Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1164/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.) Zur Frage der Bestimmtheit der Rechtsfolgenbelehrung bei Sanktionen.
2.) Keine wortlauterweiternde Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II.
3.) Zur Frage der Arbeitsgelegenheit.
4.) Zur Abgrenzung des Vorliegens einer Arbeitsgelegenheit zu deren Unterbreitung.
2.) Keine wortlauterweiternde Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II.
3.) Zur Frage der Arbeitsgelegenheit.
4.) Zur Abgrenzung des Vorliegens einer Arbeitsgelegenheit zu deren Unterbreitung.
I. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 25. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 wird angeordnet.
II. Der Antragsstellerin wird ab 17. Juli 2009 Prozesskostenhilfe, ohne Ratenzahlung, unter Beiordnung von Rechtsanwalt B zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts tätigen Rechtsanwalts bewilligt.
III. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin.
Gründe:
I. Die Antragsstellerin bezog Leistungen der Grundsicherung beim Amt für Grundsicherung des Landkreises Spree-Neiße. Im Rahmen dieses Leistungsbezuges wurde die Antragsstellerin mit Schreiben vom 20. März 2009 zu einem persönlichen Gespräch in die Örtlichkeiten des Grundsicherungsamtes Spree Neiße eingeladen, um ihr ein Beschäftigungsverhältnis zu unterbreiten. Zu einem persönlichen Gespräch kam es indes nicht.
Eine Unterbreitung des Beschäftigungsverhältnisses konnte daher im genannten Termin nicht erfolgen.
Das Schreiben enthielt die wörtliche Belehrung:
Für den Fall, dass Sie diesen Termin nicht wahrnehmen, setze ich Sie davon in Kenntnis, dass gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe in Höhe von 30 % der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt wird und der Zuschlag zum Arbeitslosengeld II nach § 24 SGB II, soweit dieser gewährt wurde, wegfällt. Bei einer wiederholten Pflichtverletzung wird das Arbeitslosengeld II um 60 % der Regelleistung abgesenkt. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung wird das Arbeitslosengeld II um 100 % gemindert, § 31 Abs. 3 S. 1, 2 SGB II.
Die Antragsstellerin zog in diesem Zeitraum in das Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegnerin (Elbe-Elster). Diese Sanktionierte das Verhalten der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. Mai 2009. Die Antragsgegnerin sprach eine 100 % Sanktion wegen wiederholter Pflichtverstöße für den Zeitraum Juni bis August 2009 aus. Dieser Bescheid wurde im Rahmen des vor dem Sozialgericht Cottbus anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zum Aktenzeichen S 14 AS 1054/09 ER von der Antragsgegnerin aufgehoben.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2009 sanktionierte die Antragsgegnerin das genannte Verhalten erneut und sprach eine 100% Sanktion für den Zeitraum Juli bis September 2009 aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird entsprechend § 136 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Auf die Schriftsätze vom 09. Juli 2009, 15. Juli 2009, 24. Juli 2009, 29. Juli 2009, 30. Juli 2009 und 04. August 2009 verwiesen.
Die Klageakte S 14 AS 1256/09 und die Akte der Antragsgegnerin wurden beigezogen.
II. Der Antrag ist gemäß § 86 b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig. Denn der Widerspruch vom 10. Juli 2009 gegen den Bescheid vom 25. Juni 2009, und die unter dem 17. Juli 2009 gegen den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 erhobene Klage entfalten keine aufschiebende Wirkung gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG, da diese aufgrund des Vorliegens eines Falles des § 86 a Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB II) entfallen ist.
Das insoweit mit dem Antrag verfolgte Rechtsschutzziel der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet. Denn in Abwägung der widerstreitenden Interessen muss das öffentliche Interesse an dem Vollzug des angefochtenen Bescheides hinter dem privaten Anordnungsinteresse des Antragstellers zurücktreten. Die mit Bescheid vom 25. Juni 2009 verfügte Sanktionierung und Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate Juli bis September 2009 erweist sich bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen Prüfung als rechtswidrig. Zwar hat die Antragsstellerin ihre Interessen nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft gemacht, insbesondere ist nicht verständlich wieso die Antragsstellerin von den gewährten Lebensmittelgutscheinen keinen Gebrauch gemacht und auch keine Unterlagen über die von ihrem Bevollmächtigten behaupteten Zahlungsverpflichtungen eingereicht hat, darauf kommt es aber in der vorliegenden Konstellation nicht an, da der streitgegenständliche Bescheid offensichtlich an mannigfachen Rechtsfehlern leidet. An dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann allerdings kein öffentliches Interesse bestehen, welches in der Interessenabwägung das Suspensivinteresse des Bürgers überwiegen könnte.
1. Die Kammer hat zunächst Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Nach § 2 Absatz 2 des zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), hätte das Amt für Grundsicherung des Landkreises Spree Neiße Ermessen dahingehend ausüben müssen, ob nicht ggf. die Fortdauer seiner Zuständigkeit für die Sanktion vorgelegen hat, da diese im Interesse der Beteiligten gewesen wäre. Beim Amt für Grundsicherung hätte der Sachverhalt zur vollen Überzeugung der Kammer sachnäher weiter bearbeitet werden können als bei der Antragsgegnerin. Diese hätte dann, auf Grund eigener Zuständigkeit, auf der Grundlage der vom Grundsicherungsamt auszusprechenden Sanktion eine Aufhebung im sanktionierten Zeitraum vornehmen können.
2. Des Weiteren hat die Kammer Bedenken bezüglich der vorliegenden zeitlichen Komponenten. Wie vom Bevollmächtigten der Antragsstellerin zutreffend ausgeführt wurde sind Sanktionen nach dem Sinn und Zweck der Reglung des § 31 SGB II unverzüglich umzusetzen (im Übrigen ein weiteres Argument, dass die Sache hier wohl besser beim Landkreis verblieben wäre). Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die zeitliche Komponente hier wegen des Zuständigkeitswechsels weniger zu gewichten wäre ist auf Grund der Ausführungen zu 1. völlig unbehelflich. Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin eine Sanktion zum identischen Sachverhalt bereits zurück genommen hat und dann einen Monat später fast inhaltsgleich wieder erlässt stößt auf Bedenken dahingehend, dass damit der Sinn und Zweck von Sanktionen wohl zumindest nicht völlig getroffen werden dürfte. Von den Leistungsempfängern wird in der Regel rechtskonformes Verhalten auf Anhieb gefordert. Eine sanktionierende Behörde soll aber ggf. rechtswidrige Sanktionen mehrfach erneut erlassen können. Damit wird der "Lerneffekt" gegenüber dem Bürger aus Sicht der Kammer stark gefährdet, da dem Bürger in aller Regel völlig unverständlich sein dürfte, wieso dieser für sein Fehlverhalten sofort "bestraft" wird, die Behörde, welche sich falsch verhält aber immer wieder solle nachbessern können. Dies dürfte auch dem Wortlaut des § 31 Absatz 6 S. 1 SGB II zuwiderlaufen. Demnach steht eine Sanktion als solche nicht zur Disposition der Behörde, sondern tritt von Gesetzes wegen mit dem Monat nach Wirksamkeit des Bescheides in Kraft. Es ist daher unter Beachtung dieses Wortlauts
zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine doppelte Verwendung von Sanktionshandlungen damit ausgeschlossen hat, zumindest darf nach Auffassung der Kammer dann der Sanktionszeitraum in einer nachgeholten (verbesserten) Sanktion nicht (mehr) verändert werden. Wenn also die Antragsgegnerin ursprünglich die Sanktion für Juni 2009 bis August 2009 ausgesprochen hat, dann dürfte sie auch im Falle der "nachgeholten Sanktion" diesen Zeitraum nicht verlassen. Im vorliegenden Fall hat dies noch besondere Bedeutung, da wegen § 20 Ab-satz 4 SGB II mit dem 1. Juli 2009 eine Änderung in der Höhe der Leistungen eintritt, so dass die Antragsstellerin durch die nachgeholte Sanktion finanziell stärker belastet wird als durch die ursprüngliche (aufgehobene).
3. Die Sanktion ist aber schließlich deshalb rechtwidrig, weil die Antragsgegnerin rechtsfehlerhaft auf § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II abstellt. Die Tatbestandvoraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Weder liegt ein Weigern im Sinne des Gesetzes, noch liegt ein konkretes Arbeitsangebot, noch liegt eine rechtmäßige Rechtsfolgenbelehrung vor.
a Ausweislich des Wortlautes des Einladungsschreibens vom 20. März 2009 wurde die Antragsstellerin zu einem persönlichen Gespräch eingeladen um ihr ein konkretes Arbeitsangebot
vorzustellen. Ein konkretes Arbeitsangebot lag der Antragsstellerin aber nicht vor. § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II stellt auf die Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit ab. Nur wenn die Antragsstellerin durch das Gespräch am 24. März 2009 das Arbeitsangebot sofort hätte annehmen können und ihre Aufnahme beim potentiellen Arbeitgeber schon durch das Gespräch beim Grundsicherungsamt des Landkreises Spree Neiße gesichert gewesen wäre, hätte überhaupt eine konkrete Arbeitsgelegenheit vorliegen können. § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II stellt im reinen Wortsinne auf eine Tätigkeit ab, welche entweder schon ausgeführt wird (2. Variante), oder dem Betroffenen dergestalt angeboten wird, dass dieser nur noch "Ja sagen" muss und sofort mit der Arbeit beginnen kann (1. Variante).
Ein Verstoß gegen die 1. oder 2. Variante (in ihrem Wortlaut) ist evident nicht gegeben.
aa Nur im Wege der Auslegung des Wortlautes hat sich in der Literatur und Rechtsprechung die Auffassung verdichtet, dass auch eine Anbahnung zur 1. Variante im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs beim Arbeitgeber verwirklicht werden kann (vgl. Berlit in LPK SGB II, 2. Aufl. § 31 Rn 35f.). Die Kammer erachtet diese Erweiterung des Wortlauts schon für rechtlich überaus bedenklich, denn § 31 SGB II stellt zwar keine Strafnorm dar, welche nicht durch Auslegung erweitet werden dürfen (vgl. Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz[GG]), sie stellt aber einen erheblichen Eingriff in grundrechtssensible Bereiche dar (vgl. Prinzipiell LSG Berlin Brandenburg L 10 B 2154/08 AS ER). Auch ohne eine 100% ige Kürzung stellt die Leistung der Grundsicherung (nach §§ 19, 20 SGB II) das sozialkulturelle Minimum dar, welches, nach dem Gebot des Artikel 1 GG, jedem Bürger grundsätzlich zustehen muss. Eingriffe hierin berühren immer Artikel 1 GG. Wie ausgeführt ist zwar der Anwendungsbereich von Artikel 103 Absatz 2 GG nicht eröffnet, die Interessenlage der Grundrechtsträger ist aber zumindest vergleichbar, so dass die Kammer grundsätzlich eine über den Wortlaut der Norm des § 31 SGB II hinausgehende Auslegung ablehnt.
bb Selbst wenn man allerdings der erweiternden Auslegung der 1. Variante folgen würde, wären auch hier die Grenzen bei Weitem überschritten. Die erweiternde Auslegung stellt auf Fehlverhalten gegenüber dem Arbeitgeber ab, durch welches der Betroffene die Einstellung, bzw. Übernahme in Arbeit verhindert. Das Grundsicherungsamt des Landkreises Spree Neiße war offensichtlich weder der potentielle Arbeitgeber, noch war er von diesem zur Einstellung der Antragsstellerin und zur Durchführung eines für ihn verbindlichen Vorstellungsgespräches, oder zu verbindlichen Vertragsverhandlungen befugt. Daher sind auch die Voraussetzungen der erweiternden Auslegung der 1. Variante nicht gegeben. Die Antragsstellerin hätte allenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Absatz 2 SGB II (Verpflichtung zur persönlichen Meldung) erfüllen können, diese scheitert aber an der insofern völlig fehlerhaften Rechtsfol-genbelehrung und würde im Übrigen die ausgesprochene Sanktionshöhe in keiner Weise decken.
b Es liegt auch kein Weigern im Rechtssinne vor. Bei der Frage des Weigerns durch schlüssiges Handeln muss der Wille zum Ausdruck kommen die Tätigkeit nicht ausüben zu wollen, hierfür trägt der Grundsicherungsträger zunächst die volle Beweislast (vgl. Berlit aaO Rn 34). Die Antragsgegnerin hat hierzu weder Beweis angetreten, noch Glaubhaftmachungen für notwendig erachtet, sondern das konkludente Weigern seitens der Antragsstellerin postulatorisch
unterstellt, obschon der Bevollmächtigte der Antragsstellerin weiträumig und sachlich dazu vielfach vorgetragen hat. Einen Versuch die eigenen Behauptungen zu untermauern unternimmt die Antragsgegnerin indes nicht.
Aus dem Nichterscheinen zum Termin, gleich aus welchen Gründen, kann aus Sicht der Kammer nicht der Schluss gezogen werden, dass die Antragsstellerin ein bestimmtes Angebot nicht aufgreifen wolle. Um eine innerliche Verweigerung aufzubauen und diese nach außen zu manifestieren müsste der Antragsstellerin nämlich überhaupt erst das Angebot bekannt sein. Ohne ein hinreichend bestimmtes Angebot kann es keine Weigerung im Rechtssinne geben (vgl. BSG vom 16. Dezember 2008 Az.: B 4 AS 60/07 R, LSG Berlin Brandenburg aaO, welches ausdrücklich auf eine angebotene Arbeit hinweist, also, wie die Kammer auch [unter a] die Notwendigkeit sieht, dass ein Angebot vorliegen muss und nicht erst, wie hier, unterbreitet werden soll).
c Eine Sanktionierung nach § 31 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 (lit. c) SGB II setzt immer eine Belehrung über die Rechtsfolgen des sanktionsbewehrten Handelns voraus. Eine Rechtsfolgenbelehrung darf sich nicht in einer bloßen Formalie oder der formelhaften Wiederholung des
Gesetzestextes in einem allgemeinen Merkblatt erschöpfen. Sie hat dem Hilfebedürftigen konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und rechtlich zutreffend die unmittelbaren und konkreten Auswirkung eines bestimmten Handelns (oder Unterlassens) vor Augen zuführen und muss erkennen lassen, welche Handlung (oder Unterlassung) von dem Hilfebedürftigen verlangt wird um eine Absenkung zu vermeiden bzw. abzuwenden. Die Rechtsfolgenbelehrung muss jeweils im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Obliegenheitsverletzung stehen. Sie muss der Pflichtverletzung und der Absenkung vorangehen und kann nicht durch eine nachträgliche Erläuterung der Gründe für eine Absenkung ersetzt werden. Nicht hinreichend sind in der Vergangenheit erteilte Belehrung oder allgemeine Merkblatthinweise (vgl. BSG vom 16. Dezember 2008 Az.: B 4 AS 60/07 R; Berlit aaO Rn. 64 ff.).
Diesen Anforderungen wird die dem Einladungsschreiben beigefügte Belehrung der Antragsstellerin nicht gerecht. Die Belehrung erschöpft sich in der formelhaften Wiedergabe des Gesetzestextes, sie ist überdies in der Sache völlig unzutreffenden ergangen und gibt nicht einmal den Gesetzestext korrekt wieder. Hieraus eine ordnungsgemäße Belehrung für einen bestimmten Sanktionstatbestand ableiten zu wollen ist rechtlich völlig unvertretbar. Eine eindeutige, konkrete, verbindliche und rechtlich korrekte Warnung der Antragsstellerin vor sanktionsbewehrten Verhalten kann dieser Belehrung daher nicht innewohnen. Es kann auch nicht auf in der Vergangenheit erteilte Belehrungen ankommen, da die Belehrung immer im Zusammenhang mit dem konkreten Handeln oder Unterlassen erfolgen muss. Aus diesem Grunde ist auch die Belehrung in der Eingliederungsvereinbarung hier nicht heranzuziehen, wobei auch diese sich auf formelhafte Wiedergaben beschränkt und alles in allem wie ein Markblatt gestaltet ist, welches überhaupt keine Belehrungswirkung im Sinne des § 31 SGB II entfaltet (vgl. SG
Cottbus S 14 AS 146/07).
Nach den Feststellungen der Kammer hätte eine Belehrung über das Versäumen eines Meldetermins ergehen müssen. Dies ist nicht erfolgt. Die Belehrung ist aber auch hinsichtlich einer konkreten Arbeitsgelegenheit aus diversen Gründen fehlerhaft.
aa Zunächst, wobei dies kein wirklich schwerwiegender Fehler sein dürfte, wird die Norm falsch zitiert. Die Rechtsfolgenbelehrung missachtet, dass § 31 Absatz 1 SGB II mehr als nur einen Satz hat und zitiert die Norm entsprechend falsch.
bb Die Belehrung erfolgte für den Fall "dass (Sie) diesen Termin nicht wahrnehmen", Es wird nicht auf die Weigerung eine Arbeitsgelegenheit anzutreten abgestellt. Die Rechtsfolgenbelehrung betrifft daher einen völlig anderen tatsächlichen Zusammenhang (vgl. dazu auch oben).
cc Die Rechtsfolgenbelehrung stellt auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II ab, "soweit dieser gewährt wurde". Aus dieser Wendung lässt sich erkennen, dass die Rechtsfolgenbelehrung nicht auf die konkreten Peron der Antragsstellerin zugeschnitten war, sonst hätte diese Wendung entweder gänzlich entfallen, oder ohne Einschränkung erteilt werden müssen.
dd Die Rechtsfolgenbelehrung trifft keine konkreten Angaben zu Beginn und Dauer der potentiellen Sanktion.
ee Bezüglich der wiederholten Pflichtverstöße wird die Erwähnung und Erklärung der Jahresfrist unterlassen.
ff Der Hinweis auf ergänzende Sachleistungen fehlt.
Eine Rechtsfolgenbelehrung die an solch einer Vielfalt von Fehlern leidet kann niemals geeignet sein eine Warn- und Hinweisfunktion auszuüben.
Die Sanktionierung der Antragsstellerin erweist sich daher als offensichtlich rechtswidrig, so dass an dem Vollzug der Sanktion keinerlei öffentliches Interesse bestehen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Ver fahrens in der Sache selbst.
Zum Beschluss zu II) Gemäß § 73 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, der nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im vorliegenden Fall bietet der Rechtsstreit hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn mit Rücksicht auf das ungewisse Ergebnis einer erforderlichen Beweisaufnahme muss dem Klageverfahren eine genügende Erfolgswahrscheinlichkeit zugebilligt werden. Auch wird die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage für geboten gehalten.
Die Antragstellerin ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Die Antragstellerin bezieht Leistungen nach dem SGB II. Leistungsbeziehern nach dem SGB II ist es regelmäßig wirtschaftlich nicht möglich einen Prozess selbst zu finanzieren. Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung im konkreten Fall liegen nicht vor.
Der Antragstellerin wird aufgegeben, dem Gericht Änderungen der für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen.
Gegen den Beschluss zu 1. (Anordnung der aufschiebenden Wirkung) findet die Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg statt.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (Beschluss zu 2) ist - außer für die Staatskasse im Falle des § 127 Abs. 3 ZPO - unanfechtbar.
II. Der Antragsstellerin wird ab 17. Juli 2009 Prozesskostenhilfe, ohne Ratenzahlung, unter Beiordnung von Rechtsanwalt B zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts tätigen Rechtsanwalts bewilligt.
III. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin.
Gründe:
I. Die Antragsstellerin bezog Leistungen der Grundsicherung beim Amt für Grundsicherung des Landkreises Spree-Neiße. Im Rahmen dieses Leistungsbezuges wurde die Antragsstellerin mit Schreiben vom 20. März 2009 zu einem persönlichen Gespräch in die Örtlichkeiten des Grundsicherungsamtes Spree Neiße eingeladen, um ihr ein Beschäftigungsverhältnis zu unterbreiten. Zu einem persönlichen Gespräch kam es indes nicht.
Eine Unterbreitung des Beschäftigungsverhältnisses konnte daher im genannten Termin nicht erfolgen.
Das Schreiben enthielt die wörtliche Belehrung:
Für den Fall, dass Sie diesen Termin nicht wahrnehmen, setze ich Sie davon in Kenntnis, dass gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe in Höhe von 30 % der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt wird und der Zuschlag zum Arbeitslosengeld II nach § 24 SGB II, soweit dieser gewährt wurde, wegfällt. Bei einer wiederholten Pflichtverletzung wird das Arbeitslosengeld II um 60 % der Regelleistung abgesenkt. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung wird das Arbeitslosengeld II um 100 % gemindert, § 31 Abs. 3 S. 1, 2 SGB II.
Die Antragsstellerin zog in diesem Zeitraum in das Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegnerin (Elbe-Elster). Diese Sanktionierte das Verhalten der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. Mai 2009. Die Antragsgegnerin sprach eine 100 % Sanktion wegen wiederholter Pflichtverstöße für den Zeitraum Juni bis August 2009 aus. Dieser Bescheid wurde im Rahmen des vor dem Sozialgericht Cottbus anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zum Aktenzeichen S 14 AS 1054/09 ER von der Antragsgegnerin aufgehoben.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2009 sanktionierte die Antragsgegnerin das genannte Verhalten erneut und sprach eine 100% Sanktion für den Zeitraum Juli bis September 2009 aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird entsprechend § 136 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Auf die Schriftsätze vom 09. Juli 2009, 15. Juli 2009, 24. Juli 2009, 29. Juli 2009, 30. Juli 2009 und 04. August 2009 verwiesen.
Die Klageakte S 14 AS 1256/09 und die Akte der Antragsgegnerin wurden beigezogen.
II. Der Antrag ist gemäß § 86 b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig. Denn der Widerspruch vom 10. Juli 2009 gegen den Bescheid vom 25. Juni 2009, und die unter dem 17. Juli 2009 gegen den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 erhobene Klage entfalten keine aufschiebende Wirkung gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG, da diese aufgrund des Vorliegens eines Falles des § 86 a Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB II) entfallen ist.
Das insoweit mit dem Antrag verfolgte Rechtsschutzziel der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet. Denn in Abwägung der widerstreitenden Interessen muss das öffentliche Interesse an dem Vollzug des angefochtenen Bescheides hinter dem privaten Anordnungsinteresse des Antragstellers zurücktreten. Die mit Bescheid vom 25. Juni 2009 verfügte Sanktionierung und Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate Juli bis September 2009 erweist sich bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen Prüfung als rechtswidrig. Zwar hat die Antragsstellerin ihre Interessen nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft gemacht, insbesondere ist nicht verständlich wieso die Antragsstellerin von den gewährten Lebensmittelgutscheinen keinen Gebrauch gemacht und auch keine Unterlagen über die von ihrem Bevollmächtigten behaupteten Zahlungsverpflichtungen eingereicht hat, darauf kommt es aber in der vorliegenden Konstellation nicht an, da der streitgegenständliche Bescheid offensichtlich an mannigfachen Rechtsfehlern leidet. An dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann allerdings kein öffentliches Interesse bestehen, welches in der Interessenabwägung das Suspensivinteresse des Bürgers überwiegen könnte.
1. Die Kammer hat zunächst Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Nach § 2 Absatz 2 des zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), hätte das Amt für Grundsicherung des Landkreises Spree Neiße Ermessen dahingehend ausüben müssen, ob nicht ggf. die Fortdauer seiner Zuständigkeit für die Sanktion vorgelegen hat, da diese im Interesse der Beteiligten gewesen wäre. Beim Amt für Grundsicherung hätte der Sachverhalt zur vollen Überzeugung der Kammer sachnäher weiter bearbeitet werden können als bei der Antragsgegnerin. Diese hätte dann, auf Grund eigener Zuständigkeit, auf der Grundlage der vom Grundsicherungsamt auszusprechenden Sanktion eine Aufhebung im sanktionierten Zeitraum vornehmen können.
2. Des Weiteren hat die Kammer Bedenken bezüglich der vorliegenden zeitlichen Komponenten. Wie vom Bevollmächtigten der Antragsstellerin zutreffend ausgeführt wurde sind Sanktionen nach dem Sinn und Zweck der Reglung des § 31 SGB II unverzüglich umzusetzen (im Übrigen ein weiteres Argument, dass die Sache hier wohl besser beim Landkreis verblieben wäre). Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die zeitliche Komponente hier wegen des Zuständigkeitswechsels weniger zu gewichten wäre ist auf Grund der Ausführungen zu 1. völlig unbehelflich. Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin eine Sanktion zum identischen Sachverhalt bereits zurück genommen hat und dann einen Monat später fast inhaltsgleich wieder erlässt stößt auf Bedenken dahingehend, dass damit der Sinn und Zweck von Sanktionen wohl zumindest nicht völlig getroffen werden dürfte. Von den Leistungsempfängern wird in der Regel rechtskonformes Verhalten auf Anhieb gefordert. Eine sanktionierende Behörde soll aber ggf. rechtswidrige Sanktionen mehrfach erneut erlassen können. Damit wird der "Lerneffekt" gegenüber dem Bürger aus Sicht der Kammer stark gefährdet, da dem Bürger in aller Regel völlig unverständlich sein dürfte, wieso dieser für sein Fehlverhalten sofort "bestraft" wird, die Behörde, welche sich falsch verhält aber immer wieder solle nachbessern können. Dies dürfte auch dem Wortlaut des § 31 Absatz 6 S. 1 SGB II zuwiderlaufen. Demnach steht eine Sanktion als solche nicht zur Disposition der Behörde, sondern tritt von Gesetzes wegen mit dem Monat nach Wirksamkeit des Bescheides in Kraft. Es ist daher unter Beachtung dieses Wortlauts
zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine doppelte Verwendung von Sanktionshandlungen damit ausgeschlossen hat, zumindest darf nach Auffassung der Kammer dann der Sanktionszeitraum in einer nachgeholten (verbesserten) Sanktion nicht (mehr) verändert werden. Wenn also die Antragsgegnerin ursprünglich die Sanktion für Juni 2009 bis August 2009 ausgesprochen hat, dann dürfte sie auch im Falle der "nachgeholten Sanktion" diesen Zeitraum nicht verlassen. Im vorliegenden Fall hat dies noch besondere Bedeutung, da wegen § 20 Ab-satz 4 SGB II mit dem 1. Juli 2009 eine Änderung in der Höhe der Leistungen eintritt, so dass die Antragsstellerin durch die nachgeholte Sanktion finanziell stärker belastet wird als durch die ursprüngliche (aufgehobene).
3. Die Sanktion ist aber schließlich deshalb rechtwidrig, weil die Antragsgegnerin rechtsfehlerhaft auf § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II abstellt. Die Tatbestandvoraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Weder liegt ein Weigern im Sinne des Gesetzes, noch liegt ein konkretes Arbeitsangebot, noch liegt eine rechtmäßige Rechtsfolgenbelehrung vor.
a Ausweislich des Wortlautes des Einladungsschreibens vom 20. März 2009 wurde die Antragsstellerin zu einem persönlichen Gespräch eingeladen um ihr ein konkretes Arbeitsangebot
vorzustellen. Ein konkretes Arbeitsangebot lag der Antragsstellerin aber nicht vor. § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II stellt auf die Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit ab. Nur wenn die Antragsstellerin durch das Gespräch am 24. März 2009 das Arbeitsangebot sofort hätte annehmen können und ihre Aufnahme beim potentiellen Arbeitgeber schon durch das Gespräch beim Grundsicherungsamt des Landkreises Spree Neiße gesichert gewesen wäre, hätte überhaupt eine konkrete Arbeitsgelegenheit vorliegen können. § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c SGB II stellt im reinen Wortsinne auf eine Tätigkeit ab, welche entweder schon ausgeführt wird (2. Variante), oder dem Betroffenen dergestalt angeboten wird, dass dieser nur noch "Ja sagen" muss und sofort mit der Arbeit beginnen kann (1. Variante).
Ein Verstoß gegen die 1. oder 2. Variante (in ihrem Wortlaut) ist evident nicht gegeben.
aa Nur im Wege der Auslegung des Wortlautes hat sich in der Literatur und Rechtsprechung die Auffassung verdichtet, dass auch eine Anbahnung zur 1. Variante im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs beim Arbeitgeber verwirklicht werden kann (vgl. Berlit in LPK SGB II, 2. Aufl. § 31 Rn 35f.). Die Kammer erachtet diese Erweiterung des Wortlauts schon für rechtlich überaus bedenklich, denn § 31 SGB II stellt zwar keine Strafnorm dar, welche nicht durch Auslegung erweitet werden dürfen (vgl. Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz[GG]), sie stellt aber einen erheblichen Eingriff in grundrechtssensible Bereiche dar (vgl. Prinzipiell LSG Berlin Brandenburg L 10 B 2154/08 AS ER). Auch ohne eine 100% ige Kürzung stellt die Leistung der Grundsicherung (nach §§ 19, 20 SGB II) das sozialkulturelle Minimum dar, welches, nach dem Gebot des Artikel 1 GG, jedem Bürger grundsätzlich zustehen muss. Eingriffe hierin berühren immer Artikel 1 GG. Wie ausgeführt ist zwar der Anwendungsbereich von Artikel 103 Absatz 2 GG nicht eröffnet, die Interessenlage der Grundrechtsträger ist aber zumindest vergleichbar, so dass die Kammer grundsätzlich eine über den Wortlaut der Norm des § 31 SGB II hinausgehende Auslegung ablehnt.
bb Selbst wenn man allerdings der erweiternden Auslegung der 1. Variante folgen würde, wären auch hier die Grenzen bei Weitem überschritten. Die erweiternde Auslegung stellt auf Fehlverhalten gegenüber dem Arbeitgeber ab, durch welches der Betroffene die Einstellung, bzw. Übernahme in Arbeit verhindert. Das Grundsicherungsamt des Landkreises Spree Neiße war offensichtlich weder der potentielle Arbeitgeber, noch war er von diesem zur Einstellung der Antragsstellerin und zur Durchführung eines für ihn verbindlichen Vorstellungsgespräches, oder zu verbindlichen Vertragsverhandlungen befugt. Daher sind auch die Voraussetzungen der erweiternden Auslegung der 1. Variante nicht gegeben. Die Antragsstellerin hätte allenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Absatz 2 SGB II (Verpflichtung zur persönlichen Meldung) erfüllen können, diese scheitert aber an der insofern völlig fehlerhaften Rechtsfol-genbelehrung und würde im Übrigen die ausgesprochene Sanktionshöhe in keiner Weise decken.
b Es liegt auch kein Weigern im Rechtssinne vor. Bei der Frage des Weigerns durch schlüssiges Handeln muss der Wille zum Ausdruck kommen die Tätigkeit nicht ausüben zu wollen, hierfür trägt der Grundsicherungsträger zunächst die volle Beweislast (vgl. Berlit aaO Rn 34). Die Antragsgegnerin hat hierzu weder Beweis angetreten, noch Glaubhaftmachungen für notwendig erachtet, sondern das konkludente Weigern seitens der Antragsstellerin postulatorisch
unterstellt, obschon der Bevollmächtigte der Antragsstellerin weiträumig und sachlich dazu vielfach vorgetragen hat. Einen Versuch die eigenen Behauptungen zu untermauern unternimmt die Antragsgegnerin indes nicht.
Aus dem Nichterscheinen zum Termin, gleich aus welchen Gründen, kann aus Sicht der Kammer nicht der Schluss gezogen werden, dass die Antragsstellerin ein bestimmtes Angebot nicht aufgreifen wolle. Um eine innerliche Verweigerung aufzubauen und diese nach außen zu manifestieren müsste der Antragsstellerin nämlich überhaupt erst das Angebot bekannt sein. Ohne ein hinreichend bestimmtes Angebot kann es keine Weigerung im Rechtssinne geben (vgl. BSG vom 16. Dezember 2008 Az.: B 4 AS 60/07 R, LSG Berlin Brandenburg aaO, welches ausdrücklich auf eine angebotene Arbeit hinweist, also, wie die Kammer auch [unter a] die Notwendigkeit sieht, dass ein Angebot vorliegen muss und nicht erst, wie hier, unterbreitet werden soll).
c Eine Sanktionierung nach § 31 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 (lit. c) SGB II setzt immer eine Belehrung über die Rechtsfolgen des sanktionsbewehrten Handelns voraus. Eine Rechtsfolgenbelehrung darf sich nicht in einer bloßen Formalie oder der formelhaften Wiederholung des
Gesetzestextes in einem allgemeinen Merkblatt erschöpfen. Sie hat dem Hilfebedürftigen konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und rechtlich zutreffend die unmittelbaren und konkreten Auswirkung eines bestimmten Handelns (oder Unterlassens) vor Augen zuführen und muss erkennen lassen, welche Handlung (oder Unterlassung) von dem Hilfebedürftigen verlangt wird um eine Absenkung zu vermeiden bzw. abzuwenden. Die Rechtsfolgenbelehrung muss jeweils im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Obliegenheitsverletzung stehen. Sie muss der Pflichtverletzung und der Absenkung vorangehen und kann nicht durch eine nachträgliche Erläuterung der Gründe für eine Absenkung ersetzt werden. Nicht hinreichend sind in der Vergangenheit erteilte Belehrung oder allgemeine Merkblatthinweise (vgl. BSG vom 16. Dezember 2008 Az.: B 4 AS 60/07 R; Berlit aaO Rn. 64 ff.).
Diesen Anforderungen wird die dem Einladungsschreiben beigefügte Belehrung der Antragsstellerin nicht gerecht. Die Belehrung erschöpft sich in der formelhaften Wiedergabe des Gesetzestextes, sie ist überdies in der Sache völlig unzutreffenden ergangen und gibt nicht einmal den Gesetzestext korrekt wieder. Hieraus eine ordnungsgemäße Belehrung für einen bestimmten Sanktionstatbestand ableiten zu wollen ist rechtlich völlig unvertretbar. Eine eindeutige, konkrete, verbindliche und rechtlich korrekte Warnung der Antragsstellerin vor sanktionsbewehrten Verhalten kann dieser Belehrung daher nicht innewohnen. Es kann auch nicht auf in der Vergangenheit erteilte Belehrungen ankommen, da die Belehrung immer im Zusammenhang mit dem konkreten Handeln oder Unterlassen erfolgen muss. Aus diesem Grunde ist auch die Belehrung in der Eingliederungsvereinbarung hier nicht heranzuziehen, wobei auch diese sich auf formelhafte Wiedergaben beschränkt und alles in allem wie ein Markblatt gestaltet ist, welches überhaupt keine Belehrungswirkung im Sinne des § 31 SGB II entfaltet (vgl. SG
Cottbus S 14 AS 146/07).
Nach den Feststellungen der Kammer hätte eine Belehrung über das Versäumen eines Meldetermins ergehen müssen. Dies ist nicht erfolgt. Die Belehrung ist aber auch hinsichtlich einer konkreten Arbeitsgelegenheit aus diversen Gründen fehlerhaft.
aa Zunächst, wobei dies kein wirklich schwerwiegender Fehler sein dürfte, wird die Norm falsch zitiert. Die Rechtsfolgenbelehrung missachtet, dass § 31 Absatz 1 SGB II mehr als nur einen Satz hat und zitiert die Norm entsprechend falsch.
bb Die Belehrung erfolgte für den Fall "dass (Sie) diesen Termin nicht wahrnehmen", Es wird nicht auf die Weigerung eine Arbeitsgelegenheit anzutreten abgestellt. Die Rechtsfolgenbelehrung betrifft daher einen völlig anderen tatsächlichen Zusammenhang (vgl. dazu auch oben).
cc Die Rechtsfolgenbelehrung stellt auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II ab, "soweit dieser gewährt wurde". Aus dieser Wendung lässt sich erkennen, dass die Rechtsfolgenbelehrung nicht auf die konkreten Peron der Antragsstellerin zugeschnitten war, sonst hätte diese Wendung entweder gänzlich entfallen, oder ohne Einschränkung erteilt werden müssen.
dd Die Rechtsfolgenbelehrung trifft keine konkreten Angaben zu Beginn und Dauer der potentiellen Sanktion.
ee Bezüglich der wiederholten Pflichtverstöße wird die Erwähnung und Erklärung der Jahresfrist unterlassen.
ff Der Hinweis auf ergänzende Sachleistungen fehlt.
Eine Rechtsfolgenbelehrung die an solch einer Vielfalt von Fehlern leidet kann niemals geeignet sein eine Warn- und Hinweisfunktion auszuüben.
Die Sanktionierung der Antragsstellerin erweist sich daher als offensichtlich rechtswidrig, so dass an dem Vollzug der Sanktion keinerlei öffentliches Interesse bestehen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Ver fahrens in der Sache selbst.
Zum Beschluss zu II) Gemäß § 73 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, der nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im vorliegenden Fall bietet der Rechtsstreit hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn mit Rücksicht auf das ungewisse Ergebnis einer erforderlichen Beweisaufnahme muss dem Klageverfahren eine genügende Erfolgswahrscheinlichkeit zugebilligt werden. Auch wird die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage für geboten gehalten.
Die Antragstellerin ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Die Antragstellerin bezieht Leistungen nach dem SGB II. Leistungsbeziehern nach dem SGB II ist es regelmäßig wirtschaftlich nicht möglich einen Prozess selbst zu finanzieren. Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung im konkreten Fall liegen nicht vor.
Der Antragstellerin wird aufgegeben, dem Gericht Änderungen der für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen.
Gegen den Beschluss zu 1. (Anordnung der aufschiebenden Wirkung) findet die Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg statt.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (Beschluss zu 2) ist - außer für die Staatskasse im Falle des § 127 Abs. 3 ZPO - unanfechtbar.
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