Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AL 863/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der nach § 94 Abs. 2 SGB III zu treffenden Ermessensentscheidung über die Weiterbewilligung eines Gründungszuschusses für die Gründung einer frauenärztlichen Praxis kommt es auch nach Verkürzung der ersten Förderungsphase auf sechs Monate durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am
Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) maßgeblich darauf an, dass sich die
Gründung im ersten Bewilligungsabschnitt so weit gefestigt und am Markt behauptet hat, dass der Gründer seinen Lebensunterhalt mit den laufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb im zweiten Bewilligungsabschnitt sichern und den Zuschuss von 300,00 EUR für seine Beiträge zur sozialen Absicherung verwenden kann.
Es widerspricht dem Leitbild und dem Zweck eines Gründungszuschusses, wenn der Gründer sein vorher bestehendes Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch
Aufhebungsvertrag beendet, um im Zuge einer bereits längerfristig bestehenden
Lebensplanung seine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Beantragt er aus der so herbeigeführten Arbeitslosigkeit einen Gründungszuschuss, darf dieser ermessensfehlerfrei abgelehnt werden.
Ein Gründungszuschuss ist nicht notwendig im Sinne von § 93 SGB III, wenn der Gründer seinen Lebensunterhalt und seine Beiträge zur sozialen Sicherung aus einem im Zuge der Gründung erhaltenen Darlehen bestreiten kann.
Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) maßgeblich darauf an, dass sich die
Gründung im ersten Bewilligungsabschnitt so weit gefestigt und am Markt behauptet hat, dass der Gründer seinen Lebensunterhalt mit den laufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb im zweiten Bewilligungsabschnitt sichern und den Zuschuss von 300,00 EUR für seine Beiträge zur sozialen Absicherung verwenden kann.
Es widerspricht dem Leitbild und dem Zweck eines Gründungszuschusses, wenn der Gründer sein vorher bestehendes Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch
Aufhebungsvertrag beendet, um im Zuge einer bereits längerfristig bestehenden
Lebensplanung seine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Beantragt er aus der so herbeigeführten Arbeitslosigkeit einen Gründungszuschuss, darf dieser ermessensfehlerfrei abgelehnt werden.
Ein Gründungszuschuss ist nicht notwendig im Sinne von § 93 SGB III, wenn der Gründer seinen Lebensunterhalt und seine Beiträge zur sozialen Sicherung aus einem im Zuge der Gründung erhaltenen Darlehen bestreiten kann.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die am xx.xx.1971 geborene Klägerin begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses für weitere neun Monate vom 1.7.2012 bis 31.3.2013.
Die Klägerin ist seit 1997 Ärztin und seit 2003 Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie arbeitete bis zum 22.9.2011 als angestellte Gynäkologin am städtischen H. Krankenhaus in Z. Die Tätigkeit dort endete mit Aufhebungsvertrag.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 4.10.2011 die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als niedergelassene Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Z. Die Klägerin hatte hierzu im Zuge einer bereits 2009 veröffentlichen Ausschreibung eine frauenärztliche Praxis übernommen. Die Zulassung zur Fortführung des von der Vorgängerin der Klägerin im Februar 2010 eingestellten Praxisbetriebs erteilte die kassenärztliche Vereinigung am 8.3.2011. Mit den Umbaumaßnahmen in der übernommenen Praxis begann die Klägerin am 1.8.2011. Die Eröffnung der Praxis war für den 1.1.2012 vorgesehen. Der Praxisbetrieb war von Beginn an mit einer angestellten Ärztin geplant. Die zu ihrem Antrag vom 4.10.2011 vorgelegten Ertragsprognosen wiesen für das Jahr 2012 monatliche Fehlbeträge und für die Zeit von Januar 2013 bis März 2013 monatliche Überschüsse aus.
Mit Bescheid vom 5.1.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Gründungs¬zuschuss vom 1.1.2012 bis 30.6.2012 in Höhe von monatlich 2.047,80 EUR für die von der Klägerin am 1.1.2012 aufgenommene selbstständige Tätigkeit als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Im Zuschuss enthalten war eine Pauschale von 300,00 EUR zur sozialen Sicherung. Der Bescheid war bereits mit einem Hinweis auf eine weitere Förderung von monatlich 300,00 EUR für neun Monate verbunden.
Am 11.5.2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Gründungszuschusses. Einen Bericht vom 12.7.2012 über ihre bisherige Geschäftstätigkeit reichte sie nach. Darin führte die Klägerin im Wesentlichen aus: Die Geschäftstätigkeit habe sich gut entwickelt. Die Praxis werde gut angenommen und die Patientenzahlen stiegen kontinuierlich an. Eine gewisse "Anlauffrist" sei im Rahmen der Praxisplanung einkalkuliert worden und entspreche den Erwartungen. In ca. einem Jahr sei mit Patientenzahlen zu rechnen, wie sie in seit Jahren laufenden Praxen vorzufinden seien. Dies sei eine normale Entwicklung. Die positive Praxisentwicklung sei gesichert, zumal in den nächsten Jahren weitere Kollegen in den Ruhestand träten.
Zu ihrem Bericht legte die Klägerin eine betriebswirtschaftliche Auswertung der R. Steuerberatungsgesellschaft mbH in C. vom 4.7.2012 für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 sowie eine neue Ertragsprognose für die Zeit von Juli 2012 bis Mai 2013 vor. Die betriebswirtschaftliche Auswertung wies einen Gesamtverlust von insgesamt 82.360,31 EUR aus. Die Ertragsprognose sah erstmals für den Monat April 2013 die Erzielung eines Überschusses in Höhe von 1.528,00 EUR vor. Für das zweite Halbjahr 2012 waren weiterhin monatliche Fehlbeträge von jeweils mehreren tausend Euro eingeplant. Die Fehlbeträge für die ersten drei Monate des Jahres 2013 bezifferte die Klägerin auf monatlich 389,00 EUR. In den Monaten April und Mai 2013 sollten Überschüsse von jeweils 2.611,00 EUR erwirtschaftet werden.
Zur Frage der Genehmigungsfähigkeit der zweiten Phase des Gründungszuschusses fertigte der Mitarbeiter der Beklagten R. den folgenden Bearbeitungsvermerk:
"( ) Ablehnung Weitergewährung GZ 2. Phase Begründung: Mit der Zahlung des GZ für weitere 9 Monate hat der Gesetzgeber die Erwartung verbunden, dass sich die Existenzgründung nach der Anlaufphase soweit gefestigt hat, dass der Lebensunterhalt aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann und nur noch ein Zuschuss zur Sozialversicherung erforderlich ist. Dieses Ergebnis wird im vorliegenden Antrag nicht erreicht. Der bisher generierte Umsatz entspricht annähernd den geplanten Größen aus dem Gründungskonzept, hauptberufliche Selbstständigkeit liegt damit vor. Das Betriebsergebnis liegt aber aufgrund der hohen Kosten (z.B. Personalkosten), unter dem Mindesteinkommen, weit im negativen Bereich. Grundsätzlich soll ein Selbstständiger aus dem mtl. Betriebsergebnis seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Lt. ihrer eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Zeitraum 01/2012 bis 06/2012 haben sie insgesamt 20474,97 EUR Betriebseinnahmen erzielt, dem gegenüber stehen Betriebsausgaben in Höhe von 102835,28 EUR. Allein die Personalkosten übersteigen das doppelte ihrer Einnahmen. Auch die eingereichte Umsatzprognose bis Mai 2013 weist keine wesentliche Gewinnsteigerung aus. Die Aufstellung für die weiteren Monate bis März 2013 wiesen einen Verlust von mtl. Verlust von minimum 3.524,- EUR (Dez 2012) bis maximum 9.062,- EUR (Aug.2012) auf. Auch in den Monaten 01/2013 bis 03/2103 planen Sie mit einem Verlust von monatlich 1472,-EUR. Erst ab dem Monat April rechnen Sie mit einem mtl. positiven Betriebsergebnis. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 94 Abs. 2 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sind die Überprüfung der bisherigen Geschäftstätigkeit und der Auswertung der bisherigen Geschäftszahlen sowie die Betrachtung der Zukunftsaussichten einer Selbstständigkeit, zulässige Gesichtspunkte, die für die Weiterförderungsentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung sind, denn nach der Konzeption des Gesetzes soll mit der Pauschale von 300,00 EUR die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wenn der Lebensunterhalt bereits bestritten werden kann. Der Weitergewährungsantrag GZ wird abgelehnt ( ...)."
Mit Bescheid vom 15.8.2012 lehnte die Beklagte die Weitergewährung des Gründungszuschusses ab. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen: Mit der Zahlung des Gründungszuschusses für weitere sechs Monate habe der Gesetzgeber die Erwartung verbunden, dass sich die Existenzgründung nach der Anlaufphase soweit gefestigt habe, dass der Lebensunterhalt aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden könne und nur noch ein Zuschuss zur Sozialversicherung erforderlich sei. Dieses Ergebnis werde im vorliegenden Antrag nicht erreicht. Der bisher generierte Umsatz entspreche zwar annähernd den geplanten Größen aus dem Gründungskonzept, das Betriebsergebnis liege aber aufgrund der hohen Kosten (z.B. Personalkosten) unter dem Mindesteinkommen und weit im negativen Bereich. Grundsätzlich soll ein Selbstständiger aus dem Betriebsergebnis seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Im Falle der Klägerin lägen die Kosten über dem Doppelten der Einnahmen. Auch die eingereichte Umsatzprognose bis Mai 2013 weise keine wesentliche Gewinnsteigerung auf. Erst ab dem Monat April 2013 rechne die Klägerin mit einem positiven Betriebsergebnis. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 94 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III – seien die Überprüfung der bisherigen Geschäftstätigkeit, die Auswertung der bisherigen Geschäftszahlen sowie die Betrachtung der Zukunftsaussichten einer Selbstständigkeit die für die Weiterförderungsentscheidung ausschlaggebenden Gesichtspunkte. Nach der Konzeption des Gesetzes solle mit der Pauschale von 300,00 EUR die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wenn der Lebensunterhalt bereits bestritten werden könne.
Mit Schreiben vom 19.8.2012 legte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB III Widerspruch ein.
Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 24.9.2014 auf die der Ermessensentscheidung über die Weiterförderung zugrundeliegenden Kriterien hin und forderte sie auf, eine Einnahmen- und Ausgabenübersicht für die Monate Juli und August 2012 bis zum 10.10.2012 vorzulegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Wesentlichen mit den Erwägungen des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend hieß es: Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass die Beklagte den Gründungszuschuss für weitere neun Monate in Höhe von 300,00 EUR leisten könne, um die Nachhaltigkeit der Gründung zu stärken und die Gründerin oder den Gründer sozial abzusichern. Aus der Formulierung "kann" ergebe sich, dass auf die Weitergewährung kein Rechtsanspruch bestehe, sondern diese vielmehr im Ermessen der Beklagten liege. Dabei habe die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die Interessen der Versichertengemeinschaft gegenüber den Interessen der Klägerin abzuwägen. Das Interesse der Klägerin bestehe darin, dass die Beklagte die zweckgebundene Leistung zur sozialen Sicherung weiterhin gewährt. Das Interesse der Versichertengemeinschaft bestehe darin, dass möglichst viele Antragsteller gefördert werden könnten und die begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel nur dann ausgezahlt würden, wenn zu erwarten sei, dass nur dann eine Zahlung erfolge, wenn der Lebensunterhalt aus den Einnahmen der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden könne und die zweckgebundenen Mittel lediglich zur sozialen Absicherung eingesetzt würden. Dieses Ergebnis werde vorliegend nicht erreicht. Das Betriebsergebnis liege im negativen Bereich. Nach der eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Zeitraum 01/2012 bis 06/2012 seien insgesamt 20.474,97 EUR Betriebseinnahmen erzielt worden, denen gegenüber Ausgaben in Höhe von 102.835,28 EUR gestanden hätten. Erst ab dem Monat April 2013 werde mit einem monatlichen positiven Betriebsergebnis gerechnet. Nach der Konzeption des Gesetzes soll mit der Pauschale von 300,00 EUR die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wenn der Lebensunterhalt bereits bestritten werden könne. Es sei daher nicht ermessensfehlerhaft, den Antrag abzulehnen.
Bei Erlass des Widerspruchsbescheides war ein Schreiben der Klägerin vom 7.10.2012 noch nicht berücksichtigt worden, dem betriebswirtschaftliche Abrechnungen für die Monate Juli und August 2012 beigefügt waren. Die Klägerin wies darauf hin, dass die Krankenversicherung bis zur quartalsweisen Abrechnung der Behandlungen einen Abschlag zahle. Die Quartalsabrechnungen lägen aufgrund der stetig steigenden Patientenzahlen jeweils deutlich über den Abschlägen, so dass sich eine erhebliche Nachzahlung ergebe. Die für den Monat Juli 2012 vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung wies aufgrund der Einnahme aus der Quartalsabrechnung der Krankenversicherung in Höhe von 14.793,40 EUR einen Überschuss von 5.200,77 EUR aus. Die betriebswirtschaftliche Auswertung für den August 2012 wies wiederum einen Verlust von 6.034,40 EUR aus. Wesentlicher Einnahmenposten war hier eine Abschlagszahlung der Krankenkasse in Höhe von 5.000,00 EUR.
Nach Auswertung dieses Schreibens kam die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle der Beklagten H. in einem internen Schreiben vom 25.10.2012 an den zuständigen Fachbereich der Beklagten zu dem vorläufigen Ergebnis, dass eine weitere Förderung erfolgen könne und bat die zuständige Fachabteilung nochmals Prüfung und Mitteilung bis 30.10.2012.
Zu dieser Prüfung legte der in der Fachabteilung zuständige Mitarbeiter unter dem 6.11.2012 den folgenden Vermerk nieder. Hierin heißt es auszugsweise:
" ( ) Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist nicht nur die Betrachtung der Geschäftstätigkeit ein zulässiger Gesichtspunkt, sondern auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen lassen keine neuen Erkenntnisse zu. Trotz der Nachzahlung durch die KV für das Quartal 2012 in Höhe von 14793,40 EUR (mtl. 4931,13 EUR) ergibt sich durch die mtl. Ausgaben von ca. 12.000-14.000,-EUR ein negatives Betriebsergebnis. Lt. Planung von Fr. P. wird erst nach Ablauf der zweiten Förderphase (04/2013) ein positives Ergebnis erreicht, welches zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienen kann. Damit ist das Erreichen einer Wirtschaftlichkeit aus heutiger Sicht in einem überschaubaren Zeitraum nicht möglich ( )."
Daraufhin teilte die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle H. der Klägerin mit Schreiben vom 6.11.2012, das unter der Überschrift "Widerspruchs¬verfahren" stand, am 6.11.2012 mit, dass keine andere Entscheidung als die im Widerspruchsbescheid getroffene möglich sei. Die vorgelegten Unterlagen ließen keine anderen Erkenntnisse zu. Trotz der Nachzahlung der Krankenkasse ergebe sich durch die hohen monatlichen Ausgaben ein negatives Betriebsergebnis. Erst nach Ablauf der zweiten Förderphase im April 2013 werde ein positives Ergebnis erreicht. Damit sei das Erreichen einer Wirtschaftlichkeit aus heutiger Sicht in einem überschaubaren Zeitraum nicht möglich.
Mit der am 22.11.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin unter Darlegung im Einzelnen ihr Begehren weiter. Sie kritisiert, dass eine Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren nicht stattgefunden habe. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Der Behördenakte liege eine Mitarbeiteräußerung bei, die trotz derzeit noch nicht ausreichender Einnahmen wegen der besonderen Kostenstruktur nach einer Praxisgründung eine Weiterförderung befürworte. Hieraus ergebe sich eine Selbstbindung der Beklagten.
Die Klägerin beantragt in sachdienlicher Fassung,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2012 in der Fassung des Schreibens vom 6.11.2012 zu verpflichten, der Klägerin für weitere neun Monate vom 1.7.2012 bis 31.3.2013 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 300,00 EUR zu gewähren,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Leistungsakte und den Behördenvorgang. Hieraus legte sie gesondert zwei schriftliche Mitarbeiteräußerungen vor. Unter Bezugnahme darauf führte sie aus: Bei der Äußerung des Mitarbeiters der Rechtsbehelfsstelle handele es sich um einen Prüfungsauftrag an die für die Ermessensausübung zuständige Fachkraft. Diese sei aber unter Einbeziehung der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen weiterhin zu dem Ergebnis gelangt, dass nach wie vor ein negatives Betriebsergebnis bis zum Ende des Förderungszeitraums vorliege. Dieser Umstand lasse eine Weiterförderung nicht zu.
Am 12.6.2014 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Die Klägerin trägt in der mündlichen Verhandlung zum Hintergrund der Praxisgründung vor: Die Arbeitszeiten als Stationsärztin in der H.-Klinik und dabei insbesondere die Nachtdienste seien nicht mehr tragbar gewesen, da sie alleinerziehende Mutter von zwei Kindern sei. Ihr Arbeitgeber sei nicht bereit gewesen, ihr diesbezüglich entgegen zu kommen. Sie habe sich daher zur Selbstständigkeit entschlossen und habe das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet.
Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte (2 Bände zu den beiden Gründungsphasen) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses für weitere neun Monate noch einen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung und Neubescheidung der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Weiterförderung ist § 94 Abs. 2 SGB III in der seit dem 1.1.2012 gültigen Fassung, die er durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, erhalten hat. Dabei braucht nicht weiter erörtert werden, inwiefern bereits bei der Entscheidung über die erste Gründungsphase im Hinblick auf etwaige Vorbereitungshandlungen möglicherweise das bis zum 31.12.2011 gültige Recht hätte angewendet werden müssen. Denn der entsprechende Bewilligungsbescheid vom 5.1.2012, der auf den Beginn der Selbstständigkeit ab dem 1.1.2012 abstellt, ist insoweit bestandskräftig.
Nach § 94 Abs. 2 SGB III kann der Gründungszuschuss für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300,00 EUR geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird. Die Klägerin hat ihre weitere Geschäftstätigkeit dargelegt, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift hier ohne weiteres vorliegen.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift steht die Entscheidung über die Verlängerung des Gründungszuschusses bei fortdauernder Geschäftstätigkeit im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Die richterliche Überprüfung der Ablehnungsentscheidung beschränkt sich daher darauf, ob die Beklagte überhaupt Ermessen ausgeübt hat, ob die Ermessensausübung dem Zweck der Ermächtigung entspricht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet hat (vgl. § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I; § 54 SGG). Steht eine Leistung im Ermessen der Behörde, findet bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung somit nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeits¬überprüfung statt (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, 2012, RdNr. 27 – 28 zu § 54). Das Gericht darf dabei nicht sein eigenes Ermessen an Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Aus der Beschränkung auf die Prüfung der korrekten Ermessensausübung wird zugleich deutlich, dass maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Versagungsentscheidung der Beklagten der Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung ist. Die letzte Ermessensentscheidung lag hier in der Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012, der um das Schreiben der Beklagten vom 6.11.2012 ergänzt wurde.
In der mündlichen Verhandlung wurde bereits erörtert, dass die Kammer schon die Ausgangsbewilligung des Gründungszuschusses für zweifelhaft hält. Die Zweifel gründen sich darauf, dass die Klägerin ihr früheres Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit ihrem Arbeitgeber durch Aufhebungsvertrag beendet hatte. Zusammen mit der langen Vorlaufzeit der Praxisgründung spricht vieles dafür, dass diese als Ausdruck einer seit längerer Zeit geplanten Selbstständigkeit zu bewerten ist. Sie ist damit gerade nicht die Konsequenz aus einer bestehenden Arbeitslosigkeit der Klägerin. Vielmehr erscheint die durch Aufhebungsvertrag herbeigeführte Arbeitslosigkeit als notwendiger Zwischenschritt für die Praxisgründung verbunden mit dem Nebeneffekt, dass dadurch die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Gründungszuschuss eingetreten sind. Für eine solchermaßen verursachte Arbeitslosigkeit aus einer ungekündigten Beschäftigung heraus ist der Gründungszuschuss aber nicht vorgesehen. Der Gründungszuschuss bezweckt die Integration eher schwer vermittelbarer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt. Die Erteilung des Gründungszuschusses wäre somit vom Zweck der Vorschrift nicht umfasst.
Dass die Arbeitslosigkeit hier unvermeidbar war, ist nicht nachzuvollziehen. Es ist weder hinreichend nachvollziehbar vorgetragen noch sonst erkennbar, dass die Arbeitslosigkeit ohne das Zutun der Klägerin eingetreten wäre. Dass die Klägerin von ihrem Arbeitgeber, dessen Träger die Stadt Z. ist, gekündigt worden wäre, weil sie als alleinerziehende Mutter keine Nachtdienste habe ausüben können, erscheint so nicht ohne weiteres plausibel. Auch wenn es hier ein entsprechendes "Drängen" des Arbeitgebers gegeben haben sollte, hätte dieser die arbeitsvertragliche Verpflichtung gehabt, im Rahmen der Dienstplanung auf diese Belange Rücksicht zu nehmen. Im Hinblick auf den besonders in Ostdeutschland beklagten Fachärztemangel, der auch den Krankenhaussektor betrifft, hätte dies wohl auch in seinem wohlverstandenen Eigeninteresse gelegen. Des Weiteren wird die Klägerin selbst nicht stets außer Stande gewesen sein, Nachtschichten wahrzunehmen. In der mündlichen Verhandlung klang insoweit an, dass es hier von familiärer Seite durchaus Unterstützung gab, diese nur nicht ständig zur Verfügung stand. Alles in allem ist jedenfalls nicht erkennbar, dass aufgrund dieser Umstände die Voraussetzungen für eine wirksame Arbeitgeberkündigung hätten vorliegen können.
Der Vortrag der Klägerin ist unter einem weiteren Gesichtspunkt nicht ganz schlüssig. Zur Wahrung ihrer Belange als alleinerziehende Mutter erscheint die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in einem freien Beruf im Hinblick auf das damit verbundene finanzielle Risiko, die persönliche Verantwortung und dem damit regelmäßig, insbesondere in der Gründungsphase, einhergehenden intensiven persönlichen Arbeitseinsatz eher als ungünstige Lösung. Es hätte hier vielmehr nahe gelegen, dass die Klägerin zur Wahrung dieser Belange, je nach ihren finanziellen Möglichkeiten vorübergehend auch in Teilzeit, eine Tätigkeit als angestellte Ärztin in einer niedergelassenen Praxis bevorzugt.
Im Übrigen hätte auch der Vermittlung der Klägerin der Vorrang vor diesem Mittel der aktiven Arbeitsförderung eingeräumt werden müssen (vgl. § 4 Abs. 2 SGB III). Durchgreifende Vermittlungshemmnisse dürften selbst unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin kaum bestanden haben. Ein Fachärztemangel wird, wie ausgeführt wurde, besonders in Ostdeutschland beklagt. Es kann daher erwartet werden, dass ein potentieller Arbeitgeber auf die persönlichen Belange der hochqualifizierten und berufs¬erfahrenen Klägerin, die in ihrem Gründungskonzept auch auf Erfahrungen als Stationsleiterin verweist, bei der Arbeitszeitgestaltung Rücksicht nimmt.
Vor diesem Hintergrund spricht zumindest vieles dafür, dass der Erstantrag der Klägerin auf Erteilung des Gründungszuschusses bei pflichtgemäßer Ermessensausübung wegen fehlender Vereinbarkeit des Gründungsvorhabens mit dem Förderungszweck bzw. dem Vorrang der Vermittlung hätte abgelehnt werden können und sich die ursprüngliche Bewilligung deswegen bereits als ermessenfehlerhaft erweist. Die ermessensfehlerhafte Erstbewilligung hätte die Beklagte in ihre Ermessensentscheidung über die Weitergewährung, trotz Bestandskraft der Ausgangsentscheidung, miteinzustellen gehabt. Konsequenz der Einstellung dieser Erwägung wäre die Ablehnung der Weitergewährung gewesen. Denn es kann bei Fortdauern des Ablehnungsgrundes keine Verlängerung eines ermessensfehlerhaft erteilten Gründungszuschusses geben. Anderenfalls würde sich die Rechtswidrigkeit des Gründungszuschusses weiter verfestigen, was mit der grundgesetzlichen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz nicht zu vereinbaren wäre. Vertrauensschutz¬gesichtspunkte würden hier nicht überwiegen. Diesbezüglich ist die Klägerin vor einer nachträglichen Aufhebung hinreichend geschützt.
Insofern würde sich die getroffene Ermessensentscheidung bereits unter dem genannten Gesichtspunkt im Ergebnis als zutreffend erweisen. Letztlich mussten die Umstände des Aufhebungsvertrags nicht abschließend aufgeklärt werden, da die Beklagte diesen Umstand weder bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des Zuschusses noch bei ihrer Entscheidung über die Weitergewährung beachtet hat. Damit kann dieser Umstand bei der Überprüfung der vorliegenden Ermessensentscheidung letztlich keine Rolle spielen. Wie ausgeführt wurde, kann das Gericht seine Ermessenserwägungen nicht an die Stelle der Beklagten setzen. Die Klägerin könnte sich ihrerseits aber nicht auf einen diesbezüglichen Ermessensfehler berufen. Sie wäre durch einen solchen Fehler nicht beschwert.
Die Versagung der Weitergewährung ist aber auch mit den von der Beklagten herangezogenen Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat, wenn man den zuvor genannten Gesichtspunkt außen vor lässt, zunächst alle wesentlichen in die Ermessensentscheidung einzustellenden Kriterien in ihre Entscheidung eingestellt. Insbesondere hat sie noch den Vortrag der Klägerin in deren Schreiben vom 7.10.2012 sowie die dazu nachgereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen jedenfalls noch nachträglich in rechtlich zulässiger Weise zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Das Ergebnis dieser Würdigung hat die Beklagte der Klägerin mit dem Schreiben vom 6.11.2012 mitgeteilt. Ein etwaiger Fehler, der dadurch entstanden sein könnte, dass die Beklagte über den Widerspruch entschieden hat, ohne das am 7.10.2012 und damit innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist eingegangene Schreiben der Klägerin zur Kenntnis zu nehmen, ist damit jedenfalls geheilt worden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt dabei kein Ermessensfehler darin, dass die Mitarbeiterin H. der Rechtsbehelfsstelle der Beklagten zunächst anhand des Vorbringens der Klägerin einen Spielraum für eine Weiterförderung gesehen und beim zuständigen Sachbearbeiter der Fachabteilung um nochmalige Prüfung gebeten hatte. Im Rahmen dieser Prüfung hat der zuständige Sachbearbeiter, wie aus dem von diesem gefertigten Prüfungsvermerk vom 6.11.2012 hervor geht, trotz des neuen Vorbringens der Klägerin an seiner Auffassung festgehalten. Von dieser Auffassung hat sich die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle dann offensichtlich überzeugen lassen, was sich daraus ableiten lässt, dass sie das abschließende Ablehnungsschreiben vom 6.11.2012 selbst verfasst hat. Von einer Selbstbindung der Beklagten an diese intern und überdies vorläufig geäußerte Auffassung kann daher keine Rede sein.
Darüber hinaus hat die Beklagte die in die Ermessenserwägung einzustellenden Gesichtspunkte entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung gewichtet und dabei auch keine gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung verletzt. Die maßgebende Ermessenserwägung der Beklagten, wonach die prognostisch von der Klägerin im zweiten Förderungszeitraum erwirtschafteten Einnahmen nicht geeignet sind, ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist nicht zu beanstanden. Diese Argumentation steht in Einklang mit den jeweiligen Gesetzesbegründungen (vgl. Deutscher Bundestag Drucksache Nr. 16/1696, S. 31, vom 31.5.2006 und Drucksache Nr. 17/6277 vom 24.6.2011, S. 86). In der ausführlicheren ersten Gesetzesbegründung zur (dauerhaften) Einführung des Gründungszuschusses im Jahre 2006 heißt es auszugsweise (Drucksache 16/1696, S. 31):
"( ) Der Gründungszuschuss wird in zwei Phasen geleistet. Geförderte Personen erhalten für neun Monate monatlich einen Zuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe ihres zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes und einen monatlichen Betrag in Höhe von 300 Euro zur sozialen Absicherung. Nach neun Monaten wird davon ausgegangen, dass sich die Gründung soweit gefestigt und am Markt bewährt hat, dass der Lebensunterhalt aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann. Um die soziale Absicherung auch danach zu gewährleisten, kann die Agentur für Arbeit den Gründungszuschuss für weitere sechs Monate in Höhe von 300 Euro monatlich leisten. Gründungen sollen jedoch nur weiter gefördert werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivitäten vorliegen. Die Förderung in der zweiten Phase setzt die Darlegung dieser Tätigkeit voraus. Dazu müssen der Agentur für Arbeit geeignete Unterlagen vorgelegt werden, mit denen die Geschäftstätigkeit dargelegt wird. Zum Beispiel kann dies durch einen schriftlichen Bericht erfolgen, in dem die Geförderten ihre unternehmerische Tätigkeit darstellen und einen Ausblick auf die Entwicklung der nächsten Monate geben. Die im Bericht dargestellte unternehmerische Tätigkeit soll durch Unterlagen dokumentiert werden. Dabei kann es sich zum Beispiel um Belege über Einnahmen und Ausgaben, Auftragseingänge oder Bemühungen zum Erhalt von Aufträgen handeln. Bestehen nach der Darlegung begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit eine erneute Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen ( )"
An dieser Zielsetzung hat sich auch durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, nichts geändert. Im Gegenteil wurde das Instrument des Gründungszuschusses durch die Einführung der Ermessensgewährung auch bezüglich des ersten Förderungsabschnitts und die Verkürzung des ersten Förderungsabschnitts in seiner Wirkung beschnitten. Der Gesetzgeber plante insoweit mit einer deutlichen Reduzierung des Kostenaufwandes.
Davon ausgehend hatte sich die Gründung der Klägerin im ersten Bewilligungsabschnitt nicht so weit gefestigt und am Markt bewährt, dass sie mit den laufenden Einnahmen aus dem Praxisbetrieb ihren eigentlichen Lebensunterhalt hätte sichern und den Zuschuss von 300,00 EUR allein für ihre Beiträge zur sozialen Absicherung hätte verwenden können. Dies folgt aus den Geschäftszahlen, die die Klägerin zu ihrem Weiterbewilligungsantrag vorgelegt hatte. Die betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) der R. Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 4.7.2012 für die ersten sechs Monate des Jahres 2012 wies einen Gesamtverlust von 82.360,31 EUR, das sind pro Monat 13.726,72 EUR, aus. Diese Verlustzahlen lagen weit über den von der Klägerin im Rahmen des Erstantrags für das erste Halbjahr 2012 prognostizierten Verlustzahlen von insgesamt 13.316,00 EUR (2.219,33 EUR monatlich).
Auch die Planungszahlen wiesen für jeden Monat des zweiten Förderungszeitraums Fehlbeträge aus. Im Rahmen ihres Erstantrags hatte die Klägerin für die Zeit ab Januar 2013 noch monatliche Überschüsse zugrunde gelegt. Bei beiden Prognosen darf davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin im Zuge der Gründung über Zahlungsweise der Krankenkasse informiert und diese in ihre Planungen miteinbezogen hatte.
An diesem negativen Ergebnis konnte die im Juli 2012 bei der Klägerin eingegangene Nachzahlung der Krankenkasse aus der Quartalsabrechnung für das vorangegangene Quartal nichts Entscheidendes ändern. Darauf hat die Beklagte zutreffend abgestellt. Selbst unter Einbeziehung dieser Zahlung war das Ergebnis für das erste Quartal immer noch weit negativ. Die Klägerin selbst hat ihre Prognosezahlen in der Folge auch nicht an etwa zu erwartende höhere Abschlags- oder Quartalsnachzahlungen angepasst. Die BWA für den Monat August 2012, die die Klägerin zu der BWA für den Juli 2012 vorgelegt hatte, wies dann erneut einen Verlust von 6.034,40 EUR aus. In der Gesamtschau war somit auch für den 2. Förderungszeitraum nicht zu erwarten, dass die jeweiligen Quartalsnachzahlungen die Klägerin in die Gewinnzone führen würden. Insgesamt kann daher kein Ermessensfehler darin gesehen werden, wenn die Beklagte auch unter Würdigung der besonderen Zahlungsweise im praxisärztlichen Betrieb zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin ihren monatlichen Lebensunterhalt in der zweiten Gründungsphase nicht aus den laufenden Einnahmen wird bestreiten können.
Bei dieser unsicheren Prognoselage durfte die Beklagte, dies klingt in den Ermessenserwägungen der Beklagten ebenfalls an, zudem nicht ohne weiteres annehmen, dass sich der Praxisbetrieb dann jedenfalls nach Ablauf des gesamten Förderungszeitraums als nachhaltig tragfähig erweisen wird. Die Argumentation der Klägerin, dass sich die Praxis nachhaltig aufwärts entwickelt, war anhand der Einnahmen jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung der Beklagten so klar nicht erkennbar. Im Hinblick auf die doch sehr schwankenden Prognosen und fast durchgehend unzureichenden Ertragszahlen war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens am 6.11.2012 keinesfalls gewiss, dass sich die Erwartungen der Klägerin, sie werde ab April 2013 die Gewinnzone erreichen, tatsächlich erfüllen würden. Insofern ergab sich auch aus einer weiter in die Zukunft hinein reichenden Betrachtung kein hinreichender Anlass, die – an sich maßgebende – negative Prognose bezüglich des zweiten Förderungsabschnitts außer Acht zu lassen und aus diesem Grunde dem Weiterbewilligungsantrag zu entsprechen.
Die im Gerichtsverfahren vorgelegten betriebswirtschaftlichen Abrechnungen zum gesamten zweiten Bewilligungsabschnitt bestätigen im Wesentlichen diese Einschätzungen bezüglich des zweiten Förderungszeitraums, obwohl es hierauf im Hinblick auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Sach- und Rechtslage nicht ankommt. Aufgrund der Quartalsabrechnungen konnte die Klägerin in den Monaten Juli und Oktober 2012 zwar einen Gewinn in Höhe von 5.201,00 EUR und 3.509,00 EUR verbuchen. Demgegenüber standen Verluste in den Monaten August, September, November und Dezember 2012 sowie Januar bis März 2013 von 6.100,00 EUR, 7.835,00 EUR, 4.621,00 EUR, 7.541,00 EUR, 1.558,00 EUR, 3.981,00 EUR und 5.965,00 EUR zu Buche. Auch die Zahlung nach Quartalsabrechnung im Januar 2013 konnte dabei ein negatives Betriebsergebnis für diesen Monat nicht verhindern. Selbst wenn man die Julizahlung (2012) als Einnahme für den ersten Bewilligungszeitraum gelten ließe, verbliebe ein Verlust für den Gesamtzeitraum in Höhe von 28.891,00 EUR. Auf den einzelnen Monat verteilt sind dies 3210,11 EUR. Ähnliches würde gelten, wenn man statt der Julizahlung auf die der Klägerin im April 2013 zugeflossene Ouartalsnachzahlung abstellte, die deutlich unter der Zahlung im Juli 2012 lag.
Zum maßgebenden Entscheidungszeitpunkt war zwar bereits deutliche Reduzierung der erheblichen Anlaufverluste aus dem ersten Förderzeitraum zu konstatieren. Mangels erzielter Erträge konnte die Klägerin aber ihren Lebensunterhalt nicht mit ihrer selbstständigen Tätigkeit sichern. Selbst wenn man – aus jetziger Sicht – jeweils eine isolierte monatsweise Betrachtung vornehmen würde, hätte die Klägerin ihren Lebensunterhalt nur in den Monaten Juli und Oktober 2012 aufgrund der ihr in diesen Monaten zugeflossenen Quartalsnachzahlungen und damit lediglich in zwei von neun Monaten sichern können. Auch das ist nicht ausreichend, zumal dann sogar die weitere Quartalsnachzahlung im Januar 2013 nicht zu einer Deckung der Ausgaben führte.
Die Klägerin selbst hat im Übrigen zu keiner Zeit behauptet, dass die Einnahmen aus dem laufenden Praxisbetrieb zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in den Monaten Juli 2012 bis März 2013 jeweils ausgereicht hätten. Vielmehr steht sie auf dem Standpunkt, dass die auf eine reine Gewinnerzielung ausgerichtete Betrachtungsweise die spezifischen Umstände der Gründung einer Arztpraxis sowie auch die Versorgungslage mit Gynäkologen im Bereich Z. in unzulässiger Weise außer Betracht lasse.
Dem ist entgegen zu halten, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung durchaus die besondere Struktur einer ärztlichen Praxisgründung miteinbezogen hat. Sie hat aber der negativen Einnahmensituation bis zum Ende des zweiten Förderungszeitraums den Vorrang bei der Ermessensausübung eingeräumt. Mit dieser Gewichtung steht die Beklagte im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Bei der Verlängerungs¬option soll es, wie bereits ausgeführt wurde, im Kern nur noch um die soziale Absicherung des Existenzgründers und nicht mehr um die Sicherung des Lebensunterhalts gehen. Demgegenüber ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem Aspekt etwaiger branchentypisch längerer Anlaufphasen ein besonderes Gewicht bei der von der Beklagten vorzunehmenden Ermessensausübung einräumen wollte.
Zudem steht nach Auffassung der Kammer die vorgebrachte branchentypische Anlaufzeit nicht zwingend einer Deckung des notwendigen Lebensunterhalts entgegen. Es geht vorliegend nicht um eine Gewinnerzielung in Größenordnungen, sondern um die Deckung des Lebensunterhalts auf dem Niveau der Grundsicherungsleistungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs – SGB II. Die Erzielung eines insoweit ausreichenden Ertrags erscheint trotz hoher Investitionen zu Beginn auch im Falle der Gründung einer gynäkologischen Facharztpraxis nicht unerreichbar. Zu bedenken ist hier, dass die Klägerin von Anfang an mit einer angestellten Ärztin zusammen arbeitete. Vor allem dadurch war der Praxisbetrieb von Beginn an mit erheblichen Personalkosten belastet.
Überdies erscheint es generell problematisch, Defizite bei der Ertragslage mit dem allgemeinen Verweis auf branchenspezifische Besonderheiten entkräften zu wollen. Nach den Erfahrungen der Kammer mit Verfahren, in denen es um Gründungszuschüsse ging, sind die Begründungen für nicht ausreichende Gewinnprognosen so unterschiedlich wie die Branchen selbst. Ein Betreiber eines Büroservices machte mangelnde Zahlungsmoral für unzureichende Zahlen verantwortlich, während ein Fahrradhändler und -reparaturbetrieb saisonale Gründe für ausbleibende Einnahmen nannte. Ein Vermittler von Finanz- und Versicherungsprodukten machte wiederum das Provisionsmodell seines Vertragspartners sowie ausstehende Qualifizierungen dafür verantwortlich, dass sich die Gewinnsituation nicht ausreichend entwickeln konnte. Insofern verwies fast jeder der genannten Existenzgründer mit mehr oder weniger guten Gründen darauf, dass sein Konzept an sich tragfähig sei. Nur der Sprung in die sichere Gewinnzone nehme wegen der besonderen Umstände noch etwas Zeit in Anspruch. Möglicherweise auch wegen dieser schwer zu handhabenden Aspekte hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung den Schwerpunkt auf den genannten Sicherungszweck des Gründungszuschusses gelegt.
Eine gesetzgeberische Verpflichtung, solche Umstände, wie sie die Klägerin hier vorgebracht hat, in besonderem Maße zu berücksichtigen, bestand nicht. Bei der Zuerkennung und Ausgestaltung freiwilliger Leistungen wie dem Gründungszuschuss unterliegt der Gesetzgeber nur wenigen Bindungen. Dementsprechend war der Gesetzgeber auch frei darin, die Förderungsmodalitäten ab dem 1.1.2012 insgesamt zu Lasten potentieller Antragsteller zu regeln. Zwar beließ er es bei dem Gesamtförderungszeitraum von 15 Monaten. Indes wandelte er den ersten Förderungsabschnitt ebenfalls in eine Ermessenleistung um und verkürzte diese mit dem erhöhten Zuschussbetrag verbundene Förderungsphase auf sechs Monate unter gleichzeitiger Verlängerung des zweiten Förderungsabschnitts auf neun Monate. Eine grundsätzlich großzügigere Bewilligungspraxis für die zweite Förderungsphase sollte aber mit der Verkürzung der ersten Förderungsphase erkennbar nicht verbunden sein. Hierfür spricht neben dem kaum geänderten Wortlaut der einschlägigen Bewilligungsvorschrift und der nahezu unveränderten Gesetzesbegründung auch der vom Gesetzgeber beabsichtigte Einsparungseffekt. Allein durch Einsparungen beim Gründungszuschuss sollten Entlastungen für den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit von 1.030 Mio. EUR für 2012 und 1.330 Mio. EUR für 2013 eintreten (vgl. Bundesrat Drucksache 313/11 vom 27.5.2011, S. 5 und 163).
Einen gewissen Ausgleich zu dieser Verschiebung der Förderphasen kann die Beklagte gleichwohl im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung vornehmen. So kann sie es etwa als unschädlich ansehen, wenn der Lebensunterhalt nicht unmittelbar nach Ablauf der ersten sechs Monate, sondern – wie bisher – erst nach neun Monaten nachhaltig gesichert werden kann. Da die Klägerin ihren Lebensunterhalt hier aber auch nach neun Monaten nicht aus ihren laufenden Einnahmen decken konnte, spielt dieser Aspekt vorliegend keine entscheidende Rolle.
Mit dem allgemeinen Förderungszweck des Gründungszuschusses ist des Weiteren die Einbeziehung von außerhalb des Förderungszwecks liegenden öffentlichen Belangen nicht vereinbar. Der Gründungszuschuss dient als Mittel zur Integration eher schwer vermittelbarer Arbeitsloser. Er ist kein Förderungsinstrument etwa zur Sicherstellung der Versorgung mit niedergelassenen Fachärzten. Einem solchen ggf. bestehenden öffentlichen Bedürfnis wäre durch Förderungen oder lenkende Regelungen auf anderen Gebieten Rechnung zu tragen.
Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte keine weitere Stellungnahme einer fachkundigen Stelle einholte. Die vorgelegten Unterlagen und Zahlen waren hinreichend aussagekräftig und nachvollziehbar und mussten nicht nochmals einer fachkundigen Bewertung unterzogen werden. Zweifel an der Intensität und dem Umfang der Geschäftstätigkeit der Klägerin bestanden ohnehin nicht.
Im Hinblick auf die zutreffenden Ermessenserwägungen der Beklagten kann abschließend ebenfalls offen bleiben, ob der Gründungszuschuss für den zweiten Förderungsabschnitt überhaupt notwendig im Sinne des § 93 SGB III war. Nach dem Wortlaut § 93 SGB III wird der Gründungszuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung für die Zeit nach der Existenzgründung gewährt. Es spricht aber einiges dafür, diese Notwendigkeit zu verneinen, wenn private Mittel aus Darlehen zur Verfügung stehen, aus denen sich zugleich der laufende Lebensunterhalt bestreiten lässt. So lagen die Dinge aber hier. Die Planungszahlen, die die Klägerin mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vorgelegt hatte, weisen im Juli 2012 die Auszahlung eines (weiteren) Kredits in Höhe von 250.000,00 EUR aus, dem für den weiteren Förderungszeitraum Investitionskosten von lediglich 190.000,00 EUR gegenüberstehen. Der Klägerin stand daher eine "effektive Liquidität" von 60.000,00 EUR zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der laufenden Kosten und einer Tilgung von 12.500,00 EUR im Dezember 2012 verfügte die Klägerin damit jedenfalls im zweiten Förderungsabschnitt über ausreichende Mittel für die eigene Lebensführung einschließlich der sozialen Sicherung. Der eigentliche Sicherungszweck des Gründungszuschusses konnte so schon nicht mehr erreicht werden, so dass die Förderung nicht mehr notwendig war.
Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass der Gründungszuschuss gerade Ausdruck des Umstandes ist, dass Langzeitarbeitslose nicht über ausreichende Eigenmittel für die Gründung verfügen und darüber hinaus nicht in der Lage sind, auf dem Kreditmarkt ein Darlehen für ihre Gründung zu erhalten. Ohne den Gründungszuschuss würde die Gründung bereits an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern. In diesen Fällen ist der Gründungszuschuss für die Gründung notwendig. Wenn aber wie hier bezüglich des zweiten Förderabschnitts Darlehensmittel auch zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, fehlt es an der Notwendigkeit des Gründungszuschusses.
War der Gründungszuschuss in der zweiten Förderungsphase wegen der noch vorhandenen Kreditmittel nicht notwendig, hätte die Beklagte die Weiterbewilligung im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung somit wohl auch unter diesem Gesichtspunkt ablehnen können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.2.2014 – L 8 AL 1515/13). Im Hinblick auf die zuvor ausgeführten Erwägungen musste aber auch diesem Gesichtspunkt hier nicht abschließend nachgegangen werden.
Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang aber, dass im Falle der von der Klägerin angestrebten Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten zur Neubescheidung, die Beklagte dem zuletzt genannten Gesichtspunkt genauso nachzugehen gehabt hätte wie der eingangs genannten Problematik der Mitwirkung der Klägerin bei der Herbeiführung ihrer Arbeitslosigkeit.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung zur Hauptsache (vgl. § 193 SGG).
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die am xx.xx.1971 geborene Klägerin begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses für weitere neun Monate vom 1.7.2012 bis 31.3.2013.
Die Klägerin ist seit 1997 Ärztin und seit 2003 Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie arbeitete bis zum 22.9.2011 als angestellte Gynäkologin am städtischen H. Krankenhaus in Z. Die Tätigkeit dort endete mit Aufhebungsvertrag.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 4.10.2011 die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als niedergelassene Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Z. Die Klägerin hatte hierzu im Zuge einer bereits 2009 veröffentlichen Ausschreibung eine frauenärztliche Praxis übernommen. Die Zulassung zur Fortführung des von der Vorgängerin der Klägerin im Februar 2010 eingestellten Praxisbetriebs erteilte die kassenärztliche Vereinigung am 8.3.2011. Mit den Umbaumaßnahmen in der übernommenen Praxis begann die Klägerin am 1.8.2011. Die Eröffnung der Praxis war für den 1.1.2012 vorgesehen. Der Praxisbetrieb war von Beginn an mit einer angestellten Ärztin geplant. Die zu ihrem Antrag vom 4.10.2011 vorgelegten Ertragsprognosen wiesen für das Jahr 2012 monatliche Fehlbeträge und für die Zeit von Januar 2013 bis März 2013 monatliche Überschüsse aus.
Mit Bescheid vom 5.1.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Gründungs¬zuschuss vom 1.1.2012 bis 30.6.2012 in Höhe von monatlich 2.047,80 EUR für die von der Klägerin am 1.1.2012 aufgenommene selbstständige Tätigkeit als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Im Zuschuss enthalten war eine Pauschale von 300,00 EUR zur sozialen Sicherung. Der Bescheid war bereits mit einem Hinweis auf eine weitere Förderung von monatlich 300,00 EUR für neun Monate verbunden.
Am 11.5.2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Gründungszuschusses. Einen Bericht vom 12.7.2012 über ihre bisherige Geschäftstätigkeit reichte sie nach. Darin führte die Klägerin im Wesentlichen aus: Die Geschäftstätigkeit habe sich gut entwickelt. Die Praxis werde gut angenommen und die Patientenzahlen stiegen kontinuierlich an. Eine gewisse "Anlauffrist" sei im Rahmen der Praxisplanung einkalkuliert worden und entspreche den Erwartungen. In ca. einem Jahr sei mit Patientenzahlen zu rechnen, wie sie in seit Jahren laufenden Praxen vorzufinden seien. Dies sei eine normale Entwicklung. Die positive Praxisentwicklung sei gesichert, zumal in den nächsten Jahren weitere Kollegen in den Ruhestand träten.
Zu ihrem Bericht legte die Klägerin eine betriebswirtschaftliche Auswertung der R. Steuerberatungsgesellschaft mbH in C. vom 4.7.2012 für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 sowie eine neue Ertragsprognose für die Zeit von Juli 2012 bis Mai 2013 vor. Die betriebswirtschaftliche Auswertung wies einen Gesamtverlust von insgesamt 82.360,31 EUR aus. Die Ertragsprognose sah erstmals für den Monat April 2013 die Erzielung eines Überschusses in Höhe von 1.528,00 EUR vor. Für das zweite Halbjahr 2012 waren weiterhin monatliche Fehlbeträge von jeweils mehreren tausend Euro eingeplant. Die Fehlbeträge für die ersten drei Monate des Jahres 2013 bezifferte die Klägerin auf monatlich 389,00 EUR. In den Monaten April und Mai 2013 sollten Überschüsse von jeweils 2.611,00 EUR erwirtschaftet werden.
Zur Frage der Genehmigungsfähigkeit der zweiten Phase des Gründungszuschusses fertigte der Mitarbeiter der Beklagten R. den folgenden Bearbeitungsvermerk:
"( ) Ablehnung Weitergewährung GZ 2. Phase Begründung: Mit der Zahlung des GZ für weitere 9 Monate hat der Gesetzgeber die Erwartung verbunden, dass sich die Existenzgründung nach der Anlaufphase soweit gefestigt hat, dass der Lebensunterhalt aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann und nur noch ein Zuschuss zur Sozialversicherung erforderlich ist. Dieses Ergebnis wird im vorliegenden Antrag nicht erreicht. Der bisher generierte Umsatz entspricht annähernd den geplanten Größen aus dem Gründungskonzept, hauptberufliche Selbstständigkeit liegt damit vor. Das Betriebsergebnis liegt aber aufgrund der hohen Kosten (z.B. Personalkosten), unter dem Mindesteinkommen, weit im negativen Bereich. Grundsätzlich soll ein Selbstständiger aus dem mtl. Betriebsergebnis seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Lt. ihrer eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Zeitraum 01/2012 bis 06/2012 haben sie insgesamt 20474,97 EUR Betriebseinnahmen erzielt, dem gegenüber stehen Betriebsausgaben in Höhe von 102835,28 EUR. Allein die Personalkosten übersteigen das doppelte ihrer Einnahmen. Auch die eingereichte Umsatzprognose bis Mai 2013 weist keine wesentliche Gewinnsteigerung aus. Die Aufstellung für die weiteren Monate bis März 2013 wiesen einen Verlust von mtl. Verlust von minimum 3.524,- EUR (Dez 2012) bis maximum 9.062,- EUR (Aug.2012) auf. Auch in den Monaten 01/2013 bis 03/2103 planen Sie mit einem Verlust von monatlich 1472,-EUR. Erst ab dem Monat April rechnen Sie mit einem mtl. positiven Betriebsergebnis. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 94 Abs. 2 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sind die Überprüfung der bisherigen Geschäftstätigkeit und der Auswertung der bisherigen Geschäftszahlen sowie die Betrachtung der Zukunftsaussichten einer Selbstständigkeit, zulässige Gesichtspunkte, die für die Weiterförderungsentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung sind, denn nach der Konzeption des Gesetzes soll mit der Pauschale von 300,00 EUR die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wenn der Lebensunterhalt bereits bestritten werden kann. Der Weitergewährungsantrag GZ wird abgelehnt ( ...)."
Mit Bescheid vom 15.8.2012 lehnte die Beklagte die Weitergewährung des Gründungszuschusses ab. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen: Mit der Zahlung des Gründungszuschusses für weitere sechs Monate habe der Gesetzgeber die Erwartung verbunden, dass sich die Existenzgründung nach der Anlaufphase soweit gefestigt habe, dass der Lebensunterhalt aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden könne und nur noch ein Zuschuss zur Sozialversicherung erforderlich sei. Dieses Ergebnis werde im vorliegenden Antrag nicht erreicht. Der bisher generierte Umsatz entspreche zwar annähernd den geplanten Größen aus dem Gründungskonzept, das Betriebsergebnis liege aber aufgrund der hohen Kosten (z.B. Personalkosten) unter dem Mindesteinkommen und weit im negativen Bereich. Grundsätzlich soll ein Selbstständiger aus dem Betriebsergebnis seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Im Falle der Klägerin lägen die Kosten über dem Doppelten der Einnahmen. Auch die eingereichte Umsatzprognose bis Mai 2013 weise keine wesentliche Gewinnsteigerung auf. Erst ab dem Monat April 2013 rechne die Klägerin mit einem positiven Betriebsergebnis. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 94 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III – seien die Überprüfung der bisherigen Geschäftstätigkeit, die Auswertung der bisherigen Geschäftszahlen sowie die Betrachtung der Zukunftsaussichten einer Selbstständigkeit die für die Weiterförderungsentscheidung ausschlaggebenden Gesichtspunkte. Nach der Konzeption des Gesetzes solle mit der Pauschale von 300,00 EUR die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wenn der Lebensunterhalt bereits bestritten werden könne.
Mit Schreiben vom 19.8.2012 legte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB III Widerspruch ein.
Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 24.9.2014 auf die der Ermessensentscheidung über die Weiterförderung zugrundeliegenden Kriterien hin und forderte sie auf, eine Einnahmen- und Ausgabenübersicht für die Monate Juli und August 2012 bis zum 10.10.2012 vorzulegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Wesentlichen mit den Erwägungen des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend hieß es: Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass die Beklagte den Gründungszuschuss für weitere neun Monate in Höhe von 300,00 EUR leisten könne, um die Nachhaltigkeit der Gründung zu stärken und die Gründerin oder den Gründer sozial abzusichern. Aus der Formulierung "kann" ergebe sich, dass auf die Weitergewährung kein Rechtsanspruch bestehe, sondern diese vielmehr im Ermessen der Beklagten liege. Dabei habe die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die Interessen der Versichertengemeinschaft gegenüber den Interessen der Klägerin abzuwägen. Das Interesse der Klägerin bestehe darin, dass die Beklagte die zweckgebundene Leistung zur sozialen Sicherung weiterhin gewährt. Das Interesse der Versichertengemeinschaft bestehe darin, dass möglichst viele Antragsteller gefördert werden könnten und die begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel nur dann ausgezahlt würden, wenn zu erwarten sei, dass nur dann eine Zahlung erfolge, wenn der Lebensunterhalt aus den Einnahmen der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden könne und die zweckgebundenen Mittel lediglich zur sozialen Absicherung eingesetzt würden. Dieses Ergebnis werde vorliegend nicht erreicht. Das Betriebsergebnis liege im negativen Bereich. Nach der eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Zeitraum 01/2012 bis 06/2012 seien insgesamt 20.474,97 EUR Betriebseinnahmen erzielt worden, denen gegenüber Ausgaben in Höhe von 102.835,28 EUR gestanden hätten. Erst ab dem Monat April 2013 werde mit einem monatlichen positiven Betriebsergebnis gerechnet. Nach der Konzeption des Gesetzes soll mit der Pauschale von 300,00 EUR die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wenn der Lebensunterhalt bereits bestritten werden könne. Es sei daher nicht ermessensfehlerhaft, den Antrag abzulehnen.
Bei Erlass des Widerspruchsbescheides war ein Schreiben der Klägerin vom 7.10.2012 noch nicht berücksichtigt worden, dem betriebswirtschaftliche Abrechnungen für die Monate Juli und August 2012 beigefügt waren. Die Klägerin wies darauf hin, dass die Krankenversicherung bis zur quartalsweisen Abrechnung der Behandlungen einen Abschlag zahle. Die Quartalsabrechnungen lägen aufgrund der stetig steigenden Patientenzahlen jeweils deutlich über den Abschlägen, so dass sich eine erhebliche Nachzahlung ergebe. Die für den Monat Juli 2012 vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung wies aufgrund der Einnahme aus der Quartalsabrechnung der Krankenversicherung in Höhe von 14.793,40 EUR einen Überschuss von 5.200,77 EUR aus. Die betriebswirtschaftliche Auswertung für den August 2012 wies wiederum einen Verlust von 6.034,40 EUR aus. Wesentlicher Einnahmenposten war hier eine Abschlagszahlung der Krankenkasse in Höhe von 5.000,00 EUR.
Nach Auswertung dieses Schreibens kam die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle der Beklagten H. in einem internen Schreiben vom 25.10.2012 an den zuständigen Fachbereich der Beklagten zu dem vorläufigen Ergebnis, dass eine weitere Förderung erfolgen könne und bat die zuständige Fachabteilung nochmals Prüfung und Mitteilung bis 30.10.2012.
Zu dieser Prüfung legte der in der Fachabteilung zuständige Mitarbeiter unter dem 6.11.2012 den folgenden Vermerk nieder. Hierin heißt es auszugsweise:
" ( ) Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist nicht nur die Betrachtung der Geschäftstätigkeit ein zulässiger Gesichtspunkt, sondern auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen lassen keine neuen Erkenntnisse zu. Trotz der Nachzahlung durch die KV für das Quartal 2012 in Höhe von 14793,40 EUR (mtl. 4931,13 EUR) ergibt sich durch die mtl. Ausgaben von ca. 12.000-14.000,-EUR ein negatives Betriebsergebnis. Lt. Planung von Fr. P. wird erst nach Ablauf der zweiten Förderphase (04/2013) ein positives Ergebnis erreicht, welches zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienen kann. Damit ist das Erreichen einer Wirtschaftlichkeit aus heutiger Sicht in einem überschaubaren Zeitraum nicht möglich ( )."
Daraufhin teilte die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle H. der Klägerin mit Schreiben vom 6.11.2012, das unter der Überschrift "Widerspruchs¬verfahren" stand, am 6.11.2012 mit, dass keine andere Entscheidung als die im Widerspruchsbescheid getroffene möglich sei. Die vorgelegten Unterlagen ließen keine anderen Erkenntnisse zu. Trotz der Nachzahlung der Krankenkasse ergebe sich durch die hohen monatlichen Ausgaben ein negatives Betriebsergebnis. Erst nach Ablauf der zweiten Förderphase im April 2013 werde ein positives Ergebnis erreicht. Damit sei das Erreichen einer Wirtschaftlichkeit aus heutiger Sicht in einem überschaubaren Zeitraum nicht möglich.
Mit der am 22.11.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin unter Darlegung im Einzelnen ihr Begehren weiter. Sie kritisiert, dass eine Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren nicht stattgefunden habe. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Der Behördenakte liege eine Mitarbeiteräußerung bei, die trotz derzeit noch nicht ausreichender Einnahmen wegen der besonderen Kostenstruktur nach einer Praxisgründung eine Weiterförderung befürworte. Hieraus ergebe sich eine Selbstbindung der Beklagten.
Die Klägerin beantragt in sachdienlicher Fassung,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2012 in der Fassung des Schreibens vom 6.11.2012 zu verpflichten, der Klägerin für weitere neun Monate vom 1.7.2012 bis 31.3.2013 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 300,00 EUR zu gewähren,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Leistungsakte und den Behördenvorgang. Hieraus legte sie gesondert zwei schriftliche Mitarbeiteräußerungen vor. Unter Bezugnahme darauf führte sie aus: Bei der Äußerung des Mitarbeiters der Rechtsbehelfsstelle handele es sich um einen Prüfungsauftrag an die für die Ermessensausübung zuständige Fachkraft. Diese sei aber unter Einbeziehung der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen weiterhin zu dem Ergebnis gelangt, dass nach wie vor ein negatives Betriebsergebnis bis zum Ende des Förderungszeitraums vorliege. Dieser Umstand lasse eine Weiterförderung nicht zu.
Am 12.6.2014 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Die Klägerin trägt in der mündlichen Verhandlung zum Hintergrund der Praxisgründung vor: Die Arbeitszeiten als Stationsärztin in der H.-Klinik und dabei insbesondere die Nachtdienste seien nicht mehr tragbar gewesen, da sie alleinerziehende Mutter von zwei Kindern sei. Ihr Arbeitgeber sei nicht bereit gewesen, ihr diesbezüglich entgegen zu kommen. Sie habe sich daher zur Selbstständigkeit entschlossen und habe das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet.
Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte (2 Bände zu den beiden Gründungsphasen) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses für weitere neun Monate noch einen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung und Neubescheidung der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Weiterförderung ist § 94 Abs. 2 SGB III in der seit dem 1.1.2012 gültigen Fassung, die er durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, erhalten hat. Dabei braucht nicht weiter erörtert werden, inwiefern bereits bei der Entscheidung über die erste Gründungsphase im Hinblick auf etwaige Vorbereitungshandlungen möglicherweise das bis zum 31.12.2011 gültige Recht hätte angewendet werden müssen. Denn der entsprechende Bewilligungsbescheid vom 5.1.2012, der auf den Beginn der Selbstständigkeit ab dem 1.1.2012 abstellt, ist insoweit bestandskräftig.
Nach § 94 Abs. 2 SGB III kann der Gründungszuschuss für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300,00 EUR geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird. Die Klägerin hat ihre weitere Geschäftstätigkeit dargelegt, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift hier ohne weiteres vorliegen.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift steht die Entscheidung über die Verlängerung des Gründungszuschusses bei fortdauernder Geschäftstätigkeit im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Die richterliche Überprüfung der Ablehnungsentscheidung beschränkt sich daher darauf, ob die Beklagte überhaupt Ermessen ausgeübt hat, ob die Ermessensausübung dem Zweck der Ermächtigung entspricht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet hat (vgl. § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I; § 54 SGG). Steht eine Leistung im Ermessen der Behörde, findet bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung somit nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeits¬überprüfung statt (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, 2012, RdNr. 27 – 28 zu § 54). Das Gericht darf dabei nicht sein eigenes Ermessen an Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Aus der Beschränkung auf die Prüfung der korrekten Ermessensausübung wird zugleich deutlich, dass maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Versagungsentscheidung der Beklagten der Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung ist. Die letzte Ermessensentscheidung lag hier in der Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012, der um das Schreiben der Beklagten vom 6.11.2012 ergänzt wurde.
In der mündlichen Verhandlung wurde bereits erörtert, dass die Kammer schon die Ausgangsbewilligung des Gründungszuschusses für zweifelhaft hält. Die Zweifel gründen sich darauf, dass die Klägerin ihr früheres Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit ihrem Arbeitgeber durch Aufhebungsvertrag beendet hatte. Zusammen mit der langen Vorlaufzeit der Praxisgründung spricht vieles dafür, dass diese als Ausdruck einer seit längerer Zeit geplanten Selbstständigkeit zu bewerten ist. Sie ist damit gerade nicht die Konsequenz aus einer bestehenden Arbeitslosigkeit der Klägerin. Vielmehr erscheint die durch Aufhebungsvertrag herbeigeführte Arbeitslosigkeit als notwendiger Zwischenschritt für die Praxisgründung verbunden mit dem Nebeneffekt, dass dadurch die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Gründungszuschuss eingetreten sind. Für eine solchermaßen verursachte Arbeitslosigkeit aus einer ungekündigten Beschäftigung heraus ist der Gründungszuschuss aber nicht vorgesehen. Der Gründungszuschuss bezweckt die Integration eher schwer vermittelbarer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt. Die Erteilung des Gründungszuschusses wäre somit vom Zweck der Vorschrift nicht umfasst.
Dass die Arbeitslosigkeit hier unvermeidbar war, ist nicht nachzuvollziehen. Es ist weder hinreichend nachvollziehbar vorgetragen noch sonst erkennbar, dass die Arbeitslosigkeit ohne das Zutun der Klägerin eingetreten wäre. Dass die Klägerin von ihrem Arbeitgeber, dessen Träger die Stadt Z. ist, gekündigt worden wäre, weil sie als alleinerziehende Mutter keine Nachtdienste habe ausüben können, erscheint so nicht ohne weiteres plausibel. Auch wenn es hier ein entsprechendes "Drängen" des Arbeitgebers gegeben haben sollte, hätte dieser die arbeitsvertragliche Verpflichtung gehabt, im Rahmen der Dienstplanung auf diese Belange Rücksicht zu nehmen. Im Hinblick auf den besonders in Ostdeutschland beklagten Fachärztemangel, der auch den Krankenhaussektor betrifft, hätte dies wohl auch in seinem wohlverstandenen Eigeninteresse gelegen. Des Weiteren wird die Klägerin selbst nicht stets außer Stande gewesen sein, Nachtschichten wahrzunehmen. In der mündlichen Verhandlung klang insoweit an, dass es hier von familiärer Seite durchaus Unterstützung gab, diese nur nicht ständig zur Verfügung stand. Alles in allem ist jedenfalls nicht erkennbar, dass aufgrund dieser Umstände die Voraussetzungen für eine wirksame Arbeitgeberkündigung hätten vorliegen können.
Der Vortrag der Klägerin ist unter einem weiteren Gesichtspunkt nicht ganz schlüssig. Zur Wahrung ihrer Belange als alleinerziehende Mutter erscheint die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in einem freien Beruf im Hinblick auf das damit verbundene finanzielle Risiko, die persönliche Verantwortung und dem damit regelmäßig, insbesondere in der Gründungsphase, einhergehenden intensiven persönlichen Arbeitseinsatz eher als ungünstige Lösung. Es hätte hier vielmehr nahe gelegen, dass die Klägerin zur Wahrung dieser Belange, je nach ihren finanziellen Möglichkeiten vorübergehend auch in Teilzeit, eine Tätigkeit als angestellte Ärztin in einer niedergelassenen Praxis bevorzugt.
Im Übrigen hätte auch der Vermittlung der Klägerin der Vorrang vor diesem Mittel der aktiven Arbeitsförderung eingeräumt werden müssen (vgl. § 4 Abs. 2 SGB III). Durchgreifende Vermittlungshemmnisse dürften selbst unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin kaum bestanden haben. Ein Fachärztemangel wird, wie ausgeführt wurde, besonders in Ostdeutschland beklagt. Es kann daher erwartet werden, dass ein potentieller Arbeitgeber auf die persönlichen Belange der hochqualifizierten und berufs¬erfahrenen Klägerin, die in ihrem Gründungskonzept auch auf Erfahrungen als Stationsleiterin verweist, bei der Arbeitszeitgestaltung Rücksicht nimmt.
Vor diesem Hintergrund spricht zumindest vieles dafür, dass der Erstantrag der Klägerin auf Erteilung des Gründungszuschusses bei pflichtgemäßer Ermessensausübung wegen fehlender Vereinbarkeit des Gründungsvorhabens mit dem Förderungszweck bzw. dem Vorrang der Vermittlung hätte abgelehnt werden können und sich die ursprüngliche Bewilligung deswegen bereits als ermessenfehlerhaft erweist. Die ermessensfehlerhafte Erstbewilligung hätte die Beklagte in ihre Ermessensentscheidung über die Weitergewährung, trotz Bestandskraft der Ausgangsentscheidung, miteinzustellen gehabt. Konsequenz der Einstellung dieser Erwägung wäre die Ablehnung der Weitergewährung gewesen. Denn es kann bei Fortdauern des Ablehnungsgrundes keine Verlängerung eines ermessensfehlerhaft erteilten Gründungszuschusses geben. Anderenfalls würde sich die Rechtswidrigkeit des Gründungszuschusses weiter verfestigen, was mit der grundgesetzlichen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz nicht zu vereinbaren wäre. Vertrauensschutz¬gesichtspunkte würden hier nicht überwiegen. Diesbezüglich ist die Klägerin vor einer nachträglichen Aufhebung hinreichend geschützt.
Insofern würde sich die getroffene Ermessensentscheidung bereits unter dem genannten Gesichtspunkt im Ergebnis als zutreffend erweisen. Letztlich mussten die Umstände des Aufhebungsvertrags nicht abschließend aufgeklärt werden, da die Beklagte diesen Umstand weder bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des Zuschusses noch bei ihrer Entscheidung über die Weitergewährung beachtet hat. Damit kann dieser Umstand bei der Überprüfung der vorliegenden Ermessensentscheidung letztlich keine Rolle spielen. Wie ausgeführt wurde, kann das Gericht seine Ermessenserwägungen nicht an die Stelle der Beklagten setzen. Die Klägerin könnte sich ihrerseits aber nicht auf einen diesbezüglichen Ermessensfehler berufen. Sie wäre durch einen solchen Fehler nicht beschwert.
Die Versagung der Weitergewährung ist aber auch mit den von der Beklagten herangezogenen Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat, wenn man den zuvor genannten Gesichtspunkt außen vor lässt, zunächst alle wesentlichen in die Ermessensentscheidung einzustellenden Kriterien in ihre Entscheidung eingestellt. Insbesondere hat sie noch den Vortrag der Klägerin in deren Schreiben vom 7.10.2012 sowie die dazu nachgereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen jedenfalls noch nachträglich in rechtlich zulässiger Weise zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Das Ergebnis dieser Würdigung hat die Beklagte der Klägerin mit dem Schreiben vom 6.11.2012 mitgeteilt. Ein etwaiger Fehler, der dadurch entstanden sein könnte, dass die Beklagte über den Widerspruch entschieden hat, ohne das am 7.10.2012 und damit innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist eingegangene Schreiben der Klägerin zur Kenntnis zu nehmen, ist damit jedenfalls geheilt worden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt dabei kein Ermessensfehler darin, dass die Mitarbeiterin H. der Rechtsbehelfsstelle der Beklagten zunächst anhand des Vorbringens der Klägerin einen Spielraum für eine Weiterförderung gesehen und beim zuständigen Sachbearbeiter der Fachabteilung um nochmalige Prüfung gebeten hatte. Im Rahmen dieser Prüfung hat der zuständige Sachbearbeiter, wie aus dem von diesem gefertigten Prüfungsvermerk vom 6.11.2012 hervor geht, trotz des neuen Vorbringens der Klägerin an seiner Auffassung festgehalten. Von dieser Auffassung hat sich die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle dann offensichtlich überzeugen lassen, was sich daraus ableiten lässt, dass sie das abschließende Ablehnungsschreiben vom 6.11.2012 selbst verfasst hat. Von einer Selbstbindung der Beklagten an diese intern und überdies vorläufig geäußerte Auffassung kann daher keine Rede sein.
Darüber hinaus hat die Beklagte die in die Ermessenserwägung einzustellenden Gesichtspunkte entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung gewichtet und dabei auch keine gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung verletzt. Die maßgebende Ermessenserwägung der Beklagten, wonach die prognostisch von der Klägerin im zweiten Förderungszeitraum erwirtschafteten Einnahmen nicht geeignet sind, ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist nicht zu beanstanden. Diese Argumentation steht in Einklang mit den jeweiligen Gesetzesbegründungen (vgl. Deutscher Bundestag Drucksache Nr. 16/1696, S. 31, vom 31.5.2006 und Drucksache Nr. 17/6277 vom 24.6.2011, S. 86). In der ausführlicheren ersten Gesetzesbegründung zur (dauerhaften) Einführung des Gründungszuschusses im Jahre 2006 heißt es auszugsweise (Drucksache 16/1696, S. 31):
"( ) Der Gründungszuschuss wird in zwei Phasen geleistet. Geförderte Personen erhalten für neun Monate monatlich einen Zuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe ihres zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes und einen monatlichen Betrag in Höhe von 300 Euro zur sozialen Absicherung. Nach neun Monaten wird davon ausgegangen, dass sich die Gründung soweit gefestigt und am Markt bewährt hat, dass der Lebensunterhalt aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann. Um die soziale Absicherung auch danach zu gewährleisten, kann die Agentur für Arbeit den Gründungszuschuss für weitere sechs Monate in Höhe von 300 Euro monatlich leisten. Gründungen sollen jedoch nur weiter gefördert werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivitäten vorliegen. Die Förderung in der zweiten Phase setzt die Darlegung dieser Tätigkeit voraus. Dazu müssen der Agentur für Arbeit geeignete Unterlagen vorgelegt werden, mit denen die Geschäftstätigkeit dargelegt wird. Zum Beispiel kann dies durch einen schriftlichen Bericht erfolgen, in dem die Geförderten ihre unternehmerische Tätigkeit darstellen und einen Ausblick auf die Entwicklung der nächsten Monate geben. Die im Bericht dargestellte unternehmerische Tätigkeit soll durch Unterlagen dokumentiert werden. Dabei kann es sich zum Beispiel um Belege über Einnahmen und Ausgaben, Auftragseingänge oder Bemühungen zum Erhalt von Aufträgen handeln. Bestehen nach der Darlegung begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit eine erneute Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen ( )"
An dieser Zielsetzung hat sich auch durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, nichts geändert. Im Gegenteil wurde das Instrument des Gründungszuschusses durch die Einführung der Ermessensgewährung auch bezüglich des ersten Förderungsabschnitts und die Verkürzung des ersten Förderungsabschnitts in seiner Wirkung beschnitten. Der Gesetzgeber plante insoweit mit einer deutlichen Reduzierung des Kostenaufwandes.
Davon ausgehend hatte sich die Gründung der Klägerin im ersten Bewilligungsabschnitt nicht so weit gefestigt und am Markt bewährt, dass sie mit den laufenden Einnahmen aus dem Praxisbetrieb ihren eigentlichen Lebensunterhalt hätte sichern und den Zuschuss von 300,00 EUR allein für ihre Beiträge zur sozialen Absicherung hätte verwenden können. Dies folgt aus den Geschäftszahlen, die die Klägerin zu ihrem Weiterbewilligungsantrag vorgelegt hatte. Die betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) der R. Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 4.7.2012 für die ersten sechs Monate des Jahres 2012 wies einen Gesamtverlust von 82.360,31 EUR, das sind pro Monat 13.726,72 EUR, aus. Diese Verlustzahlen lagen weit über den von der Klägerin im Rahmen des Erstantrags für das erste Halbjahr 2012 prognostizierten Verlustzahlen von insgesamt 13.316,00 EUR (2.219,33 EUR monatlich).
Auch die Planungszahlen wiesen für jeden Monat des zweiten Förderungszeitraums Fehlbeträge aus. Im Rahmen ihres Erstantrags hatte die Klägerin für die Zeit ab Januar 2013 noch monatliche Überschüsse zugrunde gelegt. Bei beiden Prognosen darf davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin im Zuge der Gründung über Zahlungsweise der Krankenkasse informiert und diese in ihre Planungen miteinbezogen hatte.
An diesem negativen Ergebnis konnte die im Juli 2012 bei der Klägerin eingegangene Nachzahlung der Krankenkasse aus der Quartalsabrechnung für das vorangegangene Quartal nichts Entscheidendes ändern. Darauf hat die Beklagte zutreffend abgestellt. Selbst unter Einbeziehung dieser Zahlung war das Ergebnis für das erste Quartal immer noch weit negativ. Die Klägerin selbst hat ihre Prognosezahlen in der Folge auch nicht an etwa zu erwartende höhere Abschlags- oder Quartalsnachzahlungen angepasst. Die BWA für den Monat August 2012, die die Klägerin zu der BWA für den Juli 2012 vorgelegt hatte, wies dann erneut einen Verlust von 6.034,40 EUR aus. In der Gesamtschau war somit auch für den 2. Förderungszeitraum nicht zu erwarten, dass die jeweiligen Quartalsnachzahlungen die Klägerin in die Gewinnzone führen würden. Insgesamt kann daher kein Ermessensfehler darin gesehen werden, wenn die Beklagte auch unter Würdigung der besonderen Zahlungsweise im praxisärztlichen Betrieb zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin ihren monatlichen Lebensunterhalt in der zweiten Gründungsphase nicht aus den laufenden Einnahmen wird bestreiten können.
Bei dieser unsicheren Prognoselage durfte die Beklagte, dies klingt in den Ermessenserwägungen der Beklagten ebenfalls an, zudem nicht ohne weiteres annehmen, dass sich der Praxisbetrieb dann jedenfalls nach Ablauf des gesamten Förderungszeitraums als nachhaltig tragfähig erweisen wird. Die Argumentation der Klägerin, dass sich die Praxis nachhaltig aufwärts entwickelt, war anhand der Einnahmen jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung der Beklagten so klar nicht erkennbar. Im Hinblick auf die doch sehr schwankenden Prognosen und fast durchgehend unzureichenden Ertragszahlen war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens am 6.11.2012 keinesfalls gewiss, dass sich die Erwartungen der Klägerin, sie werde ab April 2013 die Gewinnzone erreichen, tatsächlich erfüllen würden. Insofern ergab sich auch aus einer weiter in die Zukunft hinein reichenden Betrachtung kein hinreichender Anlass, die – an sich maßgebende – negative Prognose bezüglich des zweiten Förderungsabschnitts außer Acht zu lassen und aus diesem Grunde dem Weiterbewilligungsantrag zu entsprechen.
Die im Gerichtsverfahren vorgelegten betriebswirtschaftlichen Abrechnungen zum gesamten zweiten Bewilligungsabschnitt bestätigen im Wesentlichen diese Einschätzungen bezüglich des zweiten Förderungszeitraums, obwohl es hierauf im Hinblick auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Sach- und Rechtslage nicht ankommt. Aufgrund der Quartalsabrechnungen konnte die Klägerin in den Monaten Juli und Oktober 2012 zwar einen Gewinn in Höhe von 5.201,00 EUR und 3.509,00 EUR verbuchen. Demgegenüber standen Verluste in den Monaten August, September, November und Dezember 2012 sowie Januar bis März 2013 von 6.100,00 EUR, 7.835,00 EUR, 4.621,00 EUR, 7.541,00 EUR, 1.558,00 EUR, 3.981,00 EUR und 5.965,00 EUR zu Buche. Auch die Zahlung nach Quartalsabrechnung im Januar 2013 konnte dabei ein negatives Betriebsergebnis für diesen Monat nicht verhindern. Selbst wenn man die Julizahlung (2012) als Einnahme für den ersten Bewilligungszeitraum gelten ließe, verbliebe ein Verlust für den Gesamtzeitraum in Höhe von 28.891,00 EUR. Auf den einzelnen Monat verteilt sind dies 3210,11 EUR. Ähnliches würde gelten, wenn man statt der Julizahlung auf die der Klägerin im April 2013 zugeflossene Ouartalsnachzahlung abstellte, die deutlich unter der Zahlung im Juli 2012 lag.
Zum maßgebenden Entscheidungszeitpunkt war zwar bereits deutliche Reduzierung der erheblichen Anlaufverluste aus dem ersten Förderzeitraum zu konstatieren. Mangels erzielter Erträge konnte die Klägerin aber ihren Lebensunterhalt nicht mit ihrer selbstständigen Tätigkeit sichern. Selbst wenn man – aus jetziger Sicht – jeweils eine isolierte monatsweise Betrachtung vornehmen würde, hätte die Klägerin ihren Lebensunterhalt nur in den Monaten Juli und Oktober 2012 aufgrund der ihr in diesen Monaten zugeflossenen Quartalsnachzahlungen und damit lediglich in zwei von neun Monaten sichern können. Auch das ist nicht ausreichend, zumal dann sogar die weitere Quartalsnachzahlung im Januar 2013 nicht zu einer Deckung der Ausgaben führte.
Die Klägerin selbst hat im Übrigen zu keiner Zeit behauptet, dass die Einnahmen aus dem laufenden Praxisbetrieb zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in den Monaten Juli 2012 bis März 2013 jeweils ausgereicht hätten. Vielmehr steht sie auf dem Standpunkt, dass die auf eine reine Gewinnerzielung ausgerichtete Betrachtungsweise die spezifischen Umstände der Gründung einer Arztpraxis sowie auch die Versorgungslage mit Gynäkologen im Bereich Z. in unzulässiger Weise außer Betracht lasse.
Dem ist entgegen zu halten, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung durchaus die besondere Struktur einer ärztlichen Praxisgründung miteinbezogen hat. Sie hat aber der negativen Einnahmensituation bis zum Ende des zweiten Förderungszeitraums den Vorrang bei der Ermessensausübung eingeräumt. Mit dieser Gewichtung steht die Beklagte im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Bei der Verlängerungs¬option soll es, wie bereits ausgeführt wurde, im Kern nur noch um die soziale Absicherung des Existenzgründers und nicht mehr um die Sicherung des Lebensunterhalts gehen. Demgegenüber ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem Aspekt etwaiger branchentypisch längerer Anlaufphasen ein besonderes Gewicht bei der von der Beklagten vorzunehmenden Ermessensausübung einräumen wollte.
Zudem steht nach Auffassung der Kammer die vorgebrachte branchentypische Anlaufzeit nicht zwingend einer Deckung des notwendigen Lebensunterhalts entgegen. Es geht vorliegend nicht um eine Gewinnerzielung in Größenordnungen, sondern um die Deckung des Lebensunterhalts auf dem Niveau der Grundsicherungsleistungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs – SGB II. Die Erzielung eines insoweit ausreichenden Ertrags erscheint trotz hoher Investitionen zu Beginn auch im Falle der Gründung einer gynäkologischen Facharztpraxis nicht unerreichbar. Zu bedenken ist hier, dass die Klägerin von Anfang an mit einer angestellten Ärztin zusammen arbeitete. Vor allem dadurch war der Praxisbetrieb von Beginn an mit erheblichen Personalkosten belastet.
Überdies erscheint es generell problematisch, Defizite bei der Ertragslage mit dem allgemeinen Verweis auf branchenspezifische Besonderheiten entkräften zu wollen. Nach den Erfahrungen der Kammer mit Verfahren, in denen es um Gründungszuschüsse ging, sind die Begründungen für nicht ausreichende Gewinnprognosen so unterschiedlich wie die Branchen selbst. Ein Betreiber eines Büroservices machte mangelnde Zahlungsmoral für unzureichende Zahlen verantwortlich, während ein Fahrradhändler und -reparaturbetrieb saisonale Gründe für ausbleibende Einnahmen nannte. Ein Vermittler von Finanz- und Versicherungsprodukten machte wiederum das Provisionsmodell seines Vertragspartners sowie ausstehende Qualifizierungen dafür verantwortlich, dass sich die Gewinnsituation nicht ausreichend entwickeln konnte. Insofern verwies fast jeder der genannten Existenzgründer mit mehr oder weniger guten Gründen darauf, dass sein Konzept an sich tragfähig sei. Nur der Sprung in die sichere Gewinnzone nehme wegen der besonderen Umstände noch etwas Zeit in Anspruch. Möglicherweise auch wegen dieser schwer zu handhabenden Aspekte hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung den Schwerpunkt auf den genannten Sicherungszweck des Gründungszuschusses gelegt.
Eine gesetzgeberische Verpflichtung, solche Umstände, wie sie die Klägerin hier vorgebracht hat, in besonderem Maße zu berücksichtigen, bestand nicht. Bei der Zuerkennung und Ausgestaltung freiwilliger Leistungen wie dem Gründungszuschuss unterliegt der Gesetzgeber nur wenigen Bindungen. Dementsprechend war der Gesetzgeber auch frei darin, die Förderungsmodalitäten ab dem 1.1.2012 insgesamt zu Lasten potentieller Antragsteller zu regeln. Zwar beließ er es bei dem Gesamtförderungszeitraum von 15 Monaten. Indes wandelte er den ersten Förderungsabschnitt ebenfalls in eine Ermessenleistung um und verkürzte diese mit dem erhöhten Zuschussbetrag verbundene Förderungsphase auf sechs Monate unter gleichzeitiger Verlängerung des zweiten Förderungsabschnitts auf neun Monate. Eine grundsätzlich großzügigere Bewilligungspraxis für die zweite Förderungsphase sollte aber mit der Verkürzung der ersten Förderungsphase erkennbar nicht verbunden sein. Hierfür spricht neben dem kaum geänderten Wortlaut der einschlägigen Bewilligungsvorschrift und der nahezu unveränderten Gesetzesbegründung auch der vom Gesetzgeber beabsichtigte Einsparungseffekt. Allein durch Einsparungen beim Gründungszuschuss sollten Entlastungen für den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit von 1.030 Mio. EUR für 2012 und 1.330 Mio. EUR für 2013 eintreten (vgl. Bundesrat Drucksache 313/11 vom 27.5.2011, S. 5 und 163).
Einen gewissen Ausgleich zu dieser Verschiebung der Förderphasen kann die Beklagte gleichwohl im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung vornehmen. So kann sie es etwa als unschädlich ansehen, wenn der Lebensunterhalt nicht unmittelbar nach Ablauf der ersten sechs Monate, sondern – wie bisher – erst nach neun Monaten nachhaltig gesichert werden kann. Da die Klägerin ihren Lebensunterhalt hier aber auch nach neun Monaten nicht aus ihren laufenden Einnahmen decken konnte, spielt dieser Aspekt vorliegend keine entscheidende Rolle.
Mit dem allgemeinen Förderungszweck des Gründungszuschusses ist des Weiteren die Einbeziehung von außerhalb des Förderungszwecks liegenden öffentlichen Belangen nicht vereinbar. Der Gründungszuschuss dient als Mittel zur Integration eher schwer vermittelbarer Arbeitsloser. Er ist kein Förderungsinstrument etwa zur Sicherstellung der Versorgung mit niedergelassenen Fachärzten. Einem solchen ggf. bestehenden öffentlichen Bedürfnis wäre durch Förderungen oder lenkende Regelungen auf anderen Gebieten Rechnung zu tragen.
Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte keine weitere Stellungnahme einer fachkundigen Stelle einholte. Die vorgelegten Unterlagen und Zahlen waren hinreichend aussagekräftig und nachvollziehbar und mussten nicht nochmals einer fachkundigen Bewertung unterzogen werden. Zweifel an der Intensität und dem Umfang der Geschäftstätigkeit der Klägerin bestanden ohnehin nicht.
Im Hinblick auf die zutreffenden Ermessenserwägungen der Beklagten kann abschließend ebenfalls offen bleiben, ob der Gründungszuschuss für den zweiten Förderungsabschnitt überhaupt notwendig im Sinne des § 93 SGB III war. Nach dem Wortlaut § 93 SGB III wird der Gründungszuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung für die Zeit nach der Existenzgründung gewährt. Es spricht aber einiges dafür, diese Notwendigkeit zu verneinen, wenn private Mittel aus Darlehen zur Verfügung stehen, aus denen sich zugleich der laufende Lebensunterhalt bestreiten lässt. So lagen die Dinge aber hier. Die Planungszahlen, die die Klägerin mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vorgelegt hatte, weisen im Juli 2012 die Auszahlung eines (weiteren) Kredits in Höhe von 250.000,00 EUR aus, dem für den weiteren Förderungszeitraum Investitionskosten von lediglich 190.000,00 EUR gegenüberstehen. Der Klägerin stand daher eine "effektive Liquidität" von 60.000,00 EUR zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der laufenden Kosten und einer Tilgung von 12.500,00 EUR im Dezember 2012 verfügte die Klägerin damit jedenfalls im zweiten Förderungsabschnitt über ausreichende Mittel für die eigene Lebensführung einschließlich der sozialen Sicherung. Der eigentliche Sicherungszweck des Gründungszuschusses konnte so schon nicht mehr erreicht werden, so dass die Förderung nicht mehr notwendig war.
Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass der Gründungszuschuss gerade Ausdruck des Umstandes ist, dass Langzeitarbeitslose nicht über ausreichende Eigenmittel für die Gründung verfügen und darüber hinaus nicht in der Lage sind, auf dem Kreditmarkt ein Darlehen für ihre Gründung zu erhalten. Ohne den Gründungszuschuss würde die Gründung bereits an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern. In diesen Fällen ist der Gründungszuschuss für die Gründung notwendig. Wenn aber wie hier bezüglich des zweiten Förderabschnitts Darlehensmittel auch zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, fehlt es an der Notwendigkeit des Gründungszuschusses.
War der Gründungszuschuss in der zweiten Förderungsphase wegen der noch vorhandenen Kreditmittel nicht notwendig, hätte die Beklagte die Weiterbewilligung im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung somit wohl auch unter diesem Gesichtspunkt ablehnen können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.2.2014 – L 8 AL 1515/13). Im Hinblick auf die zuvor ausgeführten Erwägungen musste aber auch diesem Gesichtspunkt hier nicht abschließend nachgegangen werden.
Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang aber, dass im Falle der von der Klägerin angestrebten Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten zur Neubescheidung, die Beklagte dem zuletzt genannten Gesichtspunkt genauso nachzugehen gehabt hätte wie der eingangs genannten Problematik der Mitwirkung der Klägerin bei der Herbeiführung ihrer Arbeitslosigkeit.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung zur Hauptsache (vgl. § 193 SGG).
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