S 208 KR 2197/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
208
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 2197/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL ist nicht verbindlich, soweit bei einer Kinderrehabilitation im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ein möglicher Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit gefordert wird. Ein Rentenversicherungsträger kann eine stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten nicht deshalb versagen, weil durch die Behandlung die spätere Erwerbsfähigkeit des Betroffenen nicht beeinflusst werden kann.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für erbrachte Leistungen der Kinderrehabilitation. Der bei der Klägerin rentenversicherte S. D. stellte bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen am 09.01.2014 (Eingangsdatum) einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation für nichtversicherte Kinder und Jugendliche (Kinderrehabilitation)" für seinen bei der Beklagten krankenversicherten, am x.x.2006 geborenen Sohn D. D. (im Folgenden: der Versicherte). Es bestehen bei dem Versicherten u.a eine linksbetonte infantile Zerebralparese und eine leichte Intelligenzminderung. Seit 2011 ist er der Pflegestufe II zugeordnet. Die Deutsche Rentenversicherung Hessen leitete den Antrag unter Hinweis auf § 14 SGB IX an die bezüglich S. D. kontoführende Klägerin weiter, wo er am 21.01.2014 einging. Mit Bescheid vom 24.01.2014 bewilligte die Klägerin dem Versicherten nach Prüfung der medizinischen Voraussetzungen eine stationäre Kinderrehabilitation für die Dauer von vier Wochen im H. in G. Mit Schreiben vom selben Tag meldete die Klägerin bei der Beklagten dem Grunde nach einen Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX an. Die Zuständigkeit der Beklagten sei gegeben, da keine positive Erwerbsprognose für den Versicherten vorliege. Die Beklagte wies den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 06.11.2012 zurück. Die Rehabilitation wurde in der Zeit vom 09.04.2014 bis zum 07.05.2014 im H., einem neurologischen Fachkrankenhaus und Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, durchgeführt. Als Rehabilitationsziele gab die Einrichtung an: Verbesserung des Gangbildes, der Handmotorik, Förderung der Selbständigkeit, von Sprache und Sprechen, neuropsychologische Diagnostik, neuropädagogische Förderung. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 11.07.2014 gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 6.476,80 EUR geltend. Der von der Beklagten um sozialmedizinische Stellungnahme gebetene Medizinische Dienst der Krankenkasse in Hessen (MDK) gab mit Schreiben vom 14.08.2014 an, dass bei dem Versicherten schwere cerebrale und somatische Schäden bei Frühgeburt mit Hirnblutung vorlägen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei davon auszugehen gewesen, dass durch eine Rehabilitationsmaßnahme eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert werden konnte. Ein positiver Einfluss auf eine spätere Erwerbsfähigkeit sei dagegen auf Grund der erheblichen Einschränkungen nicht zu vermuten gewesen. Die Beklagte wies das Erstattungsbegehren mit Schreiben vom 18.08.2014 zurück, da § 2 Abs. 1 der "Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI für Kinderheilbehandlungen (Kinderrehabilitationsrichtlinien; Kinderreha-Richtlinien)" in der Fassung vom 17.12.2012 (im Folgenden: KiHB-RL) den § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in nicht gesetzeskonformer Weise einenge.

Mit der am 04.12.2014 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Erstattungsbegehren weiter. Sie ist der Ansicht, ihr stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zu. Die Klägerin sei zweitangegangener Leistungsträger. Sie sei nicht zuständig für die Leistungserbringung gewesen. Voraussetzung für eine Zuständigkeit sei nach § 2 Abs. 1 KiHB-RL, dass die Rehabilitationsleistungen erforderlich und geeignet seien, um positiv auf eine spätere Erwerbsfähigkeit des Kindes einzuwirken. Aus den Antragsunterlagen sei erkennbar gewesen, dass für den Versicherten keine positive Erwerbsprognose auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorgelegen habe. Nicht erst die Richtlinie nehme einzelne Kinder von Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) aus, sondern bereits der gesetzlich definierte, erwerbsorientierte Leistungsrahmen der GRV (Rehabilitation vor Rente wegen Erwerbsminderung). Dieser Leistungsauftrag finde sich auch in den §§ 9 ff. SGB VI wieder, nicht zuletzt in Abgrenzung zu den Leistungsaufträgen der anderen Träger. Die Rentenversicherung konkretisiere deshalb in den KiHB-RL aufgrund der ihr ausdrücklich eingeräumten Richtlinienkompetenz den Bezug zu einer späteren Erwerbsfähigkeit. In der Gesetzesbegründung zu § 31 SGB VI habe der Gesetzgeber erläutert, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI dem Rentenversicherungsträger ermögliche, "Kinderheilbehandlungen unter denselben Voraussetzungen und in demselben Umfang wie bisher durchzuführen". Zuvor seien nach § 84 AVG (§ 1305 RVO) allgemeine Maßnahmen oder Einzelmaßnahmen zur Erhaltung oder Erlangung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten und ihrer Angehörigen durchführbar gewesen, Kinderheilbehandlungen zur Beseitigung einer Gesundheitsgefährdung bzw. zur Besserung oder Wiederherstellung der Gesundheit aber nur in zahlenmäßig begrenztem Umfang. Die Klägerin macht Gesamtkosten in Höhe von 6.449,60 EUR geltend, die sich wie folgt zusammensetzen: - Behandlungskosten 28 Tage à 180,70 EUR = 5.059,60 EUR, - Unterbringungskosten für Begleitperson 28 Tage à 45,00 EUR = 1.260,00 EUR, - Reisekosten = 130,00 EUR.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten in Höhe von 6.449,60 EUR für die vom 09.04.2014 bis 07.05.2014 durchgeführten Leistungen zur Kinderrehabilitation in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Kriterium einer positiven Erwerbsprognose sei lediglich in § 2 Abs. 1 KiHB-RL enthalten, nicht aber in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI selbst. Der Verstoß gegen höherrangiges Recht mache die KiHB-RL insoweit unwirksam. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI hätten vorgelegen. Zur Zeit der Reha-Antragstellung sei davon auszugehen gewesen, dass durch eine Rehabilitationsmaßnahme die beeinträchtigte Gesundheit des Versicherten wesentlich gebessert werden konnte. Kinderrehabilitation könne ausschließlich Angehörigen von Versicherten erbracht werden, die die Voraussetzungen für Leistungen zur Rehabilitation durch die GRV nicht erfüllten, also naturgemäß nicht erwerbsfähig sein könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beteiligten, die dem Gericht bei seiner Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.

Die Klägerin und die Beklagte haben sich mit ihren Schreiben vom 13.05.2015 bzw. 19.05.2015 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

I. Die Klage ist gemäß § 54 Absatz 5 SGG als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Klägerin kann ihr Erstattungsbegehren nicht im Wege eines Verwaltungsaktes durchsetzen, da zwischen den Sozialleistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis bei Erstattungsstreitigkeiten besteht. Die Träger stehen sich gleichrangig gegenüber, so dass Maßnahmen hoheitlicher Regelung in diesem Verhältnis nicht möglich sind.

II. Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX liegen nicht vor. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX geht hinsichtlich des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers den allgemeinen Erstattungsansprüchen gemäß §§ 102 ff. SGB X vor und verdrängt sie (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R, Rn. 18).

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt nach § 14 Abs. 1 SGB IX der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Absatz 1 Satz 2 bis 4 SGB IX (zweitangegangener Träger) festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften.

1. Die Klägerin war zweitangegangener Leistungsträger, da ihr der ursprünglich bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen eingegangene Rehabilitationsantrag von dieser weitergeleitet wurde. Bei den verschiedenen Rentenversicherungsträgern handelt es sich jeweils um eigenständige öffentlich-rechtliche Körperschaften und damit auch um eigenständige Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.11.2008 – L 1 KR 111/07).

2. Die Klägerin war jedoch zur Erbringung der Rehabilitationsleistung zuständig. Die Leistungspflicht ergibt sich aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Danach kann der Rentenversicherungsträger als sonstige Leistung zur Teilhabe stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten, Beziehern einer Rente wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder für Bezieher einer Waisenrente erbringen, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Voraussetzung der Leistungen nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ist nach § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ferner, dass der Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI werden die Leistungen nur auf Grund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden.

a) Dass der Vater des Versicherten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 11 SGB VI erfüllte und dass durch die Rehabilitationsleistung voraussichtlich die beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert werden konnte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Aus der Stellungnahme des MDK ergibt sich, dass eine solche Prognose im Zeitpunkt der Antragstellung gerechtfertigt war. Der Versicherte war auch "Kind" im Sinne des § 31 SGB VI, des § 3 Abs. 2 und 3 KiHB-RL sowie der §§ 46, 48 SGB VI. Es handelte sich bei der Rehabilitationsleistung zudem um eine stationäre Heilbehandlung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI.

b) Eine Zuständigkeit der Klägerin zur Erbringung der begehrten Rehabilitationsleistungen war nicht etwa nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL ausgeschlossen. Danach werden Kinderrehabilitationen für Kinder und Jugendliche erbracht, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann und dies Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben kann. Es kann dahinstehen, ob eine zu erwartende Besserung der Gesundheit im konkreten Fall tatsächlich Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben konnte. Die Kammer muss auch nicht entscheiden, ob es sich bei den KiHB-RL um untergesetzliche Normen (so SG Fulda, Gerichtsbescheid vom 21.02.2011 – S 1 R 352/08; Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 129) oder um Verwaltungsvorschriften ohne normative Wirkung, die bei der Ermessungsausübung zu beachten sind (Haack, in: juris-PK SGB VI, 2. Auflage 2013, § 31 Rn. 8; Jüttner, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: VIII/2015, § 31 Rn. 39; Kater, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 86. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 31 SGB VI Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2012 – L 11 R 5770/11 betreffend die zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI erlassenen "Ca-Richtlinien"), handelt. Nach beiden Auffassungen ergibt sich, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL nicht verbindlich ist, soweit ein möglicher Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit gefordert wird.

aa) Folgt man der letztgenannten Auffassung, die die Kammer im Übrigen für überzeugender hält, ergibt sich Folgendes: Die Erbringung der Leistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI steht sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich des "Wie" der Erbringung im Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften bewirken die Selbstbindung der Verwaltung und geben dem Anspruchsberechtigten einen Anspruch auf Gleichbehandlung (vgl. BSG, Urteil vom 20.08.1970 – 1 RA 211/68). Hat ein Versicherungsträger über die Gewährung von Ermessensleistungen Richtlinien erstellt, so ist die Verwaltung bei ihrer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung hieran grundsätzlich gebunden. Die Verwaltung übt ihr Ermessen im Allgemeinen dann fehlerfrei aus, wenn ihre Entscheidung dem objektiven Inhalt der in den Richtlinien festgelegten Normen entspricht. Eine solche Rechtswirkung im Außenbereich setzt jedoch voraus, dass durch die Richtlinien selbst die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; BSG, Urteil vom 20.08.1970 – 1 RA 211/68; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2012 – L 11 R 5770/11; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage 2011, § 24 Rn. 31; Hirsch, in: Reinhardt, SGB VI, 3. Auflage 2014, § 31 Rn. 4). Insbesondere dürfen bei einer Ermessensentscheidung keine Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt werden, die nach Sinn und Zweck des zu vollstreckenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtsgrundsätze dabei keine Rolle spielen dürfen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2014, § 40 Rn. 90). Nach Auffassung der Kammer sind diese an Verwaltungsvorschriften zu stellenden Voraussetzungen hinsichtlich des § 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL nicht erfüllt mit der Folge, dass die Prognose eines nicht anzunehmenden positiven Einflusses der Maßnahme auf die spätere Erwerbsfähigkeit die Rentenversicherungsträger nicht dazu berechtigt, die Bewilligung einer Maßnahme abzulehnen. Aufgrund der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen auch der KiHB-RL bestand vielmehr ein Leistungsanspruch gegen die Klägerin. Das Erfordernis eines voraussichtlichen, positiven Einflusses der Rehabilitationsleistung auf die spätere Erwerbsfähigkeit des Kindes ist eine sachfremde Erwägung und entspricht nicht dem Zweck der Ermessensermächtigung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI (so i.E. auch Zabre, in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Auflage 2013, § 31 Rn. 7). Der Gesetzgeber hat im Unterschied zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB VI in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI darauf verzichtet, einen Bezug zur Erwerbsfähigkeit herzustellen. Verzichtet der Gesetzgeber aber auf die Normierung einer bestimmten Voraussetzung, kann nicht gerade diese Voraussetzung bei der Ermessensentscheidung maßgeblich sein. Schließlich soll dieser Aspekt nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine Rolle spielen. Es kann angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers auch nicht der Zweck der gesetzlichen Regelung darin bestehen, die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen positiv zu beeinflussen. Haack (in: juris-PK SGB VI, 2. Auflage 2013, § 31 Rn. 33; i.E. auch Oberscheven, in: GK-SGB VI, Stand: 180. Ergänzungslieferung Januar 2013, § 31 Rn. 101a) ist jedoch der Auffassung, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL der Zielstellung der Regelungen zur Gewährung von Heilbehandlungen nach dem SGB VI entspreche. In § 9 SGB VI ("Aufgabe der Leistungen zur Teilhabe") und § 10 SGB VI ("Persönliche Voraussetzungen") habe der Gesetzgeber die gefährdete oder geminderte Erwerbsfähigkeit sowie die Auswirkung der Maßnahme auf die Erwerbsfähigkeit als Leistungskriterien bestimmt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um (1.) den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und (2.) dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die dauerhafte Erwerbsfähigkeit der Versicherten soll die Erwirtschaftung der für die Rentenleistungen nötigen Beiträge während der Erwerbstätigkeit sichern (Ramm/Willig/Welti, Anmerkung zu SG Fulda, Gerichtsbescheid vom 21.02.2011 – S 1 R 352/08, abrufbar unter: www.reha-recht.de, Forum A Nr. 26/2012, S. 4). Außerdem solle Haack zufolge mit § 31 SGB VI den Rentenversicherungsträgern ermöglicht werden, Kinderheilbehandlungen unter denselben Voraussetzungen und in demselben Umfang wie auf der Grundlage des § 1305 RVO (§ 84 AVG) durchzuführen. § 1305 RVO (in der Fassung vom 04.11.1982) habe die Durchführung von Kuren für Angehörige von Versicherten auf Dauer ermöglichen sollen unter denselben Voraussetzungen, unter denen Versicherte selbst Leistungen zur Rehabilitation hätten erhalten können. Bereits in den ab 1984 geltenden Richtlinien der BfA für die Gewährung von Kinderheilbehandlungen auf der Grundlage des § 84 AVG sei bestimmt worden, dass die Beeinflussbarkeit der späteren Erwerbsfähigkeit eine Leistungsvoraussetzung für Kinderheilbehandlungen gewesen sei (§ 5 Abs. 1 RL 1984). Diesen Erwägungen folgt die Kammer nicht. In systematischer Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass § 9 Abs. 1 SGB VI die Aufgabe bzw. den Zweck der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen" und damit der Leistungen gemäß dem Zweiten und Dritten Titel des Zweiten Unterabschnitts im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VI beschreibt und damit gerade nicht die "Sonstigen Leistungen" (Fünfter Titel; § 31 SGB VI). Das mag insoweit nachvollziehbar sein, als es in § 31 SGB VI zum Teil gerade nicht um "Versicherte" geht, von denen in § 9 SGB VI die Rede ist. Eine entsprechende Anwendung wird freilich nicht angeordnet und auch sonst kein Bezug zu dieser Norm hergestellt. Dies gilt auch für § 10 SGB VI. Vielmehr wird in § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bezüglich der Kinderheilbehandlungen ausdrücklich (lediglich) die Einhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch den Versicherten, d.h. bei Kindern durch einen Elternteil, verlangt. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ("zur Eingliederung von Versicherten in das Erwerbsleben" sowie Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) und Nr. 2 SGB VI ("zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit) knüpfen hingegen an die Erwerbsfähigkeit an. Hinsichtlich § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V (Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieher einer Rente sowie ihre Angehörigen) ist es einhellige Meinung, dass – auch bei Kindern – eine etwaige Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit nicht erforderlich ist (vgl. die "Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 für die Erbringung von onkologischen Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen (Ca-Richtlinien)" vom 04.07.1991 in der Fassung vom 09.05.2001; Haack, a.a.O., § 31 Rn. 29). Zu den Leistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI zählt überdies auch die stationäre Heilbehandlung von Beziehern einer Rente wegen Alters. Solche Leistungen entsprechen offensichtlich erst recht nicht dem Ziel, die Erwerbsfähigkeit (und damit die Beitragszahlung) dieser Gruppe zu beeinflussen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich nach Auffassung der Kammer ebenfalls, dass ein positiver Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit des Kindes weder Zweck der Regelung noch Leistungsvoraussetzung sein sollte. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 — RRG 1992) heißt es: "[§ 31] Absatz 1 Nr. 4 ermöglicht dem Rentenversicherungsträger, Kinderheilbehandlungen unter denselben Voraussetzungen und in demselben Umfang wie bisher durchzuführen" (BT-Drucks. 11/4124, S. 160). Damit nahm der Gesetzgeber Bezug auf die vorhandenen gesetzlichen Regelungen in § 1305 Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 84 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in der Fassung des Gesetzes vom 04.11.1982 ("Sozialgesetzbuch (SGB) – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten", BGBl. I, S. 1450) mit Wirkung vom 01.01.1983. Ein Verweis auf existierende Richtlinien findet sich nicht. § 1305 Abs. 1 RVO sah vor, dass der Träger der Rentenversicherung Mittel der Versicherung aufwenden könne, um allgemeine Maßnahmen oder Einzelmaßnahmen zur Erhaltung oder zur Erlangung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten und ihrer Angehörigen oder zur Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse der versicherten Bevölkerung zu fördern oder durchzuführen (Satz 1). Ferner konnten Kinderheilbehandlungen sowie Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen Angehörigen von Versicherten erbracht werden, wenn hierdurch eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, Kinderheilbehandlungen jedoch nur in dem zahlenmäßigen Umfang, in dem diese Leistungen im Jahr 1981 durchgeführt worden sind (Satz 2). § 84 AVG enthielt eine entsprechende Regelung. Während Satz 1, 1. Fall der gesetzlichen Regelung an die Erwerbsfähigkeit anknüpfte, war für Leistungen der Kinderrehabilitation nach § 1305 Abs. 1 Satz 2 RVO erkennbar nur die Gesundheit Anknüpfungspunkt (vgl. Ramm/Willig/Welti, a.a.O, S. 4). Der Gesetzesbegründung ist auch nicht zu entnehmen, dass die Leistungen für Angehörige von Versicherten unter denselben Voraussetzungen, unter denen Versicherte selbst Leistungen zur Rehabilitation erhalten konnten, möglich sein sollten. Vielmehr sollten die Voraussetzungen "grundsätzlich" den Voraussetzungen für die Leistungen gegenüber den Versicherten entsprechen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf, BT-Drucks. 9/1753, S. 45). Der fehlende Bezug zur Erwerbsfähigkeit hinsichtlich der Kinderheilbehandlungen war demgemäß als bewusste Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Leistungsvoraussetzungen den Voraussetzungen, unter denen Leistungen gegenüber den Versicherten gewährt wurden, entsprechen sollten, zu erkennen. Auch die Kommentierungen des § 1305 RVO erkannten – soweit ersichtlich –, dass die medizinischen Voraussetzungen einer Kinderheilbehandlung sich nicht auf die Erwerbsfähigkeit bezogen (Bergner u.a., RVO, Viertes und Fünftes Buch, Stand: 33. Ergänzung 01.01.1991, § 1305 Anm. 7; Zweng u.a., Handbuch der Rentenversicherung, 2. Auflage, Stand: 47. Lieferung Juni 1991, § 1305 RVO unter II.3). In § 5 Abs. 1 Satz 1 der "Richtlinien für die Gewährung von Kinderheilbehandlungen" in der Fassung vom 19.03.1986 (abgedruckt in Bergner u.a., a.a.O., Anlage 1 zu § 1305 RVO) hieß es: "Kinderheilbehandlung kann bei Krankheiten gewährt werden, deren Folgeerscheinungen die spätere Erwerbsfähigkeit voraussichtlich beeinträchtigen können, wenn durch die Heilbehandlung eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann." Damit wurde zwar eine Einschränkung gegenüber der gesetzlichen Regelung vorgenommen, jedoch betraf diese die zu behandelnden Krankheiten insoweit, als eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit möglich sein sollte. Es wurde also eine gewisse Schwere der Erkrankung gefordert. Ein voraussichtlicher Behandlungserfolg im Sinne eines voraussichtlichen positiven Einflusses auf die spätere Erwerbsfähigkeit wurde auch in dieser Richtlinie gerade nicht gefordert. Nach alledem hält § 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL mit der Forderung eines voraussichtlichen Einflusses auf die spätere Erwerbsfähigkeit die Ermessensgrenzen nicht ein und kann deshalb der Zuständigkeit der Klägerin nicht entgegenstehen.

bb) Folgt man der Auffassung, es handele sich bei den KiHB-RL um untergesetzliche Normen, ergibt sich Folgendes: Solche Normen sind verbindlich, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen (vgl. BSG, Urteil vom 01.09. 2005 – B 3 KR 3/04 R). Es liegt hier ein Verstoß gegen höherrangiges Recht vor, denn der Gesetzgeber hat in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI auf Voraussetzungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit gerade verzichtet (s.o.). § 2 Abs. 1 Satz 1 KiHB-RL widerspricht insoweit der Entscheidung in dem höherrangigem formellen Gesetz und entfaltet deshalb keine Verbindlichkeit.

c) Ein Leistungsausschluss nach § 13 Abs. 2 SGB VI lag nicht vor.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

IV. Da der Wert des Beschwerdegegenstands 10.000,00 EUR nicht übersteigt, es sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind, war eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu treffen (§ 144 Abs. 1 SGG). Es erscheint der Kammer von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine Kinderrehabilitation nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI aufgrund der Prognose einer fehlenden positiven Auswirkung der Leistung auf die spätere Erwerbsfähigkeit des Kindes abgelehnt werden kann.
Rechtskraft
Aus
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