S 14 AS 238/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 238/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1.) Zur Bewertung eines Darlehens als Einkommen im Sinne des SGB II.
2.) Zur Frage des "Fremdvergleichs".
3.) Zur Frage der Rückzahlungsverpflichtung.
4.) Ablehnung einer "zeitlichen Komponente" zur Beurteilung eines Darlehens; Abgrenzung von Fälligkeit und Verpflichtung (ablehnend zu SG Reutlingen S 2 AS 4151/06).
5.) Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen.
6.) Zur Abgrenzung von Darlehen und Schenkung.
7.) Zur Frage der Wirksamkeit eines Darlehens unter Verwandten, insbesondere bei nur nachträglich schriftlicher Bestätigung.
I. Der Bescheid vom 17. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2009 wird abgeändert. Soweit der Beklagte für den Monat März 2008, durch den Widerspruchsbescheid, den Bescheid vom 17. Dezember 2007 in Höhe von 100,- Euro aufgehoben hat, wird diese Aufhebung aufgehoben. II. Der Beklagte wird verurteilt dem Kläger für die Monate Dezember 2007, Januar, Februar und März 2008, jeweils 125,- Euro und für den Monat April 2008 die Summe von 95,- Euro nachzuzahlen. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. IV. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt von dem Beklagten höhere Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum 01. Dezember 2007 bis 31. April 2008.

Der Kläger beantragte am 06. November 2007 Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Der Kläger erzielte in der Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 2. Februar 2008 noch Einkommen in Form von ALG I. Er erhielt jeweils monatlich regelmäßige Zahlungen in Höhe von 125,- Euro durch seine Großmutter, Frau A. A ... Ebenfalls monatlich überwies der Kläger 125,- Euro an die SC. Bank, zur Tilgung eines Autokaufes auf Raten.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II. Wegen der Höhe der Leistungen und der Berechnung wird entsprechend §§ 136 Absatz 2 und 105 Absatz 1 S. 3 SGG auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.

Mit Widerspruch vom 02. Januar 2008 wandte der Kläger sich gegen die, seiner Ansicht nach, zu geringen Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Er machte hierzu geltend, der Beklagte hätte die Zuwendungen seitens der Zeugin A. in Höhe von 125,- Euro monatlich nicht als Einkommen werten dürfen, da diese ein Darlehen zur Finanzierung eines PKW Kaufes darstellten. Der Kläger stützt sich unter anderem auf eine sog. "Formlose Abmachung" zwischen ihm und der Zeugin A. vom 10. November 2006, welche unter anderem die wörtliche Wendung enthält; "Geld wird in Raten je nach Einkommen an Frau A. A. zurückgezahlt.".

Während der Dauer des Widerspruchsverfahrens reichte der Kläger Kontoauszüge ein. Aus diesen ergaben sich noch für den Monat Februar 2008 eine Zuwendung seitens der Eltern des Klägers in Höhe von 70,- Euro und für den Monat März 2008 eine Zuwendung seitens der Eltern des Klägers in Höhe von 50,- Euro, sowie eine Bareinzahlung in Höhe von 100,- Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, mit der Begründung, die Zuwendungen seitens der Zeugin A. seien als Einkommen zu werten. Wegen des in den Monaten Februar und März 2008 erzielten Einkommens hob der Beklagte darüber hinaus den streitgegenständlichen Bescheid in entsprechender Höhe, unter Verweis auf § 48 des zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), auf.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

Unter Abänderung des Bescheides vom 17. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Februar 2009 wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der Zuwendungen der A. A. und ohne Berücksichtigung der Einmalzahlungen in Höhe von 70,- Euro für den Monat Februar 2008 und 150,- Euro für den Monat März 2008, für den Zeitraum 01. Dezember 2007 bis 31. April 2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide. Der Beklagte vertritt darüber hinaus die Rechtsauffassung, ein Darlehen sei als Einkommen zumindest dann anrechenbar, wenn zwar die Rückzahlungsverpflichtung der Darlehenssumme mit der Gewährung der Leistung schon fest stand, aber diese Fälligkeit außerhalb des Bewilligungsabschnittes, oder sogar außerhalb der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II insgesamt liegt.

Die Kammer hat in Ausübung der Verpflichtung zur Amtsermittlung am 11. Mai 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt und im Rahmen dessen die Zeugin A. gehört. Wegen der Aussage der Zeugin wird auf das Protokoll des Termins verwiesen. Im Termin wurde den Beteiligten die Möglichkeit gegeben zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid Stellung zu nehmen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.

Entscheidungsgründe:

I.) Die Kammer kann gemäß § 105 Absatz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und die Beteiligten dazu gehört wurden.

II.) Die Klage ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2007, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Februar 2009 ist zum Teil rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen nach dem SGB II.

In Anwendung von §§ 105 Absatz 1 S. 3, 136 Absatz 3 SGG wird von der Darstellung der Entscheidungsgründe zum Teil abgesehen und insofern auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen, denen sich die Kammer hier anschließt. Dies umfasst namentlich die Feststellungen zur Hilfebedürftigkeit des Klägers dem Grunde nach und zur Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Die Kammer schließt sich ausdrücklich nicht an, den Feststellungen zur Berücksichtigung der Zuwendungen der Zeugin A. als Einkommen (dazu unter 1.) und den Feststellungen zur Berücksichtigung der Einmalzahlungen in den Monaten Februar 2008 und März 2008 und der damit verbundenen Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides (dazu unter 2.).

1.) Die monatlichen Zuwendungen der Zeugin A. sind als Darlehen (dazu unter a) zu werten. Ein Darlehen ist nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu werten, wenn b) die Darlehenszuwendungen während des Laufenden Bezuges erfolgen und c) eine Rückzahlungsverpflichtung schon mit Abschluss des Darlehensvertrages bestanden hat.

Die Kammer ist nach der schlüssigen und glaubhaften Aussage der Zeugin A. überzeugt, dass der Kläger und die Zeugin einen Darlehensvertrag im Sinne des § 488 BGB geschlossen haben. Die Zeugin hat hierbei klar gemacht, dass die Initiative zur Gewährung eines Darlehens von ihr ausging. Sie wollte ihren Enkel (den Kläger) finanziell unterstützen, soweit ihr selbst das möglich war. Mit ihrer anderen Enkelin, die mittlerweile Polizistin sei, hatte die Zeugin ebenfalls eine solche Abmachung getroffen und damit gute Erfahrungen gemacht.

a) Dem wirksamen Abschluss des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der Zeugin steht dabei nicht entgegen, dass dieser nur mündlich vereinbart und erst später als eine Art von "Bestätigungsschreiben" fixiert wurde. Die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB sehen kein Formerfordernis vor. Nach dem Grundsatz der Formfreiheit, als Ausfluss der Privatautonomie, welche in Art. 1, 2, 12 und 14 Grundgesetz verankert ist, bedarf es hier auch keiner besonderen Form. Ein mündlicher Vertrag ist wirksam eingehbar (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs/Ellenberger BGB, 67. Aufl. Überbl. v. § 104 Rn. 1 ff.). Das Schriftformerfordernis des § 492 BGB gilt sowohl nach seinem Wortlaut, als auch nach seiner systematischen Stellung im BGB lediglich für den Sonderfall des § 491 BGB, den Verbraucherdarlehensvertrag. Einen Verbraucherdarlehensvertrag können die Beteiligten schon deshalb nicht abgeschlossen haben, weil die Zeugin insofern keine Unternehmerin im Sinne der §§ 491, 14 BGB ist (die Ausführungen des LSG NRW [Urteil vom 11. Dezember 2008, Az.: L 7 AS 62/08] zu dieser Problematik dürften daher neben der Sache liegen). Daher ist es auch unerheblich, dass die sog. "Formlose Abmachung" zwischen dem Kläger und der Zeugin A. keine konkrete Darlehenssumme nennt. Auch diese kann wirksam mündlich vereinbart werden und ließe sich hier auch anhand der Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Kreditgeber für den PKW Ratenkauf nachvollziehen. Es steht der Wirksamkeit des Vertrages auch nicht entgegen, dass eine Zinsabsprache nicht getroffen wurde. Es ist zum einen ebenfalls Teil der Privatautonomie auf einen vertraglichen Anspruch zu verzichten (vgl. dazu Palandt/Grüneberg § 397 BGB), zum anderen bestimmt § 246 BGB dann die Geltung des gesetzlichen Zinssatzes.

Auch im Sozialrecht dürfen daher keine weitergehenden Anforderungen an die Wirksamkeit von Verträgen gestellt werden. Alles andere wäre ein grundrechtsgefährdender Eingriff in die Privatautonomie. Zu Recht lehnt daher das BSG das Erfordernis eines sog. Fremdvergleiches ab (Urteil vom 03.03.2009, Az.: B 4 AS 37/08 R, dort zur Frage der Kosten der Unterkunft bei Abschluss eines Mietvertrages unter Verwandten, zur Frage des Darlehens LSG NRW aaO). Damit allerdings durch die Zuwendungsgewährungen unter Verwandten nicht die Möglichkeit eines Leistungsmissbrauches entsteht ist es die Aufgabe der Behörden und Gerichte dann bei diesen Verträgen die Wirksamkeit des Vertrages besonders eingehend zu prüfen. Hierzu ist insbesondere darauf abzustellen, dass der Vertrag auch tatsächlich vollzogen wird (so im Ergebnis auch BSG aaO). Im Falle des Darlehens also, dass das Darlehen auch ausgezahlt wird und eine Rückzahlungsverpflichtung besteht (so im Ergebnis auch LSG NRW aaO).

b) Zur Abgrenzung von Vermögen und Einkommen ist darauf abzustellen, wann die Zuwendungen an den Leistungsempfänger fließen. Einkommen ist demnach alles was wertmäßig im laufenden Bezug dem Leistungsempfänger zufließt, Vermögen das was vor dem Bewilligungszeitraum schon vorhanden war (so Eicher/Spellbrink SGB II 2. Aufl. § 11 Rn 21f. m.w.N.). Vorliegend hatte die Zeugin dem Kläger zwar das Darlehen schon vor dem Leistungsbezug gewährt, die Auszahlung aber dergestalt vorgenommen, dass jeweils die Rate für die Abzahlung des PKWs von der Zeugin an den Kläger im jeweiligen Monat überwiesen wurde. In einer solchen Konstellation kommt es für die Abgrenzung nur auf den tatsächlichen Zufluss an (vgl. Eicher/Spellbrink aaO Rn 20). Vorliegend sind daher die Reglungen über Einkommen grds. anwendbar.

c) Wesentliches Merkmal des Darlehens ist die Verpflichtung zur Rückzahlung. Hierbei ist zwischen der Rückzahlungsverpflichtung als Rechtspflicht des § 488 Absatz 1 BGB (dazu unter aa) und der Fälligkeit als Zeitpunkt der Realisierung dieser Rechtspflicht nach § 488 Absatz 3 BGB (dazu unter bb) zu differenzieren. Nur die Rückzahlungsverpflichtung erlaubt die weitere rechtliche Schlussfolgerung, dass ein Darlehen nicht als Einkommen gewertet werden darf. Ein Darlehen ist nämlich wegen der Rückzahlungsverpflichtung wirtschaftlich neutral (abgesehen von der Zinsbelastung, die eine wirtschaftlich nachteilige Position des Darlehensempfängers darstellt, in der hier zu beurteilenden Rechtsfrage aber keine Bedeutung hat). Die Darlehenssumme verlässt den Wirtschaftskreis des Darlehensempfängers so wie diese ihn betreten hat und stellt den Darlehensempfänger nicht besser (vgl. LSG NRW aaO).

aa) Die Verpflichtung zur Rückzahlung aus § 488 Absatz 1 BGB ist ein wesentliches Abgrenzungskriterium zur Schenkung nach § 516 BGB. Bei der Schenkung verbleibt das Geschenkte regelmäßig (unbeschadet des § 528 BGB und der allgemeinen Rückforderungsansprüche des Bürgerlichen Gesetzbuches) im Rechtskreis des Beschenkten. Es ist nicht wieder herauszugeben und wäre damit im Sinne des § 11 SGB II als Einkommen, bzw. im Sinne des § 12 als Vermögen zu berücksichtigen. Nach der Aussage der Zeugin A. steht für die Kammer völlig ohne Zweifel fest, dass eine Rückzahlung des Darlehens von der Zeugin und dem Kläger vereinbart wurde. Die Zeugin hat auch überaus deutlich gemacht, dass sie nie einen Zweifel daran hatte, dass der Kläger das Geld an sie zurückzahlen würde. Sie ist nicht davon ausgegangen auf die Rückzahlung verzichten zu müssen. Bestärkt wurde sie von diesen Einschätzungen durch gute Erfahrungen mit einem an ihre andere Enkelin gewährten Darlehens.

bb) Wann die Rückzahlungsverpflichtung realisiert wird (Datum der Rückzahlung etc.) ist keine Frage der Rechtspflicht zur Rückzahlung, sondern eine Frage der Fälligkeit dieser Rechtspflicht. Der § 488 BGB trägt dem schon Rechnung durch die Aufspaltung der Vorschriften hierüber in die Absätze 1 und 3. Auch die Systematik und Gesamtkonzeption des BGB (insbesondere des allgemeinen und besonderen Schuldrechts) trägt dem Rechnung. So wird in § 241 BGB bestimmt was Rechtspflichten sind, in § 271 BGB hingegen Aussagen über die Leistungszeit getroffen. Die Differenzierung zwischen Pflicht und Fälligkeit ist dem gesamten BGB immanent. Dem ist dann selbstverständlich auch in der sozialrechtlichen Beurteilung Rechnung zu tragen, mit der Folge, dass Rückzahlungsverpflichtung und Fälligkeit der Rückzahlung nicht miteinander vermengt werden dürfen. Dem wird das von dem Beklagten angeführte Urteil des SG Reutlingen vom 24. April 2007 (Az.: S 2 AS 4151/06) nicht gerecht. Das SG Reutlingen vermengt die Begriffe der Fälligkeit und Verpflichtung zur Leistung, wohl in dem Bestreben Rechtsmissbrauch vorzubeugen (vgl. LSG NRW aaO), wenn es fordert, dass der Zeitpunkt der Rückzahlung im Zeitraum des Leistungsbezuges liegen muss, damit ein Darlehen kein Einkommen darstellt. Das SG Reutlingen verkennt hierbei auch, dass jedes Darlehen, welches keine eigene Bestimmung der Fälligkeit getroffen hat, dann dieses Kriterium erfüllen würde, solange der Bewilligungszeitraum nicht abgelaufen ist, da gemäß § 488 Absatz 3 S. 1 BGB dann die Fälligkeit von der Kündigung einer der Vertragsparteien abhinge. Der jeweilige Darlehensempfänger könnte dann also jederzeit durch eine Kündigung die Fälligkeit auch im Leistungsbezug herbeiführen. Der Zweck den das SG Reutlingen mit seiner "strengeren" Anforderung an die Rückzahlung verfolgt, einen eventuellen Missbrauch von Leistungen und "Familiendarlehen" einzudämmen, oder zu verhindern, wird damit dann auch völlig verfehlt. Das SG Reutlingen verkennt weiter, dass mit der Fälligkeit im Leistungsbewilligungsabschnitt auch deshalb keine Rechtssicherheit geschaffen werden würde, weil trotz der Fälligkeit eine davon unabhängige Stundungsvereinbarung getroffen werden könnte. Die Anforderung, dass der Rückzahlungszeitpunkt im Leistungsbewilligungszeitraum liegen muss ist daher weder geeignet Missbrauch zu verhindern, noch ist er durch die Auslegung des § 11 SGB II geboten. Im Gegenteil, es könnte geradezu absurde Konstellationen auftreten, wenn die Gewährung eines Dispositionskredites bei einem Girokonto näher zu betrachten wäre. Dem Kunden des Girokontos wird nämlich rechtlich nichts anderes als ein Darlehen eingeräumt, dessen Fälligkeit ggf. noch gar nicht bestimmt ist. Da dieser Dispositionsrahmen einen geldwerten Vorteil darstellt müsste also dann ernsthaft überlegt werden, ob dies nicht wie Einkommen nach § 11 SGB II auf den Bedarf anzurechnen wäre. Nach Auffassung der Kammer wäre dies eine absurde Konsequenz, die aber zumindest im Ansatz denkbar wäre. Für die Beurteilung ob ein Darlehen Einkommen im Sinne des § 11 SGB II darstellt kann es daher nur auf die vom LSG NRW und vom BSG (jew. aaO) skizzierten Kriterien ankommen, nämlich ob die vertraglichen Leistungsverpflichtungen auch tatsächlich umgesetzt werden, im Falle des Darlehens also, ob die Rückzahlungsverpflichtung besteht.

Daran hat die Kammer in dem hier zu entscheidenden Sachverhalt keinerlei Zweifel. Die Zeugin A. hat deutlich gemacht, dass sie von ihrem Enkel die Rückzahlung des Darlehens von Anfang an erwartet hat.

Der Kläger hatte daher für den Zeitraum Dezember 2007 bis März 2008 einen Anspruch auf Zahlung von weiteren jeweils 125,- Euro, im April 2008 verringerte sich der Anspruch um 30,- Euro, da insofern der Beklagte von den 125,- Euro Einkommen rechtmäßigerweise die Versicherungspauschale in Höhe von 30,- Euro abgezogen hatte, so dass der Kläger in dieser Höhe nicht beschwert war.

2.) Die dem Kläger im Monat Februar 2008 zugeflossene Zahlung in Höhe von 50 Euro, sowie die Zahlung im März 2008 in Höhe von 70,- Euro seitens der Eltern des Klägers hat der Beklagte rechtmäßigerweise als Einkommen gewertet und den Bescheid dahingehend folgerichtig nach § 48 SGB X aufgehoben. Rechtswidrig war jedoch die Aufhebung wegen der Bareinzahlung in Höhe von 100,- Euro im Monat März 2008.

Ein Bescheid kann, mit Wirkung für die Vergangenheit, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden, wenn die Rechtswidrigkeit schon bei der Antragsstellung vorlag. Oder unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X, regelmäßig mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten, aufgehoben werden. Bezüglich aller drei Zuflüsse hat sich die Beurteilung allein nach § 48 SGB X zu richten, da diese erst nach der Antragsstellung im November 2007 tatsächlich zugeflossen sind.

Die Zahlungen der Eltern des Klägers über insgesamt 120,- Euro waren als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu werten und daher bedarfsmindernd anzurechnen. Ihre Aufhebung war nach § 48 Absatz 1 S. 2 Nr. 3 SGB X auch rechtmäßig. Anders als die Zuwendungen seitens der Zeugin A. konnte der Kläger hier nicht nachweisen, dass die beiden Zahlungen seiner Eltern ein Darlehen darstellten. Er konnte sich selber nicht einmal genau erinnern welchen Zweck diese Zahlungen hatten. Seine dahingehend geäußerte Vermutung im Erörterungstermin, er habe dieses Geld wohl für Einkäufe o.ä. verauslagt bekommen konnte insofern auch zu keiner anderen Feststellung führen. Anders verhält es sich allerdings mit der Bareinzahlung in Höhe von 100,- Euro im Monat März. Hier konnte der Kläger glaubhaft machen, dass dies eine Zahlung seiner Ehefrau war, mit der diese ihren Anteil an der Miete der gemeinsamen Wohnung auf das Konto des Klägers brachte. Die Ehefrau des Klägers steht nicht im Bezug von Leistungen nach dem SGB II und hat daher einen Teil der Miete selbst und direkt aufzubringen. Da der Kläger insofern zu der damaligen Zeit mit dem Vermieter vereinbart hatte, dass die Mietzahlungen vom Konto des Klägers erfolgen würden, hatte man sich innerehelich darauf verständigt, dass die Ehefrau ihren Mietanteil in Bar auf das Konto des Klägers einzahlen und dieser dann die Gesamtmiete überweisen würde. Diese Erklärung war für die Kammer auch glaubhaft und nachvollziehbar. Spätere Zahlungen der Ehefrau an den Kläger weisen dann auch den Mietbeitrag ausdrücklich aus, so dass die Kammer hier durchaus zu der Überzeugung gelangte, dass die Eheleute aus den Problemen der Vergangenheit gelernt haben und nun, zur Problemvermeidung, ihre gegenseitigen Zahlungen deutlich kennzeichnen.

Die Zahlung in Höhe von 100,- Euro für den Monat März 2008 war daher nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu werten und die Aufhebung im Widerspruchsbescheid war daher durch das Urteil aufzuheben, da die Anrechnung insofern zu Unrecht erfolgte.

Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da die Aufhebung in Höhe von insgesamt 120,- Euro zu Recht erfolgte.

III.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache. Die Kosten sind gemäß § 193 SGG nach billigem Ermessen festzusetzen (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer SGG, 9. Aufl. § 193 Rn 12ff.). Die Klage ist zwar zu einem Teil abgewiesen worden, dieser fällt allerdings im Vergleich zum obsiegenden Teil kaum ins Gewicht. Diese geringfügigen Kosten sind nach dem Rechtsgedanken des § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO daher nicht dem Kläger aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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