S 2 KA 10/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 10/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 165/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 130/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung in E.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist approbierter Arzt und Zahnarzt und hat die Weiterbildung zum Facharzt für Mund -, Kiefer- und Gesichtschirurgie absolviert.

Vom 00.00.1982 bis 00.00.1997 war der Kläger in B in eigener Praxis als Vertragszahnarzt (Kassenzahnarzt) niedergelassen.

Am 12.09.1994 beantragte die Kaufmännischen Krankenkasse - KKH, dem Kläger die Zulassung aufgrund säumiger Sozialversicherungsbeiträge für seine Mitarbeiter zu entziehen. Nachdem sich der Kläger mit der Krankenkasse über die Zahlung der rückständigen Beiträge geeinigt hatte, nahm diese am 09.01.1995 ihren Antrag zurück. Einen weiteren von der Krankenkasse am 03.05.1996 gestellten Antrag auf Entziehung der Zulassung lehnte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte im Bezirk L mit Beschluss vom 09.10.1996 ab, weil die nicht rechtzeitige Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen keine gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten sei und eine rechtskräftige Verurteilung wegen strafbarer Handlungen in dieser Angelegenheit nicht vorliege.

Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger seine vertragszahnärztliche Tätigkeit seit 00.1996 nicht mehr ausübte, stellten die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) in Rheinland-Pfalz im Dezember 1996 und die BKK-IKK-LKK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz im März 1997 aus diesem Grunde Entziehungsanträge. Diesen Anträgen entsprach der Zulassungsausschuss für Zahnärzte im Bezirk L mit Beschluss vom 12.03.1987 nicht, sondern stellte stattdessen das Ruhen der Zulassung für die Zelt vom 12.03.1997 bis 09.04.1997 fest und legte dem Kläger auf, bis spätestens 10.04.1997 seine vertragszahnärztliche Tätigkeit wieder aufzunehmen oder den Verzicht auf seine Zulassung zu erklären. Unter dem 10.04.1997 verzichtete der Kläger auf seine Zulassung. Daraufhin stellte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte im Bezirk L mit Beschluss vom 02.07.1997 das Ende der vertragszahnärztlichen Zulassung des Klägers mit dem 10.04.1997 durch Verzicht fest.

Am 23.04.2001 beantragte der Kläger die Zulassung für den Vertragszahnarztsitz Mallee 00, 00000 E, in Praxisgemeinschaft mit dem Vertragszahnarzt Q.

Nach dem Führungszeugnis des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 18.05.2001 liegen folgende den Kläger betreffenden Eintragungen im Register vor:

1.)

29.10.1997 Amtsgericht L
(T2210) -0000 JS 00000/00-LS/000 VRS0000/00-
Rechtskräftig seit 00.00.1998
Tatbezeichnung:
Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 27 Fällen und Betrug in 32 Fällen
Datum der Tat: 00.00.1996
Angewendete Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 266 a Abs. 1, § 53
1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe
Bewährungszeit bis 13.01.2001
Bewährungszeit verlängert bis 13.07.2001

2.)

08.09.1999 Amtsgericht T
(T2218) - 0000 JS00000/00-CS/VRS00000/00 -
Rechtskräftig seit 00.00.1999
Tatbezeichnung: Diebstahl geringwertiger Sachen
Datum der Tatzeit: 00.00.1999
Angewendete Vorschriften: StGB § 242, § 248 a
15 Tagessätze zu je 50 DM Geldstrafe

3.)

07.02.2000 Amtsgericht E
(R1101) -000 CS 000 JS 0000/00 (000VRS000/00) -
Rechtskräftig seit 00.00.2000
Tatbezeichnung: Diebstahl geringwertiger Sachen
Datum der Tat: 00.00.1999
Angewendete Vorschrift: StGB § 242, § 248 a
15 Tagessätze zu je 200 DM Geldstrafe

Mit Bescheid vom 05.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2001 widerrief die Bezirksregierung Düsseldorf die Approbationen des Klägers als Arzt und Zahnarzt. Hiergegen hat der Kläger nach seinen Angaben Klage zum Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben.

Mit Beschluss vom 29.08.2001 lehnte der Zulassungsausschuss-Zahnärzte für den Bezirk Nordrhein den Zulassungsantrag des Klägers ab: Die Verfehlungen des Klägers, die zu der Verurteilung durch das Amtsgericht L geführt hätten, seien nach seiner Überzeugung so gravierend, dass sie den Zahnarzt als ungeeignet im Sinne des § 21 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) gemacht hätten.

Da eine charakterliche Ungeeignetheit aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen nicht immer auf Lebenszeit angenommen werden könne, habe der Zulassungsausschuss geprüft, ob im Hinblick auf das zwischenzeitliche Verhalten eine Läuterung des Bewerbers angenommen und eine Zulassung erteilt werden könne.

Hierbei habe der Zulassungsausschuss festgestellt, dass der Kläger nach der oben genannten Verurteilung noch in zwei weiteren Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Von einer Läuterung oder Bewährung des Klägers könne danach keine Rede sein.

Zwar habe es sich in den beiden Fällen nur um Diebstahl geringwertiger Sachen gehandelt. Dies spiele aber für die zu prüfende Frage der Eignung keine Rolle. Die Zulassung zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung setze nämlich voraus, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die unbedingte Zuverlässigkeit und peinlich genaue Korrektheit des Zahnarztes vertrauen könnten. Dieses unbedingt erforderliche Vertrauensverhältnis sei jedoch nicht gegeben, wenn ein Zahnarzt nach einer empfindlichen strafrechtlichen Verurteilung kurze Zeit später in zwei Fällen wegen Diebstahl geringwertiger Sache verurteilt werde.

Darüber hinaus sei auch das sonstige Verhalten des Klägers nicht geeignet, das notwendige Vertrauensverhältnis erneut zu begründen. Hierbei werde insbesondere auf die mangelnde Zuverlässigkeit im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Aufnahme und Tätigkeit im Bereich der Beigeladenen zu 8) abgestellt, da der Kläger seinen diesbezüglichen Meldepflichten nicht nachgekommen sei. Darüber hinaus ließen die vermutlich hohen Restverbindlichkeiten, zu welchen der Kläger keine genauen Angaben gemacht habe, ebenfalls insbesondere unter Bewertung der aktenkundigen Straftatbestände, die zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit notwendige Zuverlässigkeit nicht erkennen.

Der Ausschuss müsse von daher befürchten, dass sich der Zahnarzt in Zukunft in erster Linie von wirtschaftlichen Eigeninteressen leiten lasse und weniger um eine ordnungsgemäße vertragszahnärztliche Betreuung bemüht sein werde, da seine finanzielle Lage mehr als nur angespannt sei.

Von daher sei der Ausschuss der Überzeugung, dass es einem derart finanziell verpflichteten Vertragszahnarzt schwerer fallen werde, dem Gebot einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Behandlungs- und Verordnungsweise nachzukommen, als einem Zahnarzt in normalen finanziellen Verhältnissen.

Die Tatsache, dass der Kläger in Kürze das 55. Lebensjahr vollende und dann die Bestimmung des § 25 Zahnärzte-ZV zu beachten sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, da das Alter allein den Zahnarzt nicht geeigneter mache.

Diesem Beschluss widersprach der Kläger. Er besitze (wieder) die Eignung zur Niederlassung und Führen einer vertragszahnärztlichen Praxis. Die fünfjährige "Bewährungsfrist" zur Wiedererlangung der Eignung sei ausgehend vom Tatzeitraum, der dem Urteil des Amtsgerichts L zugrundeliege, verstrichen. Die abgeurteilten Straftaten berührten auch nicht den Kernbereich zahnärztlicher Berufspflichten sowie vertragszahnärztlicher Pflichten. Den nachfolgenden Strafbefehlen lägen nur Bagatelldelikte zugrunde, die ca. 2 bis 2 1/2 Jahre zurücklägen. Aufgrund zwischenzeitlich relativ konsolidierter finanzieller Situation sei mit solchen "Exzessen" nicht mehr ernsthaft zu rechnen. Sie relativierten sich vor dem Hintergrund damaliger existentieller Notsituation.

Mit Beschluss vom 20.11.2001, dem Kläger als Bescheid am 21.12.2001 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Er pflichte der Begründung des Zulassungsausschusses bei und mache sie im vollen Umfang auch zum Inhalt seiner Entscheidung.

Aufgrund der durch die Amtsgerichte L, T und E rechtskräftig festgestellten und abgeurteilten Straftaten sei erwiesen, dass bei dem Kläger im Sinne des § 21 Zahnärzte-ZV so schwerwiegende Mängel charakterlicher Art vorlägen, die ihn für die Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung, welche eine hohe persönliche und berufliche Verantwortlichkeit voraussetze, ungeeignet machten. Demgegenüber könne sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er durch Zeitablauf nach Ende des Tatzeitraums, 00.1996, der dem Urteil des Amtsgerichts L zugrunde gelegen habe, seine Eignung jedenfalls wiedererlangt habe.

Denn auch nach dieser Zeit sei der Kläger wieder straffällig geworden. Wenn diese weiteren Straftaten auch nicht mit seiner Berufstätigkeit in Zusammenhang stünden, so offenbarten sie jedoch, dass eine unbedingte Zuverlässigkeit und peinlich genaue Korrektheit, die die Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung erfordere, um das erforderliche Vertrauensverhältnis zu Krankenkassen und KZV zu gewährleisten, bei dem Kläger nach wie vor nicht vorliege.

Dem entspreche im Übrigen auch, dass die Bezirksregierung Düsseldorf wegen dieser Straftaten zum Schutze öffentlicher Interessen und im Interesse der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung der Bevölkerung sogar ein Verwaltungsverfahren gegen den Kläger auf Widerruf seiner Approbation als Arzt und Zahnarzt eingeleitet habe, weil der Kläger sich durch diese Taten eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen und zahnärztlichen Berufes ergebe.

Hiergegen richtet sich die am 21.01.2002 erhobene Klage.

Der Kläger ist der Ansicht, er erfülle die Zulassungsvoraussetzungen, so dass er einen Rechtsanspruch auf Zulassung besitze. Insbesondere sei er für die Ausübung der beantragten kassenzahnärztlichen Praxis im Sinne des § 21 Zahnärzte-ZV geeignet.

Angesichts der Bedeutung einer Kassenzahnarztzulassung, die bei Nichtgewährung einer erheblichen Einschränkung der Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) sehr nahe komme, sei diese Vorschrift restriktiv auszulegen.

Zur Ungeeignetheit könnten daher nur solche in der Person des Arztes liegenden Gründe führen, die erwarten ließen, dass er bei Erhalt der Zulassung die Funktionsfähigkeit des vertragszahnärztlichen System gefährde.

Nach allgemeiner Meinung könnten strafbare Handlungen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit der Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit stünden, eine Ungeeignetheit nur dann begründen, wenn die Straftaten unmittelbar auf eine Gefährdung der Patienten oder des Systems vertragszahnärztlicher Versorgung schließen ließen.

Vor diesem Hintergrund reichten weder die strafgerichtliche Verurteilung wegen Vorenthaltung von Arbeitsentgelt u.a. aus dem Jahre 1997 noch die beiden Strafverfahren wegen Diebstahls geringwertiger Sachen aus, um seine Ungeeignetheit zu begründen.

Die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen habe keinen unmittelbaren Bezug zum vertragszahnärztlichen Versorgungssystem. Auch der Zulassungsausschuss für Zahnärzte im Bezirk L hat mit dieser Begründung zutreffend einen Zulassungsentziehungsantrag der KKH abgelehnt. Aus diesem Grund könne der Sachverhalt, der seinerzeit nicht für eine Zulassungsentziehung als ausreichend angesehen worden sei, mehr als 5 Jahre nach Aburteilung der Taten auch keine Verweigerung der Zulassung rechtfertigen. Die Straftaten beruhten zudem auf einer einmaligen Sondersituation des Klägers. Es handele sich bei ihm nicht etwa um einen "notorischen Wiederholungstäter".

Zu bedenken sei in diesem Zusammenhang, dass die Ablehnung der Zulassung für den Kläger einem Berufsverbot gleichkommen würde, da er wegen Erreichens des 55. Lebensjahres die Altersgrenze für eine Zulassung überschritten und daher auch zu einem späteren Zeitpunkt keinen weiteren Antrag erfolgreich stellen könnte. Ein solches Berufsverbot sei aber von keinem Strafgericht ausgesprochen worden und wäre auch unverhältnismäßig.

Auch die Strafverfahren wegen Diebstahls geringwertiger Sachen hätten keinen Bezug zum vertragszahnärztlichen Versorgungssystem. Die ihm vorgeworfenen Straftaten bezögen sich ausschließlich auf seinen privaten Lebensbereich und ließen keine generalisierenden Rückschlüsse auf seine im Übrigen tadellose Lebensführung zu. Wegen des fehlenden Zusammenhangs zur ärztlichen Tätigkeit sei es unzulässig, besonders strikte Verhaltensmaßstäbe anzulegen.

Angesichts der völlig anderen Qualität der Straftaten lasse sich auch kein Bezug zur Verurteilung im Jahre 1997 ziehen. Dafür spreche insbesondere, dass die entscheidenden Amtsgerichte T und E hier Geldstrafen als vollkommen ausreichend angesehen und damit selbst keinen Bezug zur vorherigen Verurteilung hergestellt hätten.

Selbst wenn der Kläger wegen der 1997 abgeurteilten Straftaten ungeeignet gewesen wäre, ergebe sich die Wiederherstellung seiner Geeignetheit aus dem Ablauf der fünfjährigen Wohlverhaltensphase. Da die 1997 abgeurteilten Taten einen Zeitraum bis 1996 betroffen hätten, seien seither mehr als fünf Jahre vergangen.

Die Wohlverhaltensphase werde auch nicht durch die 1999 begangenen Diebstahlsdelikte unterbrochen. Diese Delikte könnten bei der Prüfung der Eignung des Klägers zur Teilnahme an der kassenzahnärztlichen Versorgung nicht entscheidend herangezogen werden. Denn es komme maßgeblich darauf an, wie sich der Arzt in seinem beruflichen Bereich verhalte und welche Schlüsse daraus auf eine berufliche Bewährung zu ziehen seien. Die Diebstahlsdelikte seien nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit begangen worden. Deshalb könnten sie nicht zu einer Unterbrechung der Wohlverhaltensphase führen.

Schließlich sei bei der im Rahmen der Geeignetheitsbeurteilung vorzunehmenden Prognoseentscheidung wegen des Einflusses von Art. 12 Abs.1 GG stets das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen. Bei einem Scheitern der Zulassung besitze der Kläger aufgrund seines Alters keine weitere Möglichkeit, einen erneuten Zulassungsantrag zu stellen. Der Eingriff in Art. 12 Abs.1 GG wäre demnach erheblich und gleichzeitig endgültig, sodass hier besonders strenge Maßstabe bei der Abwägung anzulegen seien.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses vom 20. November 2001 den Beklagten zu verurteilen, ihm die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung für den Vertragszahnarztsitz Mallee 00 in E zu erteilen, hilfsweise, unter Abänderung des Beschlusses vom 20. November 2001 den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seinen Bescheid für rechtmäßig.

Insbesondere könne dem Kläger, der sich durch die Straftaten, die zu der Verurteilung durch das Amtsgericht L vom 00.00.1997 geführt hätten, als ungeeignet für die Ausübung einer Vertragszahnarztpraxis im Sinne des § 21 Zahnärzte-ZV erwiesen habe, im Hinblick auf die 1999 begangenen Diebstahlsdelikte kein Wohlverhalten zugebilligt werden. Denn aufgrund dieser erneuten Straftaten könne nicht von einer zwischenzeitlichen Läuterung oder Bewährung des Klägers ausgegangen werden, die ihn nunmehr für eine Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung geeignet erscheinen lasse.

Die Beigeladene zu 8) beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der nicht erschienenen und nicht vertreten gewesenen Beigeladenen zu 1) bis 7) verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in den form- und fristgerecht zugestellten Terminbenachrichtigungen hingewiesen worden ist.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch den Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtmäßig ist.

Ein Zahnarzt, der die Zulassungsvoraussetzungen des § 18 Zahnärzte-ZV erfüllt, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Zulassung als Vertragszahnarzt. Die Zulassung des Klägers scheitert aber an § 21 Zahnärzte-ZV. Danach ist ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis ein Zahnarzt mit geistigen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Mängeln. Da die Versagung der Zulassung einer Beschränkung der Berufswahlfreiheit aus Art. 12 GG gleichkommt (vgl. bereits BSG SozR 2200 § 368a Nr. 36), sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfGE 44, 105, 117 f.; 48, 292, 296 f.). Deshalb ist die Versagung der Zulassung als Vertragsarzt nach § 21 Zahnärzte-ZV nur zulässig, wenn die in der Person des Zahnarztes liegenden Mängel so beschaffen sind, dass sie die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährden können (BVerfG SozR 2200 § 368a Nr. 6). Weil beim Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen des §§ 95, 95a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 18 Zahnärzte-ZV indes grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Zahnarzt auch als Vertragszahnarzt geeignet ist, handelt es sich bei § 21 Zahnärzte-ZV um eine Ausnahmevorschrift mit der Folge, dass die Beweislast im Sinn einer objektiven Feststellungslast grundsätzlich dem nach §§ 96, 97 SGB V, § 19 Zahnärzte-ZV zuständigen Zulassungsgremium obliegt, das die Versagungsgründe geltend macht (BSG SozR 5520 § 21 Nr. 1). In Anwendung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger "ungeeignet" im Sinne des § 21 Zahnärzte-ZV ist.

Die Funktionsfähigkeit des Systems der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung beruht entscheidend auf dem Prinzip, dass die hieran beteiligten (Zahn-)Ärzte, Krankenkassen und Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zusammenwirken, um die durch § 1 SGB V bestimmte Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten, nämlich die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Das Prinzip der gemeinsamen Aufgabenerfüllung, des Zusammenwirkens, durchdringt das gesamte Vertragsarztrecht (vgl. §§ 72 Abs. 1, 75 Abs. 1 SGB V), und zeigt sich u.a. darin, dass der Gesetzgeber es den Beteiligten überlässt, eine Vielzahl relativ unbestimmter gesetzlicher Vorgaben durch Vereinbarungen zu konkretisieren (§§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1, 86 Abs. 1, 87 Abs. 1 SGB V), gemeinsame Empfehlungen abzugeben (§ 88 Abs. 1 SGB V) oder die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung gemeinsam zu überwachen (§ 106 SGB V). Grundlage des Systems ist das Prinzip gegenseitigen Vertrauens (vgl. BSG NJW 1990, 1556, 1557) bei durchaus gegenläufigen Interessen. Der einzelne Vertrags(zahn)arzt ist in dieses System durch ein diffiziles Geflecht von Rechten und Pflichten eingebunden, denen wiederum das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens immanent ist. Er ist gebunden durch die auch für ihn geltenden Verträge zwischen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen und die gesetzlichen Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebots; er kann darauf vertrauen, dass er für die in diesem Rahmen behandelten Patienten das ihm zustehende Honorar erhält, andererseits hat er die "Definitionsmacht über das Kranksein" und kann den Behandlungsbedarf selbst festlegen. Gegenüber anderen Dienstleistern ist er hierdurch insoweit privilegiert, als Kontrollen seines Abrechnungs- und Behandlungsverhaltens nur in sehr begrenztem Umfang möglich sind. Er ist daher verpflichtet, seine Abrechnungen peinlich genau zu erstellen, da die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung und die Krankenkassen praktisch keine Möglichkeit zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben haben (vgl. bereits BSG SozR 2200 § 368a RVO Nr. 3). Hieraus folgt, dass die Eignung als Vertrags(zahn)arzt dann fehlt, wenn bei prognostischer Wertung im Falle einer Zulassung die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems gefährdet wäre (BSG, Urt. v. 08.07.1981 - 6 RKa 17/80 -; BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr. 12; LSG NRW, Urt. v. 26.06.1996 - L 11 Ka 155/94 -).

Gemessen an diesen Anforderungen ist die Prognoseentscheidung des Beklagten, der Kläger sei für die Ausübung der Kassenpraxis ungeeignet, nicht zu beanstanden.

Dies ergibt sich namentlich aus den von den Amtsgerichten L, T und E festgestellten Sachverhalten. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, inwieweit diese im Zusammenhang mit der Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit gestanden haben. Dies könnte bei der vom Amtsgericht L rechtskräftig festgestellten Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen an die Arbeitnehmerinnen des Klägers, bei dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt an die Zahnarzthelferin T1 und den Betrugshandlungen zum Nachteil der drei Dentallabore möglicherweise durchaus angenommen werden, da diese Delikte einen unmittelbaren Bezug zur Durchführung der zahnärztlichen Tätigkeit des Klägers und damit auch der vertragszahnärztlichen Tätigkeit aufweisen. Selbst wenn aber diese Handlungen dem privaten Lebensbereich des Klägers zugeordnet werden müssten, sind sie gleichwohl geeignet, eine Ungeeignetheit zu begründen, da sie auf eine Gefährdung des Systems der vertragszahnärztlichen Versorgung bei Teilnahme des Klägers daran schließen lassen (vgl. Schallen, Zahnärzte-ZV, 3. Aufl. 2000 § 21, Rdnr. 414).

Nach den rechtskräftigen Feststellungen der Amtsgerichte L, T und E hatte der Kläger bis in das Jahr 1999 hinein betrügerische Handlungen und Diebstähle begangen. Damit hat er nicht nur bis in die jüngere Vergangenheit kein "Wohlverhalten" gezeigt, vielmehr zeigt auch die Art dieser Vermögensdelikte, dass es dem Kläger an der charakterlichen Festigkeit fehlt, die für eine peinlich genaue Abrechnung zwingend notwendig ist. Namentlich bei dem Diebstahl zweier M1 und einer U (Amtsgericht T) sowie einer Ausgabe der Zeitschrift G (Amtsgericht E) konnte der Kläger davon ausgehen, dass diese Delikte angesichts üblicherweise fehlender Kontrollmechanismen im Warenverkehr unerkannt bleiben würden. Auch die vertragszahnärztliche Abrechnung unterliegt im Grundsatz keinen Kontrollen; der Zahnarzt besitzt die "Definitionsbefugnis über das Kranksein" und kann den Behandlungsbedarf selbst festlegen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger nach wie vor wirtschaftliche Verbindlichkeiten in erheblichem Maße zu bedienen hat, bietet sein bisheriges Verhalten keine hinreichende Gewähr für die Annahme, dass er den Verlockungen einer fehlenden Kontrolldichte vertragszahnärztlicher Abrechnungen charakterlich widersteht und die Kassenzahnärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf seine unbedingte Zuverlässigkeit und peinlich genaue Korrektheit vertrauen können. Dies erhellt auch daraus, dass der Kläger trotz des beim Amtsgericht T schwebenden Strafverfahrens bereits einen Monat später, nachdem seine Verurteilung erfolgte (Strafbefehl vom 00.00.1999), erneut straffällig geworden war (Diebstahl der Zeitschrift G am 00.00.1999). Sein Verhalten lässt daher den Schluss zu, dass ihn auch Kriminalstrafen in keiner Weise beeindruckt haben und diese Strafen nicht geeignet waren, sein Verhalten zu ändern.

Bereits aus diesen Gründen war auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Umstandes, dass der Kläger nach Vollendung des 55. Lebensjahres bei einem späteren Zulassungsantrag gemäß § 25 Zahnärzte-ZV von der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschlossen bleiben wird, von seiner Ungeeignetheit im Sinne des § 21 Zahnärzte-ZV auszugehen.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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