Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
76
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 933/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 278/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.358,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. März 2009 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 3.358,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nach einer Abrechnungsprüfung der Beklagten über einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.558,90 EUR für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Im als Plankrankenhaus zur vollstationären Versorgung zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte, 1916 geborene H S in der Zeit vom 19. bis 27. Februar 2004 stationär behandelt. Mit Schlussrechnung vom 10. März 2004 wurden der Beklagten hierfür 6.474,01 EUR in Rechnung gestellt, die die Beklagte am 24. März 2004 an die Klägerin zahlte. Am 03. Juni 2008 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD BEV) mit der Durchführung einer Einzelfallbegutachtung nach § 275 SGB V. Mit Schreiben vom 03. Juni 2008 forderte der MD BEV von der Klägerin Unterlagen zur Durchführung des Prüfungsverfahrens ab, die von der Klägerin übersandt wurden. Der MD BEV kam in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 30. Januar 2009 zu dem Ergebnis, die Klägerin habe in der Schlussrechnung vom 10. März 2004 eine fehlerhafte Kodierung verwendet. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Februar 2009 zur Korrektur der Schlussrechnung vom 10. März 2004 binnen 14 Tagen auf und kündigte die Verrechnung des Betrages von 3.358,90 EUR an. Am 13. März 2009 verrechnete die Beklagte diesen Betrag mit der unstreitigen Schlussrechnung der Klägerin vom 04. März 2009 über 6.209,17 EUR betreffend die stationäre Behandlung des bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten, 1960 geborenen U R. Am 05. Juni 2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und führt zur Begründung aus, das Prüfungsrecht der Beklagten sei zum Zeitpunkt der Prüfung mehr als vier Jahre nach Entlassung des Patienten und vorbehaltloser Zahlung der Schlussrechnung "verfristet". Im Übrigen sei der Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach §§ 69 SGB V, 195, 199 BGB n. F. verjährt. Es gelte hiernach die dreijährige Verjährungsfrist. Selbst bei Geltung der vierjährigen Verjährungsfrist wäre der Anspruch verjährt. Sie stützt sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Dezember 2001 = NZS 2003, 28 sowie des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 20. September 2005, Az.: L 24 KR 51/03. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.358,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. März 2009 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führt aus, die für die Verrechnung erforderliche Rechtsgrundlage sei in den §§ 387 ff. BGB und dem Urteil BSG vom 22. Juli 2004, Az.: B 3 KR 21/03 R, zu sehen. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist. Jedenfalls sie die Verjährung ausreichend gehemmt worden, und zwar spätestens mit Einleitung des Begutachtungsverfahrens durch die Beklagte bzw. der Anforderung der Unterlagen bei der Klägerin, § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, §§ 203, 204 Abs. 1 Nr. 8, 215 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten übersandten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte hier gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die bei gegebenen Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Die Klage ist auch begründet. Der Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten kann allein aus § 109 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit dem Grundverhältnis folgen, das zwischen den Beteiligten auf der Grundlage des Versorgungs- und Sicherstellungsvertrages und der Pflegesatzvereinbarung beruht, die zwischen der Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassenverbänden sowie der Klägerin abgeschlossen worden sind. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse im konkreten Einzelfall entsteht grundsätzlich durch die Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az.: B 3 KR 33/99 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Eine derartige Konkretisierung setzt voraus, dass der Versicherte einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse hat. Die Schlussrechnung der Klägerin vom 04. März 2009 über 6.209,17 EUR betreffend die stationäre Behandlung des bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten U R steht diesbezüglich zunächst nicht in Streit. Ob und inwieweit diese Voraussetzungen auch im Hinblick auf die stationäre Behandlung des Versicherten S vorlagen, kann, soweit streitig, dahinstehen. Zwar war die Geltendmachung der etwa bestehenden Forderung zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 13. März 2009 nicht, wie die Klägerin meint, "verfristet". In Betracht käme zwar grundsätzlich ein Untergang der Forderung nach den Grundsätzen der Verwirkung. Das im Bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist auch im Sozialrecht anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteile vom 01. April 1993, Az.: 1 RK 16/92, und vom 29. Januar 1997, Az.: 5 RJ 52/94). Besondere Bedeutung kommt in diesem Rahmen auch dem auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach Treu und Glauben zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (BSG, Urteil vom 08. September 2009, Az.: B 1 KR 11/09 R). Diese zu einer Verwirkung führenden Voraussetzungen liegen hier jedoch insgesamt nicht vor. Das BSG hatte zwar bereits zum Verfahren nach dem Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zwischen der Berliner Krankenhausgesellschaft e. V. und den Landesverbänden der Krankenkassen (KÜV) ausgeführt, dass die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK spätestens dann notwendig ist, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie dies, so ist sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen endgültig ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001, Az.: B 3 KR 11/01 R). Darauf hat auch der Gesetzgeber in der Begründung zu § 275 Abs. 1c SGB V Bezug genommen (BT-Drs. 16/3100, S. 171). Dort hat der Gesetzgeber auch betont, dass Prüfungen, die nach Ablauf des Zeitraumes nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V dem Krankenhaus angezeigt werden, nicht zulässig sind. Vorliegend hatte die Beklagte die DRG-Abrechnungen der stationären Krankenhausabrechnungen des Jahres 2004 einer Datenanalyse unterzogen und in Einzelfällen wie dem hier vorliegenden – die Hauptdiagnose sei nicht plausibel – Auffälligkeiten festgestellt. Die Beklagte hatte auch weder ausdrücklich oder auch nur sinngemäß einen Vorbehalt bei der Begleichung der Schlussrechnung erklärt. Es handelte sich auch nicht bloß um die Korrektur eines offen zutage liegenden Fehlers in der Abrechnung, vielmehr hatte die Beklagte die Krankenhausabrechnungen des Jahres 2004 nach eigenem Vortrag offenbar einer systematischen Analyse unterzogen. Auf Verwirkung kann sich die Klägerin aber trotz alledem nicht berufen, denn ein Verwirkungsverhalten der Beklagten liegt nicht bereits durch bloße Untätigkeit bis dahin vor, und es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Das Recht zur Geltendmachung einer etwaigen Forderung der Beklagten gegen die Klägerin war zum Zeitpunkt der Aufrechnung allerdings bereits verjährt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Nach § 45 Abs. 1 SGB I gilt hier eine Verjährungsfrist von vier Jahren (vgl. etwa BSG, Urteil vom 10. April 2008, Az.: B 3 KR 7/07 R m. w. N.), gleichwohl war eine etwaige Forderung der Beklagten zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 13. März 2009 bereits verjährt, denn nach § 45 Abs. 1 SGB I beginnt die Frist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, hier 2004. Auch wurde die Einrede der Verjährung von der Klägerin erhoben. Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Verjährung auch nicht durch die Einleitung des Prüfungsverfahrens gehemmt. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Eine analoge Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB i. V. m. § 45 Abs. 2 SGB I scheidet aus. Nach der Bestimmung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB wird die Verjährung durch den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens gehemmt. Weder stellt ein Verfahren nach § 275 SGB V jedoch ein Begutachtungsverfahren in diesem Sinne dar noch besteht insoweit eine Regelungslücke, denn in der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber zu § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB ausdrücklich klargestellt, dass nur vereinbarte Begutachtungsverfahren die Hemmungswirkung auslösen (BT-Drs. 14/6040, S. 114), da die Kenntnis der Schuldners von den die Hemmung begründenden Ereignissen entscheidend ist. Hinsichtlich der bis 31. Dezember 2008 geltende Fassung von § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB im Hinblick auf § 641a BGB a. F. war die Kenntnis des Bestellers von der Hemmung durch die Beauftragung des Gutachters durch die Einladung zum Besichtigungstermin nach § 641a Abs. 3 Satz 1 BGB sichergestellt ("eine Einladung hierzu unter Angabe des Anlasses muss dem Besteller mindestens zwei Wochen vorher zugehen"). Entsprechendes ist bei der Prüfung nach § 275 SGB V jedoch gerade nicht zwingend, da die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK durch die Krankenkasse auch ohne Mitwirkung oder Kenntnis des Krankenhauses durchgeführt werden kann. Zwar wurde die Klägerin hier vom MD BEV mit Schreiben vom 03. Juni 2008 um Mitwirkung ersucht und hatte sonach Kenntnis vom Prüfungsverfahren erlangt, dies ändert aber nichts daran, dass eine Rechtsgrundlage für die Hemmung der Verjährung hier nicht gegeben war. Nach alledem hatte die Klage vollumfänglich Erfolg. Der Zinsanspruch folgt aus dem offenbar zwischen den Beteiligten anwendbaren § 12 Abs. 5 des Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen diversen Krankenkassen und Krankenkassenverbänden und der Berliner Krankenhausgesellschaft e.V. vom 01. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 (Krankenhausbehandlungsvertrag), wonach das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz berechnen kann. Sofern der Krankenhausbehandlungsvertrag zwischen den Beteiligten keine Anwendung fände, würde sich der Zinsanspruch aus § 69 Abs. 3 SGB V i. V. m. § 288 BGB ergeben (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. April 2007, Az.: B 3 KR 10/06 R), wobei der Klägerin dann sogar ein Zinssatz in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zustünde, mithin der geltend gemachte Zinsanspruch von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in jedem Fall gerechtfertigt ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Streitwert orientiert sich an der Höhe der geltend gemachten Forderung. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 197a SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nach einer Abrechnungsprüfung der Beklagten über einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.558,90 EUR für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Im als Plankrankenhaus zur vollstationären Versorgung zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte, 1916 geborene H S in der Zeit vom 19. bis 27. Februar 2004 stationär behandelt. Mit Schlussrechnung vom 10. März 2004 wurden der Beklagten hierfür 6.474,01 EUR in Rechnung gestellt, die die Beklagte am 24. März 2004 an die Klägerin zahlte. Am 03. Juni 2008 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD BEV) mit der Durchführung einer Einzelfallbegutachtung nach § 275 SGB V. Mit Schreiben vom 03. Juni 2008 forderte der MD BEV von der Klägerin Unterlagen zur Durchführung des Prüfungsverfahrens ab, die von der Klägerin übersandt wurden. Der MD BEV kam in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 30. Januar 2009 zu dem Ergebnis, die Klägerin habe in der Schlussrechnung vom 10. März 2004 eine fehlerhafte Kodierung verwendet. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Februar 2009 zur Korrektur der Schlussrechnung vom 10. März 2004 binnen 14 Tagen auf und kündigte die Verrechnung des Betrages von 3.358,90 EUR an. Am 13. März 2009 verrechnete die Beklagte diesen Betrag mit der unstreitigen Schlussrechnung der Klägerin vom 04. März 2009 über 6.209,17 EUR betreffend die stationäre Behandlung des bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten, 1960 geborenen U R. Am 05. Juni 2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und führt zur Begründung aus, das Prüfungsrecht der Beklagten sei zum Zeitpunkt der Prüfung mehr als vier Jahre nach Entlassung des Patienten und vorbehaltloser Zahlung der Schlussrechnung "verfristet". Im Übrigen sei der Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach §§ 69 SGB V, 195, 199 BGB n. F. verjährt. Es gelte hiernach die dreijährige Verjährungsfrist. Selbst bei Geltung der vierjährigen Verjährungsfrist wäre der Anspruch verjährt. Sie stützt sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Dezember 2001 = NZS 2003, 28 sowie des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 20. September 2005, Az.: L 24 KR 51/03. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.358,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. März 2009 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führt aus, die für die Verrechnung erforderliche Rechtsgrundlage sei in den §§ 387 ff. BGB und dem Urteil BSG vom 22. Juli 2004, Az.: B 3 KR 21/03 R, zu sehen. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist. Jedenfalls sie die Verjährung ausreichend gehemmt worden, und zwar spätestens mit Einleitung des Begutachtungsverfahrens durch die Beklagte bzw. der Anforderung der Unterlagen bei der Klägerin, § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, §§ 203, 204 Abs. 1 Nr. 8, 215 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten übersandten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte hier gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die bei gegebenen Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Die Klage ist auch begründet. Der Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten kann allein aus § 109 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit dem Grundverhältnis folgen, das zwischen den Beteiligten auf der Grundlage des Versorgungs- und Sicherstellungsvertrages und der Pflegesatzvereinbarung beruht, die zwischen der Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassenverbänden sowie der Klägerin abgeschlossen worden sind. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse im konkreten Einzelfall entsteht grundsätzlich durch die Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az.: B 3 KR 33/99 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Eine derartige Konkretisierung setzt voraus, dass der Versicherte einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse hat. Die Schlussrechnung der Klägerin vom 04. März 2009 über 6.209,17 EUR betreffend die stationäre Behandlung des bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten U R steht diesbezüglich zunächst nicht in Streit. Ob und inwieweit diese Voraussetzungen auch im Hinblick auf die stationäre Behandlung des Versicherten S vorlagen, kann, soweit streitig, dahinstehen. Zwar war die Geltendmachung der etwa bestehenden Forderung zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 13. März 2009 nicht, wie die Klägerin meint, "verfristet". In Betracht käme zwar grundsätzlich ein Untergang der Forderung nach den Grundsätzen der Verwirkung. Das im Bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist auch im Sozialrecht anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteile vom 01. April 1993, Az.: 1 RK 16/92, und vom 29. Januar 1997, Az.: 5 RJ 52/94). Besondere Bedeutung kommt in diesem Rahmen auch dem auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach Treu und Glauben zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (BSG, Urteil vom 08. September 2009, Az.: B 1 KR 11/09 R). Diese zu einer Verwirkung führenden Voraussetzungen liegen hier jedoch insgesamt nicht vor. Das BSG hatte zwar bereits zum Verfahren nach dem Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zwischen der Berliner Krankenhausgesellschaft e. V. und den Landesverbänden der Krankenkassen (KÜV) ausgeführt, dass die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK spätestens dann notwendig ist, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie dies, so ist sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen endgültig ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001, Az.: B 3 KR 11/01 R). Darauf hat auch der Gesetzgeber in der Begründung zu § 275 Abs. 1c SGB V Bezug genommen (BT-Drs. 16/3100, S. 171). Dort hat der Gesetzgeber auch betont, dass Prüfungen, die nach Ablauf des Zeitraumes nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V dem Krankenhaus angezeigt werden, nicht zulässig sind. Vorliegend hatte die Beklagte die DRG-Abrechnungen der stationären Krankenhausabrechnungen des Jahres 2004 einer Datenanalyse unterzogen und in Einzelfällen wie dem hier vorliegenden – die Hauptdiagnose sei nicht plausibel – Auffälligkeiten festgestellt. Die Beklagte hatte auch weder ausdrücklich oder auch nur sinngemäß einen Vorbehalt bei der Begleichung der Schlussrechnung erklärt. Es handelte sich auch nicht bloß um die Korrektur eines offen zutage liegenden Fehlers in der Abrechnung, vielmehr hatte die Beklagte die Krankenhausabrechnungen des Jahres 2004 nach eigenem Vortrag offenbar einer systematischen Analyse unterzogen. Auf Verwirkung kann sich die Klägerin aber trotz alledem nicht berufen, denn ein Verwirkungsverhalten der Beklagten liegt nicht bereits durch bloße Untätigkeit bis dahin vor, und es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Das Recht zur Geltendmachung einer etwaigen Forderung der Beklagten gegen die Klägerin war zum Zeitpunkt der Aufrechnung allerdings bereits verjährt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Nach § 45 Abs. 1 SGB I gilt hier eine Verjährungsfrist von vier Jahren (vgl. etwa BSG, Urteil vom 10. April 2008, Az.: B 3 KR 7/07 R m. w. N.), gleichwohl war eine etwaige Forderung der Beklagten zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 13. März 2009 bereits verjährt, denn nach § 45 Abs. 1 SGB I beginnt die Frist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, hier 2004. Auch wurde die Einrede der Verjährung von der Klägerin erhoben. Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Verjährung auch nicht durch die Einleitung des Prüfungsverfahrens gehemmt. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Eine analoge Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB i. V. m. § 45 Abs. 2 SGB I scheidet aus. Nach der Bestimmung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB wird die Verjährung durch den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens gehemmt. Weder stellt ein Verfahren nach § 275 SGB V jedoch ein Begutachtungsverfahren in diesem Sinne dar noch besteht insoweit eine Regelungslücke, denn in der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber zu § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB ausdrücklich klargestellt, dass nur vereinbarte Begutachtungsverfahren die Hemmungswirkung auslösen (BT-Drs. 14/6040, S. 114), da die Kenntnis der Schuldners von den die Hemmung begründenden Ereignissen entscheidend ist. Hinsichtlich der bis 31. Dezember 2008 geltende Fassung von § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB im Hinblick auf § 641a BGB a. F. war die Kenntnis des Bestellers von der Hemmung durch die Beauftragung des Gutachters durch die Einladung zum Besichtigungstermin nach § 641a Abs. 3 Satz 1 BGB sichergestellt ("eine Einladung hierzu unter Angabe des Anlasses muss dem Besteller mindestens zwei Wochen vorher zugehen"). Entsprechendes ist bei der Prüfung nach § 275 SGB V jedoch gerade nicht zwingend, da die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK durch die Krankenkasse auch ohne Mitwirkung oder Kenntnis des Krankenhauses durchgeführt werden kann. Zwar wurde die Klägerin hier vom MD BEV mit Schreiben vom 03. Juni 2008 um Mitwirkung ersucht und hatte sonach Kenntnis vom Prüfungsverfahren erlangt, dies ändert aber nichts daran, dass eine Rechtsgrundlage für die Hemmung der Verjährung hier nicht gegeben war. Nach alledem hatte die Klage vollumfänglich Erfolg. Der Zinsanspruch folgt aus dem offenbar zwischen den Beteiligten anwendbaren § 12 Abs. 5 des Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen diversen Krankenkassen und Krankenkassenverbänden und der Berliner Krankenhausgesellschaft e.V. vom 01. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 (Krankenhausbehandlungsvertrag), wonach das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz berechnen kann. Sofern der Krankenhausbehandlungsvertrag zwischen den Beteiligten keine Anwendung fände, würde sich der Zinsanspruch aus § 69 Abs. 3 SGB V i. V. m. § 288 BGB ergeben (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. April 2007, Az.: B 3 KR 10/06 R), wobei der Klägerin dann sogar ein Zinssatz in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zustünde, mithin der geltend gemachte Zinsanspruch von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in jedem Fall gerechtfertigt ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Streitwert orientiert sich an der Höhe der geltend gemachten Forderung. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 197a SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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