Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
205
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 205 AS 4714/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Küchenarbeitsplatte gehört nicht zum notwendigen Umfang einer Kücheneinrichtung und ist daher nicht Bestandteil einer Wohnungserstausstattung
Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger 50 Prozent seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch 12,50 EUR für eine Arbeitsplatte in der Küche als Wohnungserstausstattung.
Der am 1990 geborene Kläger zog während des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Herbst 2010 aus der Wohnung seiner Eltern aus und mietete gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau N W , eine Wohnung in der O in 1 Berlin (Reinickendorf) zum 16. Oktober 2010 an.
Mit Schreiben vom 20. September 2010 beantragte der Kläger beim Beklagten eine Erstausstattung für seine neue Wohnung in der O.
Am 7. Oktober 2010 zog er in die neue Wohnung ein.
Mit Schreiben vom 8. November 2010 beantragte der Kläger weitere, ihm aus seiner Sicht fehlende "Dinge", u. a. eine Küchenarbeitsplatte.
Mit Bescheid vom 11. November 2010 bewilligte das Jobcenter Berlin N der Lebensgefährtin des Klägers für die Erstausstattung der Wohnung einen Betrag in Höhe von 495,40 EUR.
Der Beklagte gewährte dem Kläger einen Betrag in Höhe von 751,41 EUR für die Wohnungserstausstattung (Bescheid vom 16. November 2010). Der Beklagte berücksichtigte hierbei 25,00 EUR für einen Küchentisch, hingegen keinen Oberschrank und keine Arbeitsplatte für die Küche. Bei der Ermittlung des Bedarfs berücksichtigte der Beklagte überdies keinen Esstisch fürs Wohnzimmer.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 erhob der Kläger Widerspruch.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2011 – W 8871/10). Es läge ein Fall der Wohnungserstausstattung vor. Der Bedarf des Klägers und seiner Lebensgefährtin belaufe sich auf 1.502,81 EUR, wovon dem Kläger die Hälfte zu gewähren sei.
Mit der am 18. Februar 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger begehrte ursprünglich auch 12,50 EUR für den Erwerb eines Oberschranks. Der Beklagte gewährte diesen Betrag mit Bescheid vom 19. Oktober 2011. Der Kläger erklärte den Rechtsstreit insoweit für erledigt.
Der Kläger meint, eine Küchenarbeitsplatte gehörte ungeachtet ihrer fehlenden Erwähnung in den Verwaltungsvorschriften des Beklagten zu einer Wohnungserstausstattung. Sie diene der Zubereitung von Speisen, während ein Tisch zum Verzehr der Speisen diene. Jedenfalls in Ermangelung der Bewilligung eines Esstischs durch den Beklagten sei eine Arbeitsplatte erforderlich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 16. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. Januar 2011 (W-8871/10) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, weitere 12,50 EUR für eine Küchenarbeitsplatte zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 SGG) statthaft.
Zwar ist bei Streitigkeiten um die Erstausstattung einer Wohnung regelmäßig die sog. Verpflichtungsbescheidungsklage die statthafte Klageart, da der Hilfebedürftige einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob" und nicht auch auf das "Wie" der Leistungserbringung hat, denn es steht im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt (BSG, Urt. v. 19.08.2010 – B 14 AS 36/09 R, Rn. 13). Hat sich der Grundsicherungsträger durch interne Verwaltungsvorschriften gebunden, für die Erstausstattung der Wohnung stets eine Leistung in Geld (in pauschalierter Höhe) zu erbringen, liegt aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, mit der Folge, dass die Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft ist (BSG, Urt. v. 27.09.2011 - B 4 AS 202/10 R, Rn. 12; Blüggel, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 24 Rn. 135, mwN). Dies ist im Hinblick auf die früheren, im vorliegenden Fall noch anwendbaren Regelungen im Land Berlin (Rundschreiben I Nr 38/2004 von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Senats von Berlin vom 14. Dezember 2004) der Fall, wie bereits durch das Bundessozialgericht entschieden wurde (BSG, Urt. v. 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R).
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. Januar 2011 (W 8871/10) ist – soweit er angefochten ist – rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von 12,50 EUR für eine Arbeitsplatte in der Küche als Wohnungserstausstattung.
Rechtsgrundlage ist § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung oder § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S 453). Gleich, welche Vorschrift in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist, werden Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert erbracht, da sie nicht vom Regelbedarf umfasst sind.
Der Beklagte ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Wohnungserstausstattung. Die aus Sachnähe vernünftige Annahme, zuständig sei der Leistungsträger, in dessen Bereich sich die neue Wohnung befindet, für deren Erstausstattung Leistungen begehrt werden (Breitkreuz, in: BeckOK-SozR, Stand: 01.03.2013, § 24 SGB II Rn. 19), lässt das Gesetz nicht zu. Die Zuständigkeit richtet sich entsprechend dem Grundgedanken des § 36 SGB II allein nach dem Aufenthalt der leistungsberechtigten Person bei Antragstellung (BSG, Urt. v. 23.05.2012 - B 14 AS 156/11 R, Rn. 24). Daher ist der Beklagte zuständig, denn der Kläger hat bei ihm seinen Antrag am 20. September 2010 gestellt, als er noch in der früheren Wohnung, die im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten belegen ist, gewohnt hat. Er ist erst hiernach, nämlich am 7. Oktober 2010, in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Berlin Reinickendorf umgezogen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger erst später, mithin mit Schreiben vom 8. November 2010, die hier in Streit stehende Küchenarbeitsplatte gesondert beantragt hat. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip ist ein Antrag im Verwaltungsverfahren grundsätzlich auf alle Leistungen gerichtet, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (Link, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 37 Rn. 26, mwN). Der Antrag des Klägers vom 20. September 2010 umfasste damit nicht nur die darin konkret bezeichneten und aufgeführten Gegenstände, sondern auch weitere Gegenstände, die zumindest zu einer Wohnungserstausstattung im weitesten Sinne gehören können.
Es besteht kein Zweifel, dass es sich im Fall des Klägers um einen Fall einer Erstausstattung handelt, denn der Kläger verfügte nach seinem Auszug aus dem Elternhaus und der ersten eigenen Wohnung über keine Wohnungsausstattung.
Die begehrte Küchenarbeitsplatte gehört jedoch nicht zu einer Erstausstattung für die Wohnung.
Zur Ausstattung einer Wohnung gehören sämtliche Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sind (BSGE 102, 194 ff.)
Zum notwendigen Bedarf zählen auch Haushaltsgegenstände, die für die Zubereitung, Lagerung und den Verzehr von Nahrungsmitteln notwendig sind, wie z. B. eine Kücheneinrichtung, Herd, Kochtöpfe, Bratpfannen, Essservice, Kaffeeservice, Essbesteck, ein Kühlschrank (von Boetticher/Münder, in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 24 Rn. 29).
Eine Küchenarbeitsplatte gehört nicht zu den in diesem Sinne notwendigen Ausstattungsgegenständen. Dabei sind die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen sowie das Verbrauchsverhalten und der Lebenszuschnitt gerade der Bevölkerungskreise mit einem sehr geringen Einkommen zu berücksichtigen (vgl. Bender, in: Gagel, SGB II/III, 50. EL 2013, § 24 Rn. 53; BVerwG 1. 10. 1998 – 5 C 19.97, BVerwGE 107, 234, 236), also derjenigen Referenzgruppe der Bevölkerung, die für die Bestimmung des Leistungsniveaus von Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgeblich ist (Bender, aaO). Umfasst ist also eine angemessene Ausstattung, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegt (BSG, Urt. v. 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R, Rn. 19). In Familien mit geringen Einkommen ist davon auszugehen, dass die Zubereitung von Speisen nicht auf einer gesonderten Arbeitsplatte erfolgen muss, sondern sich damit beholfen wird, das Essen auf dem Küchentisch zuzubereiten (vgl. zu § 12 BSHG: VG München, B. v. 08.12.2004 – M 15 E 04.5026, M 15 E 04.5189, Rn. 26, juris). Mithin ist eine Küchenarbeitsplatte für das Zubereitung und den Verzehr von Speisen nicht erforderlich, da hierfür der Küchentisch genutzt werden kann.
Für diese Auffassung streitet auch der Umstand, dass in der rechtswissenschaftliche Literatur, soweit sie sich detaillierter zum Umfang einer Erstausstattung verhält, keine Hinweise für die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung zu finden ist, dass eine Küchenarbeitsplatte zum notwendigen Bestandteil einer Kücheneinrichtung im weitesten Sinne gehört oder gehören müsste (vgl. von Boetticher/Münder, aaO, § 24 Rn. 29; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, 40 EL X/11, § 24 Rn. 293; Wieland, in: Estelmann, SGB II, 35. EL IV/13, § 24 Rn. 47; O. Loose, in: GK-SGB II, XI/11, § 24 Rn. 40; Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 24 Rn. 53; Münder, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl., § 31 Rn. 6; Scheider, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 31 Rn. 7).
An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass dem Kläger für das Wohnzimmer kein Esstisch bewilligt worden ist. Zum einen folgt dies konsequenter Weise aus der hier vertretenen Auffassung, dass ein Küchentisch, der vom Beklagten hier bewilligt worden ist, sowohl für die Zubereitung als auch den Verzehr von Speisen genutzt werden kann. Zum anderen folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte möglicherweise in rechtswidriger Weise einen eigentlich zum notwendigen Umfang einer Erstausstattung für eine Wohnung gehörenden Ausstattungsgegenstand nicht gewährt, nicht, dass ein nach dem Gesetz nicht gegebener Anspruch auf einen nicht dazugehörigen Einrichtungsgegenstand gleichsam als Kompensation für die (vermeintlich) rechtswidrige Ablehnung entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass der Beklagte der ursprünglichen Klage freiwillig und ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage in Höhe der Hälfte des Begehrens abgeholfen hat.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Frage der Zugehörigkeit einer Küchenarbeitsplatte für die Wohnung betrifft eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle und ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 27.04.2010 - L 9 AS 267/09, Rn. 20, juris, zum Fernsehgerät).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch 12,50 EUR für eine Arbeitsplatte in der Küche als Wohnungserstausstattung.
Der am 1990 geborene Kläger zog während des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Herbst 2010 aus der Wohnung seiner Eltern aus und mietete gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau N W , eine Wohnung in der O in 1 Berlin (Reinickendorf) zum 16. Oktober 2010 an.
Mit Schreiben vom 20. September 2010 beantragte der Kläger beim Beklagten eine Erstausstattung für seine neue Wohnung in der O.
Am 7. Oktober 2010 zog er in die neue Wohnung ein.
Mit Schreiben vom 8. November 2010 beantragte der Kläger weitere, ihm aus seiner Sicht fehlende "Dinge", u. a. eine Küchenarbeitsplatte.
Mit Bescheid vom 11. November 2010 bewilligte das Jobcenter Berlin N der Lebensgefährtin des Klägers für die Erstausstattung der Wohnung einen Betrag in Höhe von 495,40 EUR.
Der Beklagte gewährte dem Kläger einen Betrag in Höhe von 751,41 EUR für die Wohnungserstausstattung (Bescheid vom 16. November 2010). Der Beklagte berücksichtigte hierbei 25,00 EUR für einen Küchentisch, hingegen keinen Oberschrank und keine Arbeitsplatte für die Küche. Bei der Ermittlung des Bedarfs berücksichtigte der Beklagte überdies keinen Esstisch fürs Wohnzimmer.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 erhob der Kläger Widerspruch.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2011 – W 8871/10). Es läge ein Fall der Wohnungserstausstattung vor. Der Bedarf des Klägers und seiner Lebensgefährtin belaufe sich auf 1.502,81 EUR, wovon dem Kläger die Hälfte zu gewähren sei.
Mit der am 18. Februar 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger begehrte ursprünglich auch 12,50 EUR für den Erwerb eines Oberschranks. Der Beklagte gewährte diesen Betrag mit Bescheid vom 19. Oktober 2011. Der Kläger erklärte den Rechtsstreit insoweit für erledigt.
Der Kläger meint, eine Küchenarbeitsplatte gehörte ungeachtet ihrer fehlenden Erwähnung in den Verwaltungsvorschriften des Beklagten zu einer Wohnungserstausstattung. Sie diene der Zubereitung von Speisen, während ein Tisch zum Verzehr der Speisen diene. Jedenfalls in Ermangelung der Bewilligung eines Esstischs durch den Beklagten sei eine Arbeitsplatte erforderlich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 16. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. Januar 2011 (W-8871/10) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, weitere 12,50 EUR für eine Küchenarbeitsplatte zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 SGG) statthaft.
Zwar ist bei Streitigkeiten um die Erstausstattung einer Wohnung regelmäßig die sog. Verpflichtungsbescheidungsklage die statthafte Klageart, da der Hilfebedürftige einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob" und nicht auch auf das "Wie" der Leistungserbringung hat, denn es steht im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt (BSG, Urt. v. 19.08.2010 – B 14 AS 36/09 R, Rn. 13). Hat sich der Grundsicherungsträger durch interne Verwaltungsvorschriften gebunden, für die Erstausstattung der Wohnung stets eine Leistung in Geld (in pauschalierter Höhe) zu erbringen, liegt aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, mit der Folge, dass die Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft ist (BSG, Urt. v. 27.09.2011 - B 4 AS 202/10 R, Rn. 12; Blüggel, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 24 Rn. 135, mwN). Dies ist im Hinblick auf die früheren, im vorliegenden Fall noch anwendbaren Regelungen im Land Berlin (Rundschreiben I Nr 38/2004 von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Senats von Berlin vom 14. Dezember 2004) der Fall, wie bereits durch das Bundessozialgericht entschieden wurde (BSG, Urt. v. 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R).
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. Januar 2011 (W 8871/10) ist – soweit er angefochten ist – rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von 12,50 EUR für eine Arbeitsplatte in der Küche als Wohnungserstausstattung.
Rechtsgrundlage ist § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung oder § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S 453). Gleich, welche Vorschrift in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist, werden Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert erbracht, da sie nicht vom Regelbedarf umfasst sind.
Der Beklagte ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Wohnungserstausstattung. Die aus Sachnähe vernünftige Annahme, zuständig sei der Leistungsträger, in dessen Bereich sich die neue Wohnung befindet, für deren Erstausstattung Leistungen begehrt werden (Breitkreuz, in: BeckOK-SozR, Stand: 01.03.2013, § 24 SGB II Rn. 19), lässt das Gesetz nicht zu. Die Zuständigkeit richtet sich entsprechend dem Grundgedanken des § 36 SGB II allein nach dem Aufenthalt der leistungsberechtigten Person bei Antragstellung (BSG, Urt. v. 23.05.2012 - B 14 AS 156/11 R, Rn. 24). Daher ist der Beklagte zuständig, denn der Kläger hat bei ihm seinen Antrag am 20. September 2010 gestellt, als er noch in der früheren Wohnung, die im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten belegen ist, gewohnt hat. Er ist erst hiernach, nämlich am 7. Oktober 2010, in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Berlin Reinickendorf umgezogen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger erst später, mithin mit Schreiben vom 8. November 2010, die hier in Streit stehende Küchenarbeitsplatte gesondert beantragt hat. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip ist ein Antrag im Verwaltungsverfahren grundsätzlich auf alle Leistungen gerichtet, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (Link, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 37 Rn. 26, mwN). Der Antrag des Klägers vom 20. September 2010 umfasste damit nicht nur die darin konkret bezeichneten und aufgeführten Gegenstände, sondern auch weitere Gegenstände, die zumindest zu einer Wohnungserstausstattung im weitesten Sinne gehören können.
Es besteht kein Zweifel, dass es sich im Fall des Klägers um einen Fall einer Erstausstattung handelt, denn der Kläger verfügte nach seinem Auszug aus dem Elternhaus und der ersten eigenen Wohnung über keine Wohnungsausstattung.
Die begehrte Küchenarbeitsplatte gehört jedoch nicht zu einer Erstausstattung für die Wohnung.
Zur Ausstattung einer Wohnung gehören sämtliche Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sind (BSGE 102, 194 ff.)
Zum notwendigen Bedarf zählen auch Haushaltsgegenstände, die für die Zubereitung, Lagerung und den Verzehr von Nahrungsmitteln notwendig sind, wie z. B. eine Kücheneinrichtung, Herd, Kochtöpfe, Bratpfannen, Essservice, Kaffeeservice, Essbesteck, ein Kühlschrank (von Boetticher/Münder, in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 24 Rn. 29).
Eine Küchenarbeitsplatte gehört nicht zu den in diesem Sinne notwendigen Ausstattungsgegenständen. Dabei sind die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen sowie das Verbrauchsverhalten und der Lebenszuschnitt gerade der Bevölkerungskreise mit einem sehr geringen Einkommen zu berücksichtigen (vgl. Bender, in: Gagel, SGB II/III, 50. EL 2013, § 24 Rn. 53; BVerwG 1. 10. 1998 – 5 C 19.97, BVerwGE 107, 234, 236), also derjenigen Referenzgruppe der Bevölkerung, die für die Bestimmung des Leistungsniveaus von Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgeblich ist (Bender, aaO). Umfasst ist also eine angemessene Ausstattung, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegt (BSG, Urt. v. 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R, Rn. 19). In Familien mit geringen Einkommen ist davon auszugehen, dass die Zubereitung von Speisen nicht auf einer gesonderten Arbeitsplatte erfolgen muss, sondern sich damit beholfen wird, das Essen auf dem Küchentisch zuzubereiten (vgl. zu § 12 BSHG: VG München, B. v. 08.12.2004 – M 15 E 04.5026, M 15 E 04.5189, Rn. 26, juris). Mithin ist eine Küchenarbeitsplatte für das Zubereitung und den Verzehr von Speisen nicht erforderlich, da hierfür der Küchentisch genutzt werden kann.
Für diese Auffassung streitet auch der Umstand, dass in der rechtswissenschaftliche Literatur, soweit sie sich detaillierter zum Umfang einer Erstausstattung verhält, keine Hinweise für die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung zu finden ist, dass eine Küchenarbeitsplatte zum notwendigen Bestandteil einer Kücheneinrichtung im weitesten Sinne gehört oder gehören müsste (vgl. von Boetticher/Münder, aaO, § 24 Rn. 29; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, 40 EL X/11, § 24 Rn. 293; Wieland, in: Estelmann, SGB II, 35. EL IV/13, § 24 Rn. 47; O. Loose, in: GK-SGB II, XI/11, § 24 Rn. 40; Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 24 Rn. 53; Münder, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl., § 31 Rn. 6; Scheider, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 31 Rn. 7).
An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass dem Kläger für das Wohnzimmer kein Esstisch bewilligt worden ist. Zum einen folgt dies konsequenter Weise aus der hier vertretenen Auffassung, dass ein Küchentisch, der vom Beklagten hier bewilligt worden ist, sowohl für die Zubereitung als auch den Verzehr von Speisen genutzt werden kann. Zum anderen folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte möglicherweise in rechtswidriger Weise einen eigentlich zum notwendigen Umfang einer Erstausstattung für eine Wohnung gehörenden Ausstattungsgegenstand nicht gewährt, nicht, dass ein nach dem Gesetz nicht gegebener Anspruch auf einen nicht dazugehörigen Einrichtungsgegenstand gleichsam als Kompensation für die (vermeintlich) rechtswidrige Ablehnung entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass der Beklagte der ursprünglichen Klage freiwillig und ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage in Höhe der Hälfte des Begehrens abgeholfen hat.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Frage der Zugehörigkeit einer Küchenarbeitsplatte für die Wohnung betrifft eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle und ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 27.04.2010 - L 9 AS 267/09, Rn. 20, juris, zum Fernsehgerät).
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