Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
72
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2070/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 18.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2010 wird insoweit aufgehoben, als dieser bei der Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die der Klägerin gem. § 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 LAbgG gewährte Kostenpauschale in Höhe von 955 EUR berücksichtigt.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung der der Klägerin gezahlten Kostenpauschale bei der Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die Klägerin ist seit September 1999 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Als Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin der 16. Wahlperiode erhielt sie in 2010 und 2011 neben einer monatlichen Entschädigung von 3.233 EUR eine monatliche Kostenpauschale von 955 EUR zur Abgeltung des mandatsbedingten Aufwands, namentlich Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten. Seit dem 01.01.2012 beträgt die Kostenpauschale 994 EUR (vgl. Bekanntmachung über die Anpassung von Leistungen an Abgeordnete nach dem Landesabgeordnetengesetz vom 8. Dezember 2011, GVBl. S. 833). Mit Bescheid vom 18.02.2010 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2010 fest; hierbei berücksichtigte sie Einnahmen der Klägerin von insgesamt 4.188 EUR. Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die ihr gezahlte Kostenpauschale nicht zum Lebensunterhalt angerechnet werden und deshalb bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kostenpauschale insoweit, wie sie die tatsächlich verbrauchten Kosten übersteige, zur Beitragsberechnung heranzuziehen sei. Die Klägerin habe das Angebot der Beklagten, die tatsächlichen Kosten nachzuweisen, nicht angenommen, weshalb die Beitragsbemessung unter Zugrundelegung der vollen Kostenpauschale habe erfolgen müssen. Mit ihrer am 05. November 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Sie macht geltend, die Kostenpauschale sei ein steuerfreier Betrag, der gerade nicht der Bestreitung des Lebensunterhalts diene. Aufgrund der Leistung als Pauschale sei eine Einzelabrechnung obsolet. Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2010 insoweit aufzuheben, als dieser bei der Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die der Klägerin gem. § 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 LAbgG gewährte Kostenpauschale in Höhe von 955 EUR berücksichtigt. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung beruft sie sich auf den Widerspruchsbescheid. Die Kostenpauschale unterliege der Beitragspflicht, weil der Ersatz der tatsächlich entstandenen Kosten nicht belegt sei. Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 SGG) und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Oktober 2010 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, als er bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung die der Klägerin gewährte Kostenpauschale von 955 EUR berücksichtigt. Der Beitragsbemessung durfte allein die Entschädigung von 3.233 EUR zugrunde gelegt werden. Für freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung wird die Beitragsbemessung seit dem 01.01.2009 einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (Gesetz vom 26.03.2007, BGBl I 2007, S. 378). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 SGB V). Zu berücksichtigten sind insoweit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV). Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, ist für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ergibt sich grundsätzlich aus den Einnahmen und Geldmitteln, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung (BSG, Urteil vom 22. März 2002 – B 12 KR 8/05 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 240 Nr. 6 m.w.N.). Es muss sich also um solche Einnahmen und Geldmittel handeln, die dem Mitglied bei wirtschaftlicher Betrachtung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 23.09.1999 - B 12 KR 12/98 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 240 Nr. 31). Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung sind damit die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträgen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 (BVGsSZ), in Kraft getreten am 01.01.2009 (§ 13 BVGsSZ). Die zunächst bestehenden Bedenken an der Wirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind durch die rückwirkende Bestätigung der Grundsätze durch den Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes in seiner Sitzung vom 30.11.2011 ausgeräumt worden. Die Heilung ist zulässigerweise mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt (vgl. zum Ganzen Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 25.01.2012, L 1 KR 145/11, Rz. 22 ff., 33 ff. bei juris). Die demnach hier anwendbaren Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler enthalten jedoch keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Heranziehung der der Klägerin gem. § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Abgeordnetenhaus von Berlin (Landesabgeordnetengesetz - LAbgG) gewährten Kostenpauschale als beitragspflichtige Einnahme. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Einnahme, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden kann und hierzu auch bestimmt ist. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler unterliegen der Beitragsbemessung Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Ausgeschlossen sind damit Geldmittel, die lediglich einen Ersatz für entstandene Aufwendungen darstellen und daher keinen Einnahmencharakter besitzen (so auch ausdrücklich im "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V" ausgeführt, abrufbar unter http://www.lexsoft.de/share/pdf/081024ac.pdf). § 7 Abs. 2 S. 1 LAbgG in der vom 01.01.2010 bis 31.12.2011 geltenden Fassung lautete: "Ein Abgeordneter erhält eine monatliche Kostenpauschale für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrkosten in Höhe von 955 Euro." Schon aus dem Begriff "Kostenpauschale" wird deutlich, dass diese Geldleistung der Abgeltung des durch sein Mandat veranlassten finanziellen Aufwandes eines Abgeordneten dient. Letztlich werden hierdurch den Abgeordneten entstehende Werbungskosten i.S.d. § 9 Einkommensteuergesetz (ESTG) ersetzt. Sachgerecht ist es deshalb Abgeordneten, die eine pauschale Aufwandsentschädigung erhalten, verwehrt, mandatsbedingte Aufwendungen als Werbungskosten geltend zu machen (vgl. § 22 Nr. 4 S. 2 EStG). Überlegungen, den Abzug von Werbungskosten neben dem pauschalierten Kostenersatz zuzulassen, wurden im Zuge der Gesetzesberatungen mit der Erwägung verworfen, dass durch eine Kombination von Kostenpauschale und Werbungskostenabzug der mit dem pauschalen Kostenersatz bezweckte Vereinfachungseffekt gefährdet werden könne (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 29.03.1983, VIII R 97/82, Rz. 10 f. bei juris). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die gewährte Kostenpauschale unabhängig von der Vorlage von Einzelnachweisen beitragsmindernd zu berücksichtigen. Denn mit der Kostenpauschale soll – ebenso wie bei dem Werbungskosten-Pauschbetrag – ein unterstellter, tatsächlich angefallener Aufwand ausgeglichen werden (zum Werbungskosten-Pauschbetrag vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.04.2008, L 4 KR 386/04; Rz. 20 bei juris). Die gesetzgeberische Entscheidung, im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung auf Einzelnachweise zu verzichten und stattdessen eine pauschale Aufwandsentschädigung zu gewähren, ändert nichts daran, dass die Leistung gewährt wird, um entstandene Aufwendungen zu ersetzen. Es ist nicht Aufgabe der Beklagten, anstelle des Berliner Senats im Einzelnen zu prüfen, inwieweit Abgeordnete die ihnen gewährte Kostenpauschale tatsächlich in Ausübung ihres Mandats verbrauchen. Eine Rechtsgrundlage ist insoweit nicht ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, wonach eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfindet. Denn dies verdeutlicht nur, dass die Beschränkung der Beitragspflicht auf bestimmte Einkunftsarten ebenso wie auch die einnahmenmindernde Berücksichtigung des Zwecks der Leistung entfallen ist und die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 28/05 R, Rz. 15 bei juris). Voraussetzung ist auch insoweit, dass das – zweckgebundene – Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iS von § 240 Abs 1 SGB V bestimmt. Dies ist bei der Gewährung einer Geldleistung als Ersatz für entstandene Aufwendungen nicht der Fall. Schließlich verlangt auch das Bestimmtheitsgebot, dass der Beitragsschuldner aus den die Beitragspflicht regelnden Rechtsvorschriften ersehen kann, wie sich der Beitrag zusammensetzt und welche Belastung ihn erwartet (vgl. hierzu Sächsisches LSG, Urteil vom 25.01.2012, L 1 KR 145/11, Rz. 48 bei juris). Aufgrund des Wortlauts des § 3, wonach nur für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einnahmen der Beitragspflicht unterliegen, konnte die Klägerin nicht erkennen, dass die ihr gewährte Kostenpauschale beitragspflichtig ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung der der Klägerin gezahlten Kostenpauschale bei der Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die Klägerin ist seit September 1999 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Als Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin der 16. Wahlperiode erhielt sie in 2010 und 2011 neben einer monatlichen Entschädigung von 3.233 EUR eine monatliche Kostenpauschale von 955 EUR zur Abgeltung des mandatsbedingten Aufwands, namentlich Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten. Seit dem 01.01.2012 beträgt die Kostenpauschale 994 EUR (vgl. Bekanntmachung über die Anpassung von Leistungen an Abgeordnete nach dem Landesabgeordnetengesetz vom 8. Dezember 2011, GVBl. S. 833). Mit Bescheid vom 18.02.2010 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2010 fest; hierbei berücksichtigte sie Einnahmen der Klägerin von insgesamt 4.188 EUR. Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die ihr gezahlte Kostenpauschale nicht zum Lebensunterhalt angerechnet werden und deshalb bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kostenpauschale insoweit, wie sie die tatsächlich verbrauchten Kosten übersteige, zur Beitragsberechnung heranzuziehen sei. Die Klägerin habe das Angebot der Beklagten, die tatsächlichen Kosten nachzuweisen, nicht angenommen, weshalb die Beitragsbemessung unter Zugrundelegung der vollen Kostenpauschale habe erfolgen müssen. Mit ihrer am 05. November 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Sie macht geltend, die Kostenpauschale sei ein steuerfreier Betrag, der gerade nicht der Bestreitung des Lebensunterhalts diene. Aufgrund der Leistung als Pauschale sei eine Einzelabrechnung obsolet. Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2010 insoweit aufzuheben, als dieser bei der Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die der Klägerin gem. § 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 LAbgG gewährte Kostenpauschale in Höhe von 955 EUR berücksichtigt. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung beruft sie sich auf den Widerspruchsbescheid. Die Kostenpauschale unterliege der Beitragspflicht, weil der Ersatz der tatsächlich entstandenen Kosten nicht belegt sei. Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 SGG) und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Oktober 2010 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, als er bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung die der Klägerin gewährte Kostenpauschale von 955 EUR berücksichtigt. Der Beitragsbemessung durfte allein die Entschädigung von 3.233 EUR zugrunde gelegt werden. Für freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung wird die Beitragsbemessung seit dem 01.01.2009 einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (Gesetz vom 26.03.2007, BGBl I 2007, S. 378). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 SGB V). Zu berücksichtigten sind insoweit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV). Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, ist für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ergibt sich grundsätzlich aus den Einnahmen und Geldmitteln, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung (BSG, Urteil vom 22. März 2002 – B 12 KR 8/05 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 240 Nr. 6 m.w.N.). Es muss sich also um solche Einnahmen und Geldmittel handeln, die dem Mitglied bei wirtschaftlicher Betrachtung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 23.09.1999 - B 12 KR 12/98 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 240 Nr. 31). Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung sind damit die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträgen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 (BVGsSZ), in Kraft getreten am 01.01.2009 (§ 13 BVGsSZ). Die zunächst bestehenden Bedenken an der Wirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind durch die rückwirkende Bestätigung der Grundsätze durch den Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes in seiner Sitzung vom 30.11.2011 ausgeräumt worden. Die Heilung ist zulässigerweise mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt (vgl. zum Ganzen Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 25.01.2012, L 1 KR 145/11, Rz. 22 ff., 33 ff. bei juris). Die demnach hier anwendbaren Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler enthalten jedoch keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Heranziehung der der Klägerin gem. § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Abgeordnetenhaus von Berlin (Landesabgeordnetengesetz - LAbgG) gewährten Kostenpauschale als beitragspflichtige Einnahme. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Einnahme, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden kann und hierzu auch bestimmt ist. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler unterliegen der Beitragsbemessung Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Ausgeschlossen sind damit Geldmittel, die lediglich einen Ersatz für entstandene Aufwendungen darstellen und daher keinen Einnahmencharakter besitzen (so auch ausdrücklich im "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V" ausgeführt, abrufbar unter http://www.lexsoft.de/share/pdf/081024ac.pdf). § 7 Abs. 2 S. 1 LAbgG in der vom 01.01.2010 bis 31.12.2011 geltenden Fassung lautete: "Ein Abgeordneter erhält eine monatliche Kostenpauschale für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrkosten in Höhe von 955 Euro." Schon aus dem Begriff "Kostenpauschale" wird deutlich, dass diese Geldleistung der Abgeltung des durch sein Mandat veranlassten finanziellen Aufwandes eines Abgeordneten dient. Letztlich werden hierdurch den Abgeordneten entstehende Werbungskosten i.S.d. § 9 Einkommensteuergesetz (ESTG) ersetzt. Sachgerecht ist es deshalb Abgeordneten, die eine pauschale Aufwandsentschädigung erhalten, verwehrt, mandatsbedingte Aufwendungen als Werbungskosten geltend zu machen (vgl. § 22 Nr. 4 S. 2 EStG). Überlegungen, den Abzug von Werbungskosten neben dem pauschalierten Kostenersatz zuzulassen, wurden im Zuge der Gesetzesberatungen mit der Erwägung verworfen, dass durch eine Kombination von Kostenpauschale und Werbungskostenabzug der mit dem pauschalen Kostenersatz bezweckte Vereinfachungseffekt gefährdet werden könne (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 29.03.1983, VIII R 97/82, Rz. 10 f. bei juris). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die gewährte Kostenpauschale unabhängig von der Vorlage von Einzelnachweisen beitragsmindernd zu berücksichtigen. Denn mit der Kostenpauschale soll – ebenso wie bei dem Werbungskosten-Pauschbetrag – ein unterstellter, tatsächlich angefallener Aufwand ausgeglichen werden (zum Werbungskosten-Pauschbetrag vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.04.2008, L 4 KR 386/04; Rz. 20 bei juris). Die gesetzgeberische Entscheidung, im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung auf Einzelnachweise zu verzichten und stattdessen eine pauschale Aufwandsentschädigung zu gewähren, ändert nichts daran, dass die Leistung gewährt wird, um entstandene Aufwendungen zu ersetzen. Es ist nicht Aufgabe der Beklagten, anstelle des Berliner Senats im Einzelnen zu prüfen, inwieweit Abgeordnete die ihnen gewährte Kostenpauschale tatsächlich in Ausübung ihres Mandats verbrauchen. Eine Rechtsgrundlage ist insoweit nicht ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, wonach eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfindet. Denn dies verdeutlicht nur, dass die Beschränkung der Beitragspflicht auf bestimmte Einkunftsarten ebenso wie auch die einnahmenmindernde Berücksichtigung des Zwecks der Leistung entfallen ist und die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 28/05 R, Rz. 15 bei juris). Voraussetzung ist auch insoweit, dass das – zweckgebundene – Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iS von § 240 Abs 1 SGB V bestimmt. Dies ist bei der Gewährung einer Geldleistung als Ersatz für entstandene Aufwendungen nicht der Fall. Schließlich verlangt auch das Bestimmtheitsgebot, dass der Beitragsschuldner aus den die Beitragspflicht regelnden Rechtsvorschriften ersehen kann, wie sich der Beitrag zusammensetzt und welche Belastung ihn erwartet (vgl. hierzu Sächsisches LSG, Urteil vom 25.01.2012, L 1 KR 145/11, Rz. 48 bei juris). Aufgrund des Wortlauts des § 3, wonach nur für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einnahmen der Beitragspflicht unterliegen, konnte die Klägerin nicht erkennen, dass die ihr gewährte Kostenpauschale beitragspflichtig ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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