheim ist nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig, weil der Kläger in dessen Bezirk seinen Sitz hat. Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 28. Februar 2011 ist nicht bindend. Ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Unzuständigkeit ist zwar grundsätzlich auch dann verbindlich, wenn die Verweisung prozessuale oder materielle Vorschriften verletzt, denn die Bindungswirkung soll eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verweisungsbeschlüssen im Interesse einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung gerade ausschließen. Eine Ausnahme kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch dann in Betracht, wenn die Verweisung willkürlich ist oder auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruht (vgl. BSG, Beschlüsse vom 25. Februar 1999 – B 1 SF 9/98 S; vom 27. Mai 2004 – B 7 SF 6/04 S; vom 16. September 2009 – B 12 SF 7/09 S; vom 10. März 2010 – B 12 SF 2/10 S; zuletzt vom 3. Dezember 2010 – B 12 SF 7/10 S). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.
Das Sozialgericht Hildesheim hat nicht geprüft, ob der Rahmenvertrag zwischen den Beteiligten anwendbar ist (§ 129 Abs. 3 SGB V, § 2 Abs. 2 Rahmenvertrag) und damit überhaupt Gegenstand des Rechtsstreits sein kann. Es hat ferner nicht geprüft, ob oder gegebenenfalls inwieweit das Sozialgericht Köln zuständig ist. Dies richtet sich danach, ob man bei der Anwendung des § 57a Abs. 4 SGG auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung abstellt. Daher drängt sich der Schluss auf, dass im vorliegenden Fall zwischen den Sozialgerichten Berlin und Köln eine willkürliche Auswahl getroffen wurde. Darüber hinaus verkennt das Sozialgericht Hildesheim den Anwendungsbereich des § 57a Abs. 4 SGG.
3. Das Sozialgericht Berlin ist nicht örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit kann nicht aus § 57a Abs. 4 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) hergeleitet werden. Danach ist in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene betreffen, das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat. Der Rechtsstreit zwischen Apotheker und Krankenkasse auf Rückzahlung eines nach § 130 SGB V einbehaltenen Abschlages ist keine Angelegenheit, bei der eine Entscheidung oder ein Vertrag auf Bundesebene im Sinne des § 57a Abs. 4 SGG "betroffen" ist.
Zwar handelt es sich bei dem zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. geschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung um einen Vertrag auf Bundesebene. Der Rahmenvertrag ist jedoch nicht in der Art und Weise betroffen, wie sie § 57a Abs. 4 SGG voraussetzt, um eine Sonderzuständigkeit zu begründen. Die bloße Berührung des Rahmenvertrages reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss der Rahmenvertrag in qualifizierter Weise betroffen sein. Dies ergibt eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "betroffen", die sich an Wortlaut (dazu unter a), Systematik (dazu unter b), Entstehungsgeschichte (hierzu unter c) sowie Sinn und Zweck (dazu unter d) der Regelung orientiert.
a) Der Wortlaut der Vorschrift gebietet kein Verständnis, wonach ein Vertrag auf Bundesebene bereits dann "betroffen" ist, wenn lediglich seine Anwendung oder seine Auslegung, mit anderen Worten, wenn lediglich die Subsumtion des Sachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Regelungen vom Gericht zu leisten ist. Andernfalls würde das Gesetz den Be¬griff "berührt" verwenden.
Danach ist der Rahmenvertrag nicht betroffen. Er ist weder originärer Streitgegenstand noch wird seine Gültigkeit durch die vorliegende Klage in Frage gestellt. Der Vertrag ist auch nicht Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Forderung, da sich diese allein aus § 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V ergibt. Aus § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V, demzufolge die Modalitäten der Gewährung eines Abschlags im Näheren durch den Rahmenvertrag nach § 129 SGB V geregelt werden, folgt nichts anderes. Denn § 8a Abs. 1 des Rahmenvertrages verweist ohne weitergehende inhaltliche Regelung zurück auf § 130 SGB V.
b) Auch aus der Systematik des § 57a SGG und aus seiner systematischen Stellung innerhalb der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit kann nicht hergeleitet werden, dass ein lediglich mittelbarer Zusammenhang genügt.
aa) Dass der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 57a Abs. 1 und Abs. 2 SGG bei Abs. 3 und Abs. 4 nicht von Vertragsarztangelegenheiten, sondern – allgemeiner – von Angelegenheiten spricht, lässt nur den Schluss zu, dass § 57a Abs. 3 und Abs. 4 SGG auch nichtvertragsärztliche Angelegenheiten erfassen sollen. Ein weitergehender Aussagegehalt kann dem Tatbestandsmerkmal "betroffen" "in regelungssystematischer Hinsicht" hingegen nicht entnommen werden (so aber SG Ulm, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – S 13 KR 529/09, Rz. 13, juris).
bb) Vielmehr spricht die systematische Stellung des § 57a SGG innerhalb der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit für eine enge Auslegung des Begriffs. Nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit im Sozialgerichtsprozess soll grundsätzlich das ortsnahe Gericht zuständig sein, um den Betroffenen durch die Nähe zum Sitz, Wohnsitz sowie Aufenthalts- oder Beschäftigungsort die gerichtliche Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche zu erleichtern (vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 57 Rdnr. 4). Dass dies im Interesse der Beteiligten liegt, zeigt im vorliegenden Fall die Einlassung des Klägers, der sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits gewandt hat. Die Vorschrift des § 57a SGG stellt demgegenüber eine Sonderregelung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Mai 2004 – B 7 SF 6/04 S, Rz. 13, juris: "Sonderzuständigkeit"; Schreiber, SGb 2009, 525 [526]: "Spezialzuweisung"; Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leith¬erer, SGG, 9. Auflage 2008, § 57 Rdnr. 1b). Es handelt sich dabei auch der Sache nach um eine Ausnahmeregelung, weil für eng umgrenzte Fälle in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Regel durchbrochen wird, der das Gesetz ansonsten in möglichst weitem Umfang Geltung zu verschaffen sucht (vgl. zu diesem Erfordernis Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 355 f.). Nach dem Grundsatz "singularia non sunt extendere" muss daher das Tatbestandsmerkmal "betroffen" eng ausgelegt werden (so auch SG Berlin, Beschluss vom 1. September 2008 – S 83 KA 183/08, unveröffentlicht; SG Stuttgart, Beschluss vom 2. August 2010 – S 10 KR 3138/10, Rz. 6, juris; SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris). Sonst verlöre die Vorschrift systemwidrig ihren Ausnahmecharakter.
c) Die Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte sprechen nicht gegen eine restriktive Auslegung. Keinesfalls kann daraus die Begründung einer Sonderzuständigkeit schon bei jeglicher Berührung eines Vertrages auf Landes- oder Bundesebene hergeleitet werden (so aber SG Ulm, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – S 13 KR 529/09, Rz. 14, juris). Dem einschlägigen Dokument von Bundesrat und Bundestag (BT-Drucks. 16/7716, S. 17 = BR-Drucks. 820/07, S. 20, jeweils zu Nummer 12) kann lediglich entnommen werden, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27. Mai 2004 – B 7 SF 6/04 S), wonach § 57a SGG a.F. ausschließlich Angelegenheiten des Vertragsarztrechts betreffe, nunmehr auch nichtvertragsärztliche Angelegenheiten in den Anwendungsbereich der Norm mit einbeziehen wollte (Tabbara, NZS 2008, 8 [13]; Schreiber, SGb 2009, 525 [527]; SG Wiesbaden, Beschluss vom 9. Mai 2008 – S 17 KR 93/08 ER, Rz. 3, juris). Sofern der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 11. Dezember 2008 – L 4 B 79/08 KR, Rz. 16 ff., insbesondere 19 f., juris) den gegenteiligen Standpunkt vertritt und dies damit begründet, der Gesetzgeber habe die bisherige Rechtsprechung dieses Senats ausdrücklich gebilligt, kann dem nicht gefolgt werden. Das parlamentarische Dokument befasst sich – wie bereits dargestellt – ausschließlich mit der vor der Novellierung streitigen Frage, ob § 57a SGG a.F. nur vertragsärztliche oder auch nichtvertragsärztliche Streitigkeiten umfassen soll. Nur insoweit wird eine ältere Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 6. November 2002 – L 4 B 297/02 KR, juris), welcher ein Streit über eine Krankenhausvergütung zugrunde lag, in Bezug genommen. Der Drucksache kann aber weder entnommen werden, der Gesetzgeber habe alle Krankenhausvergütungsstreitigkeiten bestimmten Gerichten zuweisen wollen, noch kann der schlichte Beleg für eine bestimmte Rechtsauffassung als Zustimmung gedeutet werden. Daher kann aus der Gesetzesbegründung und aus der Entstehungsgeschichte nichts für ein extensives Verständnis des Begriffs "betroffen" gewonnen werden.
d) Für das aus der systematischen Stellung hergeleitete Auslegungsergebnis streiten auch Sinn und Zweck der Regelung. Der Gesetzgeber verfolgte mit der speziellen örtlichen Zuweisung in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Vereinfachung der Verwaltung und eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Er hält die Materie des Vertragsarztrechts, insbesondere soweit sie auf Verträgen oder Entscheidungen der Bundesträger beruht, für äußerst komplex. Mittels der Zuweisung könne sich das zuständige Sozialgericht die notwendige Fachkompetenz aneignen und eine einheitliche Rechtsprechung entwickeln. Auf diese Weise solle auch ein höheres Maß an Rechtssicherheit für die Betroffenen entstehen. Würden mehrere unterschiedliche Spruchkörper mit diesen Fragen befasst, dauerten die Verfahren länger und wäre eine Klärung wesentlicher Rechtsfragen unter Umständen erst im Revisionsverfahren möglich (BT-Drucks. 16/7716, S. 17, zu Nummer 12).
aa) Für ein restriktives Verständnis des Wortes "betroffen" in Fällen, in denen wie vorliegend nichtvertragsärztliche Angelegenheiten in Streit stehen, spricht bereits, dass der Gesetzgeber nicht diese, sondern lediglich das Vertragsarztrecht als komplexe und daher konzentrationsbedürftige Materie angesehen hat. Jedenfalls handelt es sich aber im streitgegenständlichen Fall keineswegs um komplexe Fragen, die eine besondere – über die allgemeine richterliche Kompetenz hinausgehende – Fachkompetenz erfordern. Die Regelungen im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung sind klar und verständlich. Sie lassen kaum Raum für Zweifelsfragen. Im Wesentlichen konkretisieren sie die gesetzlichen Regelungen in § 130 SGB V – etwa wenn es um die Anforderungen an eine Rechnung geht, vgl. § 9 des Rahmenvertrages – oder verweisen sogar in § 8a Abs. 1 Rahmenvertrag auf die bundesrechtliche Norm des § 130 SGB V zurück. Die richterliche Tätigkeit erschöpft sich hier in der bloßen Rechtsanwendung (vgl. zur die Landesebene betreffende Parallelvorschrift Schreiber, SGb 2009, 525 [527]: allein die Anwendung reiche nicht zur Begründung der Zuständigkeit nach § 57a Abs. 3 SGG aus). Es ist noch nicht einmal ersichtlich, dass hier einzelne Tatbestandsmerkmale des Regelwerks der Auslegung bedürfen. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, so gehörte auch dies zu den Kernkompetenzen richterlicher Tätigkeit, für die eine wie auch immer geartete Fachkompetenz nicht erforderlich ist. Dass insofern möglicherweise unterschiedliche Gerichte unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten, ist die auch sonst vorkommende natürliche Folge der Vielzahl und Unabhängigkeit der Gerichte, welche letztlich durch den Instanzenzug zumindest teilweise kompensiert wird (SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris).
bb) Nach Sinn und Zweck spricht für eine restriktive Auslegung auch die andernfalls folgende Begründung von Auffangzuständigkeiten, die nicht von den mit der Gesetzesänderung verfolgten Zielen gedeckt wäre. Bei extensiver Auslegung bestünde bundesweit in allen Streitigkeiten zwischen Apotheken und Krankenkassen die Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin oder des Sozialgerichts Köln. Darüber hinaus wäre das Sozialgericht Berlin zuständig in allen Vertragsarztstreitigkeiten, in denen über Honoraransprüche gestritten wird, die sich nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen richten oder für Entscheidungen, bei denen die Bundesmantelverträge heranzuziehen sind (SG Dresden, Beschluss vom 5. Juni 2009 – S 18 KR 167/09, Rz. 4, juris; SG Berlin, Beschluss vom 1. September 2008 – S 83 KA 183/08, unveröffentlicht). Gleiches gilt für Streitigkeiten über Arzneimittelretaxierungen oder für Krankenhausvergütungsstreitigkeiten, wenn über die Abrechnung auf Grundlage bundeseinheitlicher Fallpauschalen gestritten wird (SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris). Die Schaffung einer solchen Generalzuständigkeit kann vom Gesetzgeber aber offensichtlich nicht gewollt sein (vgl. auch Schreiber, SGb 2009, 525 [526, 527]; a.A. wohl 1. und 4. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. Januar 2009 – L 1 B 73/08 KR, Rz. 14 f. und Beschluss vom 11. Dezember 2008 – L 4 B 79/08 KR, Rz. 19 f., jeweils juris).
cc) Es widerspricht ferner Sinn und Zweck von § 57a Abs. 4 SGG, durch extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals "betroffen" weitere problematische Abgrenzungsfragen zu schaffen.
(1) Gerade die vorliegende Streitigkeit zwischen einer Apotheke und einer Krankenkasse zeigt anschaulich die daraus resultierenden praktischen Probleme. Als örtlich zuständiges Gericht käme nämlich auch das Sozialgericht Köln in Betracht, je nachdem ob man auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung abstellt. Eine Abgrenzung nach vertragsärztlicher bzw. vertragszahnärztlicher Verordnung dürfte in Fällen wie dem vorliegend praktisch nicht durchführbar sein. Aus der Systematik des § 57a Abs. 4 SGG kann bei Zweifelsfragen auch kein Vorrang der Kassenärztlichen gegenüber der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung abgeleitet werden.
(2) Daneben stellt sich über den vorliegenden Rechtstreit hinaus noch eine Fülle weiterer problematischer Abgrenzungsfragen. Unklar kann beispielsweise sein, auf wessen Vortrag bei der Bestimmung der Zuständigkeit abzustellen sein sollte, zumal die Rechtsanwendung letztlich alleinige Aufgabe des Gerichts ist. Möglicherweise hält das Gericht rechtliche Gesichtspunkte für entscheidungserheblich, die von den Beteiligten überhaupt nicht als problematisch angesehen werden. Umgekehrt mögen die Beteiligten rechtliche Probleme in den Mittelpunkt des Streits stellen, die das Gericht für unerheblich erachtet. Derartige Unsicherheiten bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, die zu Beginn eines Verfahrens zu klären ist, sind jedoch nicht hinnehmbar (so SG Berlin, Beschluss vom 31. Januar 2011 – S 36 KR 2345/10, juris).
Nach alledem war der Rechtsstreit dem Bundessozialgericht vorzulegen, das hiermit um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht wird.
4. Dieser Beschluss ist nach § 98 Satz 2 SGG unanfechtbar.
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