Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 32/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Führung des von ihr vertriebenen Fertigarzneimittels Almogran® in einer im Internet zugänglichen sog. "Me-Too"-Liste.
Der Begriff Me-Too-Präparat (Synonyme: Analogpräparat bzw. Scheininnovation) wird seit ca. 1982 zur Bewertung von Arzneimitteln verwandt, die zwar einen neuen Wirkstoff enthalten, dieser jedoch dem Wirkstoff bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich ist. Zur Bewertung des Innovationsgrades von Arzneimitteln ist das folgende, seit 1982 unveränderte Klassifikationsschema entwickelt worden:
A. Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz; B. Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien; C. Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten; D.Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte Therapieprinzipien.
Am 11.10.2006 schlossen die Antragsgegner/-innen eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2007" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2007, 73 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,878 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erreichung oder Überschreitung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt und die Einhaltung oder Unterschreitung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt vor (§ 4). Neben Bonuszahlungen bei Unterschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens (§ 7) regelt die Vereinbarung Maßnahmen bei Nichteinhaltung des Richtgrößenvolumens und/oder der Zielvereinbarung (§ 8). Danach tritt eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für eine Überschreitung des Ausgabenvolumens bzw. für eine Verringerung der Sonderzahlung ein, wenn der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2007 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt. In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände von den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von bis zu 4 % des für das Kalenderjahr 2007 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars.
Eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 05.04.2007). Dort ist auch das Präparat Almogran® (Wirkstoff Almotriptan) benannt.
Am 09.01.2007 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht N den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 30.01.2007 - S 00 KA 00/00 ER - hat sich dieses Gericht für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Die Antragstellerin trägt vor, der in ihrem Arzneimittel Almogran® enthaltene Wirkstoff Almotriptan sei in Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung mit der Leitsubstanz Sumatriptan überlegen. Zudem sieht sie sich in ihren Grundrechten verletzt. Der Umstand, dass Vergleichspräparate wie Ascotop® (Wirkstoff: Zolmitriptan) und Naramig® (Wirkstoff: Naratriptan) nicht auf der Me-Too-Liste genannt würden, obwohl sie bei geringerem bzw. gleichen Nutzen höhere Kosten als Almogran® verursachten, verletze sie in Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Die Me-Too-Liste diene aufgrund der darin enthaltenen falschen und unvollständigen Informationen nicht der Markttransparenz. Auch hätten die Antragsgegner keine ausreichende Kompetenz, eine verbindliche Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln vorzunehmen; diese Befugnis stehe nur dem IQWiG zu. Selbst wenn diese Kompetenz unterstellt würde, stelle das Präparat Almogran® kein Analogpräparat im Sinne der Me-Too-Liste 2007 dar. Durch die Veröffentlichung der Liste und die mögliche Rechtsfolge, dass Ärzte bei einer Überschreitung des Verordnungsanteils dieser Präparate 4 % ihres gesamten GKV-Honorars zurückzahlen müssten, bestehe die Gefahr, dass Almogran® künftig weniger verordnet werde. Diese Gefahr habe sich bereits zum Teil verwirklicht, so dass die Antragstellerin erhebliche Umsatzeinbußen erlitten habe.
Die Antragstellerin beantragt den Erlass folgender einstweiliger Anordnungen:
I. Die Antragsgegnerin zu 1) wird verpflichtet, das von der Antragstellerin vertriebene Präparat Almogran® von der auf der Internetseite der Antragsgegnerin zu 1) veröffentlichten Me-too-Präparateliste 2007 unverzüglich zu entfernen.
II. Des Weiteren wird die Antragsgegnerin zu 1) verpflichtet, die Änderung der Me-too-Präparateliste 2007 unverzüglich durch Veröf fentlichung eines entsprechenden Hinweises auf ihrer Internetseite sowie spätestens bis zum 15.01.2007 in einem Rundschreiben an sämtliche niedergelassenen Ärzte im KV-Bezirk der Antragsgegnerin zu 1) bekannt zu machen.
III.
Den Antragsgegnern zu 1) - 8) wird es untersagt, zukünftig eine Me-too-Liste zu veröffentlichen, die das Präparat Almogran® enthält oder sonstige Hinweise zu veröffentlichen oder abzugeben, die eine Klassifizierung oder Bezeichnung dieses Präparates als Me-too-Präparat oder Analog-Präparat im Sinne der Arzneimittelvereinbarung enthält.
IV. Die Antragsgegnerin zu 1) wird verpflichtet, das von der Antragstellerin vertriebene Präparat Almogran® aus der von ihr veröffentlichten Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel von Analogpräparaten" unverzüglich zu entfernen.
V. Die Antragsgegnerin zu 1) wird ferner verpflichtet, die Änderung der Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel von Analogpräparaten" durch Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises auf ihrer Internetseite sowie unverzüglich in einem Rundschreiben an sämtliche niedergelassenen Ärzte im KV-Bezirk der Antragsgegnerin zu 1) bekannt zu machen.
VI. Die Antragsgegner zu 1) - 8) tragen die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines auf das Sozial- und Arztrecht spezialisierten Rechtsanwalts war wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage notwendig.
Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung vom 09.01.2007 zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch und nimmt Bezug auf eine Stellungnahme von T, Pharmakologisches Institut der S-L-Universität I, vom 26.03.2007.
Die Antragsgegner zu 2) bis 8) stellen keine Prozessanträge.
Sie rügen zum Teil ihre Passivlegitimation und fehlende Darlegungen zum Anordnungsgrund.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Danach sind die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; NVwZ RR 2001, 694 bis 695; LSG NRW, Beschluss vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER -).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin befürchtet zwar Umsatzrückgänge für ihr Arzneimittel Almogran®, die zum Teil bereits eingetreten seien. Substantiierte Angaben hierzu hat sie jedoch nicht gemacht. Der behauptete Umsatzrückgang wäre jedoch notwendigerweise in eine Relation zum Gesamtumsatz zu bringen gewesen, um das Vorliegen einer möglichen Beeinträchtigung, die ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht abzuwenden wäre, bewerten zu können. Somit sind schwere und unzumutbare Nachteile nicht erkennbar, sondern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache, in der allen Rechtsfragen und tatsächlichen Gegebenheiten umfassend nachgegangen werden kann, zumutbar. Ggf. eintretende finanzielle Nachteile der Antragstellerin könnten im Übrigen durch Sekundäransprüche (Amtshaftungsansprüche) kompensiert werden. Mögliche Beweisschwierigkeiten in der Durchsetzung von Sekundäransprüchen ändern hieran nichts (LSG NRW, Beschluss vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -).
Hinzu kommt, dass es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005 sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um rund 2,5 Mrd. EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194, 6). In dieser Steigerung der Arzneimittelausgaben sieht der Gesetzgeber einen Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zeigt, erwartet der Gesetzgeber auch ein sofortiges Reagieren der Kassenärztlichen Vereinigungen auf sich abzeichnende Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten auch schon vorläufig ihre Wirkung genommen wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach § 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn die nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Arznei mittelversorgung treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen Wirtschaftlichkeitsziele. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Von daher wiegt das Interesse der Antragsgegner an der Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele schwer (LSG NRW, Beschlüsse vom 27.06.2006 - L 11 B 30/06 und 31/06 KA ER -).
Zwar könnten diese Erwägung leerlaufen, wenn - wie von der Antragstellerin behauptet - Almogran® mit dem Wirkstoff Almotriptan in Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung akuter Kopfschmerzen bei Migräne mit der Leitsubstanz Sumatriptan überlegen sei. Dem ist die Antragsgegnerin zu 1) unter Bezugnahme auf die ausführliche Stellungnahme von T vom 26.03.2007 entgegengetreten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lässt sich nicht klären, welche der entgegengesetzten Auffassungen zutrifft. Hierzu bedarf es nötigenfalls umfangreicher Sachaufklärung ggf. unter Einbeziehung externen Sachverstandes. Dies muss nach Lage der Dinge dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dort wird ggf. auch zu bewerten sein, ob und ggf. welche rechtlichen Auswirkungen sich daraus ergeben könnten, dass Präparate wie Ascotop® (Wirkstoff: Zolmitriptan) und Naramig® (Wirkstoff: Naratriptan) nicht auf der Me-Too-Liste genannt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Führung des von ihr vertriebenen Fertigarzneimittels Almogran® in einer im Internet zugänglichen sog. "Me-Too"-Liste.
Der Begriff Me-Too-Präparat (Synonyme: Analogpräparat bzw. Scheininnovation) wird seit ca. 1982 zur Bewertung von Arzneimitteln verwandt, die zwar einen neuen Wirkstoff enthalten, dieser jedoch dem Wirkstoff bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich ist. Zur Bewertung des Innovationsgrades von Arzneimitteln ist das folgende, seit 1982 unveränderte Klassifikationsschema entwickelt worden:
A. Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz; B. Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien; C. Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten; D.Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte Therapieprinzipien.
Am 11.10.2006 schlossen die Antragsgegner/-innen eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2007" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2007, 73 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,878 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erreichung oder Überschreitung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt und die Einhaltung oder Unterschreitung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt vor (§ 4). Neben Bonuszahlungen bei Unterschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens (§ 7) regelt die Vereinbarung Maßnahmen bei Nichteinhaltung des Richtgrößenvolumens und/oder der Zielvereinbarung (§ 8). Danach tritt eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für eine Überschreitung des Ausgabenvolumens bzw. für eine Verringerung der Sonderzahlung ein, wenn der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2007 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt. In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände von den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von bis zu 4 % des für das Kalenderjahr 2007 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars.
Eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 05.04.2007). Dort ist auch das Präparat Almogran® (Wirkstoff Almotriptan) benannt.
Am 09.01.2007 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht N den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 30.01.2007 - S 00 KA 00/00 ER - hat sich dieses Gericht für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Die Antragstellerin trägt vor, der in ihrem Arzneimittel Almogran® enthaltene Wirkstoff Almotriptan sei in Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung mit der Leitsubstanz Sumatriptan überlegen. Zudem sieht sie sich in ihren Grundrechten verletzt. Der Umstand, dass Vergleichspräparate wie Ascotop® (Wirkstoff: Zolmitriptan) und Naramig® (Wirkstoff: Naratriptan) nicht auf der Me-Too-Liste genannt würden, obwohl sie bei geringerem bzw. gleichen Nutzen höhere Kosten als Almogran® verursachten, verletze sie in Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Die Me-Too-Liste diene aufgrund der darin enthaltenen falschen und unvollständigen Informationen nicht der Markttransparenz. Auch hätten die Antragsgegner keine ausreichende Kompetenz, eine verbindliche Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln vorzunehmen; diese Befugnis stehe nur dem IQWiG zu. Selbst wenn diese Kompetenz unterstellt würde, stelle das Präparat Almogran® kein Analogpräparat im Sinne der Me-Too-Liste 2007 dar. Durch die Veröffentlichung der Liste und die mögliche Rechtsfolge, dass Ärzte bei einer Überschreitung des Verordnungsanteils dieser Präparate 4 % ihres gesamten GKV-Honorars zurückzahlen müssten, bestehe die Gefahr, dass Almogran® künftig weniger verordnet werde. Diese Gefahr habe sich bereits zum Teil verwirklicht, so dass die Antragstellerin erhebliche Umsatzeinbußen erlitten habe.
Die Antragstellerin beantragt den Erlass folgender einstweiliger Anordnungen:
I. Die Antragsgegnerin zu 1) wird verpflichtet, das von der Antragstellerin vertriebene Präparat Almogran® von der auf der Internetseite der Antragsgegnerin zu 1) veröffentlichten Me-too-Präparateliste 2007 unverzüglich zu entfernen.
II. Des Weiteren wird die Antragsgegnerin zu 1) verpflichtet, die Änderung der Me-too-Präparateliste 2007 unverzüglich durch Veröf fentlichung eines entsprechenden Hinweises auf ihrer Internetseite sowie spätestens bis zum 15.01.2007 in einem Rundschreiben an sämtliche niedergelassenen Ärzte im KV-Bezirk der Antragsgegnerin zu 1) bekannt zu machen.
III.
Den Antragsgegnern zu 1) - 8) wird es untersagt, zukünftig eine Me-too-Liste zu veröffentlichen, die das Präparat Almogran® enthält oder sonstige Hinweise zu veröffentlichen oder abzugeben, die eine Klassifizierung oder Bezeichnung dieses Präparates als Me-too-Präparat oder Analog-Präparat im Sinne der Arzneimittelvereinbarung enthält.
IV. Die Antragsgegnerin zu 1) wird verpflichtet, das von der Antragstellerin vertriebene Präparat Almogran® aus der von ihr veröffentlichten Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel von Analogpräparaten" unverzüglich zu entfernen.
V. Die Antragsgegnerin zu 1) wird ferner verpflichtet, die Änderung der Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel von Analogpräparaten" durch Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises auf ihrer Internetseite sowie unverzüglich in einem Rundschreiben an sämtliche niedergelassenen Ärzte im KV-Bezirk der Antragsgegnerin zu 1) bekannt zu machen.
VI. Die Antragsgegner zu 1) - 8) tragen die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines auf das Sozial- und Arztrecht spezialisierten Rechtsanwalts war wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage notwendig.
Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung vom 09.01.2007 zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch und nimmt Bezug auf eine Stellungnahme von T, Pharmakologisches Institut der S-L-Universität I, vom 26.03.2007.
Die Antragsgegner zu 2) bis 8) stellen keine Prozessanträge.
Sie rügen zum Teil ihre Passivlegitimation und fehlende Darlegungen zum Anordnungsgrund.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Danach sind die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; NVwZ RR 2001, 694 bis 695; LSG NRW, Beschluss vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER -).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin befürchtet zwar Umsatzrückgänge für ihr Arzneimittel Almogran®, die zum Teil bereits eingetreten seien. Substantiierte Angaben hierzu hat sie jedoch nicht gemacht. Der behauptete Umsatzrückgang wäre jedoch notwendigerweise in eine Relation zum Gesamtumsatz zu bringen gewesen, um das Vorliegen einer möglichen Beeinträchtigung, die ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht abzuwenden wäre, bewerten zu können. Somit sind schwere und unzumutbare Nachteile nicht erkennbar, sondern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache, in der allen Rechtsfragen und tatsächlichen Gegebenheiten umfassend nachgegangen werden kann, zumutbar. Ggf. eintretende finanzielle Nachteile der Antragstellerin könnten im Übrigen durch Sekundäransprüche (Amtshaftungsansprüche) kompensiert werden. Mögliche Beweisschwierigkeiten in der Durchsetzung von Sekundäransprüchen ändern hieran nichts (LSG NRW, Beschluss vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -).
Hinzu kommt, dass es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005 sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um rund 2,5 Mrd. EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194, 6). In dieser Steigerung der Arzneimittelausgaben sieht der Gesetzgeber einen Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zeigt, erwartet der Gesetzgeber auch ein sofortiges Reagieren der Kassenärztlichen Vereinigungen auf sich abzeichnende Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten auch schon vorläufig ihre Wirkung genommen wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach § 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn die nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Arznei mittelversorgung treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen Wirtschaftlichkeitsziele. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Von daher wiegt das Interesse der Antragsgegner an der Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele schwer (LSG NRW, Beschlüsse vom 27.06.2006 - L 11 B 30/06 und 31/06 KA ER -).
Zwar könnten diese Erwägung leerlaufen, wenn - wie von der Antragstellerin behauptet - Almogran® mit dem Wirkstoff Almotriptan in Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung akuter Kopfschmerzen bei Migräne mit der Leitsubstanz Sumatriptan überlegen sei. Dem ist die Antragsgegnerin zu 1) unter Bezugnahme auf die ausführliche Stellungnahme von T vom 26.03.2007 entgegengetreten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lässt sich nicht klären, welche der entgegengesetzten Auffassungen zutrifft. Hierzu bedarf es nötigenfalls umfangreicher Sachaufklärung ggf. unter Einbeziehung externen Sachverstandes. Dies muss nach Lage der Dinge dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dort wird ggf. auch zu bewerten sein, ob und ggf. welche rechtlichen Auswirkungen sich daraus ergeben könnten, dass Präparate wie Ascotop® (Wirkstoff: Zolmitriptan) und Naramig® (Wirkstoff: Naratriptan) nicht auf der Me-Too-Liste genannt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
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