S 72 KR 822/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
72
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 822/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem Gesellschafter, der 50% der Anteile hält und der nach der Satzung berechtigt ist, sich jederzeit ohne Mitwirkung des weiteren Gesellschafters zum Geschäftsführer zu ernennen, scheidet die Annahme einer abhängigen, versicherungspflichtigen Beschäftigung aus.
Der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 wird für den Zeitraum 02.01.2004 bis 17.01.2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass eine aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV begründete Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 02.01.2004 bis 17.01.2013 bei der Beigeladenen zu 1) nicht bestand. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens um die Frage, ob der Kläger seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 02.01.2004 bis 17.01.2013 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte. Die Beigeladene zu 1) ist ein Catering-Unternehmen, das durch notariellen Vertrag vom 21.03.1994 gegründet wurde. Der Kläger ist gelernter Koch und Gründungsgesellschafter der Beigeladenen zu 1). Weiterhin schlossen er und die Beigeladene im März 1994 einen unbefristeten Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit des Klägers als kaufmännischer Angestellter. Der Vertrag bestand im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Seit Gesellschaftsgründung erfolgten mehrfach Veränderungen in den Beteiligungen an der Beigeladenen zu 1): Ursprünglich betrug deren Stammkapital 50.000 DM, von dem der Kläger einen Anteil von 25.500 DM hielt, während der weitere Gesellschafter, gleichzeitig Geschäftsführer der Beige-ladenen zu 1), einen Anteil von 24.500 DM hielt. Nachdem sein Geschäftspartner zu Beginn des Jahres 2004 den Wunsch nach einer hälftigen Beteiligung äußerte, erfolgte mit Wirkung zum 01.02.2004 eine entsprechende Änderung der Satzung. Mit Wirkung vom gleichen Tag wurde dem Kläger das satzungsmäßige Recht eingeräumt, sich jederzeit selbst zum alleinver-tretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer zu bestellen. Weiterhin wurde dem Kläger Prokura erteilt. Im Februar 2008 wurde das Stammkapital auf 100.000 EUR erhöht; die Mehrheitsverhältnisse blieben unverändert. Ende Ok-tober 2008 übernahm der Kläger diverse Bürgschaften in Höhe von ca. 1 Mio EUR. Nachdem im April 2012 das Insolvenzverfahren über die Beigeladene zu 1) eröffnet worden war, konnte diese im Wege eines Verkaufs von 50% der Anteile an einen weiteren Gesell-schafter am 17.01.2013 abgewendet werden. Seit diesem Zeitpunkt hielten der Kläger und der weitere gründende Gesellschafter noch jeweils 25% der Anteile. Am 04.02.2013 wurde die Satzung dergestalt geändert, dass das Recht des Klägers, sich zum Geschäftsführer zu bestellen, gestrichen wurde. Mit Feststellungsbögen vom 11.04.2013 und vom 22.07.2013 beantragte der Kläger eine Statusfeststellung bei der Beklagten. In den Anträgen führte er aus, die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit betrage durchschnittlich 60 Stunden. Er unterliege keinem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit. Er könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten, wobei die Gestaltung der Tätigkeit von den betrieblichen Erfordernissen ab-hängig sei. Er könne selbstständig Personal einstellen und entlassen und müsse seinen Urlaub nicht genehmigen lassen. Er erhalte eine monatlich gleich bleibende Vergütung unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens in Höhe von 6328,35 EUR. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit werde die Vergütung für 6 Wochen weitergezahlt. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet und sie werde als Betriebsausgabe verbucht. Mit Bescheid vom 20.11.2013 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) als mitarbeitender Gesellschafter seit dem 15.03.1994 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsför-derung ab dem 15.03.1994. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2014 zurück. Maßgeblichen Einfluss hätten mitarbeitende Gesellschafter nur, sofern sie Mehrheitsgesellschafter seien, d.h. mehr als 50% der Kapitalanteile der GmbH erhalten würden. Nur mitarbeitende Mehrheitsgesellschafter seien in der Lage, Einzelanweisungen der Geschäftsführung im Bedarfsfall jederzeit zu verhindern, da sie aufgrund ihrer gesellschafterli-chen Position letztlich auch die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer hätten und damit ihrerseits nicht dessen Weisungsrecht unterliegen würden. Sowohl Minderheitsgesell-schafter als auch hälftig am Kapital einer GmbH beteiligte mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführungsfunktion seien nicht in der Lage, Abweichungen von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung herbeizuführen, die die Dienstaufsicht über die Angestellten vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag der laufenden Geschäftsführung zuweise. Aus einer Sperrminorität folge nichts anderes. Die Rechtsmacht erschöpfe sich dann darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Eine Sperrminorität ermög-liche es dem Gesellschafter, der kein Geschäftsführer sei, aber nicht, den Geschäftsbetrieb zu bestimmen oder einen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Die übernommenen Bürgschaften würden kein mit dem Beschäftigungsverhältnis einhergehendes Risiko begründen und seien nicht von der Mitarbeit des Klägers im Unternehmen abhängig. Es handele sich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der Pflichten als Arbeitnehmer nicht erforderlich gewesen sei. Der Kläger werde dadurch weder am Unternehmensgewinn noch -verlust beteiligt, noch stehe das Risiko des Verlustes im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft. Mit der fristgemäß erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Für die Zeit von 1994 bis 2004 scheint das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bereits deshalb aus, weil der Kläger in diesem Zeitraum Mehrheitsgesellschafter gewesen sei. Auch in der Zeit ab 2004 habe der Kläger maßgebliche Einflussmöglichkeiten besessen. Insbesondere sei in der Satzung zusätzlich schriftlich festgehalten worden, dass der Kläger sich jederzeit zum Geschäftsführer bestellen könne. Dadurch sei es ihm möglich gewesen, wesentliche Entscheidungen der Gesellschaft oder Weisungen des Geschäftsführers gegen ihn zu verhin-dern. Weiterhin habe ohne seine Mitwirkung die erforderliche einfache Mehrheit für Gesell-schafterbeschlüsse nicht erreicht werden können. Zudem sei anerkannt, dass Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer Kapitalbeteiligung von 50% einen maßgeblichen Einfluss besitzen würden. Ein maßgeblicher Einfluss liege bei einer Berechtigung zur Geschäftsführerbestellung auch dann vor, wenn dieses Recht bisher nicht genutzt worden sei. Der Kläger habe auch ein unternehmerisches Risiko dadurch getragen, dass ein Gehalt nach Geschäftslage nach oben und unten angepasst worden sei. Es habe sich nicht um ein fremdes Unternehmen gehandelt, da er das Unternehmen zusammen mit dem weiteren Gründungsgesellschafter aufgebaut habe. Ursprünglich beantragte der Kläger die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids für den Zeitraum 15.03.1994 bis 03.02.2013. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hob die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid für den Zeitraum 15.03.1994 bis 01.01.2004 auf. Der Kläger nahm das Teilanerkenntnis an und begrenzte seinerseits den streitgegenständlichen Zeitraum auf den 17.01.2013. Der Kläger beantragt nunmehr, den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 für den Zeitraum 02.01.2004 bis 17.01.2013 aufzuheben und festzustellen, dass eine aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV begründete Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 02.01.2004 bis zum 17.01.2013 bei der Beigeladenen zu 1) nicht bestand. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist auf den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Das Gericht hat den Kläger zum Inhalt seiner Tätigkeit und seiner Stellung in der Gesellschaft in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2015 befragt. Hinsichtlich der von ihm gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die – soweit wesentlich – auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 ist rechtswidrig. Der Kläger unterlag im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nicht der Sozialversicherungspflicht zur ge-setzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Beurtei-lungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorga-nisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (stellvertretend BSG, Urteil vom 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, a.a.O.). Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Be-ziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbe-dingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeacht-lich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R). Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (stellvertretend BSG, Urteil vom 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R m.w.N.). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung als Gesellschafter ausgeschlossen. Ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung schließt ein Beschäftigungsverhältnis nur dann aus, wenn der Gesell-schafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte. Für GmbH-Geschäftsführer, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und dadurch einen maßgebenden rechtlichen oder auch nur tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft besitzen, hat die Rechtsprechung grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft verneint (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1986 - 7 Rar 43/85 -, Rn 15/16 mwN). Auch bei geringerer Kapitalbeteiligung kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrag eine Rechtsmacht ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil aufgrund einer Sperrminorität alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann (vgl BSG, Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 34/00 R -). Die Beurteilung, ob im Falle eines Geschäftsführers eine abhängige Beschäftigung oder Selbständigkeit vorliegt, kann demnach in erster Linie aus der formalrechtlichen Stellung des Geschäftsführers, wie sie sich aus dem Anstellungsvertrag und dem Gesellschaftsvertrag unter Berücksichtigung des tatsächlichen Umfangs der wirtschaftlichen Beteiligung am Unternehmen ergibt, abgeleitet werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist aber sowohl bei Fremdgeschäftsführern als auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern, deren Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft so gering ist, dass ihnen daraus kein maßgeblicher Einfluss auf die Gesellschaft erwächst, die Annahme von Selbständigkeit nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn im Einzelfall besondere Umstände den Schluss zulassen, dass keine Weisungsgebundenheit vorliegt (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 - B 11a AL 5/06 R -, Rn 16; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1986 - 7 Rar 43/85 -, Rn 16). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Geschäftsführer eine die Gesellschaft dominierende Stellung innehat (vgl LSG Saarland aaO). Ist der Einfluss des Gesellschafters auf die Geschicke des Betriebs so erheblich, dass er die für ein Beschäfti-gungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann, fügt er sich nicht in eine fremde, sondern in eine im Wesentlichen selbst gegebene Betriebsordnung ein (vgl Fichte in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 1 Rn 58). Ausgehend von den soeben dargelegten Grundsätzen ist die Tätigkeit des Klägers nach Auf-fassung der Kammer als selbständig einzustufen. Maßgeblich ist insoweit, dass der Kläger bereits nach seiner formalrechtlichen Stellung die Möglichkeit zur maßgeblichen Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung der Gesellschaft hatte. Im streitgegenständlichen Zeitraum hielt er 50% der Anteile an der Beigeladenen zu 1). Zwar war er nicht gleichzeitig Geschäftsführer, jedoch war ihm satzungsmäßig das Recht ein-geräumt worden, sich jederzeit ohne Mitwirkung des weiteren Gesellschafters zum Geschäfts-führer bestellen zu können. Auf diese formalrechtliche Position ist abzustellen. Es kommt nicht darauf an, dass der Kläger von seinem Recht keinen Gebrauch machte. Entscheidend ist, dass er – im Falle der Unzufriedenheit mit der Geschäftsführung des weiteren Gesellschafters – jederzeit hätte handeln können. Diese Auffassung wird gestützt durch die Rechtsprechung, wonach im umgekehrten Fall, bei der Beurteilung der Weisungsgebundenheit, ebenfalls nicht die tatsächlich praktizierten Verhältnisse maßgeblich sind, sondern es entscheidend auf die Rechtsmacht ankommt, Weisungen zu verhindern. Das Sozialgericht Dresden hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung der praktisch gelebten Weisungs-unterworfenheit und persönlichen Abhängigkeit nicht darauf ankommt, ob diese sich in tat-sächlich erteilten Weisungen manifestiert habe. Dass keine Weisungen erteilt werden, solange die Tätigkeit entsprechend den Vorstellungen des Unternehmensträgers ausgeübt wird, spiele keine Rolle (Urteil vom 28.04.2010, S 18 KR 602/07; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.11.2011, L 1 KR 165/09). Aufgrund der Klausel in der Satzung verfügte der Kläger über die Rechtsmacht, sich jederzeit zum weiteren Geschäftsführer zu bestellen und damit Weisungen an sich auszuschließen. Damit lag es nicht allein in der Hand des weiteren Gesellschafters, die unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Ausweislich der nachvollziehbaren und glaubhaften Schilderungen des Klägers verzichtete dieser bei der Änderung der Mehrheitsverhältnisse in 2004 lediglich deshalb auf die Einräumung der Geschäftsführerstellung, weil er nicht der Typ ist, der gern im Vordergrund steht. Er legte glaubhaft dar, dass er gleichwohl nicht beabsichtigte, die Kontrolle über die Beigeladene zu 1) aufzugeben, sondern sich ein Mitbestimmungsrecht erhalten wollte, was zur Aufnahme seines Rechts, sich jederzeit zum Geschäftsführer bestellen zu können, in die Satzung führte. Mit der Vereinbarung dieser Rechtsposition untermauerte der Kläger seinen Anspruch auf eine partnerschaftliche, gleichberechtigte Unternehmensführung gemeinsam mit dem weiteren Gesellschafter. Es ist nicht ersichtlich, dass er sich – vor der am 17.01.2013 erfolgten Änderung der Mehrheitsverhältnisse – in eine fremdbestimmte Betriebsordnung einfügte. Damit aber scheidet eine abhängige Beschäftigung mit der Folge einer Ver-sicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsför-derung aus. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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