Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
51
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 2336/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Die Erhebung von Beiträgen zur deutschen Krankenversicherung der Rentner auf eine spanische Rente des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) verstößt nicht gegen europäisches Recht oder deutsches Verfassungsrecht.
2) Auch die Zahlung des spanischen Gesamtsozialversicherungsbeitrages im Zeitraum 1967 bis 1998 stellt keinen Nachweis von Beiträgen dar, die einer Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf eine spanische Rente im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 18. Juli 2006 (C-50/05 Nikula) entgegen stehen.
2) Auch die Zahlung des spanischen Gesamtsozialversicherungsbeitrages im Zeitraum 1967 bis 1998 stellt keinen Nachweis von Beiträgen dar, die einer Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf eine spanische Rente im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 18. Juli 2006 (C-50/05 Nikula) entgegen stehen.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflichtigkeit der vom Kläger bezogenen Rente des spanischen Rentenversicherungsträgers zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner und zur sozialen Pflegeversicherung für den Zeitraum ab Januar 2012.
Der Kläger ist spanischer Staatsbürger, lebt in Berlin und bezieht eine Rente der deutschen Rentenversicherung in Höhe von monatlich ca. 410 EUR seit Anfang 2012. Ebenfalls seit Anfang 2012 bezieht er eine spanische Rente in Höhe von monatlich ca. 1650 EUR. Bei der spanischen Rente werden pro Jahr 14 Monatsbeträge ausgezahlt. Bezüglich der Höhe der Rentenzahlungen im Einzelnen wird auf Bl. 121 und Bl. 127-132 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger hat von November 1971 bis zu seinem Rentenbeginn im Januar 2012 für den spanischen Staat in der spanischen Botschaft in Deutschland gearbeitet. Von November 1971 bis Dezember 1981 hat er nach seinem Vortrag Krankenversicherungsbeiträge für eine deutsche Krankenversicherung abgeführt. Ab Januar 1982 hat er aufgrund einer Gesetzesänderung Versicherungsbeiträge nur noch in Spanien an die dortige Sozialversicherung abgeführt. Sein gesamter Sozialversicherungsbeitrag betrug nach seinem Vortrag 5,5%, der seines Arbeitgebers 23%.
Die Beklagte zu 1) erließ am 3. April 2013 einen Beitragsbescheid, mit dem sie für den Zeitraum vom 16. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 bezogen auf eine spanische Rente in Höhe von monatlich 1641,37 EUR Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung in Höhe von 134,59 EUR (Krankversicherung) und 32,01 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 166,60 EUR erhob.
Mit Bescheid vom selben Tag erließ die Beklagte zu 1) einen weiteren Bescheid, mit dem sie aufgrund des veränderten Beitragssatzes ab dem Januar 2013 Beiträge in Höhe von 134,59 EUR (Krankversicherung) und 33,65 (Pflegeversicherung), insgesamt 168,24 EUR erhob.
Der Kläger erhob gegen diese Bescheide Widerspruch mit Schreiben vom 9. April 2013. Er wandte ein, die spanische Rente sei keine vergleichbare Rente im Sinne des § 228 SGB V, da Rentenberechnungsformel, Anwartschaftszeiten und Leistungsumfang mit der Deutschen Rentenversicherung in keiner Weise vergleichbar seien. Bei Bezug einer spanischen Rente sei der spanische Rentner zudem nicht mehr verpflichtet, Beiträge zur Krankenversicherung zu leisten.
Nach einem Anhörungsschreiben vom 3. Juni 2013 erhöhte die Beklagte zu 1) mit Bescheiden vom 26. Juli 2013 die Beitragsforderungen in Hinblick auf die gezahlten 14 Monatsbeträge pro Jahr. Festgesetzt wurden nunmehr Beiträge auf Grundlage eines monatlichen Zahlbetrages von 1821,45 EUR für das Jahr 2012 und auf Grundlage eines monatlichen Zahlbetrages von 1934,08 EUR ab Januar 2013.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 hob die Beklagte zu 1) die Bescheide vom 26. Juli 2013 auf, soweit dort höhere Beiträge festgesetzt worden waren als in der ursprünglichen Beitragsfestsetzungen vom 3. April 2013. Zugleich erließ die Beklagte zu 1) mit Datum vom 10. Oktober 2013 Änderungsbescheide, die die Beiträge wie folgt festsetzten:
- für den Monat Januar 2012 auf 71,78 EUR (Krankenversicherung), 17,07 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 88,85 EUR,
- für den Zeitraum Februar 2012 bis Dezember 2012 auf 134,59 EUR (Krankversicherung) und 32,01 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 166,60 EUR,
- für den Zeitraum Januar 2013 bis Oktober 2013 auf 134,59 EUR (Krankversicherung) und 33,65 (Pflegeversicherung), insgesamt 168,24 EUR,
- für den Zeitraum ab November 2013 auf 158,59 EUR (Krankenversicherung), 39,65 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 198,24 EUR.
Diese Bescheide enthielten sämtlich den Hinweis, dass der jeweilige Bescheid hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung zugleich im Namen der Beklagten zu 2) ergehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf die ergangenen Abhilfebescheide zurück. § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V diene der Umsetzung von Art. 5 der Verordnung 883/2004. Eine ausländische Rente müsse nicht in jeder Hinsicht mit einer deutschen gesetzlichen Rente vergleichbar sein. Ausreichend sei, dass die Rente von einem im Ausland ansässigen Träger der dortigen gesetzlichen Rentenversicherung geleistet werden. Gemäß eines von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten Verzeichnisses handele es sich bei dem Instituto Nacional de la Seguridad Social, von dem der Kläger seine Rente beziehe, um einen solchen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf einen weiteren Vergleich des deutschen und spanischen Rentenrechtes komme es daher nicht an.
Der Kläger hat am 14. November 2013 Klage gegen die Bescheide vom 3. April 2013, vom 26. Juli 2013 sowie 14. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 erhoben.
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf seine spanische Rente. Spanische Rentner in Spanien müssten keine Beiträge zur Krankenversicherung auf ihre Rentenzahlungen leisten. Dies werde innerhalb des spanischen Systems dadurch berücksichtigt, dass während der Erwerbstätigkeit ein Teil des Arbeitseinkommens auch für die Krankenversorgung im Rentenalter abgeführt werde. Durch die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf seine spanische Rente liege daher eine Doppelbelastung vor. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung führe zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Klägers. Auch liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Denn Rentner, die allein spanische Renten bezögen, seinen in der deutschen Krankenversicherung versichert, ohne Beiträge dafür leisten zu müssen. Die Erhebung von Beiträgen auf die spanische Rente verletze auch das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV. Er verweist zur Stützung seiner Position auf ein Papier der Verwaltungskommission für die sozialen Aufgaben der Wanderarbeitnehmer zur Anwendung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 18. Juli 2006 (C-50/05 Nikula).
Die Beklagte zu 1) hat mit Bescheid vom 7. April 2015 (auch im Namen der Pflegekasse) auf Grundlage eines monatlichen Rentenbetrages von 1943,75 EUR für die Zeit ab Januar 2015 den Beitrag auf 163,27 EUR (Krankenversicherung), 45,68 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 208,95 EUR festgesetzt.
Die Beklagte zu 1) hat mit Bescheid vom 15. Januar 2016 (auch im Namen der Pflegekasse) auf Grundlage eines monatlichen Rentenbetrages von 1943,75 EUR für die Zeit ab Januar 2016 den Beitrag auf 163,27 EUR (Krankenversicherung), 45,68 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 208,95 EUR festgesetzt.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 3. April 2013 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 10. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013, abgeändert durch die Bescheide vom 7. April 2015 und 15. Januar 2016 aufzuheben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Denn die angegriffenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beitragserhebung entspricht der deutschen Gesetzeslage (siehe 1)) und verstößt weder gegen europäisches Recht (siehe 2)) noch gegen Verfassungsrecht (siehe 3)).
1) Die Beklagten durften Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner auch auf die Zahlungen des spanischen Rentenversicherungsträgers erheben.
Rechtsgrundlagen hierfür sind §§ 237 S. 1 Nr. 1, 228 Abs. 1 S. 2 SGB V (Krankenversicherungsbeiträge) sowie § 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI (Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung).
Gemäß § 237 S. 1 Nr. 1 SGB V wird bei versicherungspflichtigen Rentner der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Zahlbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde gelegt. § 228 SGB V gilt gemäß § 237 S. 2 SGB V entsprechend.
Gemäß § 228 Abs. 1 S. 1 SGB V gelten als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (im Sinne des § 237 S. 1 Nr. 1 SGB V) unter anderem Renten der allgemeinen Rentenversicherung.
Gemäß § 228 Abs. 1 S. 2 gilt Satz 1 auch, wenn vergleichbare Renten aus dem Ausland bezogen werden.
Bei der vom Kläger bezogenen Rente des INSS (Instituto Nacional de la Seguridad Social) handelt es sich um eine mit der Rente aus der allgemeinen deutschen Rentenversicherung im Sinne des § 228 Abs. 1 SGB V vergleichbare Rente. Erforderlich ist insoweit nicht eine völlige Übereinstimmung, es reicht vielmehr eine Entsprechung bezüglich der typischen wesentlichen Merkmale, insbesondere hinsichtlich der Funktion der Leistungen aus (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2015, Az: L 4 KR 2901/12, juris, dort Rz 45 mwN). Vorliegend stammt die Rente aus einem staatlichen Alterssicherungssystem und dient dem Erhalt des Lebensstandards in der Ruhestandszeit. Damit ist eine hinreichende Vergleichbarkeit gegeben.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des EuGH vom 21. Januar 2016 (C-453/14 Knauer) zu Art. 5 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hinzuweisen, die das gefundene Ergebnis bestätigt. Das Inkrafttreten von Art. 5 VO (EG) 883/2004 war Anlass für den deutschen Gesetzgeber zur Schaffung des § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 41). Der dortige Begriff der Gleichartigkeit ist vom EuGH dahingehend ausgelegt worden, dass sogar Zahlungen aus einem gesetzlichen Pensionssystem einerseits und aus einem System der beruflichen Altersvorsorge andererseits als gleichartig im Sinne der Vorschrift anzusehen sind, wenn sie beide das Ziel verfolgen, ihren Empfängern die Beibehaltung eines Lebensstandards zu gewährleisten, der jenem vor ihrem Ruhestand entspricht.
Eine Verbeitragung erfolgt im vorliegenden Fall nicht auf Grundlage des § 229 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB V, weil es sich bei der bezogenen Rente um eine Leistung des staatlichen spanischen Rentenversicherungssystems handelt (vgl. LSG Baden-Württemberg, aaO, Rz 44).
Die Höhe der erhobenen Beiträge, die auch von dem Kläger nicht in Frage gestellt wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist insbesondere rechtmäßig, dass die Beklagten die dem Kläger in vierzehn Raten pro Jahr ausgezahlte Renten gleichmäßig auf zwölf Monate verteilt und hieraus die Beiträge berechnet haben. Es entspricht dem in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, einmalige oder unregelmäßige Zahlungen auf Kalendermonate gleichmäßig zu verteilen. Entsprechend dürfen die Beklagten die in einem Kalenderjahr gezahlten Beiträge auch im vorliegenden Fall auf zwölf gleiche Anteile pro Jahr verteilen, zumal dies an der jährlichen Beitragsgesamtsumme nichts ändert (Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 54).
Die Beitragserhebung ist auch im Übrigen fehlerfrei vorgenommen worden. Die Erhebung der gesamten Beiträge erfolgte beim Kläger entsprechend §§ 249a S. 2, 252 SGB V. Die Bescheide der Beklagten zu 1) enthalten bezüglich der festgesetzten Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung den erforderlichen Hinweis darauf, dass sie diesbezüglich im Namen der Beklagten zu 2) ergehen.
Soweit die Beitragshöhe durch die Bescheide vom 7. April 2015 und 15. Januar 2016 jeweils (unter entsprechender konkludenter Teilaufhebung der vorangegangen Bescheide) angehoben worden ist, wird dies vom Kläger nicht gerügt und begegnet auch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Erhöhung mit Bescheid vom Januar 2016 beruht auf der Erhöhung des Beitragssatzes und ist nicht mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, so dass die Abänderung der Vorgabe des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X entspricht. Die Erhöhung durch Bescheid vom 7. April 2015 für den Zeitraum ab Januar 2015 beruht auf der Erhöhung der spanischen Rente des Klägers. Rechtsgrundlage ist auch hier § 48 SGB X. Soweit bezüglich der Monate Januar 2015 bis März 2015 eine rückwirkende Teilaufhebung vorliegt, liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X vor. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er immer erst im April nach Deutschland zurückkehre und dass er daher das Erhöhungsschreiben aus Spanien sicherlich erst verspätet an die Beklagte zu 1) weitergeleitet habe.
2) Der Beitragserhebung steht vorrangig anzuwendendes Europarecht nicht entgegen.
Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen durch den Träger eines Mitgliedsstaates, der – wie hier die Beklagte zu 1) – auf seine Kosten Leistungen bei Krankheit für Rentner erbringt, der Vorgabe des Art. 30 VO (EG) 883/2004 entspricht (vgl. dazu im Einzelnen Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014, Az: L 5 KR 2498/13, juris, dort Rz 34 bis 40).
Weiter gilt Art. 5 a) VO (EG) 883/2004 [Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten und Ereignissen]:
"Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar."
Für den vorliegenden Fall ist daraus zu entnehmen, dass die Vorschriften über die Beitragspflichtigkeit einer inländischen Rente entsprechend auf den Bezug einer gleichartigen Leistung der sozialen Sicherung eines anderen Mitgliedstaates [hier die spanische Rente des Klägers] anwendbar sein sollen. Dies wird durch § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V umgesetzt.
Der EuGH hat in seiner Entscheidung in der Sache Knauer (s.o.; Europarechtskonformität der Beitragserhebung der österreichischen Krankenversicherung der Rentner auch auf Bezüge aus einer liechtensteinischen beruflichen Altersvorsorge) diesen Grundsatz bestätigt.
Auch in der vom Kläger zitierten Entscheidung in der Sache Nikula (s.o.) hatte der EuGH diesen Grundsatz bereits bestätigt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 39/40).
Die Beitragserhebung verstößt aber auch im konkreten Fall nicht – wie der Kläger unter Berufung auf die Entscheidung Nikula meint – gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV (ehemals Art. 39 EGV).
Der EuGH hat in der Nikula-Entscheidung unter Rz 33 und 34 ausgeführt:
"33. Außerdem würde die Freizügigkeit beschränkt, wenn der Wohnstaat eine Regelung anwendete, die nicht die Krankenversicherungsbeiträge berücksichtigte, die die Rentner bereits in den Jahren ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat entrichtet haben. Eine solche Regelung hätte zur Folge, dass die Berechtigten allein deswegen bestraft würden, weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, während diejenigen privilegiert würden, die in einem einzigen Mitgliedstaat geblieben sind, um dort ihre gesamte Tätigkeit auszuüben.
34. Wie der Gerichtshof entschieden hat, verwehrt es Artikel 39 EG einem Mitgliedstaat, die Krankenversicherungsbeiträge eines im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmers, der seinen Rechtsvorschriften unterliegt, auf der Grundlage des Bruttobetrags einer zusätzlichen tarifvertraglichen Altersrente zu berechnen, die der Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, ohne zu berücksichtigen, dass ein Teil des Bruttobetrags dieser Rente in dem anderen Mitgliedstaat bereits als Krankenversicherungsbeitrag einbehalten wurde (Urteil vom 15. Juni 2000 in der Rechtssache C-302/98, Sehrer, Slg. 2000, I-4585, Randnr. 36)."
Unter Rz. 38 formuliert der EuGH darauf aufbauend - ebenso wie im Tenor im unter 2. -:
"Jedoch steht Art. 39 EG dem entgegen, dass Renten von Trägern eines anderen Mitgliedstaats berücksichtigt werden, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat bereits auf die dort erzielten Erwerbseinkünfte Beiträge geleistet worden sind. Der Nachweis, dass solche früheren Beiträge tatsächlich gezahlt wurden, obliegt den Betroffenen."
Die Verwaltungskommission [der Europäischen Kommission] für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer hat am 14. November 2006 unter dem Zeichen CA.SS.TM 325/06 eine Empfehlung zur Anwendung des Urteils im Fall Nikula bezogen auf Spanien herausgegeben. Dort wird dargelegt, dass im Zeitraum Ende 1966 bis Ende 1998 ein einheitlicher Sozialversicherungsbeitrag abgeführt worden ist, der in diesem Zeitraum auch zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung diente. Seit dem Jahr 1999 funktioniere die Gesundheitsversorgung getrennt von der Sozialversicherung und werde finanziert allein durch den Staat, also durch Steuermittel.
Weiter wird ausgeführt, im Zeitraum 1967 bis 1998 sei ein einheitlicher Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 50% zu leisten gewesen. Dabei seien 42% durch den Arbeitgeber und 8% durch den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen. Von diesen 50% sei ein Gehaltsanteil von 10%, also 1/5 des gesamten Sozialversicherungsbeitrages, bei der internen Verteilung für die Gesundheitsversorgung bei Krankheit oder außerberuflichen Unfall vorgesehen gewesen. Dabei habe der Arbeitsnehmer einen Beitrag von 2,5 Prozentpunkten und der Arbeitgeber einen Anteil von 7,5 Prozentpunkten getragen. Bei einem Vergleich der für die verschiedenen Sozialversicherungszweige vorgesehenen Prozentsätze stelle sich der Prozentsatz betreffend die Gesundheitsversorgung als auffällig hoch dar. Mit 10% liege dieser höher als der Anteil für die Altersversorgung (4%) und genauso hoch wie der Anteil für dauernde Invalidität, Tod und Hinterbliebenenversorgung (10%). Die Zuweisung dieses hohen Prozentsatzes an die Gesundheitsversorgung sei dadurch gerechtfertigt worden, dass dadurch den Arbeitnehmern garantiert worden sei, dass die Gesundheitsversorgung, einschließlich Arzneimittel, ab Erreichen des Rentenalters vollständig kostenlos war.
Die Verwaltungskommission kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass eine Anwendung der Nikula-Entscheidung dahingehend erfolgen sollte, dass bei spanischen Renten mit Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1999 ohne weiteren Nachweis von konkreten Beitragszahlungen eine Beitragserhebung auf diese Renten unterbleibe.
Dieser Auslegung der Verwaltungskommission folgt die Kammer aufgrund der folgenden Erwägungen nicht:
Zunächst kommt eine Nichtberücksichtigung der gesamten spanischen Rente des Klägers nach dem Urteil des EuGH keinesfalls in Betracht, da Art. 45 AEUV (ex Art. 39 EGV) nach Auffassung des EuGH einer Beitragserhebung nur entgegenstehen kann, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat bereits auf die dort erzielten Erwerbseinkünfte Beiträge geleistet worden sind. Dies käme hier allenfalls für den Rentenanteil in Betracht, der auf Beitragszahlungen bis zum Jahr 1998 beruht, da ab 1999 die Gesundheitsversorgung nicht mehr durch Beiträge finanziert worden ist.
Aber auch insgesamt folgt die Kammer der Auslegung der Verwaltungskommission nicht. Denn ein Beitrag speziell für die Krankenversorgung im Zeitraum des Rentenbezuges ist weder explizit als solcher erhoben worden noch ist diesem Bestimmungszweck ein gesonderter Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages bei der internen Verteilung zugewiesen gewesen. Die Krankenversorgung im Zeitraum des Rentenbezuges ist in der Aufstellung der Verwaltungskommission über die Verteilung der Beitragsanteile nicht enthalten. Ein eigenständiger Beitragsanteil wurde diesem Zweck dementsprechend offenbar nicht zugewiesen.
Allein die Ausführungen der Verwaltungskommission dazu, dass der Beitragsanteil für die Krankenversorgung im Verhältnis zu anderen Beitragsanteilen besonders hoch ausgefallen sei und dass dies damit zusammengehangen habe, dass dadurch eine beitragsfreie Krankenversorgung im Zeitraum des Rentenbezuges habe finanziert werden sollen, stellen nach Auffassung der Kammer keinen hinreichenden Nachweis von Beiträgen für die Krankenversicherung der Rentner im Zeitraum der Erzielung des Erwerbseinkommens dar.
Denn die Kammer kann schon nicht erkennen, dass der Beitragsanteil für die Krankenversorgung in Spanien unverhältnismäßig hoch gewesen ist. Die Verwaltungskommission stellt den Beitragsanteil für die Krankenversorgung von 10 Prozentpunkten der Altersversorgung (4 Prozentpunkte) und der Versorgung bei dauernder Invalidität, Tod und Hinterbliebenenversorgung (10 Prozentpunkten) gegenüber. Zieht man zum Vergleich die Aufteilung der deutschen Sozialversicherungsbeiträge heran, so ergibt sich hier folgendes Bild: Für die Krankenversicherung war in den Jahren 1980 bis 1998 ein Beitrag von 11,4 bis 13,6 Prozent zu leisten. Für die Rentenversicherung (die in Deutschland auch das Risiko von dauerhafter Invalidität und die Hinterbliebenenversorgung abdeckt) ein Beitrag zwischen 18,0 und 20,3 Prozent. Damit ergibt sich ein Beitragsverhältnis zwischen 1:1,32 und 1:1,78. Aktuell liegt der Krankenversicherungsbeitrag in Deutschland bei ca. 15 Prozent, der Beitrag zur Rentenversicherung bei 18,7 Prozent, das Beitragsverhältnis mithin bei 1:1,25. Das Beitragsverhältnis des spanischen Systems liegt bei 1:1,4, also innerhalb des Rahmens, der sich bei Betrachtung des deutschen Systems ergibt. Bei diesem Vergleich ergibt sich daher kein im Verhältnis zum Rentenversicherungsbeitragsanteil auffällig hoher Beitragsanteil für die Krankenversorgung im spanischen System.
Damit kann ein Nachweis von während der Erzielung des Erwerbseinkommens geleisteten Beiträgen für die künftige Krankenversorgung in der Zeit des Rentenbezuges nicht allein darin gesehen werden, dass im Zeitraum 1967 bis 1998 der nach dem spanischen System erhobene Gesamtsozialversicherungsbeitrag (bzw der entsprechende Arbeitnehmeranteil) geleistet worden ist.
Der EuGH fordert aber explizit einen Nachweis solcher Beiträge ("Der Nachweis, dass solche früheren Beiträge tatsächlich gezahlt wurden, obliegt den Betroffenen."). Einen solchen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht. Er verweist allein auf die Ausführungen der Verwaltungskommission.
Darüber hinaus erscheint nach Auffassung der Kammer fraglich, ob sich der Kläger bei seiner Erwerbsbiografie auf das Urteil des EuGH berufen kann. Denn die vom EuGH vorgenommene Beschränkung der Beitragspflichtigkeit von Renten aus anderen Mitgliedstaaten erfolgt vor dem Hintergrund des Art. 39 EGV, das heißt des heutigen Art. 45 AEUV, also der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der EuGH möchte verhindern, dass EU-Bürger auf die Inanspruchnahme ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit deshalb verzichten, weil sie befürchten müssen, dass sie zunächst bei ihrer Tätigkeit im Rahmen der Ausübung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit Beiträge für eine zukünftige Krankenversorgung im Alter zahlen, und dann nach Rückkehr gegebenenfalls während des Rentenbezuges unter Berücksichtigung der Rente aus dem Ausland erneut Beiträge für die Krankenversorgung im Alter zahlen müssen. Vorliegend erfolgte die Beitragszahlung während der Erwerbstätigkeit aber (wenn man im Falle des Klägers eine solche Beitragszahlung annehmen wollte) in einem Zeitraum, in dem der spanische Kläger für den spanischen Staat tätig war und dem spanischen Sozialversicherungssystem unterworfen war. Es erscheint daher fraglich, ob der Kläger in dieser Zeit überhaupt von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht hat, nur weil sein Einsatzort in Deutschland lag, auch wenn er sozialversicherungstechnisch weiter dem spanischen d.h. dem heimischen Sozialversicherungssystem unterworfen war.
Gegen eine Anwendung der vom EuGH in der Nikula-Entscheidung formulierten Einschränkung der Beitragspflichtigkeit auf den Fall des Klägers spricht zudem Folgendes: Der EuGH wollte sicherstellen, dass demjenigen, der von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch macht, keine Nachteile durch eine doppelte und damit überhöhte Verbeitragung entstehen. Im Falle des Klägers stellt sich der Fall jedoch wie folgt dar: Der Kläger wendet sich gegen eine Verbeitragung seiner spanischen Rente, weil er – untechnisch gesprochen – während seiner Erwerbstätigkeit im Rahmen des spanischen Sozialversicherungssystem (in Hinblick auf eine spätere beitragsfreie Krankenversorgung im Alter) bereits unverhältnismäßig hohe Krankenversicherungsbeiträge geleistet habe. Tatsächlich aber betrug der Arbeitnehmeranteil bzgl. der Krankenversorgung 2,5% und der gesamte vom Arbeitnehmer zu tragende Sozialversicherungsbeitrag 8% [so ergeben sich die Zahlen aus der Empfehlung der Verwaltungskommission; nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger sogar nur einen Gesamtarbeitnehmeranteil von 5,5 % geleistet]. Hätte der Kläger hingegen Beiträge im deutschen Sozialversicherungssystem geleistet, so wäre sowohl der von ihm zu tragende Anteil des Krankenversicherungsbeitrags als auch der von ihm zu tragende Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags erheblich höher gewesen. Der Kläger steht von der Gesamtbeitragsbelastung her betrachtet daher auch noch bei Verbeitragung seiner spanischen Rente besser als ein Bezieher einer nur deutschen Rente (der dementsprechend während seiner Erwerbstätigkeit Beiträge im deutschen Sozialversicherungssystem geleistet hat), weil die Beitragsbelastung eines Arbeitnehmers im deutschen Sozialversicherungssystem und insbesondere im Hinblick auf die Krankenversicherungsbeiträge absolut gesehen deutlich höher lag als im spanischen Sozialversicherungssystem. Würde nun die spanische Rente bei der Beitragsbemessung für die Krankenversicherung der Rentner außer Betracht bleiben, so würde diese ohnehin bestehende geringere Beitrags(vor)belastung dadurch noch einmal erheblich verstärkt. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist jedoch nicht auf die Begründung oder Verstärkung von Vorteilen der Arbeitnehmerfreizügigkeit gerichtet, sondern stellt allein ein Abwehrrecht gegenüber durch die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit drohenden Nachteilen dar. Solche Nachteile drohen dem Kläger jedoch wie dargestellt durch die Verbeitragung seiner spanischen Rente nicht.
3) Der Beitragserhebung steht auch höherrangiges Verfassungsrecht nicht entgegen.
Eine Verletzung von Art. 3 GG ist nicht zu erkennen. Die Beitragserhebung auch auf ausländische Renten führt gerade zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung gegenüber Beziehern von nur inländischen Renten, die in voller Höhe der Beitragserhebung unterliegen. Andernfalls wäre beispielsweise gerade der Kläger, bei dem ein Großteil seiner Renteneinnahmen auf den spanischen Rentenzahlungen beruht, gegenüber Beziehern nur inländischer Renten (oder gegeüber Beziehern ausländischer Versorgungsbezüge, die bereits vor Einführung des § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V beitragspflichtig waren) erheblich weniger beitragsbelastet. Gerade der Beseitigung solcher Ungleichbehandlung diente die Einführung des § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 41 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung).
Keine Verletzung von Art. 3 GG liegt zudem darin, dass – wie der Kläger argumentiert – spanische Rentner in Deutschland, die keine deutsche Rente, sondern nur eine spanische Rente beziehen, trotz Inanspruchnahme des deutschen Krankenversicherungssystems keine Beiträge zur deutschen Krankenversicherung zahlen.
Diese Ungleichbehandlung ist jedoch hinreichend sachlich gerechtfertigt. Denn der Bezug einer deutschen Rente führt dazu, dass Kostenträger der Leistungen bei Krankheit vorliegend die deutsche Krankenversicherung ist, weil der Kläger als Bezieher einer deutschen Rente gesetzlich pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner ist und einen entsprechenden originären Sachleistungsanspruch hat; es liegt ein Fall des Art. 23 VO (EG) 883/2004 vor. Rentner in Deutschland, die keine deutsche, sondern nur eine ausländische Rente beziehen, sind nicht gesetzlich pflichtversichert in der deutschen Krankenversicherung der Rentner und haben dementsprechend keinen echten Sachleistungsanspruch aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis mit einem deutschen Träger der Krankenversicherung. Sie erhalten zwar dennoch in Deutschland Sachleistungen, jedoch auf Rechnung des Trägers des für die jeweilige Rentenzahlung zuständigen Mitgliedstaates (Fall des Art. 24 VO (EG)). Dies ist ein erheblicher, europarechtlich vorgegebener Unterschied, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Der Anspruch des Klägers aus Art. 3 GG beschränkt sich damit auf eine Gleichbehandlung mit anderen pflichtversicherten Rentnern in der deutschen Krankenversicherung der Rentner (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014, Az: L 5 KR 2498/13, dort Rz 46).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt hier dem Ausgang in der Sache. Gründe für eine abweichende Verteilung der Kostenlast sind vorliegend nicht erkennbar.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflichtigkeit der vom Kläger bezogenen Rente des spanischen Rentenversicherungsträgers zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner und zur sozialen Pflegeversicherung für den Zeitraum ab Januar 2012.
Der Kläger ist spanischer Staatsbürger, lebt in Berlin und bezieht eine Rente der deutschen Rentenversicherung in Höhe von monatlich ca. 410 EUR seit Anfang 2012. Ebenfalls seit Anfang 2012 bezieht er eine spanische Rente in Höhe von monatlich ca. 1650 EUR. Bei der spanischen Rente werden pro Jahr 14 Monatsbeträge ausgezahlt. Bezüglich der Höhe der Rentenzahlungen im Einzelnen wird auf Bl. 121 und Bl. 127-132 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger hat von November 1971 bis zu seinem Rentenbeginn im Januar 2012 für den spanischen Staat in der spanischen Botschaft in Deutschland gearbeitet. Von November 1971 bis Dezember 1981 hat er nach seinem Vortrag Krankenversicherungsbeiträge für eine deutsche Krankenversicherung abgeführt. Ab Januar 1982 hat er aufgrund einer Gesetzesänderung Versicherungsbeiträge nur noch in Spanien an die dortige Sozialversicherung abgeführt. Sein gesamter Sozialversicherungsbeitrag betrug nach seinem Vortrag 5,5%, der seines Arbeitgebers 23%.
Die Beklagte zu 1) erließ am 3. April 2013 einen Beitragsbescheid, mit dem sie für den Zeitraum vom 16. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 bezogen auf eine spanische Rente in Höhe von monatlich 1641,37 EUR Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung in Höhe von 134,59 EUR (Krankversicherung) und 32,01 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 166,60 EUR erhob.
Mit Bescheid vom selben Tag erließ die Beklagte zu 1) einen weiteren Bescheid, mit dem sie aufgrund des veränderten Beitragssatzes ab dem Januar 2013 Beiträge in Höhe von 134,59 EUR (Krankversicherung) und 33,65 (Pflegeversicherung), insgesamt 168,24 EUR erhob.
Der Kläger erhob gegen diese Bescheide Widerspruch mit Schreiben vom 9. April 2013. Er wandte ein, die spanische Rente sei keine vergleichbare Rente im Sinne des § 228 SGB V, da Rentenberechnungsformel, Anwartschaftszeiten und Leistungsumfang mit der Deutschen Rentenversicherung in keiner Weise vergleichbar seien. Bei Bezug einer spanischen Rente sei der spanische Rentner zudem nicht mehr verpflichtet, Beiträge zur Krankenversicherung zu leisten.
Nach einem Anhörungsschreiben vom 3. Juni 2013 erhöhte die Beklagte zu 1) mit Bescheiden vom 26. Juli 2013 die Beitragsforderungen in Hinblick auf die gezahlten 14 Monatsbeträge pro Jahr. Festgesetzt wurden nunmehr Beiträge auf Grundlage eines monatlichen Zahlbetrages von 1821,45 EUR für das Jahr 2012 und auf Grundlage eines monatlichen Zahlbetrages von 1934,08 EUR ab Januar 2013.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 hob die Beklagte zu 1) die Bescheide vom 26. Juli 2013 auf, soweit dort höhere Beiträge festgesetzt worden waren als in der ursprünglichen Beitragsfestsetzungen vom 3. April 2013. Zugleich erließ die Beklagte zu 1) mit Datum vom 10. Oktober 2013 Änderungsbescheide, die die Beiträge wie folgt festsetzten:
- für den Monat Januar 2012 auf 71,78 EUR (Krankenversicherung), 17,07 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 88,85 EUR,
- für den Zeitraum Februar 2012 bis Dezember 2012 auf 134,59 EUR (Krankversicherung) und 32,01 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 166,60 EUR,
- für den Zeitraum Januar 2013 bis Oktober 2013 auf 134,59 EUR (Krankversicherung) und 33,65 (Pflegeversicherung), insgesamt 168,24 EUR,
- für den Zeitraum ab November 2013 auf 158,59 EUR (Krankenversicherung), 39,65 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 198,24 EUR.
Diese Bescheide enthielten sämtlich den Hinweis, dass der jeweilige Bescheid hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung zugleich im Namen der Beklagten zu 2) ergehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf die ergangenen Abhilfebescheide zurück. § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V diene der Umsetzung von Art. 5 der Verordnung 883/2004. Eine ausländische Rente müsse nicht in jeder Hinsicht mit einer deutschen gesetzlichen Rente vergleichbar sein. Ausreichend sei, dass die Rente von einem im Ausland ansässigen Träger der dortigen gesetzlichen Rentenversicherung geleistet werden. Gemäß eines von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten Verzeichnisses handele es sich bei dem Instituto Nacional de la Seguridad Social, von dem der Kläger seine Rente beziehe, um einen solchen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf einen weiteren Vergleich des deutschen und spanischen Rentenrechtes komme es daher nicht an.
Der Kläger hat am 14. November 2013 Klage gegen die Bescheide vom 3. April 2013, vom 26. Juli 2013 sowie 14. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 erhoben.
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf seine spanische Rente. Spanische Rentner in Spanien müssten keine Beiträge zur Krankenversicherung auf ihre Rentenzahlungen leisten. Dies werde innerhalb des spanischen Systems dadurch berücksichtigt, dass während der Erwerbstätigkeit ein Teil des Arbeitseinkommens auch für die Krankenversorgung im Rentenalter abgeführt werde. Durch die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf seine spanische Rente liege daher eine Doppelbelastung vor. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung führe zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Klägers. Auch liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Denn Rentner, die allein spanische Renten bezögen, seinen in der deutschen Krankenversicherung versichert, ohne Beiträge dafür leisten zu müssen. Die Erhebung von Beiträgen auf die spanische Rente verletze auch das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV. Er verweist zur Stützung seiner Position auf ein Papier der Verwaltungskommission für die sozialen Aufgaben der Wanderarbeitnehmer zur Anwendung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 18. Juli 2006 (C-50/05 Nikula).
Die Beklagte zu 1) hat mit Bescheid vom 7. April 2015 (auch im Namen der Pflegekasse) auf Grundlage eines monatlichen Rentenbetrages von 1943,75 EUR für die Zeit ab Januar 2015 den Beitrag auf 163,27 EUR (Krankenversicherung), 45,68 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 208,95 EUR festgesetzt.
Die Beklagte zu 1) hat mit Bescheid vom 15. Januar 2016 (auch im Namen der Pflegekasse) auf Grundlage eines monatlichen Rentenbetrages von 1943,75 EUR für die Zeit ab Januar 2016 den Beitrag auf 163,27 EUR (Krankenversicherung), 45,68 EUR (Pflegeversicherung), insgesamt 208,95 EUR festgesetzt.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 3. April 2013 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 10. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013, abgeändert durch die Bescheide vom 7. April 2015 und 15. Januar 2016 aufzuheben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Denn die angegriffenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beitragserhebung entspricht der deutschen Gesetzeslage (siehe 1)) und verstößt weder gegen europäisches Recht (siehe 2)) noch gegen Verfassungsrecht (siehe 3)).
1) Die Beklagten durften Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner auch auf die Zahlungen des spanischen Rentenversicherungsträgers erheben.
Rechtsgrundlagen hierfür sind §§ 237 S. 1 Nr. 1, 228 Abs. 1 S. 2 SGB V (Krankenversicherungsbeiträge) sowie § 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI (Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung).
Gemäß § 237 S. 1 Nr. 1 SGB V wird bei versicherungspflichtigen Rentner der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Zahlbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde gelegt. § 228 SGB V gilt gemäß § 237 S. 2 SGB V entsprechend.
Gemäß § 228 Abs. 1 S. 1 SGB V gelten als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (im Sinne des § 237 S. 1 Nr. 1 SGB V) unter anderem Renten der allgemeinen Rentenversicherung.
Gemäß § 228 Abs. 1 S. 2 gilt Satz 1 auch, wenn vergleichbare Renten aus dem Ausland bezogen werden.
Bei der vom Kläger bezogenen Rente des INSS (Instituto Nacional de la Seguridad Social) handelt es sich um eine mit der Rente aus der allgemeinen deutschen Rentenversicherung im Sinne des § 228 Abs. 1 SGB V vergleichbare Rente. Erforderlich ist insoweit nicht eine völlige Übereinstimmung, es reicht vielmehr eine Entsprechung bezüglich der typischen wesentlichen Merkmale, insbesondere hinsichtlich der Funktion der Leistungen aus (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2015, Az: L 4 KR 2901/12, juris, dort Rz 45 mwN). Vorliegend stammt die Rente aus einem staatlichen Alterssicherungssystem und dient dem Erhalt des Lebensstandards in der Ruhestandszeit. Damit ist eine hinreichende Vergleichbarkeit gegeben.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des EuGH vom 21. Januar 2016 (C-453/14 Knauer) zu Art. 5 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hinzuweisen, die das gefundene Ergebnis bestätigt. Das Inkrafttreten von Art. 5 VO (EG) 883/2004 war Anlass für den deutschen Gesetzgeber zur Schaffung des § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 41). Der dortige Begriff der Gleichartigkeit ist vom EuGH dahingehend ausgelegt worden, dass sogar Zahlungen aus einem gesetzlichen Pensionssystem einerseits und aus einem System der beruflichen Altersvorsorge andererseits als gleichartig im Sinne der Vorschrift anzusehen sind, wenn sie beide das Ziel verfolgen, ihren Empfängern die Beibehaltung eines Lebensstandards zu gewährleisten, der jenem vor ihrem Ruhestand entspricht.
Eine Verbeitragung erfolgt im vorliegenden Fall nicht auf Grundlage des § 229 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB V, weil es sich bei der bezogenen Rente um eine Leistung des staatlichen spanischen Rentenversicherungssystems handelt (vgl. LSG Baden-Württemberg, aaO, Rz 44).
Die Höhe der erhobenen Beiträge, die auch von dem Kläger nicht in Frage gestellt wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist insbesondere rechtmäßig, dass die Beklagten die dem Kläger in vierzehn Raten pro Jahr ausgezahlte Renten gleichmäßig auf zwölf Monate verteilt und hieraus die Beiträge berechnet haben. Es entspricht dem in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, einmalige oder unregelmäßige Zahlungen auf Kalendermonate gleichmäßig zu verteilen. Entsprechend dürfen die Beklagten die in einem Kalenderjahr gezahlten Beiträge auch im vorliegenden Fall auf zwölf gleiche Anteile pro Jahr verteilen, zumal dies an der jährlichen Beitragsgesamtsumme nichts ändert (Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 54).
Die Beitragserhebung ist auch im Übrigen fehlerfrei vorgenommen worden. Die Erhebung der gesamten Beiträge erfolgte beim Kläger entsprechend §§ 249a S. 2, 252 SGB V. Die Bescheide der Beklagten zu 1) enthalten bezüglich der festgesetzten Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung den erforderlichen Hinweis darauf, dass sie diesbezüglich im Namen der Beklagten zu 2) ergehen.
Soweit die Beitragshöhe durch die Bescheide vom 7. April 2015 und 15. Januar 2016 jeweils (unter entsprechender konkludenter Teilaufhebung der vorangegangen Bescheide) angehoben worden ist, wird dies vom Kläger nicht gerügt und begegnet auch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Erhöhung mit Bescheid vom Januar 2016 beruht auf der Erhöhung des Beitragssatzes und ist nicht mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, so dass die Abänderung der Vorgabe des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X entspricht. Die Erhöhung durch Bescheid vom 7. April 2015 für den Zeitraum ab Januar 2015 beruht auf der Erhöhung der spanischen Rente des Klägers. Rechtsgrundlage ist auch hier § 48 SGB X. Soweit bezüglich der Monate Januar 2015 bis März 2015 eine rückwirkende Teilaufhebung vorliegt, liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X vor. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er immer erst im April nach Deutschland zurückkehre und dass er daher das Erhöhungsschreiben aus Spanien sicherlich erst verspätet an die Beklagte zu 1) weitergeleitet habe.
2) Der Beitragserhebung steht vorrangig anzuwendendes Europarecht nicht entgegen.
Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen durch den Träger eines Mitgliedsstaates, der – wie hier die Beklagte zu 1) – auf seine Kosten Leistungen bei Krankheit für Rentner erbringt, der Vorgabe des Art. 30 VO (EG) 883/2004 entspricht (vgl. dazu im Einzelnen Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014, Az: L 5 KR 2498/13, juris, dort Rz 34 bis 40).
Weiter gilt Art. 5 a) VO (EG) 883/2004 [Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten und Ereignissen]:
"Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar."
Für den vorliegenden Fall ist daraus zu entnehmen, dass die Vorschriften über die Beitragspflichtigkeit einer inländischen Rente entsprechend auf den Bezug einer gleichartigen Leistung der sozialen Sicherung eines anderen Mitgliedstaates [hier die spanische Rente des Klägers] anwendbar sein sollen. Dies wird durch § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V umgesetzt.
Der EuGH hat in seiner Entscheidung in der Sache Knauer (s.o.; Europarechtskonformität der Beitragserhebung der österreichischen Krankenversicherung der Rentner auch auf Bezüge aus einer liechtensteinischen beruflichen Altersvorsorge) diesen Grundsatz bestätigt.
Auch in der vom Kläger zitierten Entscheidung in der Sache Nikula (s.o.) hatte der EuGH diesen Grundsatz bereits bestätigt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 39/40).
Die Beitragserhebung verstößt aber auch im konkreten Fall nicht – wie der Kläger unter Berufung auf die Entscheidung Nikula meint – gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV (ehemals Art. 39 EGV).
Der EuGH hat in der Nikula-Entscheidung unter Rz 33 und 34 ausgeführt:
"33. Außerdem würde die Freizügigkeit beschränkt, wenn der Wohnstaat eine Regelung anwendete, die nicht die Krankenversicherungsbeiträge berücksichtigte, die die Rentner bereits in den Jahren ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat entrichtet haben. Eine solche Regelung hätte zur Folge, dass die Berechtigten allein deswegen bestraft würden, weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, während diejenigen privilegiert würden, die in einem einzigen Mitgliedstaat geblieben sind, um dort ihre gesamte Tätigkeit auszuüben.
34. Wie der Gerichtshof entschieden hat, verwehrt es Artikel 39 EG einem Mitgliedstaat, die Krankenversicherungsbeiträge eines im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmers, der seinen Rechtsvorschriften unterliegt, auf der Grundlage des Bruttobetrags einer zusätzlichen tarifvertraglichen Altersrente zu berechnen, die der Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, ohne zu berücksichtigen, dass ein Teil des Bruttobetrags dieser Rente in dem anderen Mitgliedstaat bereits als Krankenversicherungsbeitrag einbehalten wurde (Urteil vom 15. Juni 2000 in der Rechtssache C-302/98, Sehrer, Slg. 2000, I-4585, Randnr. 36)."
Unter Rz. 38 formuliert der EuGH darauf aufbauend - ebenso wie im Tenor im unter 2. -:
"Jedoch steht Art. 39 EG dem entgegen, dass Renten von Trägern eines anderen Mitgliedstaats berücksichtigt werden, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat bereits auf die dort erzielten Erwerbseinkünfte Beiträge geleistet worden sind. Der Nachweis, dass solche früheren Beiträge tatsächlich gezahlt wurden, obliegt den Betroffenen."
Die Verwaltungskommission [der Europäischen Kommission] für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer hat am 14. November 2006 unter dem Zeichen CA.SS.TM 325/06 eine Empfehlung zur Anwendung des Urteils im Fall Nikula bezogen auf Spanien herausgegeben. Dort wird dargelegt, dass im Zeitraum Ende 1966 bis Ende 1998 ein einheitlicher Sozialversicherungsbeitrag abgeführt worden ist, der in diesem Zeitraum auch zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung diente. Seit dem Jahr 1999 funktioniere die Gesundheitsversorgung getrennt von der Sozialversicherung und werde finanziert allein durch den Staat, also durch Steuermittel.
Weiter wird ausgeführt, im Zeitraum 1967 bis 1998 sei ein einheitlicher Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 50% zu leisten gewesen. Dabei seien 42% durch den Arbeitgeber und 8% durch den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen. Von diesen 50% sei ein Gehaltsanteil von 10%, also 1/5 des gesamten Sozialversicherungsbeitrages, bei der internen Verteilung für die Gesundheitsversorgung bei Krankheit oder außerberuflichen Unfall vorgesehen gewesen. Dabei habe der Arbeitsnehmer einen Beitrag von 2,5 Prozentpunkten und der Arbeitgeber einen Anteil von 7,5 Prozentpunkten getragen. Bei einem Vergleich der für die verschiedenen Sozialversicherungszweige vorgesehenen Prozentsätze stelle sich der Prozentsatz betreffend die Gesundheitsversorgung als auffällig hoch dar. Mit 10% liege dieser höher als der Anteil für die Altersversorgung (4%) und genauso hoch wie der Anteil für dauernde Invalidität, Tod und Hinterbliebenenversorgung (10%). Die Zuweisung dieses hohen Prozentsatzes an die Gesundheitsversorgung sei dadurch gerechtfertigt worden, dass dadurch den Arbeitnehmern garantiert worden sei, dass die Gesundheitsversorgung, einschließlich Arzneimittel, ab Erreichen des Rentenalters vollständig kostenlos war.
Die Verwaltungskommission kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass eine Anwendung der Nikula-Entscheidung dahingehend erfolgen sollte, dass bei spanischen Renten mit Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1999 ohne weiteren Nachweis von konkreten Beitragszahlungen eine Beitragserhebung auf diese Renten unterbleibe.
Dieser Auslegung der Verwaltungskommission folgt die Kammer aufgrund der folgenden Erwägungen nicht:
Zunächst kommt eine Nichtberücksichtigung der gesamten spanischen Rente des Klägers nach dem Urteil des EuGH keinesfalls in Betracht, da Art. 45 AEUV (ex Art. 39 EGV) nach Auffassung des EuGH einer Beitragserhebung nur entgegenstehen kann, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat bereits auf die dort erzielten Erwerbseinkünfte Beiträge geleistet worden sind. Dies käme hier allenfalls für den Rentenanteil in Betracht, der auf Beitragszahlungen bis zum Jahr 1998 beruht, da ab 1999 die Gesundheitsversorgung nicht mehr durch Beiträge finanziert worden ist.
Aber auch insgesamt folgt die Kammer der Auslegung der Verwaltungskommission nicht. Denn ein Beitrag speziell für die Krankenversorgung im Zeitraum des Rentenbezuges ist weder explizit als solcher erhoben worden noch ist diesem Bestimmungszweck ein gesonderter Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages bei der internen Verteilung zugewiesen gewesen. Die Krankenversorgung im Zeitraum des Rentenbezuges ist in der Aufstellung der Verwaltungskommission über die Verteilung der Beitragsanteile nicht enthalten. Ein eigenständiger Beitragsanteil wurde diesem Zweck dementsprechend offenbar nicht zugewiesen.
Allein die Ausführungen der Verwaltungskommission dazu, dass der Beitragsanteil für die Krankenversorgung im Verhältnis zu anderen Beitragsanteilen besonders hoch ausgefallen sei und dass dies damit zusammengehangen habe, dass dadurch eine beitragsfreie Krankenversorgung im Zeitraum des Rentenbezuges habe finanziert werden sollen, stellen nach Auffassung der Kammer keinen hinreichenden Nachweis von Beiträgen für die Krankenversicherung der Rentner im Zeitraum der Erzielung des Erwerbseinkommens dar.
Denn die Kammer kann schon nicht erkennen, dass der Beitragsanteil für die Krankenversorgung in Spanien unverhältnismäßig hoch gewesen ist. Die Verwaltungskommission stellt den Beitragsanteil für die Krankenversorgung von 10 Prozentpunkten der Altersversorgung (4 Prozentpunkte) und der Versorgung bei dauernder Invalidität, Tod und Hinterbliebenenversorgung (10 Prozentpunkten) gegenüber. Zieht man zum Vergleich die Aufteilung der deutschen Sozialversicherungsbeiträge heran, so ergibt sich hier folgendes Bild: Für die Krankenversicherung war in den Jahren 1980 bis 1998 ein Beitrag von 11,4 bis 13,6 Prozent zu leisten. Für die Rentenversicherung (die in Deutschland auch das Risiko von dauerhafter Invalidität und die Hinterbliebenenversorgung abdeckt) ein Beitrag zwischen 18,0 und 20,3 Prozent. Damit ergibt sich ein Beitragsverhältnis zwischen 1:1,32 und 1:1,78. Aktuell liegt der Krankenversicherungsbeitrag in Deutschland bei ca. 15 Prozent, der Beitrag zur Rentenversicherung bei 18,7 Prozent, das Beitragsverhältnis mithin bei 1:1,25. Das Beitragsverhältnis des spanischen Systems liegt bei 1:1,4, also innerhalb des Rahmens, der sich bei Betrachtung des deutschen Systems ergibt. Bei diesem Vergleich ergibt sich daher kein im Verhältnis zum Rentenversicherungsbeitragsanteil auffällig hoher Beitragsanteil für die Krankenversorgung im spanischen System.
Damit kann ein Nachweis von während der Erzielung des Erwerbseinkommens geleisteten Beiträgen für die künftige Krankenversorgung in der Zeit des Rentenbezuges nicht allein darin gesehen werden, dass im Zeitraum 1967 bis 1998 der nach dem spanischen System erhobene Gesamtsozialversicherungsbeitrag (bzw der entsprechende Arbeitnehmeranteil) geleistet worden ist.
Der EuGH fordert aber explizit einen Nachweis solcher Beiträge ("Der Nachweis, dass solche früheren Beiträge tatsächlich gezahlt wurden, obliegt den Betroffenen."). Einen solchen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht. Er verweist allein auf die Ausführungen der Verwaltungskommission.
Darüber hinaus erscheint nach Auffassung der Kammer fraglich, ob sich der Kläger bei seiner Erwerbsbiografie auf das Urteil des EuGH berufen kann. Denn die vom EuGH vorgenommene Beschränkung der Beitragspflichtigkeit von Renten aus anderen Mitgliedstaaten erfolgt vor dem Hintergrund des Art. 39 EGV, das heißt des heutigen Art. 45 AEUV, also der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der EuGH möchte verhindern, dass EU-Bürger auf die Inanspruchnahme ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit deshalb verzichten, weil sie befürchten müssen, dass sie zunächst bei ihrer Tätigkeit im Rahmen der Ausübung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit Beiträge für eine zukünftige Krankenversorgung im Alter zahlen, und dann nach Rückkehr gegebenenfalls während des Rentenbezuges unter Berücksichtigung der Rente aus dem Ausland erneut Beiträge für die Krankenversorgung im Alter zahlen müssen. Vorliegend erfolgte die Beitragszahlung während der Erwerbstätigkeit aber (wenn man im Falle des Klägers eine solche Beitragszahlung annehmen wollte) in einem Zeitraum, in dem der spanische Kläger für den spanischen Staat tätig war und dem spanischen Sozialversicherungssystem unterworfen war. Es erscheint daher fraglich, ob der Kläger in dieser Zeit überhaupt von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht hat, nur weil sein Einsatzort in Deutschland lag, auch wenn er sozialversicherungstechnisch weiter dem spanischen d.h. dem heimischen Sozialversicherungssystem unterworfen war.
Gegen eine Anwendung der vom EuGH in der Nikula-Entscheidung formulierten Einschränkung der Beitragspflichtigkeit auf den Fall des Klägers spricht zudem Folgendes: Der EuGH wollte sicherstellen, dass demjenigen, der von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch macht, keine Nachteile durch eine doppelte und damit überhöhte Verbeitragung entstehen. Im Falle des Klägers stellt sich der Fall jedoch wie folgt dar: Der Kläger wendet sich gegen eine Verbeitragung seiner spanischen Rente, weil er – untechnisch gesprochen – während seiner Erwerbstätigkeit im Rahmen des spanischen Sozialversicherungssystem (in Hinblick auf eine spätere beitragsfreie Krankenversorgung im Alter) bereits unverhältnismäßig hohe Krankenversicherungsbeiträge geleistet habe. Tatsächlich aber betrug der Arbeitnehmeranteil bzgl. der Krankenversorgung 2,5% und der gesamte vom Arbeitnehmer zu tragende Sozialversicherungsbeitrag 8% [so ergeben sich die Zahlen aus der Empfehlung der Verwaltungskommission; nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger sogar nur einen Gesamtarbeitnehmeranteil von 5,5 % geleistet]. Hätte der Kläger hingegen Beiträge im deutschen Sozialversicherungssystem geleistet, so wäre sowohl der von ihm zu tragende Anteil des Krankenversicherungsbeitrags als auch der von ihm zu tragende Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags erheblich höher gewesen. Der Kläger steht von der Gesamtbeitragsbelastung her betrachtet daher auch noch bei Verbeitragung seiner spanischen Rente besser als ein Bezieher einer nur deutschen Rente (der dementsprechend während seiner Erwerbstätigkeit Beiträge im deutschen Sozialversicherungssystem geleistet hat), weil die Beitragsbelastung eines Arbeitnehmers im deutschen Sozialversicherungssystem und insbesondere im Hinblick auf die Krankenversicherungsbeiträge absolut gesehen deutlich höher lag als im spanischen Sozialversicherungssystem. Würde nun die spanische Rente bei der Beitragsbemessung für die Krankenversicherung der Rentner außer Betracht bleiben, so würde diese ohnehin bestehende geringere Beitrags(vor)belastung dadurch noch einmal erheblich verstärkt. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist jedoch nicht auf die Begründung oder Verstärkung von Vorteilen der Arbeitnehmerfreizügigkeit gerichtet, sondern stellt allein ein Abwehrrecht gegenüber durch die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit drohenden Nachteilen dar. Solche Nachteile drohen dem Kläger jedoch wie dargestellt durch die Verbeitragung seiner spanischen Rente nicht.
3) Der Beitragserhebung steht auch höherrangiges Verfassungsrecht nicht entgegen.
Eine Verletzung von Art. 3 GG ist nicht zu erkennen. Die Beitragserhebung auch auf ausländische Renten führt gerade zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung gegenüber Beziehern von nur inländischen Renten, die in voller Höhe der Beitragserhebung unterliegen. Andernfalls wäre beispielsweise gerade der Kläger, bei dem ein Großteil seiner Renteneinnahmen auf den spanischen Rentenzahlungen beruht, gegenüber Beziehern nur inländischer Renten (oder gegeüber Beziehern ausländischer Versorgungsbezüge, die bereits vor Einführung des § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V beitragspflichtig waren) erheblich weniger beitragsbelastet. Gerade der Beseitigung solcher Ungleichbehandlung diente die Einführung des § 228 Abs. 1 S. 2 SGB V (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO, Rz 41 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung).
Keine Verletzung von Art. 3 GG liegt zudem darin, dass – wie der Kläger argumentiert – spanische Rentner in Deutschland, die keine deutsche Rente, sondern nur eine spanische Rente beziehen, trotz Inanspruchnahme des deutschen Krankenversicherungssystems keine Beiträge zur deutschen Krankenversicherung zahlen.
Diese Ungleichbehandlung ist jedoch hinreichend sachlich gerechtfertigt. Denn der Bezug einer deutschen Rente führt dazu, dass Kostenträger der Leistungen bei Krankheit vorliegend die deutsche Krankenversicherung ist, weil der Kläger als Bezieher einer deutschen Rente gesetzlich pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner ist und einen entsprechenden originären Sachleistungsanspruch hat; es liegt ein Fall des Art. 23 VO (EG) 883/2004 vor. Rentner in Deutschland, die keine deutsche, sondern nur eine ausländische Rente beziehen, sind nicht gesetzlich pflichtversichert in der deutschen Krankenversicherung der Rentner und haben dementsprechend keinen echten Sachleistungsanspruch aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis mit einem deutschen Träger der Krankenversicherung. Sie erhalten zwar dennoch in Deutschland Sachleistungen, jedoch auf Rechnung des Trägers des für die jeweilige Rentenzahlung zuständigen Mitgliedstaates (Fall des Art. 24 VO (EG)). Dies ist ein erheblicher, europarechtlich vorgegebener Unterschied, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Der Anspruch des Klägers aus Art. 3 GG beschränkt sich damit auf eine Gleichbehandlung mit anderen pflichtversicherten Rentnern in der deutschen Krankenversicherung der Rentner (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014, Az: L 5 KR 2498/13, dort Rz 46).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt hier dem Ausgang in der Sache. Gründe für eine abweichende Verteilung der Kostenlast sind vorliegend nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
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