Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 (17) KA 287/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 39/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 12.03.2001 sowie der Quartalsbrechnungs- bescheid für das Quartal 4/2000 vom 25.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2004 werden in Höhe von 4.112,00 EUR aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist ein Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender Kostenträgerangabe.
Die Hepatologische Ambulanz der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik der Klägerin verordnete am 20.12.1999 Arzneimittel in Höhe von (brutto) 8.390,15 DM im Behandlungsfall ihres Patienten L1, wobei sie als Kostenträgerin die AOK Rheinland C angab. Die Beigeladene trug zunächst auch die Kosten für dieses Rezept. Unter dem 23.01.2001 stellte sie jedoch einen Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens in Höhe von (netto) 7.970,64 DM gemäß § 15 der Prüfvereinbarung-Ärzte wegen unzutreffender Kostenträgerangabe. Dabei wies sie darauf hin, dass der Patient zum Zeitpunkt der Verordnung nicht bei ihr versichert gewesen sei.
Mit Schreiben vom 12.03.2001 sandte die Beklagte der Klägerin die Verordnung zurück, da nach Auskunft der Beigeladenen der Patient L1 nicht bekannt sei. Das Konto der Klägerin werde im Quartal IV/00 mit einem Betrag von 7.970,64 DM belastet. Da seitens der Beklagten keine Möglichkeit der Regulierung bestehe, empfahl sie der Klägerin, dem zuständigen Kostenträger die Verordnung mit der Bitte um Überweisung zu übersenden.
Ermittlungen der Klägerin ergaben daraufhin, dass der Patient ab Beginn der Behandlung über die AOK S-Q Anspruch auf Leistungen gehabt hatte. Mit Schreiben vom 03.04.2001 weigerte sich diese Krankenkasse der Klägerin gegenüber jedoch, das Rezept zu begleichen. Sie habe bereits mehrfach die Angabe des falschen Kostenträgers bemängelt. Gegenüber den Apotheken sei die Krankenkasse zahlungspflichtig, die auf dem Rezept angegeben sei. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen praktizierten bundesweit untereinander einen sog. Erstattungsverzicht. Sie habe also keine Möglichkeit, die ihr belasteten Rezepte von einer anderen AOK zurückzufordern, insgesamt sollte sich die irrtümliche Belastung ausgleichen. In diesem Falle sei folglich die AOK S zur Zahlung verpflichtet.
Mit Quartalskonto/Abrechnungsbescheid vom 25.04.2001 belastete die Beklagte unter dem Buchungsschlüssel 000 wegen "T1 J" das Konto der Klägerin mit dem Betrag von 7.970,64 DM. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 zurück: Die Beigeladene habe gemäß § 48 Abs. 3 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 15 der Prüfvereinbarung einen Antrag auf sonstigen Schaden geltend gemacht. Als zuständiger Kostenträger sei jedoch die AOK S-Q ermittelt worden, so dass die Voraussetzung für einen solchen Antrag nicht gegeben sei. Somit sei die Belastung des Kontos der Klägerin zu Recht erfolgt. Vielmehr handele es sich gemäß § 105 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) um einen Anspruch, den die Klägerin gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend machen könne, da dieser erstattungspflichtig sei.
Hiergegen richtet sich die am 21.10.2004 erhobene Klage.
Die Klägerin weist darauf hin, dass im Ergebnis keine der beiden in Betracht kommenden Krankenkassen die Kosten der Verordnung trage. Aus diesem Grunde habe sie beim Sozialgericht L2 unter dem Aktenzeichen S 0 KR 000/00 Leistungsklage auf Zahlung von 7.970,64 DM/4.072,32 EUR gegen die AOK S-Q erhoben. Das Verfahren ruhe gegenwärtig bis zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch hält sie nicht für gegeben. Es fehle bereits an einer schuldhaft unrichtigen Kostenträgerangabe im Sinne des § 48 Abs. 3 BMV-Ä. Wie es zu dem fehlerhaften Aufdruck gekommen sei, lasse sich heute nicht mehr klären. Es spreche vieles dafür, dass der den Patienten behandelnde Arzt T2 auf dem Überweisungsschein irrtümlich die falsche Krankenkasse - AOK Rheinland - eingesetzt habe. Diese Angabe sei von der Klägerin übernommen worden. Da die Klinik nur auf Überweisung tätig werden dürfe, erübrige sich daher zwingend die Vorlage der Krankenversichertenkarte. Außerdem setze § 48 Abs. 3 BMV-Ä voraus, dass der zuständige Kostenträger nicht ermittelt werden könne. Daran fehle es aber hier, da als zuständiger Kostenträger die AOK S-Q ermittelt worden sei. Die "Vereinbarung über die Verfahrensabwicklung bei Schadensersatzansprüchen der Krankenkassen auf Grund unzutreffender Kostenträgerangabe durch Vertragsärzte auf Abrechnungs- oder Verordnungsunterlagen" (im Folgenden: Vereinbarung) rechtfertige den Regressanspruch ebenfalls nicht, da es sich insoweit lediglich um eine Verfahrensregelung handele. Ob ein Schadensersatzanspruch bestehe, werde darin nicht geregelt, sondern sei Voraussetzung für die Anwendung der Vereinbarung. § 105 SGB X regele schließlich einen Erstattungsanspruch zwischen den Sozialleistungsträgern, erlege dem Leistungserbringer jedoch nicht die Pflicht auf, den Erstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend zu machen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 12.03.2001 (Vorgangsnummer 00 000) im Quartal IV/00 in Höhe von 8.042,38 DM/4.112,00 EUR (7.970,64 DM zzgl. 0,9 % Verwaltungskosten) und den Abrechnungsbescheid der Beklagten für das IV. Quartal 2000 vom 25.04.2001 (Praxisnummer: 00 00 000) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2004 aufzuheben,
2. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung, gestützt auf § 48 Abs. 3 BMV-Ä i.V.m. der Vereinbarung, für rechtmäßig. Die antragstellende Beigeladene habe die zuständige Krankenkasse AOK S-Q nicht selbst ermittelt, vielmehr habe die Klägerin den zuständigen Kostenträger festgestellt und sich auch an diesen erfolglos gewandt. Für den unter dem 23.01.2001 gestellten Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 15 der Prüfvereinbarung seien die Voraussetzungen nicht gegeben gewesen. Vielmehr sei zu diesem Zeitpunkt bereits die Vereinbarung in Kraft gewesen und angewendet worden.
Die Beigeladene stellt keinen Klageantrag.
Sie habe zu Recht gemäß § 48 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 15 der Prüfvereinbarung einen Antrag auf sonstigen Schaden geltend gemacht. Dass die AOK S-Q zuständiger Kostenträger sei, habe zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht festgestanden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Auszüge aus der Streitakte S 0 KR 000/00 - SG L2 - , der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtswidrig sind.
Gemäß § 48 Abs. 3 BMV-Ä ist auf Antrag der Krankenkasse ein Schadensersatzanspruch durch die Kassenärztliche Vereinigung festzustellen, wenn die Krankenkasse einen Schaden geltend macht, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie der Vertragsarzt auf den Verordnungsunterlagen fälschlicherweise als Kostenträger angegeben hat. Voraussetzungen dafür sind u.a., dass die Krankenkasse versichert, dass der zuständige Kostenträger durch eigene Ermittlungen der Krankenkasse nicht festgestellt werden kann (Nr. 2), und vorsorglich den Ausgleichsanspruch gegen den zuständigen Kostenträger an die Kassenärztliche Vereinigung abtritt (Nr. 3). In ähnlicher Weise bestimmt Abschnitt II (2) der Vereinbarung, dass die Krankenkasse den Antrag erst stellen soll, wenn sie nicht durch eigene Ermittlungen einen leistungspflichtigen Kostenträger mit einem damit verbundenen Erstattungsanspruch gegen diesen Kostenträger feststellen kann. Mit der Antragstellung gibt die Krankenkasse eine dementsprechende Versicherung über die Erfolglosigkeit der eigenen Ermittlungen ab; zugleich tritt sie vorsorglich den Ausgleichsanspruch gegen den ggf. nach Antragstellung als zuständig gefundenen Kostenträger an die KVNo ab.
Soweit die Bestimmung in der genannten Vereinbarung als "Soll"-Regelung ausgestaltet ist, bedeutet dies nicht, dass sie unverbindlich ist. Vielmehr enthält sie - dem Rechtscharakter von Soll-Vorschriften entsprechend - für den Regelfall eine zwingende Verpflichtung, von der nur in atypischen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Die Beigeladene hat weder eigene Ermittlungen angestellt, welcher Kostenträger leistungspflichtig ist, noch hat sie mit der Antragstellung eine entsprechende Versicherung über die Erfolglosigkeit der eigenen Ermittlungen abgegeben. Der Kostenträger stand demgegenüber schon frühzeitig im Verwaltungsverfahren fest. Nach eigenen Ermittlungen der Klägerin war dies die AOK S-Q, was die Klägerin mit Schreiben vom 27.03.2001 auch der Beklagten und der Beigeladenen mitgeteilt hat. Insofern hat die Klägerin auch im Sinne des Abschnitts II (3) Satz 2 der Vereinbarung die Vermutung einer schuldhaft unzutreffenden Kostenträgerangabe widerlegt, indem sie - auch ohne dass das Anhörungsverfahren formal eingehalten war - den richtigen Kostenträger angegeben hat.
Zutreffend führt die Beklagte daher in ihrem Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 aus, die Voraussetzungen für einen Antrag der Beigeladenen auf sonstigen Schaden seien nicht gegeben. Ihre Schlussfolgerung, die Belastung des Kontos der Klägerin sei somit zu Recht erfolgt, stützt sich daher nicht auf die Erfüllung der erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen und geht fehl. Auf ein mögliches Verschulden der Klägerin an der unzutreffenden Kostenträgerangabe kommt es somit nicht mehr an.
Soweit die Beklagte aufgrund der Belastung des Kontos der Klägerin der Beigeladenen die Verordnungssumme wieder ausgekehrt hat, kann sie diese aus dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nunmehr wieder zurückverlangen. Wie im Privatrecht, so besteht auch im öffentlichen Recht ein Anspruch auf Rückgewähr von Leistungen, die rechtsgrundlos im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses bewirkt worden sind. Dieser Erstattungsanspruch ist auch im Verhältnis mehrerer Träger öffentlicher Verwaltung untereinander gesichert anerkannt (vgl. nur Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 34 Rn. 17, 24 ff. m.w.N.).
Einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Verordnungssumme hat die Beigeladene nicht.
Zwar hat die Beigeladene - jedenfalls inzidenter - vorsorglich ihren Ausgleichsanspruch gegen den zuständigen Kostenträger, die AOK S-Q, an die Beklagte abgetreten. Ein solcher Ausgleichsanspruch besteht grundsätzlich nach § 105 Abs. 1 SGB X. Danach ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Es handelt sich dabei um einen Erstattungsanspruch im Binnenverhältnis der Leistungsträger untereinander und nicht etwa - wie im Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 aufgezeigt - um einen Anspruch, den ein Dritter gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend machen müsste (vgl. von Wulffen (Hrsg.), SGB X, 5. Aufl., § 105 Anm. 2 zum Normzweck).
Der von der Beigeladenen an die Beklagte abgetretene Ausgleichsanspruch gegen die AOK S-Q geht jedoch vorliegend ins Leere. Denn nach der "Verwaltungsvereinbarung über den gegenseitigen Verzicht auf die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 105 SGB X bei Belastung des unzuständigen Trägers mit Kosten für ambulante ärztliche Behandlung und Arzneimittel" (VV Erstattungsverzicht), die vorliegend noch galt, werden Erstattungsansprüche nach § 105 SGB X für nach dem 31.12.1990 verordnete Arzneimittel, mit denen der unzuständige Träger belastet wurde, nicht mehr ausgeglichen. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Aufwendungen und der Dauer der Inanspruchnahme von Leistungen des unzuständigen Trägers. Demgemäß kann die AOK S-Q gegenüber der Beigeladenen den Einwand des Erstattungsverzichts entgegenhalten, ist also zur Erstattung nicht verpflichtet. Dieser Einwand gilt auch nach Abtretung der Erstattungsforderung an die Beklagte. Denn entsprechend § 404 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Auch gegenüber der Beklagten ist die AOK S-Q daher nicht erstattungspflichtig.
Der Schaden würde somit bei der Beklagten verbleiben. Dies ist jedoch nicht gerechtfertigt, da die Beklagte an der VV Erstattungsverzicht nicht beteiligt war. Diese Verwaltungsvereinbarung wurde ohne Mitwirkung der Beklagten von den Spitzenverbänden der Kranken- und Unfallversicherungsträger geschlossen und würde gegenüber der Beklagten einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen. Nach Sinn und Zweck der VV Erstattungsverzicht soll die Belastung letztlich bei dem unzuständigen Leistungsträger, hier der Beigeladenen, verbleiben. Die von der Beklagten an die Beigeladene zurückgeführte Verordnungssumme ist damit ohne Rechtsgrund geleistet worden. Die Beigeladene hat diese Summe somit wieder an die Beklagte zurückzuerstatten.
Dieser Rückführung kann nicht der Rechtsgedanke des § 814 BGB entgegengehalten werden. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Als Kenntnis der Nichtschuld ist auch die Kenntnis der Einwendungen gegenüber der Verbindlichkeit zu betrachten, sofern diese dem Leistenden insgesamt bekannt waren. Gleichgestellt ist die Kenntnis vom Bestehen dauernder Einreden im Sinne des § 813 BGB (vgl. Dörner u.a., BGB Handkommentar, 5. Aufl., § 814 Rn. 2). Eine solche Leistung in Kenntnis der Nichtschuld liegt indes nur vor, wenn der Leistende zum Zeitpunkt der Leistung positive Kenntnis hatte, dass er nicht zur Leistung verpflichtet ist. Dazu muss er nicht allein die Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt, kennen. Vielmehr muss er sich auch über die Rechtslage insoweit im Klaren sein, als er weiß, dass er nichts schuldet. Selbst grob fahrlässige Unkenntnis des Nichtbestehens einer Verpflichtung führt dagegen nicht zum Ausschluss des Rückforderungsanspruchs (Dörner u.a., a.a.O.). Der bloße Hinweis der AOK S-Q im Schreiben vom 03.04.2001 auf den bundesweit praktizierten Erstattungsverzicht ohne nähere Detailangaben begründet die erforderliche positive Kenntnis der Beklagten jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Streitig ist ein Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender Kostenträgerangabe.
Die Hepatologische Ambulanz der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik der Klägerin verordnete am 20.12.1999 Arzneimittel in Höhe von (brutto) 8.390,15 DM im Behandlungsfall ihres Patienten L1, wobei sie als Kostenträgerin die AOK Rheinland C angab. Die Beigeladene trug zunächst auch die Kosten für dieses Rezept. Unter dem 23.01.2001 stellte sie jedoch einen Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens in Höhe von (netto) 7.970,64 DM gemäß § 15 der Prüfvereinbarung-Ärzte wegen unzutreffender Kostenträgerangabe. Dabei wies sie darauf hin, dass der Patient zum Zeitpunkt der Verordnung nicht bei ihr versichert gewesen sei.
Mit Schreiben vom 12.03.2001 sandte die Beklagte der Klägerin die Verordnung zurück, da nach Auskunft der Beigeladenen der Patient L1 nicht bekannt sei. Das Konto der Klägerin werde im Quartal IV/00 mit einem Betrag von 7.970,64 DM belastet. Da seitens der Beklagten keine Möglichkeit der Regulierung bestehe, empfahl sie der Klägerin, dem zuständigen Kostenträger die Verordnung mit der Bitte um Überweisung zu übersenden.
Ermittlungen der Klägerin ergaben daraufhin, dass der Patient ab Beginn der Behandlung über die AOK S-Q Anspruch auf Leistungen gehabt hatte. Mit Schreiben vom 03.04.2001 weigerte sich diese Krankenkasse der Klägerin gegenüber jedoch, das Rezept zu begleichen. Sie habe bereits mehrfach die Angabe des falschen Kostenträgers bemängelt. Gegenüber den Apotheken sei die Krankenkasse zahlungspflichtig, die auf dem Rezept angegeben sei. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen praktizierten bundesweit untereinander einen sog. Erstattungsverzicht. Sie habe also keine Möglichkeit, die ihr belasteten Rezepte von einer anderen AOK zurückzufordern, insgesamt sollte sich die irrtümliche Belastung ausgleichen. In diesem Falle sei folglich die AOK S zur Zahlung verpflichtet.
Mit Quartalskonto/Abrechnungsbescheid vom 25.04.2001 belastete die Beklagte unter dem Buchungsschlüssel 000 wegen "T1 J" das Konto der Klägerin mit dem Betrag von 7.970,64 DM. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 zurück: Die Beigeladene habe gemäß § 48 Abs. 3 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 15 der Prüfvereinbarung einen Antrag auf sonstigen Schaden geltend gemacht. Als zuständiger Kostenträger sei jedoch die AOK S-Q ermittelt worden, so dass die Voraussetzung für einen solchen Antrag nicht gegeben sei. Somit sei die Belastung des Kontos der Klägerin zu Recht erfolgt. Vielmehr handele es sich gemäß § 105 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) um einen Anspruch, den die Klägerin gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend machen könne, da dieser erstattungspflichtig sei.
Hiergegen richtet sich die am 21.10.2004 erhobene Klage.
Die Klägerin weist darauf hin, dass im Ergebnis keine der beiden in Betracht kommenden Krankenkassen die Kosten der Verordnung trage. Aus diesem Grunde habe sie beim Sozialgericht L2 unter dem Aktenzeichen S 0 KR 000/00 Leistungsklage auf Zahlung von 7.970,64 DM/4.072,32 EUR gegen die AOK S-Q erhoben. Das Verfahren ruhe gegenwärtig bis zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch hält sie nicht für gegeben. Es fehle bereits an einer schuldhaft unrichtigen Kostenträgerangabe im Sinne des § 48 Abs. 3 BMV-Ä. Wie es zu dem fehlerhaften Aufdruck gekommen sei, lasse sich heute nicht mehr klären. Es spreche vieles dafür, dass der den Patienten behandelnde Arzt T2 auf dem Überweisungsschein irrtümlich die falsche Krankenkasse - AOK Rheinland - eingesetzt habe. Diese Angabe sei von der Klägerin übernommen worden. Da die Klinik nur auf Überweisung tätig werden dürfe, erübrige sich daher zwingend die Vorlage der Krankenversichertenkarte. Außerdem setze § 48 Abs. 3 BMV-Ä voraus, dass der zuständige Kostenträger nicht ermittelt werden könne. Daran fehle es aber hier, da als zuständiger Kostenträger die AOK S-Q ermittelt worden sei. Die "Vereinbarung über die Verfahrensabwicklung bei Schadensersatzansprüchen der Krankenkassen auf Grund unzutreffender Kostenträgerangabe durch Vertragsärzte auf Abrechnungs- oder Verordnungsunterlagen" (im Folgenden: Vereinbarung) rechtfertige den Regressanspruch ebenfalls nicht, da es sich insoweit lediglich um eine Verfahrensregelung handele. Ob ein Schadensersatzanspruch bestehe, werde darin nicht geregelt, sondern sei Voraussetzung für die Anwendung der Vereinbarung. § 105 SGB X regele schließlich einen Erstattungsanspruch zwischen den Sozialleistungsträgern, erlege dem Leistungserbringer jedoch nicht die Pflicht auf, den Erstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend zu machen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 12.03.2001 (Vorgangsnummer 00 000) im Quartal IV/00 in Höhe von 8.042,38 DM/4.112,00 EUR (7.970,64 DM zzgl. 0,9 % Verwaltungskosten) und den Abrechnungsbescheid der Beklagten für das IV. Quartal 2000 vom 25.04.2001 (Praxisnummer: 00 00 000) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2004 aufzuheben,
2. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung, gestützt auf § 48 Abs. 3 BMV-Ä i.V.m. der Vereinbarung, für rechtmäßig. Die antragstellende Beigeladene habe die zuständige Krankenkasse AOK S-Q nicht selbst ermittelt, vielmehr habe die Klägerin den zuständigen Kostenträger festgestellt und sich auch an diesen erfolglos gewandt. Für den unter dem 23.01.2001 gestellten Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 15 der Prüfvereinbarung seien die Voraussetzungen nicht gegeben gewesen. Vielmehr sei zu diesem Zeitpunkt bereits die Vereinbarung in Kraft gewesen und angewendet worden.
Die Beigeladene stellt keinen Klageantrag.
Sie habe zu Recht gemäß § 48 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 15 der Prüfvereinbarung einen Antrag auf sonstigen Schaden geltend gemacht. Dass die AOK S-Q zuständiger Kostenträger sei, habe zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht festgestanden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Auszüge aus der Streitakte S 0 KR 000/00 - SG L2 - , der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtswidrig sind.
Gemäß § 48 Abs. 3 BMV-Ä ist auf Antrag der Krankenkasse ein Schadensersatzanspruch durch die Kassenärztliche Vereinigung festzustellen, wenn die Krankenkasse einen Schaden geltend macht, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie der Vertragsarzt auf den Verordnungsunterlagen fälschlicherweise als Kostenträger angegeben hat. Voraussetzungen dafür sind u.a., dass die Krankenkasse versichert, dass der zuständige Kostenträger durch eigene Ermittlungen der Krankenkasse nicht festgestellt werden kann (Nr. 2), und vorsorglich den Ausgleichsanspruch gegen den zuständigen Kostenträger an die Kassenärztliche Vereinigung abtritt (Nr. 3). In ähnlicher Weise bestimmt Abschnitt II (2) der Vereinbarung, dass die Krankenkasse den Antrag erst stellen soll, wenn sie nicht durch eigene Ermittlungen einen leistungspflichtigen Kostenträger mit einem damit verbundenen Erstattungsanspruch gegen diesen Kostenträger feststellen kann. Mit der Antragstellung gibt die Krankenkasse eine dementsprechende Versicherung über die Erfolglosigkeit der eigenen Ermittlungen ab; zugleich tritt sie vorsorglich den Ausgleichsanspruch gegen den ggf. nach Antragstellung als zuständig gefundenen Kostenträger an die KVNo ab.
Soweit die Bestimmung in der genannten Vereinbarung als "Soll"-Regelung ausgestaltet ist, bedeutet dies nicht, dass sie unverbindlich ist. Vielmehr enthält sie - dem Rechtscharakter von Soll-Vorschriften entsprechend - für den Regelfall eine zwingende Verpflichtung, von der nur in atypischen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Die Beigeladene hat weder eigene Ermittlungen angestellt, welcher Kostenträger leistungspflichtig ist, noch hat sie mit der Antragstellung eine entsprechende Versicherung über die Erfolglosigkeit der eigenen Ermittlungen abgegeben. Der Kostenträger stand demgegenüber schon frühzeitig im Verwaltungsverfahren fest. Nach eigenen Ermittlungen der Klägerin war dies die AOK S-Q, was die Klägerin mit Schreiben vom 27.03.2001 auch der Beklagten und der Beigeladenen mitgeteilt hat. Insofern hat die Klägerin auch im Sinne des Abschnitts II (3) Satz 2 der Vereinbarung die Vermutung einer schuldhaft unzutreffenden Kostenträgerangabe widerlegt, indem sie - auch ohne dass das Anhörungsverfahren formal eingehalten war - den richtigen Kostenträger angegeben hat.
Zutreffend führt die Beklagte daher in ihrem Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 aus, die Voraussetzungen für einen Antrag der Beigeladenen auf sonstigen Schaden seien nicht gegeben. Ihre Schlussfolgerung, die Belastung des Kontos der Klägerin sei somit zu Recht erfolgt, stützt sich daher nicht auf die Erfüllung der erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen und geht fehl. Auf ein mögliches Verschulden der Klägerin an der unzutreffenden Kostenträgerangabe kommt es somit nicht mehr an.
Soweit die Beklagte aufgrund der Belastung des Kontos der Klägerin der Beigeladenen die Verordnungssumme wieder ausgekehrt hat, kann sie diese aus dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nunmehr wieder zurückverlangen. Wie im Privatrecht, so besteht auch im öffentlichen Recht ein Anspruch auf Rückgewähr von Leistungen, die rechtsgrundlos im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses bewirkt worden sind. Dieser Erstattungsanspruch ist auch im Verhältnis mehrerer Träger öffentlicher Verwaltung untereinander gesichert anerkannt (vgl. nur Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 34 Rn. 17, 24 ff. m.w.N.).
Einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Verordnungssumme hat die Beigeladene nicht.
Zwar hat die Beigeladene - jedenfalls inzidenter - vorsorglich ihren Ausgleichsanspruch gegen den zuständigen Kostenträger, die AOK S-Q, an die Beklagte abgetreten. Ein solcher Ausgleichsanspruch besteht grundsätzlich nach § 105 Abs. 1 SGB X. Danach ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Es handelt sich dabei um einen Erstattungsanspruch im Binnenverhältnis der Leistungsträger untereinander und nicht etwa - wie im Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 aufgezeigt - um einen Anspruch, den ein Dritter gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend machen müsste (vgl. von Wulffen (Hrsg.), SGB X, 5. Aufl., § 105 Anm. 2 zum Normzweck).
Der von der Beigeladenen an die Beklagte abgetretene Ausgleichsanspruch gegen die AOK S-Q geht jedoch vorliegend ins Leere. Denn nach der "Verwaltungsvereinbarung über den gegenseitigen Verzicht auf die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 105 SGB X bei Belastung des unzuständigen Trägers mit Kosten für ambulante ärztliche Behandlung und Arzneimittel" (VV Erstattungsverzicht), die vorliegend noch galt, werden Erstattungsansprüche nach § 105 SGB X für nach dem 31.12.1990 verordnete Arzneimittel, mit denen der unzuständige Träger belastet wurde, nicht mehr ausgeglichen. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Aufwendungen und der Dauer der Inanspruchnahme von Leistungen des unzuständigen Trägers. Demgemäß kann die AOK S-Q gegenüber der Beigeladenen den Einwand des Erstattungsverzichts entgegenhalten, ist also zur Erstattung nicht verpflichtet. Dieser Einwand gilt auch nach Abtretung der Erstattungsforderung an die Beklagte. Denn entsprechend § 404 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Auch gegenüber der Beklagten ist die AOK S-Q daher nicht erstattungspflichtig.
Der Schaden würde somit bei der Beklagten verbleiben. Dies ist jedoch nicht gerechtfertigt, da die Beklagte an der VV Erstattungsverzicht nicht beteiligt war. Diese Verwaltungsvereinbarung wurde ohne Mitwirkung der Beklagten von den Spitzenverbänden der Kranken- und Unfallversicherungsträger geschlossen und würde gegenüber der Beklagten einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen. Nach Sinn und Zweck der VV Erstattungsverzicht soll die Belastung letztlich bei dem unzuständigen Leistungsträger, hier der Beigeladenen, verbleiben. Die von der Beklagten an die Beigeladene zurückgeführte Verordnungssumme ist damit ohne Rechtsgrund geleistet worden. Die Beigeladene hat diese Summe somit wieder an die Beklagte zurückzuerstatten.
Dieser Rückführung kann nicht der Rechtsgedanke des § 814 BGB entgegengehalten werden. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Als Kenntnis der Nichtschuld ist auch die Kenntnis der Einwendungen gegenüber der Verbindlichkeit zu betrachten, sofern diese dem Leistenden insgesamt bekannt waren. Gleichgestellt ist die Kenntnis vom Bestehen dauernder Einreden im Sinne des § 813 BGB (vgl. Dörner u.a., BGB Handkommentar, 5. Aufl., § 814 Rn. 2). Eine solche Leistung in Kenntnis der Nichtschuld liegt indes nur vor, wenn der Leistende zum Zeitpunkt der Leistung positive Kenntnis hatte, dass er nicht zur Leistung verpflichtet ist. Dazu muss er nicht allein die Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt, kennen. Vielmehr muss er sich auch über die Rechtslage insoweit im Klaren sein, als er weiß, dass er nichts schuldet. Selbst grob fahrlässige Unkenntnis des Nichtbestehens einer Verpflichtung führt dagegen nicht zum Ausschluss des Rückforderungsanspruchs (Dörner u.a., a.a.O.). Der bloße Hinweis der AOK S-Q im Schreiben vom 03.04.2001 auf den bundesweit praktizierten Erstattungsverzicht ohne nähere Detailangaben begründet die erforderliche positive Kenntnis der Beklagten jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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