Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 EG 71/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelung des § 1 Ab. 1 S. 2 BEEG i.V.m. § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG zur Ablösung der kindbezogenen Ansprüche bei Mehrlingsgeburten durch lediglich einen Anspruch auf Elterngeld zuzüglich des Mehrlingszuschlags ist nicht verfassungswidrig.
Fällt neben dem Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG noch der Geschwisterbonus nach § 2a Abs. 1 S. 1 BEEG an, so ist zunächst der Geschwisterbonus zu berechnen und erst anschließend der Mehrlingszuschlag aufzuaddieren.
Fällt neben dem Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG noch der Geschwisterbonus nach § 2a Abs. 1 S. 1 BEEG an, so ist zunächst der Geschwisterbonus zu berechnen und erst anschließend der Mehrlingszuschlag aufzuaddieren.
Die Klagen werden abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des den Klägern gewährten Elterngeldes für ihre Zwillinge nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG, im Folgenden in der Fassung vom 18.12.2014, BGBl. I, S. 2325), wobei insbesondere umstritten ist, ob anstelle des Mehr-lingszuschlags ein eigenständiger Elterngeldanspruch auch für die Betreuung des zweiten Zwillingskindes besteht.
Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern der am 8.1.2015 geborenen Kinder M. (Ma) und Ö. (Ö), sowie des am 26.6.2013 geborenen Kindes C. (C) und des am 7.3.2011 geborenen Kindes M. (Me). Der Kläger zu 1) bezog nach der Geburt des C Elterngeld für dessen 3. bis 13. Lebens-monat. Die Klägerin zu 2) erhielt vom 24.12.2014 bis 29.4.2015 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich und einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von 53,67 EUR kalender-täglich.
Sie beantragten mit Schreiben vom 17.3.2015 die Gewährung von Elterngeld für Ma, der Kläger zu 1) für den 13. und 14. Lebensmonat und die Klägerin zu 2) für den 1. bis 12. Lebensmonat. Am 8.5.2015 beantragten die Kläger gleichfalls die Gewährung von Elterngeld für Ö, der Kläger zu 1) für den 1. bis 12. Lebensmonat und die Klägerin zu 2) für den 13. und 14. Lebensmonat.
Ausgehend von einem Bemessungszeitraum von Januar bis Juli 2013 und August bis De-zember 2014 (unterbrochen durch den Zeitraum des Elterngeldbezugs für C) ermittelte der Beklagte unter Zugrundelegung des vom Kläger zu 1) in diesem Zeitraum erzielten monatlichen Einkommens in Höhe von 2.934,46 EUR (Steuer-Brutto) ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2.394,84 EUR. Der Beklagte bewilligte dem Kläger zu 1) sodann mit Bescheid vom 27.7.2015 Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat der Kinder Ma und Ö in Höhe von monatlich insgesamt 2.012,32 EUR (1.556,65 EUR [65 % von 2.394,84 EUR] + 155,67 EUR [10 % von 1.556,65 EUR Geschwisterbonus] + 300,00 EUR [Mehrlingszuschlag]). Mit weiterem Bescheid vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 lehnte der Beklagte die Gewährung von Elterngeld für Ö – über den Mehrlingszuschlag hinaus – ab.
Ausgehend von einem Bemessungszeitraum von Dezember 2013 November 2014 ermittelte der Beklagte unter Zugrundelegung des von der Klägerin zu 2) in diesem Zeitraum erzielten monatlichen Einkommens in Höhe von 3.156,28 EUR bzw. 1.017,32 EUR im Dezember 2013, 1.012,09 EUR im Januar 2014 und 167,03 EUR im November 2014 (jeweils Steuer-Brutto) ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.579,64 EUR. Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 2) sodann mit Bescheid vom 28.10.2015 Elterngeld für den 4. Lebensmonat der Kinder Ma und Ö (unter Anrechnung der Mutterschutzleistungen) in Höhe von insgesamt 381,19 EUR und für den 5. bis 12. Lebensmonat in Höhe von jeweils 1.429,45 EUR (1.026,77 EUR [65 % von 1.579,64 EUR] + 102,68 EUR [10 % von 1.026,77 EUR Geschwisterbonus] + 300,00 EUR [Mehrlingszuschlag]). Mit weiteren Bescheid vom 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 lehnte der Beklagte die Gewährung von Elterngeld für Ö – über den Mehrlingszuschlag hinaus – ab.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 20.6.2016 die vom Kläger zu 1) gegen den Bescheid vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 und die von der Klägerin zu 2) gegen den Bescheid vom 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 – zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 EG 5/16 – erhobenen Klagen nach § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ver-bunden.
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Elterngeld jeweils für den zweiten Zwilling Ö. Sie tragen insoweit unter anderem vor, dass die Ablehnung dem Sinn und Zweck des Elterngeldes widerspreche, wonach die wirtschaftliche Existenz beider Elternteile auf Dauer gesichert werden solle; da es bei Zwillingsgeburten in der Regel notwendig sei, dass beide Elternteile zunächst zu Hause bleiben, sei bei lediglich einem Anspruch auch nur die Existenz eines Elternteils gewährleistet. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, denn Eltern, die Zwillinge bekommen, würden ungleich behandelt im Vergleich zu Eltern, die zeitnah zur Geburt eines eigenen Kindes einen weiteren Säugling adoptieren, denn Letztere würden Elterngeld für die Betreuung des eigenen sowie für die des Adoptivkindes erhalten. Diese Ungleichbehandlung sei willkürlich und somit verfassungswidrig. Schließlich würden Mehrlingskinder auch in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Denn bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der Elternzeit reduziere sich die Betreuung der Mehrlingskinder auf 7 Monate, so dass die vom Gesetzgeber avisierten 14 Monate Betreuungszeit im Gegensatz zu Kindern, die gleich alte Adoptivgeschwister haben, nicht realisiert werden könnten; auch insoweit liege eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund vor.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 aufzuheben und dem Kläger zu 1) Elterngeld für sein Mehrlingskind Ö zu gewähren sowie
den Bescheid vom 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 aufzuheben und der Klägerin zu 2) Elterngeld für ihr Mehrlingskind Ö zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, denn nach § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG bestehe bei Mehrlingsgeburten nur ein Anspruch auf Elterngeld; für jeden weiteren Mehrling werde der Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 BEEG in Höhe von 300,00 EUR gezahlt. Dies sei im Übrigen gerechtfertigt, denn bei Mehrlingsgeburten entstehe nur ein tatsächlicher Mehrbedarf pro Mehrlingskind; eine weitergehende verfassungsrechtliche Prüfung obliege nicht in Elterngeldstellen.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Be-teiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 27.5.2016 (Beklagter) und 20.7.2016 (Kläger) ge-genüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 124 Abs. 2 SGG konnte das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen sind unbegründet. Die ange-fochtenen Bescheide vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 und 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf die Bewilligung weiteren Elterngeldes.
Die Kläger erfüllten im Bezugszeitraum – unstreitig – die Leistungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG, denn sie hatten ihren Wohnsitz in Deutschland, lebten mit ihren Kindern Ma und Ö in einem Haushalt, betreuten und erzogen ihre Kinder selbst und übten keine Erwerbstätigkeit aus.
Zu Recht hat der Beklagte mit den Bescheiden vom 27.7.2015 und 28.10.2015 Elterngeld "für die Kinder" Ma und Ö für den Kläger zu 1) in Höhe von jeweils 2.012,32 EUR für den 13. und 14. Lebensmonat der Zwillinge und für die Klägerin zu 2) in Höhe von insgesamt 381,19 EUR für den 4. Lebensmonat und von jeweils 1.429,45 EUR für den 5. bis 12. Lebensmonat bewilligt.
Der Beklagte hat zutreffend ein durchschnittliches Nettoeinkommen des Klägers zu 1) im Be-messungszeitraum von 2.394,84 EUR ermittelt, davon ausgehend nach § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG einen Basisbetrag (ohne Mehrlingszuschlag) in Höhe von 65 % von 1.556,65 EUR errechnet, sodann zunächst nach § 2a Abs. 1 S. 1 BEEG den Geschwisterbonus in Höhe von 10 %, mithin 155,67 EUR, und schließlich nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG den Mehrlingszuschlag in Höhe von 300,00 EUR aufgeschlagen (vgl. zu dieser zeitlichen Reihenfolge Schnell in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG 2015, § 2a BEEG RdNr. 9).
Gleichfalls zutreffend hat der Beklagte ein durchschnittliches Nettoeinkommen der Klägerin zu 2) im Bemessungszeitraum von 1.579,64 EUR ermittelt, davon ausgehend nach § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG einen Basisbetrag (ohne Mehrlingszuschlag) in Höhe von 65 % von 1.026,77 EUR errech-net, sodann zunächst nach § 2a Abs. 1 S. 1 BEEG den Geschwisterbonus in Höhe von 10 %, mithin 102,68 EUR, und schließlich nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG den Mehrlingszuschlag in Höhe von 300,00 EUR aufgeschlagen (sowie im 4. Lebensmonat noch nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG die in diesem angefallenen Mutterschutzleistungen angerechnet).
Die Kammer nimmt insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Bescheide vom 27.7.2015 und 28.10.2015, deren Begründungen und die Berechnungsbögen und folgt diesen nach ei-genständiger Prüfung.
Unter Berücksichtigung der vorbenannten Leistungsbewilligungen mit den Bescheiden vom 27.7.2015 und 28.10.2015 sind die weiteren Bescheide vom 27.7.2015 und 28.10.2015, mit denen der Beklagte eine – weitere – Elterngeldgewährung für das Zwillingskind Ö abgelehnt hat, nicht zu beanstanden.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG (die gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 und 2 BEEG für ab dem 1.1.2015 geborene Kinder anzuwenden ist) besteht bei Mehrlingsgeburten nur ein Anspruch auf Elterngeld; korrespondierend damit erhöht sich das Elterngeld nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG bei Mehrlingsgeburten um einen Mehrlingszuschlag in Höhe von 300,00 EUR. Der Gesetzgeber hat damit auf die vorangegangene höchstrichterliche Rechtsprechung, der zufolge auch bei Mehrlingsgeburten kindbezogene Ansprüche bestehen sollten, reagiert (vgl. BT-Drs. 18/2583, S. 23) und dieser die Grundlage entzogen. Nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers kommt mithin unter Anwendung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit bei Zwillingskindern nur noch die Gewäh-rung eines Anspruchs auf Elterngeld zuzüglich Mehrlingszuschlag in Betracht. Diesen gesetz-lichen Regelungen entsprechen die Bescheide vom 27.7.2015 und 28.10.2015, so dass die weiteren – im hiesigen Verfahren angefochtenen – Ablehnungsbescheide von denselben Tagen nicht zu beanstanden sind.
Die Kammer ist im Übrigen nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG überzeugt.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Elterngeld den konkreten, durch Kinderbetreuung verursachten Einkommensverlust – teilweise – ersetzt. Insoweit unterscheidet sich das Eltern-geld grundlegend von Familienleistungen, die den finanziellen (Unterhalts-)Mehraufwand für Kinder im Blick haben, denn diese sind gesondert für jedes Kind zu gewähren; beispielhaft dafür stehen das Kindergeld und die beitragsfreie gesetzliche (Familien-) Krankenversicherung. Soll die Leistung dagegen – wie das Elterngeld – den Einkommensausfall von Eltern ersetzen, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder einschränken (müssen), weil sie ihre Kinder betreuen, kommt es – weil Einkommen nur einmal ausfallen kann – auf die Zahl der Kinder nicht an (vgl. Dau, jurisPR-SozR 17/2012, Anm. 4). Soweit darüber hinaus mit der Betreuung von weiteren Geschwisterkindern und / oder Mehrlingen eine größere Betreuungsbelastung einhergeht, so wird durch die gesetzlichen Regelungen zum Geschwisterbonus bzw. zum Mehrlingszuschlag über die Grundkonzeption des Einkommensersatzes hinaus die damit einhergehende umfangreichere Erziehungsleistung honoriert. Insoweit ist die gesetzliche Regelung ausgehend vom Zweck des Elterngeldes als Einkommensersatzleistung – entgegen der Auffassung der Kläger – in sich schlüssig.
Weiterhin verstößt die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG zur Überzeugung der Kammer auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kläger tragen insoweit vor, dass sie als Eltern von Zwillingskindern ohne sachlichen Grund schlechter stünden, als Eltern, die zeitnah zur Geburt eines Kindes ein weiteres Kind adoptieren, weil letztere Anspruch auf Elterngeld für beide Kinder hätten. Die Kammer hat insoweit bereits Zweifel, ob es sich bei der von den Klägern benannten Vergleichsgruppe um eine tatsächlich existente Gruppe von einem nicht unterge-ordneten Umfang handelt, die über bloße Einzelfälle hinausgeht (ausweislich der Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden etwa im Jahr 2014 in Deutschland insgesamt 3.805 Kinder und Jugendliche adoptiert, wobei davon lediglich 228 unter einem Jahr alt waren, in den Jahren 2013 und 2012 sogar nur 183 bzw. 149; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder und Jugendhilfe, Adoptionen, 2014, abrufbar unter https://www.destatis.de/ DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/KinderJugendhilfe/Adoptionen5225201147004.pdf? blob=publicationFile, S. 5 und 25; zu der Frage, ob von dieser bereits geringen Anzahl adoptierter Kinder, die jüngsten unter ihnen von Eltern aufgenommen wurden, die zugleich einen eigenen Säugling großziehen, konnte die Kammer keine belastbaren Zahlen ermitteln, indes hält sie dies angesichts der daraus resultierenden erhöhten "Betreuungsbelastung" für eher unwahrscheinlich). Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so wäre zur Überzeugung der Kammer die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, denn für die Unterscheidung gibt es einen sachlichen Grund. Zwar mag die Situation einer Adoption unmittelbar im Zusammenhang mit einer Geburt im Hinblick auf den Betreuungsaufwand mit der Situation der Eltern von Mehrlingskindern vergleichbar sein. Indes war der Gesetzgeber gehalten, eine allgemeingültige Regelung für die Berücksichtigung von Adoptivkindern bei der Elternberechtigung zu schaffen. Insoweit ist zu bedenken, dass sich die Situation von Adoptiveltern in vielfältiger Weise anders als die leiblicher Eltern darstellt, eben weil die Adoption nicht an die natürliche Zeitfolge von Geburten gebunden ist, sondern allein dem eigenverantwortlichen Entschluss der Adoptiveltern unterliegt. Darüber hinaus hätten sich bei einer Einzelfallregelung Fragen dahingehend gestellt, bis zu welchem Alter des adoptierten Kindes sich die Betreuungssituation bei der Adoption eines Säugling nach einer Geburt eines leiblichen Kindes noch mit der nach einer Mehrlingsgeburt vergleichbar ist; diese Frage stellt sich gleichsam dahingehend, wie groß der Abstand zwischen leiblicher Geburt und Adoption sein darf, um eine vergleichbare Betreuungssituation anzunehmen. Der Gesetzgeber durfte dabei zur Überzeugung der Kammer aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine einheitlich – begünstigende – Regelung für Adoptiveltern – mit der bloßen Altersbegrenzung des § 2a Abs. 2 S. 1 BEEG – dahingehend treffen, die indes nicht im Umkehrschluss zu einer willkürlichen Schlechterstellung von Mehrlingseltern führt.
Im Übrigen erhalten die Eltern von Zwillingen auch den Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG, der nach seinem Wortlaut nur bei Mehrlingsgeburten gewährt wird und daher Eltern, die neben dem leiblichen Kind ein zeitnah zur Geburt des leiblichen Kindes weiteres adoptiertes Kind betreuen, nicht zusteht. Bei Letzteren wird darüber hinaus das zuerst gewährte Elterngeld nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BEEG auf den Elterngeldanspruch für das zweite Kind angerechnet, so dass auch insoweit keine zwei "vollständigen" Elterngeldansprüche bestehen, sondern es für das zweite Kind regelmäßig beim Mindestbetrag aufgrund der Freibetragsregelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 BEEG verbleiben wird, der der Höhe nach dem Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG entspricht. Denn bei der vorgetragenen kurzen Abfolge der Geburt und der Adoption wird das Einkommen im Bezugszeitraum regelmäßig nahezu identisch sein, so dass das zuerst gewährte und auf den zweiten Anspruch anzurechnende Elterngeld das letztere weitestgehend "aufzehren" dürfte. Somit verbleibt auch in diesen Fällen regelmäßig ein "vollständiger" und weiterer Elterngeldanspruch in Höhe des Mindestbetrags von 300,00 EUR, was im Ergebnis der geltenden Rechtslage bei Zwillingen mit einem "vollständigen" Elterngeldanspruch zuzüglich des Mehrlingszuschlags in Höhe von 300,00 EUR entspricht.
Schließlich würde ein Elterngeldanspruch für jedes Kind bei Zwillingen auch zu Ungleichbe-handlungen mit allein Sorgeberechtigten führen. Denn diese könnten ausgehend von einem Elterngeldanspruch für jedes Kind auch lediglich für ein Kind Elterngeld in regulärer Höhe und für das andere Kind in Höhe des Mindestbetrags erhalten, weil aufgrund der gesetzlichen Re-gelung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BEEG das Elterngeld für den einen Zwilling auf den Anspruch für den anderen angerechnet würde; insoweit würde für den zweiten Zwilling nur ein Anspruch auf den Mindestbetrag nach 300,00 EUR bestehen (weil dieser Mindestbetrag von der Anrechnung nach § 3 Abs. 2 S. 1 BEEG frei ist). Um eine entsprechende Ungleichbehandlung von allein sorgeberechtigten Eltern von Zwillingen (diese Gruppe hält die Kammer im Vergleich zu der von den Klägern benannten Gruppe der Eltern, die zeitnah zur Geburt ein weiteres Kind adoptieren, für zahlenmäßig bedeutender) im Vergleich zu zusammen betreuenden Eltern von Zwillingen auszuschließen, ist die gesetzliche Regelung, die im Ergebnis aufgrund des Mehr-lingszuschlags auch bei gemeinsam betreuenden Eltern von Zwillingen zu dem Ergebnis eines Elterngeldanspruch zzgl. weiterer 300,00 EUR führt, sachgerecht.
Soweit die Kläger schließlich eine Grundrechtsverletzung in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG zu Lasten der betreuten Zwillingskinder damit begründen, dass diese im Vergleich zu Kindern mit gleich alten Adoptivgeschwistern ungleich behandelt würden, weil ihnen ohne sachlichen Grund lediglich 7 Monate elterliche Betreuung ermöglich werde, so greift auch dieser Einwand nicht durch. Denn der behauptete Verstoß folgt nicht aus den Regelungen des BEEG, sondern aus der – von den Klägern unterstellten – dahingehenden Betreuungsentscheidung der Eltern, dass diese die Zwillinge in den ersten 7 Monaten zusammen betreuen. Wie bei anderen Kindern auch steht es den Eltern von Zwillingen indes frei, die Ausgestaltung der elterlichen Betreuung im ersten Lebensjahr bzw. in den ersten 14 Lebensmonaten frei zu wählen; auch bei Eltern von einzeln geborenen Kindern ist es nicht zwingend, dass diese das Kind für den Zeitraum von 14 Monaten nacheinander bereuen. Das Elterngeld vermag insoweit aufgrund des mit ihm intendierten Einkommensersatzes ggfs. diesbezüglich eine Entscheidungshilfe liefern (wobei auch die Eltern von einzeln geborenen Kindern oftmals parallel Elterngeld beziehen, so dass der Zeitraum von 14 Monaten nicht ausgeschöpft wird), die Entscheidung wird indes allein von den Eltern getroffen, so dass die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG insoweit keinen Verfassungsverstoß zu begründen vermag.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung der Kläger ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil deren Beschwerdewert ausgehend von dem weiteren begehrten Elterngeld für das Zwillingskind Ö den Betrag von 750,00 EUR übersteigen würde.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des den Klägern gewährten Elterngeldes für ihre Zwillinge nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG, im Folgenden in der Fassung vom 18.12.2014, BGBl. I, S. 2325), wobei insbesondere umstritten ist, ob anstelle des Mehr-lingszuschlags ein eigenständiger Elterngeldanspruch auch für die Betreuung des zweiten Zwillingskindes besteht.
Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern der am 8.1.2015 geborenen Kinder M. (Ma) und Ö. (Ö), sowie des am 26.6.2013 geborenen Kindes C. (C) und des am 7.3.2011 geborenen Kindes M. (Me). Der Kläger zu 1) bezog nach der Geburt des C Elterngeld für dessen 3. bis 13. Lebens-monat. Die Klägerin zu 2) erhielt vom 24.12.2014 bis 29.4.2015 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich und einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von 53,67 EUR kalender-täglich.
Sie beantragten mit Schreiben vom 17.3.2015 die Gewährung von Elterngeld für Ma, der Kläger zu 1) für den 13. und 14. Lebensmonat und die Klägerin zu 2) für den 1. bis 12. Lebensmonat. Am 8.5.2015 beantragten die Kläger gleichfalls die Gewährung von Elterngeld für Ö, der Kläger zu 1) für den 1. bis 12. Lebensmonat und die Klägerin zu 2) für den 13. und 14. Lebensmonat.
Ausgehend von einem Bemessungszeitraum von Januar bis Juli 2013 und August bis De-zember 2014 (unterbrochen durch den Zeitraum des Elterngeldbezugs für C) ermittelte der Beklagte unter Zugrundelegung des vom Kläger zu 1) in diesem Zeitraum erzielten monatlichen Einkommens in Höhe von 2.934,46 EUR (Steuer-Brutto) ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2.394,84 EUR. Der Beklagte bewilligte dem Kläger zu 1) sodann mit Bescheid vom 27.7.2015 Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat der Kinder Ma und Ö in Höhe von monatlich insgesamt 2.012,32 EUR (1.556,65 EUR [65 % von 2.394,84 EUR] + 155,67 EUR [10 % von 1.556,65 EUR Geschwisterbonus] + 300,00 EUR [Mehrlingszuschlag]). Mit weiterem Bescheid vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 lehnte der Beklagte die Gewährung von Elterngeld für Ö – über den Mehrlingszuschlag hinaus – ab.
Ausgehend von einem Bemessungszeitraum von Dezember 2013 November 2014 ermittelte der Beklagte unter Zugrundelegung des von der Klägerin zu 2) in diesem Zeitraum erzielten monatlichen Einkommens in Höhe von 3.156,28 EUR bzw. 1.017,32 EUR im Dezember 2013, 1.012,09 EUR im Januar 2014 und 167,03 EUR im November 2014 (jeweils Steuer-Brutto) ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.579,64 EUR. Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 2) sodann mit Bescheid vom 28.10.2015 Elterngeld für den 4. Lebensmonat der Kinder Ma und Ö (unter Anrechnung der Mutterschutzleistungen) in Höhe von insgesamt 381,19 EUR und für den 5. bis 12. Lebensmonat in Höhe von jeweils 1.429,45 EUR (1.026,77 EUR [65 % von 1.579,64 EUR] + 102,68 EUR [10 % von 1.026,77 EUR Geschwisterbonus] + 300,00 EUR [Mehrlingszuschlag]). Mit weiteren Bescheid vom 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 lehnte der Beklagte die Gewährung von Elterngeld für Ö – über den Mehrlingszuschlag hinaus – ab.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 20.6.2016 die vom Kläger zu 1) gegen den Bescheid vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 und die von der Klägerin zu 2) gegen den Bescheid vom 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 – zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 EG 5/16 – erhobenen Klagen nach § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ver-bunden.
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Elterngeld jeweils für den zweiten Zwilling Ö. Sie tragen insoweit unter anderem vor, dass die Ablehnung dem Sinn und Zweck des Elterngeldes widerspreche, wonach die wirtschaftliche Existenz beider Elternteile auf Dauer gesichert werden solle; da es bei Zwillingsgeburten in der Regel notwendig sei, dass beide Elternteile zunächst zu Hause bleiben, sei bei lediglich einem Anspruch auch nur die Existenz eines Elternteils gewährleistet. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, denn Eltern, die Zwillinge bekommen, würden ungleich behandelt im Vergleich zu Eltern, die zeitnah zur Geburt eines eigenen Kindes einen weiteren Säugling adoptieren, denn Letztere würden Elterngeld für die Betreuung des eigenen sowie für die des Adoptivkindes erhalten. Diese Ungleichbehandlung sei willkürlich und somit verfassungswidrig. Schließlich würden Mehrlingskinder auch in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Denn bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der Elternzeit reduziere sich die Betreuung der Mehrlingskinder auf 7 Monate, so dass die vom Gesetzgeber avisierten 14 Monate Betreuungszeit im Gegensatz zu Kindern, die gleich alte Adoptivgeschwister haben, nicht realisiert werden könnten; auch insoweit liege eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund vor.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 aufzuheben und dem Kläger zu 1) Elterngeld für sein Mehrlingskind Ö zu gewähren sowie
den Bescheid vom 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 aufzuheben und der Klägerin zu 2) Elterngeld für ihr Mehrlingskind Ö zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, denn nach § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG bestehe bei Mehrlingsgeburten nur ein Anspruch auf Elterngeld; für jeden weiteren Mehrling werde der Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 BEEG in Höhe von 300,00 EUR gezahlt. Dies sei im Übrigen gerechtfertigt, denn bei Mehrlingsgeburten entstehe nur ein tatsächlicher Mehrbedarf pro Mehrlingskind; eine weitergehende verfassungsrechtliche Prüfung obliege nicht in Elterngeldstellen.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Be-teiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 27.5.2016 (Beklagter) und 20.7.2016 (Kläger) ge-genüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 124 Abs. 2 SGG konnte das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen sind unbegründet. Die ange-fochtenen Bescheide vom 27.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2015 und 28.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf die Bewilligung weiteren Elterngeldes.
Die Kläger erfüllten im Bezugszeitraum – unstreitig – die Leistungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG, denn sie hatten ihren Wohnsitz in Deutschland, lebten mit ihren Kindern Ma und Ö in einem Haushalt, betreuten und erzogen ihre Kinder selbst und übten keine Erwerbstätigkeit aus.
Zu Recht hat der Beklagte mit den Bescheiden vom 27.7.2015 und 28.10.2015 Elterngeld "für die Kinder" Ma und Ö für den Kläger zu 1) in Höhe von jeweils 2.012,32 EUR für den 13. und 14. Lebensmonat der Zwillinge und für die Klägerin zu 2) in Höhe von insgesamt 381,19 EUR für den 4. Lebensmonat und von jeweils 1.429,45 EUR für den 5. bis 12. Lebensmonat bewilligt.
Der Beklagte hat zutreffend ein durchschnittliches Nettoeinkommen des Klägers zu 1) im Be-messungszeitraum von 2.394,84 EUR ermittelt, davon ausgehend nach § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG einen Basisbetrag (ohne Mehrlingszuschlag) in Höhe von 65 % von 1.556,65 EUR errechnet, sodann zunächst nach § 2a Abs. 1 S. 1 BEEG den Geschwisterbonus in Höhe von 10 %, mithin 155,67 EUR, und schließlich nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG den Mehrlingszuschlag in Höhe von 300,00 EUR aufgeschlagen (vgl. zu dieser zeitlichen Reihenfolge Schnell in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG 2015, § 2a BEEG RdNr. 9).
Gleichfalls zutreffend hat der Beklagte ein durchschnittliches Nettoeinkommen der Klägerin zu 2) im Bemessungszeitraum von 1.579,64 EUR ermittelt, davon ausgehend nach § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG einen Basisbetrag (ohne Mehrlingszuschlag) in Höhe von 65 % von 1.026,77 EUR errech-net, sodann zunächst nach § 2a Abs. 1 S. 1 BEEG den Geschwisterbonus in Höhe von 10 %, mithin 102,68 EUR, und schließlich nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG den Mehrlingszuschlag in Höhe von 300,00 EUR aufgeschlagen (sowie im 4. Lebensmonat noch nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG die in diesem angefallenen Mutterschutzleistungen angerechnet).
Die Kammer nimmt insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Bescheide vom 27.7.2015 und 28.10.2015, deren Begründungen und die Berechnungsbögen und folgt diesen nach ei-genständiger Prüfung.
Unter Berücksichtigung der vorbenannten Leistungsbewilligungen mit den Bescheiden vom 27.7.2015 und 28.10.2015 sind die weiteren Bescheide vom 27.7.2015 und 28.10.2015, mit denen der Beklagte eine – weitere – Elterngeldgewährung für das Zwillingskind Ö abgelehnt hat, nicht zu beanstanden.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG (die gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 und 2 BEEG für ab dem 1.1.2015 geborene Kinder anzuwenden ist) besteht bei Mehrlingsgeburten nur ein Anspruch auf Elterngeld; korrespondierend damit erhöht sich das Elterngeld nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG bei Mehrlingsgeburten um einen Mehrlingszuschlag in Höhe von 300,00 EUR. Der Gesetzgeber hat damit auf die vorangegangene höchstrichterliche Rechtsprechung, der zufolge auch bei Mehrlingsgeburten kindbezogene Ansprüche bestehen sollten, reagiert (vgl. BT-Drs. 18/2583, S. 23) und dieser die Grundlage entzogen. Nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers kommt mithin unter Anwendung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit bei Zwillingskindern nur noch die Gewäh-rung eines Anspruchs auf Elterngeld zuzüglich Mehrlingszuschlag in Betracht. Diesen gesetz-lichen Regelungen entsprechen die Bescheide vom 27.7.2015 und 28.10.2015, so dass die weiteren – im hiesigen Verfahren angefochtenen – Ablehnungsbescheide von denselben Tagen nicht zu beanstanden sind.
Die Kammer ist im Übrigen nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG überzeugt.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Elterngeld den konkreten, durch Kinderbetreuung verursachten Einkommensverlust – teilweise – ersetzt. Insoweit unterscheidet sich das Eltern-geld grundlegend von Familienleistungen, die den finanziellen (Unterhalts-)Mehraufwand für Kinder im Blick haben, denn diese sind gesondert für jedes Kind zu gewähren; beispielhaft dafür stehen das Kindergeld und die beitragsfreie gesetzliche (Familien-) Krankenversicherung. Soll die Leistung dagegen – wie das Elterngeld – den Einkommensausfall von Eltern ersetzen, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder einschränken (müssen), weil sie ihre Kinder betreuen, kommt es – weil Einkommen nur einmal ausfallen kann – auf die Zahl der Kinder nicht an (vgl. Dau, jurisPR-SozR 17/2012, Anm. 4). Soweit darüber hinaus mit der Betreuung von weiteren Geschwisterkindern und / oder Mehrlingen eine größere Betreuungsbelastung einhergeht, so wird durch die gesetzlichen Regelungen zum Geschwisterbonus bzw. zum Mehrlingszuschlag über die Grundkonzeption des Einkommensersatzes hinaus die damit einhergehende umfangreichere Erziehungsleistung honoriert. Insoweit ist die gesetzliche Regelung ausgehend vom Zweck des Elterngeldes als Einkommensersatzleistung – entgegen der Auffassung der Kläger – in sich schlüssig.
Weiterhin verstößt die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG zur Überzeugung der Kammer auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kläger tragen insoweit vor, dass sie als Eltern von Zwillingskindern ohne sachlichen Grund schlechter stünden, als Eltern, die zeitnah zur Geburt eines Kindes ein weiteres Kind adoptieren, weil letztere Anspruch auf Elterngeld für beide Kinder hätten. Die Kammer hat insoweit bereits Zweifel, ob es sich bei der von den Klägern benannten Vergleichsgruppe um eine tatsächlich existente Gruppe von einem nicht unterge-ordneten Umfang handelt, die über bloße Einzelfälle hinausgeht (ausweislich der Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden etwa im Jahr 2014 in Deutschland insgesamt 3.805 Kinder und Jugendliche adoptiert, wobei davon lediglich 228 unter einem Jahr alt waren, in den Jahren 2013 und 2012 sogar nur 183 bzw. 149; vgl. Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder und Jugendhilfe, Adoptionen, 2014, abrufbar unter https://www.destatis.de/ DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/KinderJugendhilfe/Adoptionen5225201147004.pdf? blob=publicationFile, S. 5 und 25; zu der Frage, ob von dieser bereits geringen Anzahl adoptierter Kinder, die jüngsten unter ihnen von Eltern aufgenommen wurden, die zugleich einen eigenen Säugling großziehen, konnte die Kammer keine belastbaren Zahlen ermitteln, indes hält sie dies angesichts der daraus resultierenden erhöhten "Betreuungsbelastung" für eher unwahrscheinlich). Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so wäre zur Überzeugung der Kammer die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, denn für die Unterscheidung gibt es einen sachlichen Grund. Zwar mag die Situation einer Adoption unmittelbar im Zusammenhang mit einer Geburt im Hinblick auf den Betreuungsaufwand mit der Situation der Eltern von Mehrlingskindern vergleichbar sein. Indes war der Gesetzgeber gehalten, eine allgemeingültige Regelung für die Berücksichtigung von Adoptivkindern bei der Elternberechtigung zu schaffen. Insoweit ist zu bedenken, dass sich die Situation von Adoptiveltern in vielfältiger Weise anders als die leiblicher Eltern darstellt, eben weil die Adoption nicht an die natürliche Zeitfolge von Geburten gebunden ist, sondern allein dem eigenverantwortlichen Entschluss der Adoptiveltern unterliegt. Darüber hinaus hätten sich bei einer Einzelfallregelung Fragen dahingehend gestellt, bis zu welchem Alter des adoptierten Kindes sich die Betreuungssituation bei der Adoption eines Säugling nach einer Geburt eines leiblichen Kindes noch mit der nach einer Mehrlingsgeburt vergleichbar ist; diese Frage stellt sich gleichsam dahingehend, wie groß der Abstand zwischen leiblicher Geburt und Adoption sein darf, um eine vergleichbare Betreuungssituation anzunehmen. Der Gesetzgeber durfte dabei zur Überzeugung der Kammer aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine einheitlich – begünstigende – Regelung für Adoptiveltern – mit der bloßen Altersbegrenzung des § 2a Abs. 2 S. 1 BEEG – dahingehend treffen, die indes nicht im Umkehrschluss zu einer willkürlichen Schlechterstellung von Mehrlingseltern führt.
Im Übrigen erhalten die Eltern von Zwillingen auch den Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG, der nach seinem Wortlaut nur bei Mehrlingsgeburten gewährt wird und daher Eltern, die neben dem leiblichen Kind ein zeitnah zur Geburt des leiblichen Kindes weiteres adoptiertes Kind betreuen, nicht zusteht. Bei Letzteren wird darüber hinaus das zuerst gewährte Elterngeld nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BEEG auf den Elterngeldanspruch für das zweite Kind angerechnet, so dass auch insoweit keine zwei "vollständigen" Elterngeldansprüche bestehen, sondern es für das zweite Kind regelmäßig beim Mindestbetrag aufgrund der Freibetragsregelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 BEEG verbleiben wird, der der Höhe nach dem Mehrlingszuschlag nach § 2a Abs. 4 S. 1 BEEG entspricht. Denn bei der vorgetragenen kurzen Abfolge der Geburt und der Adoption wird das Einkommen im Bezugszeitraum regelmäßig nahezu identisch sein, so dass das zuerst gewährte und auf den zweiten Anspruch anzurechnende Elterngeld das letztere weitestgehend "aufzehren" dürfte. Somit verbleibt auch in diesen Fällen regelmäßig ein "vollständiger" und weiterer Elterngeldanspruch in Höhe des Mindestbetrags von 300,00 EUR, was im Ergebnis der geltenden Rechtslage bei Zwillingen mit einem "vollständigen" Elterngeldanspruch zuzüglich des Mehrlingszuschlags in Höhe von 300,00 EUR entspricht.
Schließlich würde ein Elterngeldanspruch für jedes Kind bei Zwillingen auch zu Ungleichbe-handlungen mit allein Sorgeberechtigten führen. Denn diese könnten ausgehend von einem Elterngeldanspruch für jedes Kind auch lediglich für ein Kind Elterngeld in regulärer Höhe und für das andere Kind in Höhe des Mindestbetrags erhalten, weil aufgrund der gesetzlichen Re-gelung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BEEG das Elterngeld für den einen Zwilling auf den Anspruch für den anderen angerechnet würde; insoweit würde für den zweiten Zwilling nur ein Anspruch auf den Mindestbetrag nach 300,00 EUR bestehen (weil dieser Mindestbetrag von der Anrechnung nach § 3 Abs. 2 S. 1 BEEG frei ist). Um eine entsprechende Ungleichbehandlung von allein sorgeberechtigten Eltern von Zwillingen (diese Gruppe hält die Kammer im Vergleich zu der von den Klägern benannten Gruppe der Eltern, die zeitnah zur Geburt ein weiteres Kind adoptieren, für zahlenmäßig bedeutender) im Vergleich zu zusammen betreuenden Eltern von Zwillingen auszuschließen, ist die gesetzliche Regelung, die im Ergebnis aufgrund des Mehr-lingszuschlags auch bei gemeinsam betreuenden Eltern von Zwillingen zu dem Ergebnis eines Elterngeldanspruch zzgl. weiterer 300,00 EUR führt, sachgerecht.
Soweit die Kläger schließlich eine Grundrechtsverletzung in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG zu Lasten der betreuten Zwillingskinder damit begründen, dass diese im Vergleich zu Kindern mit gleich alten Adoptivgeschwistern ungleich behandelt würden, weil ihnen ohne sachlichen Grund lediglich 7 Monate elterliche Betreuung ermöglich werde, so greift auch dieser Einwand nicht durch. Denn der behauptete Verstoß folgt nicht aus den Regelungen des BEEG, sondern aus der – von den Klägern unterstellten – dahingehenden Betreuungsentscheidung der Eltern, dass diese die Zwillinge in den ersten 7 Monaten zusammen betreuen. Wie bei anderen Kindern auch steht es den Eltern von Zwillingen indes frei, die Ausgestaltung der elterlichen Betreuung im ersten Lebensjahr bzw. in den ersten 14 Lebensmonaten frei zu wählen; auch bei Eltern von einzeln geborenen Kindern ist es nicht zwingend, dass diese das Kind für den Zeitraum von 14 Monaten nacheinander bereuen. Das Elterngeld vermag insoweit aufgrund des mit ihm intendierten Einkommensersatzes ggfs. diesbezüglich eine Entscheidungshilfe liefern (wobei auch die Eltern von einzeln geborenen Kindern oftmals parallel Elterngeld beziehen, so dass der Zeitraum von 14 Monaten nicht ausgeschöpft wird), die Entscheidung wird indes allein von den Eltern getroffen, so dass die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 BEEG insoweit keinen Verfassungsverstoß zu begründen vermag.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung der Kläger ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil deren Beschwerdewert ausgehend von dem weiteren begehrten Elterngeld für das Zwillingskind Ö den Betrag von 750,00 EUR übersteigen würde.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved