Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AL 833/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Bewilligung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung scheidet bei einer Unternehmensgründung im Ausland aus, wenn sich der Wohnsitz im Sinne von § 30 SGB I des Unternehmensgründers zugleich am Ort der Unternehmensgründung befindet.
Die Tätigkeit einer Buchhändlerin im örtlichen G. rechtfertigt die Annahme, dass sich deren Wohnsitz im Sinne von § 30 SGB I am Tätigkeitsort befindet. Zur Frage, inwieweit Tätigkeiten vor Eröffnung eines Buchladens bereits als Ausübung der selbstständigen Tätigkeit im Sinne von § 57 SGB III a.F. anzusehen sind.
Die Tätigkeit einer Buchhändlerin im örtlichen G. rechtfertigt die Annahme, dass sich deren Wohnsitz im Sinne von § 30 SGB I am Tätigkeitsort befindet. Zur Frage, inwieweit Tätigkeiten vor Eröffnung eines Buchladens bereits als Ausübung der selbstständigen Tätigkeit im Sinne von § 57 SGB III a.F. anzusehen sind.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die am 00.00.1975 geborene Klägerin begehrt die Zahlung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Buchhändlerin im österreichischen G ...
Die aus dem E. stammende Klägerin verfügt über einen 1995 in M./E. erworbenen Berufsabschluss als Bürokauffrau. Ab 1997 lebte und arbeitete sie im Raum M. bei verschiedenen Unternehmen, so etwa von 1997 bis 2002 bei C. zuletzt als Administration Assistent. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit arbeitete sie 2003 und 2004 als Assistentin der Geschäftsführung in einem Pharma-Unternehmen. Von April 2004 bis zum 31.10.2010 war sie als Business Analyst der J. GmbH in M. beschäftigt. Daneben absolvierte sie ein Fernstudium "Grundwissen Buchhandel" von 2007 bis 2010 zur Vorbereitung ihrer geplanten Selbstständigkeit als Buchhändlerin.
Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung der Klägerin vom 31.8.2010 zum 31.10.2010. Im Rahmen des von der beklagten Agentur für Arbeit München angestrengten Sperrzeitverfahrens äußerte sich die Klägerin zu den Gründen der Kündigung. Sie gab als Grund die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit an. In ihrer letzten Tätigkeit hätte es an Entwicklungsmöglichkeiten gemangelt. Es habe ein sehr hoher Leistungsdruck und Arbeitsaufwand bestanden, ohne dass dieser entsprechend vergütet worden sei.
Am 27.9.2010 meldete die Klägerin ihren Nebenwohnsitz in G. und am 5.10.2010 ihre selbstständige Tätigkeit beim Finanzamt G. an. Als Datum der voraussichtlichen Aufnahme der Geschäftstätigkeit nannte sie dort den 15.11.2010.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.11.2010 eine Sperrzeit vom 1.11.2010 bis 23.1.2011 gegen die Klägerin fest. Rechtsmittel legte die Klägerin hiergegen nicht ein.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten beantragte die Klägerin am 6.10.2010 mündlich die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III wegen der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit als Buchhändlerin in G. ab dem 15.11.2010. Die schriftlichen Antragsunterlagen reichte die Klägerin am 14.11.2010 unter ihrer M. Wohnanschrift ein.
Ihren Buchladen mit dem Namen "B." eröffnete die Klägerin am 11.12.2010.
Mit Bescheid vom 26.1.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung des Gründungszuschusses ab, da die Existenzgründung außerhalb des Geltungsbereiches des SGB III stattfinde. Den Bescheid adressierte die Beklagte an die Wohnanschrift der Klägerin in Österreich.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.2.2011 unter Angabe ihrer G. Wohnanschrift Widerspruch ein. Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor: Sie sei bislang dahin gehend beraten worden, dass die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Ausland der Gewährung eines Gründungszuschusses nicht entgegen stehe. Nur die Auszahlung des Zuschusses sei an das Vorhandensein eines deutschen Bankkontos geknüpft.
Am 8.3.2011 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 1.12.2010 unter Aufgabe ihrer Wohnung in M. und Beibehaltung ihrer Nebenwohnung in G. mit der Hauptwohnung in P./E. an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.3.2011 wies die Beklagte den Widerspruchsbescheid aus den Gründen der Ausgangsentscheidung zurück. Zudem habe die Klägerin keinen festen Wohnsitz mehr in Deutschland.
Am 21.4.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. Im Absender gab sie ihre Wohnung in G. an. Zur Klagebegründung trägt sie im Wesentlichen vor. Sie habe bis 8.3.2011 ihren Hauptwohnsitz in M. gehabt. Am 8.3.2011 habe sie bei der zuständigen Meldebehörde den Wechsel ihrer vorwiegend benutzten Wohnung (Hauptwohnung) nach P., Ortsteil G., angezeigt und gleichzeitig einen Nebenwohnsitz in G. genommen. Derzeit pendele die Klägerin zwischen G. und G ... Sie habe ihren Hauptwohnsitz ständig in Deutschland gehabt. Bis zum 8.3.2011 in M., seitdem in P ... Dort habe die Klägerin zusammen mit ihrer Schwester ein Haus geerbt. Bereits Ende 2009 habe sich die Klägerin mit der Beklagten in M. wegen der Klärung eines Gründungszuschusses in Verbindung gesetzt. In einem Beratungstermin sei ihr mitgeteilt worden, dass eine Förderung in Österreich kein Problem sei. Die Klägerin habe daraufhin begonnen, Vorbereitungen für die geplante Selbstständigkeit zu treffen, etwa indem sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Geschäftslokal begeben habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses seien erfüllt. Die Klägerin sei nach dem 1.11.2010 arbeitslos gewesen und habe zum Zeitpunkt der Gründung noch über einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von über 90 Tagen verfügt. Sie habe die Tragfähigkeit des Vorhabens nachgewiesen und verfüge über die zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit als Buchhändlerin notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Sie habe ein Rechtsanspruch auf die Gewährung des Gründungszuschusses. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die schriftliche Klagebegründung Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 9.3.2011 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin die mit Antrag vom 14.11.2010 begehrten Leistungen in Form des Gründungszuschusses nach dem SGB III zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihren Standpunkt, wonach sich die Klägerin wegen der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ständig in G. aufgehalten habe. Eine Unternehmensgründung im Ausland sei damit nicht förderfähig.
Mit Beschluss vom 17.11.2011 hat sich das Sozialgericht München für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Chemnitz verwiesen.
Am 27.6.2013 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Die Klägerin hat hier unter anderem weiter vorgetragen, dass sie in einer eigenen abgeschlossenen Wohnung des ererbten Hauses wohne. Das Haus sei in den Jahren 2006/07 ererbt worden. Seither pendele sie regelmäßig, wenn es ihre Arbeit ermögliche, nahezu wöchentlich dorthin. Sie besitze einen Audi A 3 Baujahr 1998 mit Benzinmotor, der über 200.000 Km Fahrleistung aufweise. Das Auto sei im E. zugelassen. Die Entfernung nach G. betrage ca. 700 km. Der Jahresumsatz ihrer Buchhandlung habe im Jahre 2011 bei ca. 30.000,00 EUR bis 40.000,00 EUR gelegen. Die Zahlen aus dem Jahr 2012 lägen noch nicht vor. Die Gründungsphase ihrer Buchhandlung habe einen verstärkten Einsatz ihrer Arbeitskraft erfordert. Während ihrer Abwesenheit werde sie durch Aushilfsmitarbeiter vertreten, die im Buchladen oder bei Büchertischen auf Veranstaltungen aushülfen. Sie überlege derzeit, Festanstellungen vorzunehmen. Ihre Selbstständigkeit habe sich gut entwickelt. Wenn die Beklagte ihr Vermittlungsangebote vorgelegt hätte, hätte sie diese in Erwägung gezogen, sofern sie sich als attraktiv erwiesen hätten.
Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten Gründungszuschusses.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung ist § 57 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl. I S. 1706; im Folgenden: a.F.). Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) am 1.1.2012 eingeführte Neuregelung des § 93 SGB III ist auf "Altfälle" nicht anwendbar (vgl. § 422 Abs. 1 SGB III).
Nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Anspruch wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch oder (b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, (2.) bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt, (3.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (4.) ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
§ 57 SGB III a. F. ist hier bereits nicht anwendbar, weil die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit im Ausland aufgenommen und ihren Wohnsitz hierzu ins Ausland an den Ort ihrer selbstständigen Tätigkeit verlegt hat. Die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit im Ausland durch einen Gründungszuschuss ist zwar nach den abstrakten Bewilligungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie setzt aber voraus, dass der Existenzgründer zumindest noch seinen Wohnsitz i.S. von § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I – im Bundesgebiet hat (vgl. BSG, Urteil 27.8.2008 – B 11 AL 22/07 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.1.2012 – L 9 AL 100/11). Der Unternehmensgründer muss daher gewissermaßen als "Grenzpendler" (s. Leitsatz BSG aaO) zwischen Wohnsitz und Arbeitsort einzustufen sein. Daran fehlt es hier.
Nach § 30 Abs. 3 SGB I hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Mit dieser Voraussetzung soll vermieden werden, dass durch die Begründung eines Scheinwohnsitzes missbräuchlich Sozialleistungen in Anspruch genommen werden. Es kommt für den Wohnsitz daher auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die Frage der formalen Anmeldung nach den Meldegesetzen der Länder an. Unter Wohnsitz im Sinne von § 30 Abs. 1 und 3 SGB I ist daher der räumliche Bereich zu verstehen, in dem sich der Lebensmittelpunkt einer Person befindet (vgl. Mrozynski, SGB I, Kommentar, 4. Auflage 2010, RdNrn. 15 – 17 zum § 30). Gemessen an diesen Voraussetzungen, befand sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin bei Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zur Überzeugung des Gerichts nicht in P., Ortsteil G., sondern in G ...
Regelmäßig rechtfertigt der Aufenthalt zur Ausübung einer Beschäftigung in Vollzeit an einem bestimmten Ort die Annahme, dass der Beschäftigungsort auch der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. der Lebensmittelpunkt des Betreffenden ist. Besondere Umstände können allerdings eine abweichende Einschätzung rechtfertigen. Derartige Umstände liegen hier zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. Zwar hat die Klägerin persönliche Bindungen insbesondere durch das ererbte Wohnhaus in P. in den Jahren 2006/2007 vorgetragen. Indes ist dieser Umstand nicht ausreichend, einen Lebensmittelpunkt der Klägerin in P. anzunehmen. Die Klägerin hat hier nachvollziehbar keine Lebensumstände oder persönliche Bindungen dargelegt, die derart gewichtig sind, dass sie die Annahme eines Lebensmittelpunktes außerhalb des Ortes ihrer Beschäftigung rechtfertigen. Die hier zu Tage getretenen Lebensumstände lassen vielmehr nur den Schluss zu, dass der Ort, in dem die Klägerin ihre Buchhandlung betreibt, zugleich ihr Lebensmittelpunkt und damit ihr Wohnsitz im Sinne von § 30 SGB I ist.
Der Betrieb der Buchhandlung erfordert eine dauerhafte Präsens am Arbeitsort. Über diesen Betrieb zu den üblichen Öffnungszeiten hinaus ist die Klägerin unter anderem durch Büchertische bei verschiedensten Veranstaltungen vertreten. Dies lässt sich unter anderem der ins Internet gestellten Homepage der klägerischen Buchhandlung entnehmen. Derartige Veranstaltungen fallen auch auf die Wochenenden. Daneben veranstaltet die Klägerin Bücherlesungen. Dass sich die Klägerin hier stets durch Mitarbeiter vertreten lässt, erscheint schon im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten nicht nachvollziehbar. Die Tätigkeit der Klägerin sowie die genannten Veranstaltungen verlangen einen hohen persönlichen Einsatz. Sie erfordert eine intensive persönliche Kontaktpflege und damit in hohem Maße eine örtliche und regionale Präsens. Damit ist aber sowohl die abstrakte Art der Tätigkeit als auch das vorliegend zum Ausdruck gekommene hohe persönliche Engagement der Klägerin mit der Vorstellung eines Lebensmittelpunktes in P. unvereinbar. Zumindest ein Hinweis darauf ist auch, dass die Klägerin ihren Schriftwechsel zunächst unter ihrer M., dann unter ihrer G. und zu keinem Zeitpunkt unter einer P. Wohnanschrift führte.
Zudem hat sich die Klägerin bezüglich ihrer Angaben zu den Wohnungswechseln in erhebliche Widersprüche verwickelt. In ihrer schriftlichen Klagebegründung hat sie vorgetragen, dass sie ihre Hauptwohnung in M. inne gehabt und sich nach Aufgabe der M. Wohnung am 8.3.2011 unmittelbar mit dem Hauptwohnsitz in P. angemeldet habe. Damit sieht sie ihren Standpunkt belegt, wonach durchgängig eine Hauptwohnung und damit ein Wohnsitz in Deutschland bestanden habe. Der erste Widerspruch liegt hier allerdings bereits darin, dass die Klägerin in der schriftlichen Klagebegründung vom 4.11.2011 vorträgt, sie habe ihre Nebenwohnung erst am 8.3.2011 begründet. Ausweislich der vorgelegten Meldebestätigung der Gemeinde G. vom 27.9.2010 datiert die Anmeldung des Nebenwohnsitzes aber bereits auf gerade diesen 27.9.2010. Im Hinblick auf die notwendigen Vorbereitungen der Geschäftstätigkeit dürfte sich die Klägerin ab diesem Zeitpunkt auch regelmäßig in G. aufgehalten haben.
Schwerer wiegt noch der Widerspruch der klägerischen Schilderungen zum Inhalt der vorgelegten Meldebestätigung vom 8.3.2011. Daraus geht hervor, dass sich die Klägerin am 8.3.2011 rückwirkend zum 1.12.2010 mit der Hauptwohnung nach P. angemeldet hatte. Dies spricht dafür, dass sie womöglich seit dem 1.12.2010 auch nicht mehr in M., sondern schon in G. wohnte. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin darüber hinaus vorgetragen, dass sie infolge der Erbschaft des elterlichen Wohnhauses in den Jahren 2006 und 2007 fortlaufend und regelmäßig, sofern dazu Zeit bleibe, nahezu jedes Wochenende nach P. pendele. Wenn sich aber seit dieser Zeit nichts geändert hat, drängt sich die Frage auf, weshalb die Klägerin sich dann nicht noch wesentlich früher mit der Hauptwohnung wieder in P. angemeldet hatte.
Gegen die Klägerin spricht im Weiteren der Zeitpunkt ihres Vortrags. Von einem etwaigen Wohnsitz in P. war bis zur Klageerhebung nie die Rede. In keinem Schriftstück in der Behördenakte findet sich für die Zeit bis zur Klageerhebung ein Bezug der Klägerin zu ihrer früheren Heimatregion. Wenn es den von der Klägerin vorgetragenen Bezug schon seit 2006/2007 in dieser Form gegeben hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass sich den umfangreichen Antragsunterlagen vom 14.11.2010, zum Beispiel dem Lebenslauf, hierzu etwas entnehmen lässt. Ein regelmäßiges Pendeln zwischen G. und dem E. ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Es hätte daher nahe gelegen, dass die Klägerin diese Kosten in ihrem zum Antrag vorgelegten Unternehmenskonzept und Businessplan im Rahmen der Kapitalbedarfsberechnung unter der Rubrik "Privatentnehmen" aufführt. Weder hierzu noch für etwaige Kosten des Wohneigentums ihrer vorgeblichen Hauptwohnung findet sich aber eine entsprechende Angabe. Wären diese Kosten tatsächlich angefallen, wäre die Kapitalbedarfsplanung wohl als lückenhaft zu bezeichnen. Überdies wäre der Umstand, dass die Klägerin beabsichtigte, ihren Lebensmittelpunkt in P. beizubehalten, während sie als Selbstständige eine Buchhandlung in G. betreibt, ein wesentlicher Aspekt für die Frage der Erfolgsaussichten und damit der Tragfähigkeit des Gründungsvorhabens. Die Klägerin selbst hat von einem verstärkten Einsatz in der Gründungsphase gesprochen. In ihrem Unternehmenskonzept hatte die Klägerin eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden angegeben. In der Gründungsphase dürfte dieser Wert nach aller Lebenserfahrung kaum einzuhalten gewesen sein. Wie sich ein solch intensiver Einsatz mit einem kräftezehrenden regelmäßigen Pendelverkehr zwischen P. und G. in Einklang bringen lässt, wäre daher zumindest erklärungsbedürftig gewesen.
All diese Unstimmigkeiten lassen nur den Schluss darauf zu, dass es sich so, wie es die Klägerin angibt, tatsächlich nicht zugetragen haben kann. Die Kammer ist mithin davon überzeugt, dass die Klägerin spätestens mit Aufnahme ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit, wahrscheinlich sogar noch früher, ihren Lebensmittelpunkt nach G. verlegt hatte. Wie es sich dabei mit den Wohnungswechseln etwa von M. nach G. genau verhielt, muss im Hinblick auf die getroffene Feststellung, dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Geschäftseröffnung ihren Lebensmittelpunkt in G. hatte, nicht abschließend aufgeklärt werden.
Lag somit der Wohnsitz der Klägerin zum Zeitpunkt der Existenzgründung nicht mehr in Deutschland, entfällt die soziale Verantwortung des bundesdeutschen Sozialstaats für die Unterstützung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Ausland. Der betreffende Staatsbürger nimmt dann an dem Schicksal aller anderen Existenzgründer im Territorium des Aufenthaltsstaates teil. Ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss scheidet damit schon wegen des fehlenden Wohnsitzes der Klägerin im Bundesgebiet im Sinne von § 30 SGB I aus.
Die Klägerin kann sich für die Gewährung des Zuschusses für ihre Unternehmensgründung im Ausland auch nicht auf eine etwaige Auskunft einer Beklagten-Mitarbeiterin berufen, die ihr zugesagt habe, die Förderung in Österreich sei "kein Problem". Eine rechtsverbindliche schriftliche Zusicherung im Sinne von § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – ist nicht erteilt worden. Darüber hinaus wurde die Klägerin bereits am 6.10.2010 über die fehlende Förderfähigkeit ihres Vorhabens unterrichtet. In dem Gesprächsvermerk, den die Mitarbeiterin A. über die persönliche Vorsprache der Klägerin am 6.10.2010 fertigte, heißt es auszugsweise, dass
" ...eine Gz-Förderung nur erfolgen kann, wenn die selbstst. Tätigkeit im Geltungsbereich des SGB III aufgenommen wird (Bestätigung nach RS mit 221L und 272N) "
Die Klägerin hat nach dem weiteren Inhalt des Vermerks gleichwohl auf der Antragstellung bestanden, so dass der 6.10.2010 als Antragsdatum erfasst wurde. Bei dieser Sachlage konnte ein wie auch immer geartetes Vertrauen der Klägerin auf die Gewährung des Zuschusses von vornherein nicht entstehen. Aus dem von der Klägerin zur Unterstützung ihres Vorbringens vorgelegten E-Mail-Verkehr mit der Beklagten folgt nichts anderes. Die Antworten vom 15.9.2009 auf die Anfrage der Klägerin vom 14.9.2009 unter anderem auch zum Thema Gründungszuschuss enthalten nur unverbindliche Hinweise darauf, dass diese Fragen im Rahmen eines noch zu vereinbarenden Beratungstermins zu klären seien.
Zugleich liegen die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. nicht vor, selbst wenn man davon ausginge, dass trotz des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin in G. die Gewährung eines Gründungszuschusses möglich wäre. Abgesehen davon, dass der Gründungszuschuss ohnehin erst nach Ablauf der bis zum 23.1.2011 verhängten Sperrzeit hätte geleistet werden können (vgl. § 57 Abs. 3 SGB III a.F.), war die Klägerin nicht arbeitslos i.S. von §§ 117, 119 SGB III a.F. und hatte daher zum Zeitpunkt der Existenzgründung nicht den nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) SGB III a.F. erforderlichen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III.
Die Art des Vorhabens, die oben genannten Umstände sowie die zeitlichen Zusammenhänge lassen nur den Schluss darauf zu, dass die Klägerin durch ihr Gründungsvorhaben derart intensiv gebunden war, dass bereits die Gründungsphase in der Zeit vom 1.11.2010 bis zur Eröffnung des Buchladens selbst am 11.12.2011 als Teil der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin bewertet werden muss. Es ist anerkannt, dass auch Vorbereitungshandlungen für Aufnahme der eigentlichen Tätigkeit als Teil der selbstständigen Tätigkeit gelten, sofern sie ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 5.5.2010 – B 11 AL 28/09 R; SG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.3.2012 - S 15 AL 300/09 mwN). Auch für diese Zeit besteht dann bereits ein Anspruch auf Gründungszuschuss. Damit soll zugleich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass aufgrund der umfangreichen Vorbereitungstätigkeit die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld notwendige Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung wegfällt (vgl. § 119 Abs. 3 und Abs. 5 SGB III a.F.). Zugleich besteht dann nicht die Gefahr, dass die Zeitgrenze von 15 Stunden für die zulässige Ausübung einer Nebenbeschäftigung während der Arbeitslosigkeit überschritten wird. Vorliegend bedarf es keiner großen unternehmerischen Phantasie, um sich vorstellen zu können, welchen immensen Arbeitsaufwand die Klägerin in den Wochen nach dem Ende ihrer Beschäftigung bis zur Eröffnung des Buchladens bewältigen musste. Dieser Gesichtspunkt war der Klägerin auch nicht unbekannt. Ausweislich des bereits erwähnten Beratungsvermerks der Mitarbeiterin A. vom 6.10.2010, 11.39 Uhr, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei einem nahtlosen Übergang in die Selbstständigkeit die Förderung nicht möglich sei.
Aber selbst wenn man die Vorbereitungen der Kläger nicht bereits als Ausübung der selbstständigen Tätigkeit an sich ansähe, war die Klägerin in dieser Zeit jedenfalls nicht mehr für die Arbeitsvermittlung im Sinne des § 119 Abs. 5 SGB III a.F. verfügbar und demzufolge nicht arbeitslos. In der relativ kurzen Phase vom Ende ihrer selbstständigen Tätigkeit bis zur Geschäftseröffnung kann nicht ernsthaft die Bereitschaft der Klägerin angenommen werden, noch einem Vermittlungsvorschlag der Beklagten zur Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung Folge zu leisten. Insofern fehlt es an der subjektiven Verfügbarkeit im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 4 SGB III a.F. Hier hat die Klägerin zwar sinngemäß erklärt, dass sie ein lukratives Angebot durchaus in Erwägung gezogen hätte. Indes ist diese Erklärung unvereinbar mit den tatsächlichen Verhältnissen. Die Klägerin hat über Jahre hinweg auf das Ziel der Selbstständigkeit hingearbeitet. Mit Aufgabe ihrer Tätigkeit bei der J. GmbH stand sie kurz vor der Verwirklichung ihres Vorhabens. In ihrer Stellungnahme zu den Kündigungsgründen im Sperrzeitverfahren hatte die Klägerin ihre geplante Selbstständigkeit an allererster Stelle genannt. Die Vorbereitungen waren zwischenzeitlich weit gediehen, die Klägerin hatte sich eine Wohnung genommen, um das Ladenlokal hatte sie sich bereits seit Ende 2009 gekümmert. Bereits am 5.10.2010 hatte die Klägerin ihre Tätigkeit beim Finanzamt G. angemeldet. Ursprünglich sollte die eigentliche Geschäftstätigkeit am 15.11.2010 beginnen. Bei dieser Sachlage kann nicht auf eine innere Bereitschaft geschlossen werden, etwaigen Vermittlungsangeboten der Beklagten noch Folge leisten zu wollen. Diese fehlende innere Bereitschaft zeigt sich nach außen etwa darin, dass die Klägerin im Rahmen der persönlichen Vorsprache bei der Mitarbeiterin A. am 6.10.2010 erklärt hatte, ihr Bewerberprofil solle wegen der ab Mitte November 2010 geplanten Selbstständigkeit nicht veröffentlicht werden. Diese Erklärung hielt die betreffende Mitarbeiterin in einem gesonderten Vermerk fest (s. Bl. 33 der Behördenakte).
Darüber hinaus stünde der Annahme, die Klägerin sei in dieser Zeit arbeitslos gewesen, entgegen, dass sie durch ihre vorbereitende Geschäftstätigkeit in G. Vorschlägen der Agentur für Arbeit nicht zeit- und ortsnah im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F. Folge leisten konnte.
Nicht zuletzt sprechen der Sinn und Zweck sowie die historischen Zusammenhänge und die gesetzliche Systematik dagegen, die hier in Rede stehende Selbstständigkeit der Klägerin mit einem Gründungszuschuss zu fördern. Über die oben genannten Erwägungen hinaus, verbieten die genannten Auslegungskriterien ein Haften am Wortlaut der Vorschrift. Dieser ist auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Die Klägerin ist nicht die typische "Arbeitslose", die Gesetzgeber bei Schaffung dieses arbeitsmarktspezifischen Förderinstruments im Auge hatte. Hier geht es nicht um eine Existenzgründung aus der unverschuldet eingetretenen Notlage einer Arbeitslosigkeit hinaus. Vielmehr hat die Klägerin gerade mit dem Ziel der Selbstständigkeit den Weg über eine kurze "Arbeitslosigkeit" beschritten. Sie war durch ihre langjährige unselbstständige Tätigkeit in den Arbeitsmarkt integriert und entschied sich aus freien Stücken für einen Wechsel in die Selbstständigkeit. Derartige Existenzgründungen sind daher ein Fall für eine allgemeine Wirtschaftsförderung, nicht aber für die Arbeitsmarktförderung. Nach dem seit 1.1.2012 geltenden Recht könnte daher die Förderung einer solchen Unternehmensgründung im Rahmen der Ermessensausübung unproblematisch abgelehnt werden. Aber auch bereits nach dem hier anwendbaren Recht stehen die genannten Auslegungskriterien dem Anspruch auf Förderung entgegen. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 27.8.2008 – B 11 AL 22/07 R – zur Vorgängerregelung des Gründungszuschusses, dem Existenzgründungszuschuss, dieses Förderinstrument als spezifisches arbeitsmarktpolitisches Instrument heraus gestellt. Gesetzgeberisches Ziel des Existenzgründungszuschusses war die Förderung der Beendigung der Arbeitslosigkeit nebst Minderung der Ausgaben für Entgeltersatzleistungen und ggf. Einstellung bisheriger Schwarzarbeit zur Bekämpfung der Anfang der 2000er Jahre nachhaltig gestiegenen Arbeitslosigkeit, darunter auch der Langzeitarbeitslosigkeit. Diesem Zweck dient aber nicht die Förderung derjenigen Arbeitnehmer, die – zudem sperrzeitbelastet – aus einer langjährigen gesicherten Beschäftigung ausscheiden, um zur Verwirklichung eigener Lebenspläne fast nahtlos im Anschluss an diese Beschäftigung eine lange geplante selbstständige Tätigkeit aufzunehmen.
Die Klage war daher mit der sich aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Klägerin trägt als unterlegene Streitpartei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die am 00.00.1975 geborene Klägerin begehrt die Zahlung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Buchhändlerin im österreichischen G ...
Die aus dem E. stammende Klägerin verfügt über einen 1995 in M./E. erworbenen Berufsabschluss als Bürokauffrau. Ab 1997 lebte und arbeitete sie im Raum M. bei verschiedenen Unternehmen, so etwa von 1997 bis 2002 bei C. zuletzt als Administration Assistent. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit arbeitete sie 2003 und 2004 als Assistentin der Geschäftsführung in einem Pharma-Unternehmen. Von April 2004 bis zum 31.10.2010 war sie als Business Analyst der J. GmbH in M. beschäftigt. Daneben absolvierte sie ein Fernstudium "Grundwissen Buchhandel" von 2007 bis 2010 zur Vorbereitung ihrer geplanten Selbstständigkeit als Buchhändlerin.
Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung der Klägerin vom 31.8.2010 zum 31.10.2010. Im Rahmen des von der beklagten Agentur für Arbeit München angestrengten Sperrzeitverfahrens äußerte sich die Klägerin zu den Gründen der Kündigung. Sie gab als Grund die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit an. In ihrer letzten Tätigkeit hätte es an Entwicklungsmöglichkeiten gemangelt. Es habe ein sehr hoher Leistungsdruck und Arbeitsaufwand bestanden, ohne dass dieser entsprechend vergütet worden sei.
Am 27.9.2010 meldete die Klägerin ihren Nebenwohnsitz in G. und am 5.10.2010 ihre selbstständige Tätigkeit beim Finanzamt G. an. Als Datum der voraussichtlichen Aufnahme der Geschäftstätigkeit nannte sie dort den 15.11.2010.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.11.2010 eine Sperrzeit vom 1.11.2010 bis 23.1.2011 gegen die Klägerin fest. Rechtsmittel legte die Klägerin hiergegen nicht ein.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten beantragte die Klägerin am 6.10.2010 mündlich die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III wegen der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit als Buchhändlerin in G. ab dem 15.11.2010. Die schriftlichen Antragsunterlagen reichte die Klägerin am 14.11.2010 unter ihrer M. Wohnanschrift ein.
Ihren Buchladen mit dem Namen "B." eröffnete die Klägerin am 11.12.2010.
Mit Bescheid vom 26.1.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung des Gründungszuschusses ab, da die Existenzgründung außerhalb des Geltungsbereiches des SGB III stattfinde. Den Bescheid adressierte die Beklagte an die Wohnanschrift der Klägerin in Österreich.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.2.2011 unter Angabe ihrer G. Wohnanschrift Widerspruch ein. Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor: Sie sei bislang dahin gehend beraten worden, dass die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Ausland der Gewährung eines Gründungszuschusses nicht entgegen stehe. Nur die Auszahlung des Zuschusses sei an das Vorhandensein eines deutschen Bankkontos geknüpft.
Am 8.3.2011 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 1.12.2010 unter Aufgabe ihrer Wohnung in M. und Beibehaltung ihrer Nebenwohnung in G. mit der Hauptwohnung in P./E. an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.3.2011 wies die Beklagte den Widerspruchsbescheid aus den Gründen der Ausgangsentscheidung zurück. Zudem habe die Klägerin keinen festen Wohnsitz mehr in Deutschland.
Am 21.4.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. Im Absender gab sie ihre Wohnung in G. an. Zur Klagebegründung trägt sie im Wesentlichen vor. Sie habe bis 8.3.2011 ihren Hauptwohnsitz in M. gehabt. Am 8.3.2011 habe sie bei der zuständigen Meldebehörde den Wechsel ihrer vorwiegend benutzten Wohnung (Hauptwohnung) nach P., Ortsteil G., angezeigt und gleichzeitig einen Nebenwohnsitz in G. genommen. Derzeit pendele die Klägerin zwischen G. und G ... Sie habe ihren Hauptwohnsitz ständig in Deutschland gehabt. Bis zum 8.3.2011 in M., seitdem in P ... Dort habe die Klägerin zusammen mit ihrer Schwester ein Haus geerbt. Bereits Ende 2009 habe sich die Klägerin mit der Beklagten in M. wegen der Klärung eines Gründungszuschusses in Verbindung gesetzt. In einem Beratungstermin sei ihr mitgeteilt worden, dass eine Förderung in Österreich kein Problem sei. Die Klägerin habe daraufhin begonnen, Vorbereitungen für die geplante Selbstständigkeit zu treffen, etwa indem sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Geschäftslokal begeben habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses seien erfüllt. Die Klägerin sei nach dem 1.11.2010 arbeitslos gewesen und habe zum Zeitpunkt der Gründung noch über einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von über 90 Tagen verfügt. Sie habe die Tragfähigkeit des Vorhabens nachgewiesen und verfüge über die zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit als Buchhändlerin notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Sie habe ein Rechtsanspruch auf die Gewährung des Gründungszuschusses. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die schriftliche Klagebegründung Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 9.3.2011 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin die mit Antrag vom 14.11.2010 begehrten Leistungen in Form des Gründungszuschusses nach dem SGB III zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihren Standpunkt, wonach sich die Klägerin wegen der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ständig in G. aufgehalten habe. Eine Unternehmensgründung im Ausland sei damit nicht förderfähig.
Mit Beschluss vom 17.11.2011 hat sich das Sozialgericht München für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Chemnitz verwiesen.
Am 27.6.2013 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Die Klägerin hat hier unter anderem weiter vorgetragen, dass sie in einer eigenen abgeschlossenen Wohnung des ererbten Hauses wohne. Das Haus sei in den Jahren 2006/07 ererbt worden. Seither pendele sie regelmäßig, wenn es ihre Arbeit ermögliche, nahezu wöchentlich dorthin. Sie besitze einen Audi A 3 Baujahr 1998 mit Benzinmotor, der über 200.000 Km Fahrleistung aufweise. Das Auto sei im E. zugelassen. Die Entfernung nach G. betrage ca. 700 km. Der Jahresumsatz ihrer Buchhandlung habe im Jahre 2011 bei ca. 30.000,00 EUR bis 40.000,00 EUR gelegen. Die Zahlen aus dem Jahr 2012 lägen noch nicht vor. Die Gründungsphase ihrer Buchhandlung habe einen verstärkten Einsatz ihrer Arbeitskraft erfordert. Während ihrer Abwesenheit werde sie durch Aushilfsmitarbeiter vertreten, die im Buchladen oder bei Büchertischen auf Veranstaltungen aushülfen. Sie überlege derzeit, Festanstellungen vorzunehmen. Ihre Selbstständigkeit habe sich gut entwickelt. Wenn die Beklagte ihr Vermittlungsangebote vorgelegt hätte, hätte sie diese in Erwägung gezogen, sofern sie sich als attraktiv erwiesen hätten.
Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten Gründungszuschusses.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung ist § 57 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl. I S. 1706; im Folgenden: a.F.). Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) am 1.1.2012 eingeführte Neuregelung des § 93 SGB III ist auf "Altfälle" nicht anwendbar (vgl. § 422 Abs. 1 SGB III).
Nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Anspruch wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch oder (b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, (2.) bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt, (3.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (4.) ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
§ 57 SGB III a. F. ist hier bereits nicht anwendbar, weil die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit im Ausland aufgenommen und ihren Wohnsitz hierzu ins Ausland an den Ort ihrer selbstständigen Tätigkeit verlegt hat. Die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit im Ausland durch einen Gründungszuschuss ist zwar nach den abstrakten Bewilligungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie setzt aber voraus, dass der Existenzgründer zumindest noch seinen Wohnsitz i.S. von § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I – im Bundesgebiet hat (vgl. BSG, Urteil 27.8.2008 – B 11 AL 22/07 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.1.2012 – L 9 AL 100/11). Der Unternehmensgründer muss daher gewissermaßen als "Grenzpendler" (s. Leitsatz BSG aaO) zwischen Wohnsitz und Arbeitsort einzustufen sein. Daran fehlt es hier.
Nach § 30 Abs. 3 SGB I hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Mit dieser Voraussetzung soll vermieden werden, dass durch die Begründung eines Scheinwohnsitzes missbräuchlich Sozialleistungen in Anspruch genommen werden. Es kommt für den Wohnsitz daher auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die Frage der formalen Anmeldung nach den Meldegesetzen der Länder an. Unter Wohnsitz im Sinne von § 30 Abs. 1 und 3 SGB I ist daher der räumliche Bereich zu verstehen, in dem sich der Lebensmittelpunkt einer Person befindet (vgl. Mrozynski, SGB I, Kommentar, 4. Auflage 2010, RdNrn. 15 – 17 zum § 30). Gemessen an diesen Voraussetzungen, befand sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin bei Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zur Überzeugung des Gerichts nicht in P., Ortsteil G., sondern in G ...
Regelmäßig rechtfertigt der Aufenthalt zur Ausübung einer Beschäftigung in Vollzeit an einem bestimmten Ort die Annahme, dass der Beschäftigungsort auch der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. der Lebensmittelpunkt des Betreffenden ist. Besondere Umstände können allerdings eine abweichende Einschätzung rechtfertigen. Derartige Umstände liegen hier zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. Zwar hat die Klägerin persönliche Bindungen insbesondere durch das ererbte Wohnhaus in P. in den Jahren 2006/2007 vorgetragen. Indes ist dieser Umstand nicht ausreichend, einen Lebensmittelpunkt der Klägerin in P. anzunehmen. Die Klägerin hat hier nachvollziehbar keine Lebensumstände oder persönliche Bindungen dargelegt, die derart gewichtig sind, dass sie die Annahme eines Lebensmittelpunktes außerhalb des Ortes ihrer Beschäftigung rechtfertigen. Die hier zu Tage getretenen Lebensumstände lassen vielmehr nur den Schluss zu, dass der Ort, in dem die Klägerin ihre Buchhandlung betreibt, zugleich ihr Lebensmittelpunkt und damit ihr Wohnsitz im Sinne von § 30 SGB I ist.
Der Betrieb der Buchhandlung erfordert eine dauerhafte Präsens am Arbeitsort. Über diesen Betrieb zu den üblichen Öffnungszeiten hinaus ist die Klägerin unter anderem durch Büchertische bei verschiedensten Veranstaltungen vertreten. Dies lässt sich unter anderem der ins Internet gestellten Homepage der klägerischen Buchhandlung entnehmen. Derartige Veranstaltungen fallen auch auf die Wochenenden. Daneben veranstaltet die Klägerin Bücherlesungen. Dass sich die Klägerin hier stets durch Mitarbeiter vertreten lässt, erscheint schon im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten nicht nachvollziehbar. Die Tätigkeit der Klägerin sowie die genannten Veranstaltungen verlangen einen hohen persönlichen Einsatz. Sie erfordert eine intensive persönliche Kontaktpflege und damit in hohem Maße eine örtliche und regionale Präsens. Damit ist aber sowohl die abstrakte Art der Tätigkeit als auch das vorliegend zum Ausdruck gekommene hohe persönliche Engagement der Klägerin mit der Vorstellung eines Lebensmittelpunktes in P. unvereinbar. Zumindest ein Hinweis darauf ist auch, dass die Klägerin ihren Schriftwechsel zunächst unter ihrer M., dann unter ihrer G. und zu keinem Zeitpunkt unter einer P. Wohnanschrift führte.
Zudem hat sich die Klägerin bezüglich ihrer Angaben zu den Wohnungswechseln in erhebliche Widersprüche verwickelt. In ihrer schriftlichen Klagebegründung hat sie vorgetragen, dass sie ihre Hauptwohnung in M. inne gehabt und sich nach Aufgabe der M. Wohnung am 8.3.2011 unmittelbar mit dem Hauptwohnsitz in P. angemeldet habe. Damit sieht sie ihren Standpunkt belegt, wonach durchgängig eine Hauptwohnung und damit ein Wohnsitz in Deutschland bestanden habe. Der erste Widerspruch liegt hier allerdings bereits darin, dass die Klägerin in der schriftlichen Klagebegründung vom 4.11.2011 vorträgt, sie habe ihre Nebenwohnung erst am 8.3.2011 begründet. Ausweislich der vorgelegten Meldebestätigung der Gemeinde G. vom 27.9.2010 datiert die Anmeldung des Nebenwohnsitzes aber bereits auf gerade diesen 27.9.2010. Im Hinblick auf die notwendigen Vorbereitungen der Geschäftstätigkeit dürfte sich die Klägerin ab diesem Zeitpunkt auch regelmäßig in G. aufgehalten haben.
Schwerer wiegt noch der Widerspruch der klägerischen Schilderungen zum Inhalt der vorgelegten Meldebestätigung vom 8.3.2011. Daraus geht hervor, dass sich die Klägerin am 8.3.2011 rückwirkend zum 1.12.2010 mit der Hauptwohnung nach P. angemeldet hatte. Dies spricht dafür, dass sie womöglich seit dem 1.12.2010 auch nicht mehr in M., sondern schon in G. wohnte. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin darüber hinaus vorgetragen, dass sie infolge der Erbschaft des elterlichen Wohnhauses in den Jahren 2006 und 2007 fortlaufend und regelmäßig, sofern dazu Zeit bleibe, nahezu jedes Wochenende nach P. pendele. Wenn sich aber seit dieser Zeit nichts geändert hat, drängt sich die Frage auf, weshalb die Klägerin sich dann nicht noch wesentlich früher mit der Hauptwohnung wieder in P. angemeldet hatte.
Gegen die Klägerin spricht im Weiteren der Zeitpunkt ihres Vortrags. Von einem etwaigen Wohnsitz in P. war bis zur Klageerhebung nie die Rede. In keinem Schriftstück in der Behördenakte findet sich für die Zeit bis zur Klageerhebung ein Bezug der Klägerin zu ihrer früheren Heimatregion. Wenn es den von der Klägerin vorgetragenen Bezug schon seit 2006/2007 in dieser Form gegeben hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass sich den umfangreichen Antragsunterlagen vom 14.11.2010, zum Beispiel dem Lebenslauf, hierzu etwas entnehmen lässt. Ein regelmäßiges Pendeln zwischen G. und dem E. ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Es hätte daher nahe gelegen, dass die Klägerin diese Kosten in ihrem zum Antrag vorgelegten Unternehmenskonzept und Businessplan im Rahmen der Kapitalbedarfsberechnung unter der Rubrik "Privatentnehmen" aufführt. Weder hierzu noch für etwaige Kosten des Wohneigentums ihrer vorgeblichen Hauptwohnung findet sich aber eine entsprechende Angabe. Wären diese Kosten tatsächlich angefallen, wäre die Kapitalbedarfsplanung wohl als lückenhaft zu bezeichnen. Überdies wäre der Umstand, dass die Klägerin beabsichtigte, ihren Lebensmittelpunkt in P. beizubehalten, während sie als Selbstständige eine Buchhandlung in G. betreibt, ein wesentlicher Aspekt für die Frage der Erfolgsaussichten und damit der Tragfähigkeit des Gründungsvorhabens. Die Klägerin selbst hat von einem verstärkten Einsatz in der Gründungsphase gesprochen. In ihrem Unternehmenskonzept hatte die Klägerin eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden angegeben. In der Gründungsphase dürfte dieser Wert nach aller Lebenserfahrung kaum einzuhalten gewesen sein. Wie sich ein solch intensiver Einsatz mit einem kräftezehrenden regelmäßigen Pendelverkehr zwischen P. und G. in Einklang bringen lässt, wäre daher zumindest erklärungsbedürftig gewesen.
All diese Unstimmigkeiten lassen nur den Schluss darauf zu, dass es sich so, wie es die Klägerin angibt, tatsächlich nicht zugetragen haben kann. Die Kammer ist mithin davon überzeugt, dass die Klägerin spätestens mit Aufnahme ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit, wahrscheinlich sogar noch früher, ihren Lebensmittelpunkt nach G. verlegt hatte. Wie es sich dabei mit den Wohnungswechseln etwa von M. nach G. genau verhielt, muss im Hinblick auf die getroffene Feststellung, dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Geschäftseröffnung ihren Lebensmittelpunkt in G. hatte, nicht abschließend aufgeklärt werden.
Lag somit der Wohnsitz der Klägerin zum Zeitpunkt der Existenzgründung nicht mehr in Deutschland, entfällt die soziale Verantwortung des bundesdeutschen Sozialstaats für die Unterstützung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Ausland. Der betreffende Staatsbürger nimmt dann an dem Schicksal aller anderen Existenzgründer im Territorium des Aufenthaltsstaates teil. Ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss scheidet damit schon wegen des fehlenden Wohnsitzes der Klägerin im Bundesgebiet im Sinne von § 30 SGB I aus.
Die Klägerin kann sich für die Gewährung des Zuschusses für ihre Unternehmensgründung im Ausland auch nicht auf eine etwaige Auskunft einer Beklagten-Mitarbeiterin berufen, die ihr zugesagt habe, die Förderung in Österreich sei "kein Problem". Eine rechtsverbindliche schriftliche Zusicherung im Sinne von § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – ist nicht erteilt worden. Darüber hinaus wurde die Klägerin bereits am 6.10.2010 über die fehlende Förderfähigkeit ihres Vorhabens unterrichtet. In dem Gesprächsvermerk, den die Mitarbeiterin A. über die persönliche Vorsprache der Klägerin am 6.10.2010 fertigte, heißt es auszugsweise, dass
" ...eine Gz-Förderung nur erfolgen kann, wenn die selbstst. Tätigkeit im Geltungsbereich des SGB III aufgenommen wird (Bestätigung nach RS mit 221L und 272N) "
Die Klägerin hat nach dem weiteren Inhalt des Vermerks gleichwohl auf der Antragstellung bestanden, so dass der 6.10.2010 als Antragsdatum erfasst wurde. Bei dieser Sachlage konnte ein wie auch immer geartetes Vertrauen der Klägerin auf die Gewährung des Zuschusses von vornherein nicht entstehen. Aus dem von der Klägerin zur Unterstützung ihres Vorbringens vorgelegten E-Mail-Verkehr mit der Beklagten folgt nichts anderes. Die Antworten vom 15.9.2009 auf die Anfrage der Klägerin vom 14.9.2009 unter anderem auch zum Thema Gründungszuschuss enthalten nur unverbindliche Hinweise darauf, dass diese Fragen im Rahmen eines noch zu vereinbarenden Beratungstermins zu klären seien.
Zugleich liegen die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. nicht vor, selbst wenn man davon ausginge, dass trotz des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin in G. die Gewährung eines Gründungszuschusses möglich wäre. Abgesehen davon, dass der Gründungszuschuss ohnehin erst nach Ablauf der bis zum 23.1.2011 verhängten Sperrzeit hätte geleistet werden können (vgl. § 57 Abs. 3 SGB III a.F.), war die Klägerin nicht arbeitslos i.S. von §§ 117, 119 SGB III a.F. und hatte daher zum Zeitpunkt der Existenzgründung nicht den nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) SGB III a.F. erforderlichen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III.
Die Art des Vorhabens, die oben genannten Umstände sowie die zeitlichen Zusammenhänge lassen nur den Schluss darauf zu, dass die Klägerin durch ihr Gründungsvorhaben derart intensiv gebunden war, dass bereits die Gründungsphase in der Zeit vom 1.11.2010 bis zur Eröffnung des Buchladens selbst am 11.12.2011 als Teil der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin bewertet werden muss. Es ist anerkannt, dass auch Vorbereitungshandlungen für Aufnahme der eigentlichen Tätigkeit als Teil der selbstständigen Tätigkeit gelten, sofern sie ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 5.5.2010 – B 11 AL 28/09 R; SG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.3.2012 - S 15 AL 300/09 mwN). Auch für diese Zeit besteht dann bereits ein Anspruch auf Gründungszuschuss. Damit soll zugleich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass aufgrund der umfangreichen Vorbereitungstätigkeit die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld notwendige Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung wegfällt (vgl. § 119 Abs. 3 und Abs. 5 SGB III a.F.). Zugleich besteht dann nicht die Gefahr, dass die Zeitgrenze von 15 Stunden für die zulässige Ausübung einer Nebenbeschäftigung während der Arbeitslosigkeit überschritten wird. Vorliegend bedarf es keiner großen unternehmerischen Phantasie, um sich vorstellen zu können, welchen immensen Arbeitsaufwand die Klägerin in den Wochen nach dem Ende ihrer Beschäftigung bis zur Eröffnung des Buchladens bewältigen musste. Dieser Gesichtspunkt war der Klägerin auch nicht unbekannt. Ausweislich des bereits erwähnten Beratungsvermerks der Mitarbeiterin A. vom 6.10.2010, 11.39 Uhr, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei einem nahtlosen Übergang in die Selbstständigkeit die Förderung nicht möglich sei.
Aber selbst wenn man die Vorbereitungen der Kläger nicht bereits als Ausübung der selbstständigen Tätigkeit an sich ansähe, war die Klägerin in dieser Zeit jedenfalls nicht mehr für die Arbeitsvermittlung im Sinne des § 119 Abs. 5 SGB III a.F. verfügbar und demzufolge nicht arbeitslos. In der relativ kurzen Phase vom Ende ihrer selbstständigen Tätigkeit bis zur Geschäftseröffnung kann nicht ernsthaft die Bereitschaft der Klägerin angenommen werden, noch einem Vermittlungsvorschlag der Beklagten zur Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung Folge zu leisten. Insofern fehlt es an der subjektiven Verfügbarkeit im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 4 SGB III a.F. Hier hat die Klägerin zwar sinngemäß erklärt, dass sie ein lukratives Angebot durchaus in Erwägung gezogen hätte. Indes ist diese Erklärung unvereinbar mit den tatsächlichen Verhältnissen. Die Klägerin hat über Jahre hinweg auf das Ziel der Selbstständigkeit hingearbeitet. Mit Aufgabe ihrer Tätigkeit bei der J. GmbH stand sie kurz vor der Verwirklichung ihres Vorhabens. In ihrer Stellungnahme zu den Kündigungsgründen im Sperrzeitverfahren hatte die Klägerin ihre geplante Selbstständigkeit an allererster Stelle genannt. Die Vorbereitungen waren zwischenzeitlich weit gediehen, die Klägerin hatte sich eine Wohnung genommen, um das Ladenlokal hatte sie sich bereits seit Ende 2009 gekümmert. Bereits am 5.10.2010 hatte die Klägerin ihre Tätigkeit beim Finanzamt G. angemeldet. Ursprünglich sollte die eigentliche Geschäftstätigkeit am 15.11.2010 beginnen. Bei dieser Sachlage kann nicht auf eine innere Bereitschaft geschlossen werden, etwaigen Vermittlungsangeboten der Beklagten noch Folge leisten zu wollen. Diese fehlende innere Bereitschaft zeigt sich nach außen etwa darin, dass die Klägerin im Rahmen der persönlichen Vorsprache bei der Mitarbeiterin A. am 6.10.2010 erklärt hatte, ihr Bewerberprofil solle wegen der ab Mitte November 2010 geplanten Selbstständigkeit nicht veröffentlicht werden. Diese Erklärung hielt die betreffende Mitarbeiterin in einem gesonderten Vermerk fest (s. Bl. 33 der Behördenakte).
Darüber hinaus stünde der Annahme, die Klägerin sei in dieser Zeit arbeitslos gewesen, entgegen, dass sie durch ihre vorbereitende Geschäftstätigkeit in G. Vorschlägen der Agentur für Arbeit nicht zeit- und ortsnah im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F. Folge leisten konnte.
Nicht zuletzt sprechen der Sinn und Zweck sowie die historischen Zusammenhänge und die gesetzliche Systematik dagegen, die hier in Rede stehende Selbstständigkeit der Klägerin mit einem Gründungszuschuss zu fördern. Über die oben genannten Erwägungen hinaus, verbieten die genannten Auslegungskriterien ein Haften am Wortlaut der Vorschrift. Dieser ist auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Die Klägerin ist nicht die typische "Arbeitslose", die Gesetzgeber bei Schaffung dieses arbeitsmarktspezifischen Förderinstruments im Auge hatte. Hier geht es nicht um eine Existenzgründung aus der unverschuldet eingetretenen Notlage einer Arbeitslosigkeit hinaus. Vielmehr hat die Klägerin gerade mit dem Ziel der Selbstständigkeit den Weg über eine kurze "Arbeitslosigkeit" beschritten. Sie war durch ihre langjährige unselbstständige Tätigkeit in den Arbeitsmarkt integriert und entschied sich aus freien Stücken für einen Wechsel in die Selbstständigkeit. Derartige Existenzgründungen sind daher ein Fall für eine allgemeine Wirtschaftsförderung, nicht aber für die Arbeitsmarktförderung. Nach dem seit 1.1.2012 geltenden Recht könnte daher die Förderung einer solchen Unternehmensgründung im Rahmen der Ermessensausübung unproblematisch abgelehnt werden. Aber auch bereits nach dem hier anwendbaren Recht stehen die genannten Auslegungskriterien dem Anspruch auf Förderung entgegen. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 27.8.2008 – B 11 AL 22/07 R – zur Vorgängerregelung des Gründungszuschusses, dem Existenzgründungszuschuss, dieses Förderinstrument als spezifisches arbeitsmarktpolitisches Instrument heraus gestellt. Gesetzgeberisches Ziel des Existenzgründungszuschusses war die Förderung der Beendigung der Arbeitslosigkeit nebst Minderung der Ausgaben für Entgeltersatzleistungen und ggf. Einstellung bisheriger Schwarzarbeit zur Bekämpfung der Anfang der 2000er Jahre nachhaltig gestiegenen Arbeitslosigkeit, darunter auch der Langzeitarbeitslosigkeit. Diesem Zweck dient aber nicht die Förderung derjenigen Arbeitnehmer, die – zudem sperrzeitbelastet – aus einer langjährigen gesicherten Beschäftigung ausscheiden, um zur Verwirklichung eigener Lebenspläne fast nahtlos im Anschluss an diese Beschäftigung eine lange geplante selbstständige Tätigkeit aufzunehmen.
Die Klage war daher mit der sich aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Klägerin trägt als unterlegene Streitpartei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
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