S 10 KR 448/08

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 KR 448/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Zur Altersversorgung erzielte Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V können erst ab dem Zeitpunkt des frühest möglichen Beginns der individuellen Regelaltersgrenze vorliegen.

2.) Demgemäß ist ein vom ehemaligen Arbeitgeber vereinbarungsgemäß längstens bis zum frühest möglichen Beginn der Regelaltersgrenze gezahltes Überbrückungsgeld nicht beitragspflichtig.
I. Die Bescheide vom 09.05.2008 und vom 10.05.2008 sowie der Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 werden insoweit aufgehoben, als sie das von der Beigeladenen an die Klägerin gezahlte Überbrückungsgeld als beitragspflichtig festsetzen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Verbeitragung eines Überbrückungsgeldes.

Die am 00.00.1951 geborene Klägerin wurde am 08.10.2007 Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner.

Neben der Witwenrente und einer Betriebsrente erhielt die Klägerin Überbrückungsgeld der Beigeladenen in Höhe von monatlich 1.738,30 EUR brutto.

Gemäß des Schreibens vom 17.09.2007 der Beigeladenen an die Klägerin handele es sich bei diesem Überbrückungsgeld um eine monatlich gezahlte Abfindung. Gezahlt wurde das Überbrückungsgeld auf der Grundlage des § 14 a des Tarifvertrages Nr. 444 der Beigeladenen. Gemäß Abs. 4 dieser Vorschrift entstand der Anspruch auf Überbrückungsgeld am Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er bestand für einen Zeitraum von maximal 60 Monaten, längstens bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Beginns einer gesetzlichen Rente wegen Alters oder wegen voller Erwerbsminderung.

Die Beklagte hat mit den streitigen Bescheiden vom 09.05.2008 und vom 10.05.2008 festgestellt, dass das Überbrückungsgeld der Beigeladenen gemäß § 229 SGB V beitragspflichtig ist.

Mit Schreiben vom 08.07.2008 bezeichnete die Beklagte das streitige Überbrückungsgeld als Versorgungsbezug, der nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V beitragspflichtig sei.

Den Widerspruch der Klägerin vom 06.06.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 25.09.2008 Klage erhoben mit der Begründung vom 05.01.2009.

Die mündliche Verhandlung am 10.09.2009 wurde vertagt, um der Beklagten die Vorlage weiterer Unterlagen zu ermöglichen.

Mit Schriftsatz vom 14.10.2009 übersandte die Beklagte die Ergebnisniederschrift über die Besprechung des GKV-Spitzenverbandes und der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 22./23.04.2009. Die Beklagte blieb bei ihrer Einschätzung, das Überbrückungsgeld als Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V einzuordnen.

Mit Beschluss vom 21.02.2011 wurde die Deutsche Post AG zum Verfahren beigeladen.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2011 verwies die Beigeladene auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 04.02.2009, Az.: L 1 KR 132/07. In einem vergleichbaren Fall sei dort das Überbrückungsgeld als nicht beitragspflichtig angesehen worden.

Das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung haben der Vertreter der Beigeladenen mit Schreiben vom 26.10.2011, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 07.11.2011 und die Vertreter der Beklagten mit Schreiben vom 04.11.2011 erklärt.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt sinngemäß (Schriftsatz vom 05.01.2009):

1. Die Bescheide vom 09.05.2008 und vom 10.05.2008 sowie der Widerspruchsbe-scheid vom 28.08.2008 werden insoweit aufgehoben, als sie das von der Beigeladenen an die Klägerin gezahlte Überbrückungsgeld als beitragspflichtig festsetzen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen (Schriftsatz vom 13.10.2008).

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Auf diese sowie die Prozessakte wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und insgesamt zulässig.

Die Klage ist auch begründet. Das streitige Überbrückungsgeld ist nicht beitragspflichtig.

Die Beklagte stützt die streitigen Bescheide auf § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Danach gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.

Der Begriff "der Rente vergleichbare Einnahmen" ist entnommen aus § 237 SGB V. Ge-mäß § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung u. a. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt.

Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei dem streitigen Überbrückungsgeld nicht um einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, denn diese Zahlung erfolgt vorliegend weder wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin noch zu deren Altersversorgung. Die Zahlung des Überbrückungsgeldes war generell auf den Zeitraum zwischen Vollendung des 55. Lebensjahres und dem Beginn einer Regel-altersrente beschränkt. Die Zahlung des streitigen Überbrückungsgeldes bezog sich damit auf den Zeitraum vor Beginn der Altersversorgung der Klägerin. Das Gericht sieht den vom Gesetzgeber jeweils festgelegten Zeitpunkt des Beginns der Regelaltersrente als den Zeitpunkt an, ab dem eine Versorgung wegen des Lebensalters als erforderlich angesehen wird. Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V können danach erst ab dem Zeitpunkt des frühestmöglichen Beginns der individuellen Regelaltersrente angenommen werden.

§ 229 SGB V betrifft nach Ansicht des Gerichts allgemein keine Zahlungen, die zum Ausgleich etwa verminderter Zugangschancen zum Arbeitsmarkt gezahlt werden. Hier schließt sich das Gericht der Argumentation des Sächsischen Landessozialgerichts im Urteil vom 04.02.2009 (Az.: L 1 KR 132/07) an, wonach das Überbrückungsgeld eher arbeitsförderungsrechtlichen Leistungen entspricht.

Der Klage war daher wie tenoriert stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht, Parkstraße 28, 09120 Chemnitz, schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form einzulegen.

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist; nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Chemnitz, Straße der Nationen 2 - 4, 09111 Chemnitz schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Vorsitzende der 10. Kammer

Gleich Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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