Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 KG 21/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KG 4/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der im Jahr 1958 geborene Kläger bezog nach entsprechender Antragstellung im Januar 1993 Kindergeld für seine im Jahr 1988 geborene Tochter M in Höhe von monatlich 70,00 DM (Bescheid vom 18. Februar 1993). Er besaß die kroatische Staatsangehörigkeit und war im Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Mit Bescheid aus Dezember 1993 wurde aufgrund einer Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) zum 1. Januar 1994 die Bewilligung des Kindergeldes mit Ablauf des Dezember 1993 gegenüber dem Kläger aufgehoben, da er nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war. Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. November 1995 mit, dass sein Arbeitgeber bereit sei, gegen Vorlage einer Bescheinigung Kindergeld ab 1996 zu zahlen, und bat um Ausstellung einer solchen Bescheinigung. Da mit der Einführung des steuerrechtlichen Kindergelds zum 1. Januar 1996 zunächst geplant war, dieses über den jeweiligen Arbeitgeber auszuzahlen, wertete die Beklagte diese Mitteilung des Klägers als Antrag auf Gewährung von Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz ab Januar 1996. Den Antrag lehnte sie mit Bescheid vom 5. August 1996 ab; gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein, so dass er bestandskräftig wurde.
Am 6. Oktober 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 unter Bezugnahme auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. November 2003 ab, weil die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) abgelaufen und Ansprüche auf Kindergeld aus den Jahren 1994 bis Juni 1997 verjährt seien. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ebenfalls keinen Rechtsbehelf ein. Mit Schreiben vom 15. April 2015 beantragte der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993. Zwar habe er bis April 1994 nur eine Duldung besessen, sodann aber eine Aufenthaltsbefugnis. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4, 5, 6/97) entschieden, dass § 1 Abs. 3 BKGG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353) mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 sei mithin verfassungswidrig, weil er auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes getroffen worden sei. Der Bescheid, verstoße gegen die guten Sitten und sei deshalb nichtig. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit sei an keine Frist gebunden und der diesbezügliche Antrag könne nicht verjähren. Ihm stehe Schadensersatz in Höhe von 2.760,00 EUR zu (für 1994 und 1995 jeweils 12 x 70,00 DM, für 1996 12 x 200,00 DM und für Januar bis Juni 1997 6 x 220,00 DM).
Die Beklagte lehnte den "Antrag auf Kindergeld vom 17. April 2015" für den Zeitraum April 1994 bis einschließlich Dezember 2010 mit Bescheid vom 27. April 2015 ab, weil die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO abgelaufen und Ansprüche auf Kindergeld für Zeiträume vor Janu¬ar 2011 verjährt seien. Mit seinem hiergegen am 2. Mai 2015 eingelegten "Widerspruch" machte der Kläger geltend, dass über seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids aus Dezember 1993 und auf Schadensersatz überhaupt nicht entschieden worden sei. Aufgrund der Nichtigkeit greife im vorliegenden Fall auch keine Verjährung ein.
Die Beklagte lehnte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 "in Abänderung des Bescheids vom 27. April 2015" den Antrag auf Kindergeld für den Zeitraum Januar 1994 bis Juni 1997 ab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Für den Zeitraum Januar 1994 bis Juni 1997 entfalte der Ablehnungsbescheid vom 17. November 2003 Bindungswirkung; im Übrigen sei diesbezüglich auch die Festsetzungsfrist abgelaufen.
Am 10. Juli 2015 hat der Kläger Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) in erhoben und beantragt, den Kindergeldbescheid aus Dezember 1993 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 2.760,00 EUR zu verurteilen. Die Klage wurde zum Aktenzeichen registriert.
Mit Beschluss vorn 9. September 2015 hat das FG das Verfahren wegen "Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids betreffend Kindergeld aus Dezember 1993 und wegen Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995" abgetrennt (Az.: ) und an das Sozialgericht Berlin (SG) verwiesen.
Nach der Verweisung des abgetrennten Teils der Klage hat der Kläger beim SG die "Feststellung der Nichtigkeit und Aufhebung des Bescheids aus Dezember 1993 sowie Aufhebung des Bescheids vorn 27. April 2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 betreffend den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1995 und die Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung von 858,97 EUR (24 Monate zu 70,00 DM) begehrt. Mit Schriftsatz vom 22. November 2015 hat der Kläger die Klage dahingehend erweitert, dass er für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 Leistungen in Höhe von 2.760,00 EUR begehre. Der ablehnende und nichtige Bescheid aus Dezember 1993 sei die Ursache dafür, dass er im Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 Kindergeld in Höhe von 2.760,00 EUR nicht ausgezahlt bekommen habe. Die Trennung des Betrags auf sozialrechtliches und einkommenssteuerrechtliches Kindergeld sei rechtswidrig, weil er noch im November 1995 einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe, über den am 5. August 1996 entschieden worden sei, so dass nach der Übergangsregelung des § 19 Abs. 4 BKGG das BKGG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung hätte angewendet werden müssen. Daher sei das ganze Finanzgerichtsverfahren rechtswidrig mit der Folge, dass über den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1997 nicht bereits von einem anderen Gericht entschieden worden sei. Der ablehnende Bescheid vom 5. August 1996 sei ebenfalls aufzuheben, weil dieser ohne den Erlass des nichtigen Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 nicht ergangen wäre.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 nicht nichtig sei, weil er an keinem besonders schwerwiegenden Verstoß leide und auch nicht gegen die guten Sitten verstoße. Entscheidend sei dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwal-tungsaktes abzustellen; nur weil sich ein Verwaltungsakt aufgrund späterer Rechtsprechung als rechtswidrig darstelle, sei er noch nicht nichtig. Eine Aufhebung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil der geltend gemachte Anspruch auf Kindergeld nach § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verjährt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. November 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 gerichtete Klage sei unbegründet (dazu 1.), die auf die Aufhebung des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 gerichtete Klage sei unzulässig (dazu 2.) ebenso wie die auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 5. August 1996 gerichtete Klage (dazu 3.). Die Klage sei teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet, soweit sie auf die Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2015 gerichtet sei (dazu 4.). Der Kläger könne auch nicht mit Erfolg die Auszahlung des begehrten Kindergelds geltend machen (dazu 5.).
1. Die auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 gerichtete Klage sei nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, denn der Kläger habe an der baldigen gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ein berechtigtes Interesse. Eine solche Klage sei weder fristgebunden, noch sei die Durchführung eines Vorverfahrens erforderlich; auch sei die Feststellungsklage nicht subsidiär gegenüber einer zielgleichen Gestaltungs- oder Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. Februar 1989, 11/7 Rar 103/87, Rdnr. 17f.; juris). Die Nichtigkeitsklage ist indes unbegründet, denn der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 sei nicht nichtig i.S.d. § 40 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Es liege weder ein absoluter Nichtigkeitsgrund nach § 40 Abs. 2 SGB X noch lägen die Voraussetzungen der subsidiären Generalklausel des § 40 Abs. 1 SGB X vor. Der Begriff der Nichtigkeit bedeute, dass die einem bestimmten Tatbestand zugedachte oder aus ihm hergeleitete Rechtsfolge mit dem Eintritt dieses Tatbestandes erkennbar nicht verbunden gewesen sei. Der nichtige Verwaltungsakt entfalte - im Gegensatz zum rechtswidrigen und aufhebbaren Verwaltungsakt - von Anfang an keinerlei Rechtswirkungen. Ein Verwaltungsakt könne daher nicht in die Nichtigkeit "hineinwachsen" (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 1982, 8 RK 4/81, RdNr. 18; juris). Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes bestehe folglich entweder von Anfang an oder aber gar nicht; es gebe keine nachfolgende Nichtigkeit (Schneider-Danwitz in juris-PK SGB X, 2013, § 40 RdNr. 26 mwN). Bei Anlegung dieses Maßstabs- könne eine Nichtigkeit des Aufhe¬bungsbescheids aus Dezember 1993 nicht erkannt werden. Maßgebend für die Fra¬ge der Fehlerhaftigkeit sei insoweit der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014: § 40 RdNr. 4; Heße in BeckOK SozR, SGB X, Stand 6.2017, § 40 RdNr. 11).
Ein Verwaltungsakt sei nach § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen nichtig, wenn er gegen die guten Sitten verstoße. Hierbei könne dahingestellt bleiben, wie sich der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 nach Erlass der Entscheidung des BVerfG vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4, 5, 6/97), mit der § 1 Abs. 3 BKGG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl.1 S. 2353) für unvereinbar mit Abs. 3 Abs. 1 GG erklärt worden sei, darstelle. Ein Verstoß gegen die guten Sitten könne nicht erkannt werden, denn der Erlass eines Bescheides aufgrund einer Rechtsgrundlage, die später als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt werde, führe für sich genommen nicht zur Nichtigkeit dieses Bescheids (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 1980, 5 RKn 21/79, 1. LS und RdNr. 27; juris). Da sich die Frage der Nichtigkeit eines Bescheids nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses beurteile, komme es auf die vom Kläger vorgebrachten Argumente, die auf einer rückwirkenden Betrachtung der Regelung des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4, 5, 6/97) basierten, nicht an. Der Aufhebungsbescheid habe auch nicht bei seinem Erlass im Dezember 1993 gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten bestimme sich nach der herrschenden Rechts- und Sozialmoral; hiernach liege ein Verstoß gegen die guten Sitten dann vor, wenn etwas Sittenwidriges angeordnet und/oder wenn etwas erlaubt werde, was wegen Sittenwidrigkeit nicht erlaubnisfähig sei. Der Regelungsgehalt müsse insoweit das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzen (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2013, B 10 EG 7/12 R, RdNr. 30; juris; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2011, L 22 R 1181/10, RdNr. 81, juris). Dies sei hier bei Erlass des Aufhebungsbescheids im Dezember 1993, mit dem die Kindergeldbewilligung aufgrund einer Änderung des BKGG zum 1. Januar 1994 aufgehoben worden sei, nicht der Fall gewesen. Die Aufhebung der Kindergeldbewilligung habe der seinerzeit geltenden Rechtslage nach § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 entsprochen. Der sachlich-rechtliche Inhalt des Bescheids betreffend die Aufhebung der Kindergeldbewilligung habe sich im Einklang mit der gesetzlichen Neuregelung befunden und sei frei von Bedenken im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Erst recht ergebe sich dies daraus, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung den in § 1 Abs. 3 BKGG geregelten Ausschluss der nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügenden Ausländer vom Bezug des Kindergelds einhellig als verfassungsgemäß angesehen habe (vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997, 14/10 RKg 21/96, juris).
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anderen Nichtigkeitsgrundes aus dem Positivkatalog des § 40 Abs. 2 SGB X seien nicht ersichtlich.
Gleichfalls folge auch aus § 40 Abs. 1 SGB X keine Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993. Nach dieser Regelung sei ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich sei. Es sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein besonders schwerwiegender Fehler vorliege, denn der Rang der verletzten Rechtsvorschrift - etwa Verfassungs- oder Europarecht - sei für die Frage nach der Schwere des Fehlers unerheblich (vgl. Schneider-Danwitz in juris-PK SGB X, 2013, § 40 RdNr. 28 mwN), so dass auch die nachträgliche Feststellung eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als Mangel eines Verwaltungsaktes nicht schwerer wiege als die Verletzung eines gültigen Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 1980, 5 RKn 21/79, RdNr. 27 mwN). Davon abgesehen sei ein solch schwerwiegender Fehler bei Erlass des Aufhebungsbescheids im Dezember 1993 zumindest nicht offensichtlich. Es liege keine Offensichtlichkeit vor, wenn mit dem jeweiligen Verwaltungsakt in materiell-rechtlicher Hinsicht gegen ein elementares rechtsstaatliches und grundrechtliches Verbot verstoßen werde, aber gleichzeitig diese Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei. Im Umkehrschluss liege danach Offensichtlichkeit vor, wenn ein verständiger Durchschnittsadressat mit Gewissheit zu dem Ergebnis kommen müsste, dass der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses an einem besonders schwerwiegenden Fehler gelitten habe (vgl. Heße in BeckOK SozR, SGB X, Stand 6.2017, § 40 RdNr. 11). Im vorliegenden Fall habe die Aufhebung der Kindergeldbewilligung der seinerzeit geltenden Rechtslage entsprochen und habe auf § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des - in einem formalen Gesetzgebungsprozess erlassenen - Gesetzes vom 21. Dezember 1993 gestützt werden können. Auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sei die Regelung des § 1 Abs. 3 BKGG als verfassungsgemäß angesehen worden (etwa BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997, 14/10 RKg 21/96, juris). Bei dieser Sachlage sei die Fehlerhaftigkeit des Aufhebungsbescheids bei dessen Erlass im Dezember 1993 überhaupt nicht erkennbar gewesen. Mangels Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 komme daher die mit der Nichtigkeitsklage verfolgte entsprechende Feststellung nicht in Betracht.
2. Die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die Aufhebung des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 begehre. Zwar könne die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit einer Anfechtungsklage statthaft neben einer auf die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids gerichteten Nichtigkeitsklage erhoben werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 43/05 R, juris). Indes sei die Klage insoweit bereits wegen Verfristung unzulässig, denn sie sei nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw. des Widerspruchsbescheids erhoben worden (§ 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG). Ein Widerspruchsverfahren bezüglich des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 habe nicht stattgefunden. Auch komme keine Aussetzung des Verfahrens zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens in Betracht, denn der Kläger habe gegen den Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 keinen Widerspruch eingelegt, die Widerspruchsbehörde folglich keine Sachentscheidung über einen Abwehranspruch gegen diesen Verwaltungsakt getroffen. Folglich könne die Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Bescheids aus Dezember 1993 nicht zulässig begehrt werden.
3. Die Klage sei gleichfalls unzulässig, soweit der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 5. August 1996 begehre. Auch gegen diesen Bescheid sei kein Vorverfahren durchgeführt und auch keine Klage binnen Monatsfrist (§ 87 SGG) erhoben worden.
4. Die Klage betreffend die Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2015 sei teilweise unzulässig, und im Übrigen unbegründet. Sie sei teilweise unzulässig, soweit sie sich gegen die mit dem Bescheid vom 27. April 2015 getroffene Ablehnung der Bewilligung von Kindergeld über den 31. Dezember 1995 hinaus richte. Denn insoweit habe das Finanzgericht die "Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015" nur insoweit abgetrennt und an das SG verwiesen, als sie "Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995" betroffen habe. Die darüber hinausgehende Regelung des Bescheids vom 27. April 2015 sei beim Finanzgericht anhängig geblieben. Soweit der Kläger im hiesigen Klageverfahren unter Bezugnahme auf den wegen der Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 4 BKGG angeblich bestehenden einheitlichen Anspruch auf sozialrechtliches Kindergeld die Auffassung vertrete, dass im hiesigen Verfahren auch über die Ablehnung des Kindergelds im Zeitraum Januar 1996 bis Juni 1997 zu entscheiden sei, sei die Klage bereits unzulässig. Zum einen sei dieser Streitgegenstand bereits Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens 12 K 12113/15 gewesen, so dass diesbezüglich anderweitige Rechtshängigkeit bzw. entgegenstehende Rechtskraft vorliege. Zum anderen habe sich der Kläger im hiesigen — abgetrennten und damit nur die Ablehnung der Kindergeldgewährung für Januar 1994 bis Dezember 1995 betreffenden — Verfahren erst mit Schriftsatz vom 22. November 2015 gegen die im Bescheid vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 getroffene Ablehnungsentscheidung bezüglich der Monate Januar 1996 bis Juni 1997 gewandt, so dass die diesbezügliche Klageerweiterung auch nicht binnen der Monatsfrist des § 87 SGG erfolgt und somit unzulässig sei.
Die Klage sei unbegründet, soweit sie sich gegen die im Bescheid vom 27. April 2015 getroffene Ablehnungsentscheidung bezüglich der Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 1994 bis Dezember 1995 richte, denn diese sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger sei kein Kindergeld auf seinen Antrag vom 17. April 2015 zu gewähren. Dem stünden die vorausgegangene bestandskräftige Aufhebungsentscheidung aus Dezember 1993 und die gleichfalls bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 17. November 2003 sowie die eingetretene Verjährung nach § 45 SGB I entgegen.
5. Der Kläger könne schließlich nicht mit Erfolg die Auszahlung des begehrten Kindergelds in Hö¬he von 2.760,00 EUR geltend machen, da es an einer zu Grunde liegenden Verwaltungsentscheidung fehle, die ihm einen entsprechenden Anspruch zuerkenne. Mangels Nichtigkeit und mangels Aufhebbarkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 könne sich der Kläger nicht auf die seinerzeit vorangegangene Bewilligungsentscheidung stützen. Eine weitere, den streitigen Zeitraum betreffende Bewilligungsentscheidung existiere nicht. Da die Klage gegen die angefochtenen Bescheide aus den vorangegangenen Gründen keinen Erfolg habe, komme auch eine Abänderung dieser Bescheide und eine damit kombinierte Verurteilung der Beklagten zur Leistung des begehrten Kindergeldes nicht in Betracht.
Der Kläger hat gegen den ihm am 9. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Dezember 2017 Berufung zum LSG erhoben und sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weiter verfolgt. Eine Verjährung könne bei nichtigem Verwaltungsakt nicht eintreten. Die ablehnenden Bescheide seien sittenwidrig gewesen und würden die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG) verletzen. Mit der Nichtbewilligung des Kindergeldes sei sein Zweck nicht erfüllt gewesen, es sei dazu bestimmt gewesen, die wirtschaftliche Belastung der Eltern durch die Sorge für die Kinder auszugleichen. Seine Tochter sei nicht gleich behandelt worden wie andere Kinder inländischer Eltern, zusätzlich sei das Abkommen über die Soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kroatien nicht angewendet worden, obgleich es die speziellere Vorschrift zum Bundeskindergeld gewesen sei (vgl. BSG, BSGE 52, 210, 213). Die Entscheidung des FG stehe seinem Begehren nicht entgegen, denn er habe sein Verfahren im November 1995, also vor der Gesetzesänderung, angefangen, so dass das LSG über den gesamten Zeitraum entscheiden müsse.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Aufhebungsbescheid von Ende Dezember 1993 und der Bescheid vom 5. August 1993 nichtig sind,
den Aufhebungsbescheid von Ende Dezember 1993 und den ablehnenden Bescheid vom 5. August 1996 aufzuheben,
festzustellen, dass der ablehnende Bescheid vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 nichtig ist,
den ablehnenden Bescheid vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 aufzuheben,
die Beklagte zu verpflichten, für die Tochter Marina Kindergeld für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 in Höhe von 2.760 Euro auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich des Begehrens auf Kindergeld habe das Finanzgericht hinsichtlich des Zeitraums von Januar 1996 bis Juni 1997 in eigener Zuständigkeit entschieden. Für den davorliegenden Zeitraum habe das SG zu Recht entschieden, dass der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 nicht nichtig sei und dass der Kläger nunmehr kein Kindergeld mehr für Marina geltend machen könne. Es werde auf die Stellungnahme von 16. November 2015 verwiesen und Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 21. März 2018 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden (§ 153 Abs. 5 SGG).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsakten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die die nunmehr zuständige Berichterstatterin entsprechend dem Beschluss des Senats vom 21. März 2017 als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG), ist unbegründet. Das SG Berlin hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 2. November 2017 zu Recht abgewiesen.
Die Aufhebungsbescheide von Ende Dezember 1993 und vom 5. August sind nicht nichtig. Sie sind auch nicht wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Das Gericht nimmt zur näheren Begründung zunächst auf die oben dargestellten, umfassenden und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 2. November 2017 Bezug, denen es sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das BVerfG die Regelung in § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, 2353) lediglich als insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG angesehen hat, als die Gewährung von Kindergeld allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004, 1 BvL 4/97, juris). Das BVerfG a.a.O. hat das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben würden (s. BT-Drucks 12/5502, S. 44), nicht beanstandet, sondern die zur Erreichung dieses Ziels getroffenen gesetzlichen Unterscheidungskriterien, die allein an die Qualität des ausländerrechtlichen Titels anknüpften und deshalb nach Ansicht des BVerfG sachlich nicht gerechtfertigt waren. Der Gesetzgeber hat daraufhin § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 – AuslAnsprG - (BGBl I 2006, 1915) geändert. Das BVerfG hat jedoch keinen neuen Leistungsanspruch geschaffen, sondern lediglich die für die (rückwirkende) Beurteilung von Ansprüchen auf Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995 maßgebende Rechtsgrundlage geklärt. Ob auf dieser Rechtsgrundlage noch Leistungsansprüche für die Vergangenheit bestehen, richtet sich nach den für den Anspruch auf Kindergeld geltenden allgemeinen Vorschriften. Die Entscheidung des BVerfG ersetzt weder die für Leistungsansprüche 1994/95 erforderliche rechtzeitige Antragstellung noch steht sie einem zwischenzeitlichen Eintritt der Bestandskraft oder der Verjährung entgegen. Hieran scheitert der vom Kläger geltend gemachte Anspruch. Denn die mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getretene Gesetzesänderung erfasst nur Sachverhalte, bei denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a S. 2 EStG). Im vorliegenden Fall ist die rückwirkende Bewilligung von Kindergeld für die Jahre 1994 und 1995 nicht möglich, weil dem zum einen die bestandskräftige Aufhebungsentscheidung aus Dezember 1993 und die gleichfalls bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 17. November 2003 entgegenstehen. Eine Zurücknahme der bestandskräftigen Aufhebungsentscheidungen nach § 44 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit scheidet aus, denn (Zahlungs-)ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Selbst wenn man den Antrag des Klägers vom 06. Oktober 2003 auch auf Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von Januar 1994 bis Dezember 1995 ansehen würde, wäre eine rückwirkende Zahlung nur für die Jahre 1999 - 2002 möglich, nicht also für die streitbefangenen Jahre. Der Antrag des Klägers von November 1995 betraf demgegenüber lediglich die Gewährung von Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ab dem Jahr 1996, worüber das FG bereits rechtskräftig entschieden hat.
Auch das SozSichAbk YUG begründet keinen Anspruch auf Kindergeld. Nach Art. 28 Abs. 1 dieses Abkommens können Personen Kindergeld beanspruchen, die in Deutschland beschäftigt sind und den in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen aus der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen. Auf die Frage nach der Fortgeltung des Abkommens kommt es indes wegen der Bestandskraft der Bescheide und des Eintritts der Zahlungsverjährung nicht entscheidend an.
Schließlich ist der Bescheid vom 27. April 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 nicht wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Zwar hat die Beklagte das Begehren auf Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 1994 bis Juni 1997 unter Bezugnahme auf Vorschriften der Abgabenordnung (AO) abgelehnt. Der Rechtsstreit ist jedoch durch Beschluss des FG vom 9. September 2015 wegen Unzuständigkeit des FG zur Entscheidung über das Kindergeld nach dem BKGG a.F. für den Zeitraum Januar 1994 bis Dezember 1995 an das SG verwiesen worden. An diese Verweisung ist das SG gebunden. Infolge der Gesetzesänderung zum Kindergeld nach dem BKGG n.F. mit dem Übergang der Zuständigkeit auf die Finanzgerichte war auch eine Zäsur des Anspruchs gegeben, so dass sich die Verweisung für Zeiten vor dem 01. Januar 1996 als zulässig und rechtmäßig erweist. Die Folge ist, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über den Klageanspruch unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt entscheiden, auch wenn zur Begründung mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen. Hiernach erweist sich der Bescheid vom 27. April 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 als dem Grunde nach rechtmäßig, denn die den genannten Bescheiden zu Grunde liegenden Rechtsgrundlagen über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten (§ 125 AO) sowie über die Durchbrechung der Bestandskraft von Bescheiden (Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO) entsprechen nach Sinngehalt und Regelungszweck den einschlägigen Rechtsgrundlagen nach dem SGB I und dem SGB X, wie sie im Gerichtsbescheid aufgeführt sind (§ 40 SGB X, § 45 SGB I). Daraus folgt zugleich, dass das SG nicht über das Begehren auf Zahlung von Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 entscheiden konnte.
Damit hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Der im Jahr 1958 geborene Kläger bezog nach entsprechender Antragstellung im Januar 1993 Kindergeld für seine im Jahr 1988 geborene Tochter M in Höhe von monatlich 70,00 DM (Bescheid vom 18. Februar 1993). Er besaß die kroatische Staatsangehörigkeit und war im Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Mit Bescheid aus Dezember 1993 wurde aufgrund einer Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) zum 1. Januar 1994 die Bewilligung des Kindergeldes mit Ablauf des Dezember 1993 gegenüber dem Kläger aufgehoben, da er nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war. Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. November 1995 mit, dass sein Arbeitgeber bereit sei, gegen Vorlage einer Bescheinigung Kindergeld ab 1996 zu zahlen, und bat um Ausstellung einer solchen Bescheinigung. Da mit der Einführung des steuerrechtlichen Kindergelds zum 1. Januar 1996 zunächst geplant war, dieses über den jeweiligen Arbeitgeber auszuzahlen, wertete die Beklagte diese Mitteilung des Klägers als Antrag auf Gewährung von Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz ab Januar 1996. Den Antrag lehnte sie mit Bescheid vom 5. August 1996 ab; gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein, so dass er bestandskräftig wurde.
Am 6. Oktober 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 unter Bezugnahme auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. November 2003 ab, weil die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) abgelaufen und Ansprüche auf Kindergeld aus den Jahren 1994 bis Juni 1997 verjährt seien. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ebenfalls keinen Rechtsbehelf ein. Mit Schreiben vom 15. April 2015 beantragte der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993. Zwar habe er bis April 1994 nur eine Duldung besessen, sodann aber eine Aufenthaltsbefugnis. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4, 5, 6/97) entschieden, dass § 1 Abs. 3 BKGG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353) mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 sei mithin verfassungswidrig, weil er auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes getroffen worden sei. Der Bescheid, verstoße gegen die guten Sitten und sei deshalb nichtig. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit sei an keine Frist gebunden und der diesbezügliche Antrag könne nicht verjähren. Ihm stehe Schadensersatz in Höhe von 2.760,00 EUR zu (für 1994 und 1995 jeweils 12 x 70,00 DM, für 1996 12 x 200,00 DM und für Januar bis Juni 1997 6 x 220,00 DM).
Die Beklagte lehnte den "Antrag auf Kindergeld vom 17. April 2015" für den Zeitraum April 1994 bis einschließlich Dezember 2010 mit Bescheid vom 27. April 2015 ab, weil die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO abgelaufen und Ansprüche auf Kindergeld für Zeiträume vor Janu¬ar 2011 verjährt seien. Mit seinem hiergegen am 2. Mai 2015 eingelegten "Widerspruch" machte der Kläger geltend, dass über seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids aus Dezember 1993 und auf Schadensersatz überhaupt nicht entschieden worden sei. Aufgrund der Nichtigkeit greife im vorliegenden Fall auch keine Verjährung ein.
Die Beklagte lehnte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 "in Abänderung des Bescheids vom 27. April 2015" den Antrag auf Kindergeld für den Zeitraum Januar 1994 bis Juni 1997 ab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Für den Zeitraum Januar 1994 bis Juni 1997 entfalte der Ablehnungsbescheid vom 17. November 2003 Bindungswirkung; im Übrigen sei diesbezüglich auch die Festsetzungsfrist abgelaufen.
Am 10. Juli 2015 hat der Kläger Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) in erhoben und beantragt, den Kindergeldbescheid aus Dezember 1993 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 2.760,00 EUR zu verurteilen. Die Klage wurde zum Aktenzeichen registriert.
Mit Beschluss vorn 9. September 2015 hat das FG das Verfahren wegen "Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids betreffend Kindergeld aus Dezember 1993 und wegen Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995" abgetrennt (Az.: ) und an das Sozialgericht Berlin (SG) verwiesen.
Nach der Verweisung des abgetrennten Teils der Klage hat der Kläger beim SG die "Feststellung der Nichtigkeit und Aufhebung des Bescheids aus Dezember 1993 sowie Aufhebung des Bescheids vorn 27. April 2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 betreffend den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1995 und die Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung von 858,97 EUR (24 Monate zu 70,00 DM) begehrt. Mit Schriftsatz vom 22. November 2015 hat der Kläger die Klage dahingehend erweitert, dass er für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 Leistungen in Höhe von 2.760,00 EUR begehre. Der ablehnende und nichtige Bescheid aus Dezember 1993 sei die Ursache dafür, dass er im Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 Kindergeld in Höhe von 2.760,00 EUR nicht ausgezahlt bekommen habe. Die Trennung des Betrags auf sozialrechtliches und einkommenssteuerrechtliches Kindergeld sei rechtswidrig, weil er noch im November 1995 einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe, über den am 5. August 1996 entschieden worden sei, so dass nach der Übergangsregelung des § 19 Abs. 4 BKGG das BKGG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung hätte angewendet werden müssen. Daher sei das ganze Finanzgerichtsverfahren rechtswidrig mit der Folge, dass über den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1997 nicht bereits von einem anderen Gericht entschieden worden sei. Der ablehnende Bescheid vom 5. August 1996 sei ebenfalls aufzuheben, weil dieser ohne den Erlass des nichtigen Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 nicht ergangen wäre.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 nicht nichtig sei, weil er an keinem besonders schwerwiegenden Verstoß leide und auch nicht gegen die guten Sitten verstoße. Entscheidend sei dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwal-tungsaktes abzustellen; nur weil sich ein Verwaltungsakt aufgrund späterer Rechtsprechung als rechtswidrig darstelle, sei er noch nicht nichtig. Eine Aufhebung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil der geltend gemachte Anspruch auf Kindergeld nach § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verjährt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. November 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 gerichtete Klage sei unbegründet (dazu 1.), die auf die Aufhebung des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 gerichtete Klage sei unzulässig (dazu 2.) ebenso wie die auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 5. August 1996 gerichtete Klage (dazu 3.). Die Klage sei teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet, soweit sie auf die Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2015 gerichtet sei (dazu 4.). Der Kläger könne auch nicht mit Erfolg die Auszahlung des begehrten Kindergelds geltend machen (dazu 5.).
1. Die auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 gerichtete Klage sei nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, denn der Kläger habe an der baldigen gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ein berechtigtes Interesse. Eine solche Klage sei weder fristgebunden, noch sei die Durchführung eines Vorverfahrens erforderlich; auch sei die Feststellungsklage nicht subsidiär gegenüber einer zielgleichen Gestaltungs- oder Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. Februar 1989, 11/7 Rar 103/87, Rdnr. 17f.; juris). Die Nichtigkeitsklage ist indes unbegründet, denn der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 sei nicht nichtig i.S.d. § 40 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Es liege weder ein absoluter Nichtigkeitsgrund nach § 40 Abs. 2 SGB X noch lägen die Voraussetzungen der subsidiären Generalklausel des § 40 Abs. 1 SGB X vor. Der Begriff der Nichtigkeit bedeute, dass die einem bestimmten Tatbestand zugedachte oder aus ihm hergeleitete Rechtsfolge mit dem Eintritt dieses Tatbestandes erkennbar nicht verbunden gewesen sei. Der nichtige Verwaltungsakt entfalte - im Gegensatz zum rechtswidrigen und aufhebbaren Verwaltungsakt - von Anfang an keinerlei Rechtswirkungen. Ein Verwaltungsakt könne daher nicht in die Nichtigkeit "hineinwachsen" (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 1982, 8 RK 4/81, RdNr. 18; juris). Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes bestehe folglich entweder von Anfang an oder aber gar nicht; es gebe keine nachfolgende Nichtigkeit (Schneider-Danwitz in juris-PK SGB X, 2013, § 40 RdNr. 26 mwN). Bei Anlegung dieses Maßstabs- könne eine Nichtigkeit des Aufhe¬bungsbescheids aus Dezember 1993 nicht erkannt werden. Maßgebend für die Fra¬ge der Fehlerhaftigkeit sei insoweit der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014: § 40 RdNr. 4; Heße in BeckOK SozR, SGB X, Stand 6.2017, § 40 RdNr. 11).
Ein Verwaltungsakt sei nach § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen nichtig, wenn er gegen die guten Sitten verstoße. Hierbei könne dahingestellt bleiben, wie sich der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 nach Erlass der Entscheidung des BVerfG vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4, 5, 6/97), mit der § 1 Abs. 3 BKGG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl.1 S. 2353) für unvereinbar mit Abs. 3 Abs. 1 GG erklärt worden sei, darstelle. Ein Verstoß gegen die guten Sitten könne nicht erkannt werden, denn der Erlass eines Bescheides aufgrund einer Rechtsgrundlage, die später als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt werde, führe für sich genommen nicht zur Nichtigkeit dieses Bescheids (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 1980, 5 RKn 21/79, 1. LS und RdNr. 27; juris). Da sich die Frage der Nichtigkeit eines Bescheids nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses beurteile, komme es auf die vom Kläger vorgebrachten Argumente, die auf einer rückwirkenden Betrachtung der Regelung des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4, 5, 6/97) basierten, nicht an. Der Aufhebungsbescheid habe auch nicht bei seinem Erlass im Dezember 1993 gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten bestimme sich nach der herrschenden Rechts- und Sozialmoral; hiernach liege ein Verstoß gegen die guten Sitten dann vor, wenn etwas Sittenwidriges angeordnet und/oder wenn etwas erlaubt werde, was wegen Sittenwidrigkeit nicht erlaubnisfähig sei. Der Regelungsgehalt müsse insoweit das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzen (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2013, B 10 EG 7/12 R, RdNr. 30; juris; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2011, L 22 R 1181/10, RdNr. 81, juris). Dies sei hier bei Erlass des Aufhebungsbescheids im Dezember 1993, mit dem die Kindergeldbewilligung aufgrund einer Änderung des BKGG zum 1. Januar 1994 aufgehoben worden sei, nicht der Fall gewesen. Die Aufhebung der Kindergeldbewilligung habe der seinerzeit geltenden Rechtslage nach § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 entsprochen. Der sachlich-rechtliche Inhalt des Bescheids betreffend die Aufhebung der Kindergeldbewilligung habe sich im Einklang mit der gesetzlichen Neuregelung befunden und sei frei von Bedenken im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Erst recht ergebe sich dies daraus, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung den in § 1 Abs. 3 BKGG geregelten Ausschluss der nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügenden Ausländer vom Bezug des Kindergelds einhellig als verfassungsgemäß angesehen habe (vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997, 14/10 RKg 21/96, juris).
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anderen Nichtigkeitsgrundes aus dem Positivkatalog des § 40 Abs. 2 SGB X seien nicht ersichtlich.
Gleichfalls folge auch aus § 40 Abs. 1 SGB X keine Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993. Nach dieser Regelung sei ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich sei. Es sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein besonders schwerwiegender Fehler vorliege, denn der Rang der verletzten Rechtsvorschrift - etwa Verfassungs- oder Europarecht - sei für die Frage nach der Schwere des Fehlers unerheblich (vgl. Schneider-Danwitz in juris-PK SGB X, 2013, § 40 RdNr. 28 mwN), so dass auch die nachträgliche Feststellung eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als Mangel eines Verwaltungsaktes nicht schwerer wiege als die Verletzung eines gültigen Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 1980, 5 RKn 21/79, RdNr. 27 mwN). Davon abgesehen sei ein solch schwerwiegender Fehler bei Erlass des Aufhebungsbescheids im Dezember 1993 zumindest nicht offensichtlich. Es liege keine Offensichtlichkeit vor, wenn mit dem jeweiligen Verwaltungsakt in materiell-rechtlicher Hinsicht gegen ein elementares rechtsstaatliches und grundrechtliches Verbot verstoßen werde, aber gleichzeitig diese Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei. Im Umkehrschluss liege danach Offensichtlichkeit vor, wenn ein verständiger Durchschnittsadressat mit Gewissheit zu dem Ergebnis kommen müsste, dass der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses an einem besonders schwerwiegenden Fehler gelitten habe (vgl. Heße in BeckOK SozR, SGB X, Stand 6.2017, § 40 RdNr. 11). Im vorliegenden Fall habe die Aufhebung der Kindergeldbewilligung der seinerzeit geltenden Rechtslage entsprochen und habe auf § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des - in einem formalen Gesetzgebungsprozess erlassenen - Gesetzes vom 21. Dezember 1993 gestützt werden können. Auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sei die Regelung des § 1 Abs. 3 BKGG als verfassungsgemäß angesehen worden (etwa BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997, 14/10 RKg 21/96, juris). Bei dieser Sachlage sei die Fehlerhaftigkeit des Aufhebungsbescheids bei dessen Erlass im Dezember 1993 überhaupt nicht erkennbar gewesen. Mangels Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 komme daher die mit der Nichtigkeitsklage verfolgte entsprechende Feststellung nicht in Betracht.
2. Die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die Aufhebung des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 begehre. Zwar könne die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit einer Anfechtungsklage statthaft neben einer auf die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids gerichteten Nichtigkeitsklage erhoben werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 43/05 R, juris). Indes sei die Klage insoweit bereits wegen Verfristung unzulässig, denn sie sei nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw. des Widerspruchsbescheids erhoben worden (§ 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG). Ein Widerspruchsverfahren bezüglich des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 habe nicht stattgefunden. Auch komme keine Aussetzung des Verfahrens zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens in Betracht, denn der Kläger habe gegen den Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 keinen Widerspruch eingelegt, die Widerspruchsbehörde folglich keine Sachentscheidung über einen Abwehranspruch gegen diesen Verwaltungsakt getroffen. Folglich könne die Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Bescheids aus Dezember 1993 nicht zulässig begehrt werden.
3. Die Klage sei gleichfalls unzulässig, soweit der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 5. August 1996 begehre. Auch gegen diesen Bescheid sei kein Vorverfahren durchgeführt und auch keine Klage binnen Monatsfrist (§ 87 SGG) erhoben worden.
4. Die Klage betreffend die Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2015 sei teilweise unzulässig, und im Übrigen unbegründet. Sie sei teilweise unzulässig, soweit sie sich gegen die mit dem Bescheid vom 27. April 2015 getroffene Ablehnung der Bewilligung von Kindergeld über den 31. Dezember 1995 hinaus richte. Denn insoweit habe das Finanzgericht die "Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015" nur insoweit abgetrennt und an das SG verwiesen, als sie "Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995" betroffen habe. Die darüber hinausgehende Regelung des Bescheids vom 27. April 2015 sei beim Finanzgericht anhängig geblieben. Soweit der Kläger im hiesigen Klageverfahren unter Bezugnahme auf den wegen der Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 4 BKGG angeblich bestehenden einheitlichen Anspruch auf sozialrechtliches Kindergeld die Auffassung vertrete, dass im hiesigen Verfahren auch über die Ablehnung des Kindergelds im Zeitraum Januar 1996 bis Juni 1997 zu entscheiden sei, sei die Klage bereits unzulässig. Zum einen sei dieser Streitgegenstand bereits Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens 12 K 12113/15 gewesen, so dass diesbezüglich anderweitige Rechtshängigkeit bzw. entgegenstehende Rechtskraft vorliege. Zum anderen habe sich der Kläger im hiesigen — abgetrennten und damit nur die Ablehnung der Kindergeldgewährung für Januar 1994 bis Dezember 1995 betreffenden — Verfahren erst mit Schriftsatz vom 22. November 2015 gegen die im Bescheid vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 getroffene Ablehnungsentscheidung bezüglich der Monate Januar 1996 bis Juni 1997 gewandt, so dass die diesbezügliche Klageerweiterung auch nicht binnen der Monatsfrist des § 87 SGG erfolgt und somit unzulässig sei.
Die Klage sei unbegründet, soweit sie sich gegen die im Bescheid vom 27. April 2015 getroffene Ablehnungsentscheidung bezüglich der Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 1994 bis Dezember 1995 richte, denn diese sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger sei kein Kindergeld auf seinen Antrag vom 17. April 2015 zu gewähren. Dem stünden die vorausgegangene bestandskräftige Aufhebungsentscheidung aus Dezember 1993 und die gleichfalls bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 17. November 2003 sowie die eingetretene Verjährung nach § 45 SGB I entgegen.
5. Der Kläger könne schließlich nicht mit Erfolg die Auszahlung des begehrten Kindergelds in Hö¬he von 2.760,00 EUR geltend machen, da es an einer zu Grunde liegenden Verwaltungsentscheidung fehle, die ihm einen entsprechenden Anspruch zuerkenne. Mangels Nichtigkeit und mangels Aufhebbarkeit des Aufhebungsbescheids aus Dezember 1993 könne sich der Kläger nicht auf die seinerzeit vorangegangene Bewilligungsentscheidung stützen. Eine weitere, den streitigen Zeitraum betreffende Bewilligungsentscheidung existiere nicht. Da die Klage gegen die angefochtenen Bescheide aus den vorangegangenen Gründen keinen Erfolg habe, komme auch eine Abänderung dieser Bescheide und eine damit kombinierte Verurteilung der Beklagten zur Leistung des begehrten Kindergeldes nicht in Betracht.
Der Kläger hat gegen den ihm am 9. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Dezember 2017 Berufung zum LSG erhoben und sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weiter verfolgt. Eine Verjährung könne bei nichtigem Verwaltungsakt nicht eintreten. Die ablehnenden Bescheide seien sittenwidrig gewesen und würden die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG) verletzen. Mit der Nichtbewilligung des Kindergeldes sei sein Zweck nicht erfüllt gewesen, es sei dazu bestimmt gewesen, die wirtschaftliche Belastung der Eltern durch die Sorge für die Kinder auszugleichen. Seine Tochter sei nicht gleich behandelt worden wie andere Kinder inländischer Eltern, zusätzlich sei das Abkommen über die Soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kroatien nicht angewendet worden, obgleich es die speziellere Vorschrift zum Bundeskindergeld gewesen sei (vgl. BSG, BSGE 52, 210, 213). Die Entscheidung des FG stehe seinem Begehren nicht entgegen, denn er habe sein Verfahren im November 1995, also vor der Gesetzesänderung, angefangen, so dass das LSG über den gesamten Zeitraum entscheiden müsse.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Aufhebungsbescheid von Ende Dezember 1993 und der Bescheid vom 5. August 1993 nichtig sind,
den Aufhebungsbescheid von Ende Dezember 1993 und den ablehnenden Bescheid vom 5. August 1996 aufzuheben,
festzustellen, dass der ablehnende Bescheid vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 nichtig ist,
den ablehnenden Bescheid vom 27. April 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 aufzuheben,
die Beklagte zu verpflichten, für die Tochter Marina Kindergeld für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 in Höhe von 2.760 Euro auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich des Begehrens auf Kindergeld habe das Finanzgericht hinsichtlich des Zeitraums von Januar 1996 bis Juni 1997 in eigener Zuständigkeit entschieden. Für den davorliegenden Zeitraum habe das SG zu Recht entschieden, dass der Aufhebungsbescheid aus Dezember 1993 nicht nichtig sei und dass der Kläger nunmehr kein Kindergeld mehr für Marina geltend machen könne. Es werde auf die Stellungnahme von 16. November 2015 verwiesen und Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 21. März 2018 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden (§ 153 Abs. 5 SGG).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsakten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die die nunmehr zuständige Berichterstatterin entsprechend dem Beschluss des Senats vom 21. März 2017 als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG), ist unbegründet. Das SG Berlin hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 2. November 2017 zu Recht abgewiesen.
Die Aufhebungsbescheide von Ende Dezember 1993 und vom 5. August sind nicht nichtig. Sie sind auch nicht wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Das Gericht nimmt zur näheren Begründung zunächst auf die oben dargestellten, umfassenden und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 2. November 2017 Bezug, denen es sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das BVerfG die Regelung in § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, 2353) lediglich als insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG angesehen hat, als die Gewährung von Kindergeld allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004, 1 BvL 4/97, juris). Das BVerfG a.a.O. hat das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben würden (s. BT-Drucks 12/5502, S. 44), nicht beanstandet, sondern die zur Erreichung dieses Ziels getroffenen gesetzlichen Unterscheidungskriterien, die allein an die Qualität des ausländerrechtlichen Titels anknüpften und deshalb nach Ansicht des BVerfG sachlich nicht gerechtfertigt waren. Der Gesetzgeber hat daraufhin § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 – AuslAnsprG - (BGBl I 2006, 1915) geändert. Das BVerfG hat jedoch keinen neuen Leistungsanspruch geschaffen, sondern lediglich die für die (rückwirkende) Beurteilung von Ansprüchen auf Kindergeld für die Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1995 maßgebende Rechtsgrundlage geklärt. Ob auf dieser Rechtsgrundlage noch Leistungsansprüche für die Vergangenheit bestehen, richtet sich nach den für den Anspruch auf Kindergeld geltenden allgemeinen Vorschriften. Die Entscheidung des BVerfG ersetzt weder die für Leistungsansprüche 1994/95 erforderliche rechtzeitige Antragstellung noch steht sie einem zwischenzeitlichen Eintritt der Bestandskraft oder der Verjährung entgegen. Hieran scheitert der vom Kläger geltend gemachte Anspruch. Denn die mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getretene Gesetzesänderung erfasst nur Sachverhalte, bei denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a S. 2 EStG). Im vorliegenden Fall ist die rückwirkende Bewilligung von Kindergeld für die Jahre 1994 und 1995 nicht möglich, weil dem zum einen die bestandskräftige Aufhebungsentscheidung aus Dezember 1993 und die gleichfalls bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 17. November 2003 entgegenstehen. Eine Zurücknahme der bestandskräftigen Aufhebungsentscheidungen nach § 44 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit scheidet aus, denn (Zahlungs-)ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Selbst wenn man den Antrag des Klägers vom 06. Oktober 2003 auch auf Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von Januar 1994 bis Dezember 1995 ansehen würde, wäre eine rückwirkende Zahlung nur für die Jahre 1999 - 2002 möglich, nicht also für die streitbefangenen Jahre. Der Antrag des Klägers von November 1995 betraf demgegenüber lediglich die Gewährung von Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ab dem Jahr 1996, worüber das FG bereits rechtskräftig entschieden hat.
Auch das SozSichAbk YUG begründet keinen Anspruch auf Kindergeld. Nach Art. 28 Abs. 1 dieses Abkommens können Personen Kindergeld beanspruchen, die in Deutschland beschäftigt sind und den in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen aus der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen. Auf die Frage nach der Fortgeltung des Abkommens kommt es indes wegen der Bestandskraft der Bescheide und des Eintritts der Zahlungsverjährung nicht entscheidend an.
Schließlich ist der Bescheid vom 27. April 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 nicht wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Zwar hat die Beklagte das Begehren auf Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 1994 bis Juni 1997 unter Bezugnahme auf Vorschriften der Abgabenordnung (AO) abgelehnt. Der Rechtsstreit ist jedoch durch Beschluss des FG vom 9. September 2015 wegen Unzuständigkeit des FG zur Entscheidung über das Kindergeld nach dem BKGG a.F. für den Zeitraum Januar 1994 bis Dezember 1995 an das SG verwiesen worden. An diese Verweisung ist das SG gebunden. Infolge der Gesetzesänderung zum Kindergeld nach dem BKGG n.F. mit dem Übergang der Zuständigkeit auf die Finanzgerichte war auch eine Zäsur des Anspruchs gegeben, so dass sich die Verweisung für Zeiten vor dem 01. Januar 1996 als zulässig und rechtmäßig erweist. Die Folge ist, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über den Klageanspruch unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt entscheiden, auch wenn zur Begründung mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen. Hiernach erweist sich der Bescheid vom 27. April 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2015 als dem Grunde nach rechtmäßig, denn die den genannten Bescheiden zu Grunde liegenden Rechtsgrundlagen über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten (§ 125 AO) sowie über die Durchbrechung der Bestandskraft von Bescheiden (Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO) entsprechen nach Sinngehalt und Regelungszweck den einschlägigen Rechtsgrundlagen nach dem SGB I und dem SGB X, wie sie im Gerichtsbescheid aufgeführt sind (§ 40 SGB X, § 45 SGB I). Daraus folgt zugleich, dass das SG nicht über das Begehren auf Zahlung von Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 entscheiden konnte.
Damit hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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