S 36 KR 2242/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 2242/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Sozialgericht Berlin erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln.

Gründe:

Der Beschluss ergeht gemäß § 98 SGG i.V.m. §§ 17a, 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Die örtliche Zuständigkeit des SG Köln ergibt sich aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat ihren Sitz in Kerpen und damit im Zuständigkeitsbereich des SG Köln.

Entgegen der Ansicht der Klägerin und des SG Köln (in dem vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren) eine abweichende Zuständigkeit des SG Berlin nicht aus der Regelung des § 57a Abs. 4 SGG ergeben. Danach ist für Angelegenheiten, die Verträge auf Bundesebene betreffen das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat. Bei dem streitgegenständlichen Hilfsmittellieferungsvertrag handelt es sich nicht um einen Vertrag auf Bundesebene (so auch die 72. Kammer des SG Berlin, Beschluss vom 06.12.2011 – S 72 KR 2304/11 ER – nicht veröffentlicht).

Zu beachten ist insofern, dass § 57a SGG ursprünglich vorrangig für das Vertragsarztrecht konzipiert war, wie auch der heutige Wortlaut noch zeigt (vgl. dazu auch BSG, Beschluss vom 27.05.2004, B 7 SF 6/04 S). Die damit in den Blick genommenen Verträge auf Bundesebene sind insbesondere die für die gesamte vertragsärztliche Versorgung im Bundesgebiet geltenden Bundesmantelverträge (vgl. § 87 SGB V). Ein Vertrag auf Bundesebene liegt insofern nur dann vor, wenn er im Sinne eines Mantel- oder Rahmenvertrages für sämtliche oder zumindest den weit überwiegenden Teil der Leistungserbringer und/oder Krankenkassen im Bundesgebiet Anwendung findet, nicht dagegen, wenn – wie vorliegend – in einem bilateralen Vertrag zwischen einer Krankenkasse und einem oder einigen wenigen Leistungserbringern lediglich die bundesweite Versorgung von Versicherten geregelt wird.

Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber wollte mit der speziellen örtlichen Zuweisung in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Vereinfachung der Verwaltung und eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung erreichen. Er hält die Materie des Vertragsarztrechts, insbesondere soweit sie auf Verträgen oder Entscheidungen der Bundesträger (Hervorhebung nur hier) beruht, für äußerst komplex. Mittels der Zuweisung könne sich das zuständige Sozialgericht die notwendige Fachkompetenz aneignen und eine einheitliche Rechtsprechung entwickeln. Auf diese Weise solle auch ein höheres Maß an Rechtssicherheit für die Betroffenen entstehen. Würden mehrere unterschiedliche Spruchkörper mit diesen Fragen befasst, dauerten die Verfahren länger und wäre eine Klärung wesentlicher Rechtsfragen unter Umständen erst im Revisionsverfahren möglich (BT-Drucks. 16/7716, S. 17, zu Nummer 12). Auch hieraus ist zu schlussfolgern, dass ein Vertrag auf Bundesebene nur dann vorliegt, wenn er in seiner Komplexität und seinem Geltungsbereich mit den im Vertragsarztrecht typischen Mantelverträgen vergleichbar ist. Die besondere Erwähnung "der Bundesträger" macht zudem deutlich, dass sich das "auf Bundesebene" auf die Entscheidungsträger bzw. auf die Vertragspartner bezieht und nicht lediglich auf das in dem Vertrag benannte Versorgungsgebiet. Dafür spricht schließlich auch die enumerative Aufzählung in der ursprünglichen Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1988 (BT-Drs. 11/3480, S. 78).

Bei dem hier in Rede stehenden Vertrag handelt es sich um einen bilateralen Vertrag zwischen einem Hilfsmittelerbringer oder mehreren Hilfsmittelerbringern und einer einzigen Krankenkasse. Allein der Umstand, dass der Vertrag die bundesweite Beratung und Versorgung der Mitglieder der Krankenkasse regeln soll, vermag diesen nicht als Vertrag auf Bundesebene zu qualifizieren. Auch das in § 127 Abs. 2a SGB V normierte Beitrittsrecht weiterer Leistungserbringer vermag hieran nichts zu ändern, da hierdurch lediglich ein weiterer bilateraler Vertrag begründet wird (so zutreffend die 73. Kammer des SG Berlin, a.a.O.).

Schließlich hat sich jüngst auch das BSG in einem obiter dictum für eine enge Auslegung des § 57a Abs. 4 SGG ausgesprochen (Beschluss vom 05.01.2012, B 12 SF 4/11 S, zitiert nach www.beck-online.de).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 98 Satz 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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