Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 251/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Es wird im Wege einer Zwischenentscheidung festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Antragstellern die von diesen ab dem 01.10.2006 abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen nach denjenigen Gebührenziffern des EBM-Ä zu vergüten, die für die Fachärzte für Herzchirurgie bis zum 30.09.2006 abrechenbar gewesen sind, soweit die übrigen Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt sind. Diese Feststellung gilt nur vorläufig bis zum Ablauf eines Monats nach Eingang einer Stellungnahme der Beigeladenen zu 9) zu den vom Gericht gestellten Abrechnungsfragen. Danach wird eine endgültige Entscheidung ergehen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin, von den Antragstellern erbrachte Leistungen ab dem 01.10.2006 zu vergüten.
In seiner Sitzung am 18.10.2005 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte dahin, dass zur Arztgruppe der Chirurgen u.a. nicht die Fachärzte für Herzchirurgie gehören (Nr. 7 Satz 2 sechster Spiegelstrich). Mit Wirkung zum 01.10.2006 beschloss der Bewertungsausschuss in seiner 114. Sitzung eine Änderung des Kapitels 7 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM-Ä) dergestalt, dass aus der Überschrift die herzchirurgischen Leistungen gestrichen wurden und die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen nicht mehr von Herzchirurgen berechnet werden können (Nr. 1 der Präambel). Dieser Beschluss des Bewertungsausschusses wurde im Dt. Ärzteblatt vom 30.06.2006, A-1848 ff., 1851 veröffentlicht.
Die Antragsteller sind Fachärzte für Herzchirurgie. Mit Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER - bestätigte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) die vom Sozialgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 09.12.2005 - S 00 KA 000/00 ER - angeordnete sofortige Vollziehung der Zulassung der Antragsteller zur vertragsärztlichen Versorgung in Gemeinschaftspraxis mit der Maßgabe, dass ihnen auferlegt wurde, die vertragsärztliche Tätigkeit ausschließlich in den von ihnen angemieteten Praxisräumen unter der Adresse X, D Straße 00, auszuüben.
Mit Schreiben vom 16.11.2006 wandte sich die Antragsgegnerin an die Antragsteller: Wie diesen bekannt sei, habe der Bewertungsausschuss eine Änderung von Kapitel 7 des EBM-Ä vorgenommen. Diese Änderung führe dazu, dass die Fachgruppe der Herzchirurgen im EBM-Ä nicht mehr vorkomme. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass für diese Fachgruppe Leistungen des EBM-Ä nicht (mehr) erbringbar und abrechnungsfähig seien. Dies gelte selbstverständlich auch für die in der Präambel zu Kapitel 7 aufgeführten Leistungen aus anderen Kapiteln des EBM-Ä, also auch die Leistungen aus dem Kapitel ambulante und belegärztliche Operationen. Der Beschluss des Bewertungsausschusses gelte ab dem 01.10.2006. Aufgrund der Beschlussfassung des LSG NRW könnten die Antragsteller bis einschließlich zum III. Quartal 2006 die an ihrem Praxissitz D Straße 00 in X erbrachten Leistungen - grundsätzlich, bei Vorliegen der übrigen Abrechnungsvoraussetzungen - abrechnen.
Am 19.12.2006 haben die Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ersucht.
Sie halten die Erteilung eines GKV-mäßigen Berufsverbotes in der Form eines totalen Abrechnungsverbotes für rechtswidrig und für einen Verstoß gegen Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG). Selbst wenn die Regelung des Bewertungsausschusses wirksam sein sollte, würden sie nur von Leistungen des Kapitels 7 EBM-Ä ausgeschlossen sein. Sämtliche weiteren Leistungen aus dem Fachgebiet müssten jedoch abrechenbar bleiben.
Soweit die Antragsgegnerin behaupte, die Antragsteller hätten kürzlich einen Antrag gestellt, im Wege des Sonderbedarfs in L1 zugelassen zu werden, sei dies unrichtig. Zwar seien Gespräche mit dem Geschäftsführer der N Klinik L1 über eine Kooperation mit der Gemeinschaftspraxis der Herzchirugen unter Einbindung der Antragsgegnerin geführt worden, es sei jedoch nicht zu einem Ergebnis gekommen.
Falsch sei auch, dass die Antragsteller bisher keinerlei vertragsärztliche Leistungen erbracht hätten. Sie seien vertragsärztlich tätig gewesen, wobei sich der geringe Umfang daraus ergebe, dass die Antragsgegnerin sie mehrfach aus der Liste der zugelassenen Ärzte im Arztregister gestrichen habe; dies habe Einfluss auf das Zuweiserverhalten gehabt.
Die Antragsteller beantragen,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen als Fachärzten für Herzchirur- gie die von ihnen abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen zu vergü- ten,
2. hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen als Fachärzten für Herzchirurgie die von ihnen ab dem 01.10.2006 abgerechneten vertrags- ärztlichen Leistungen zu vergüten,
3. festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, ihnen als Fachärzten für Herzchirurgie die von ihnen ab dem 01.10.2006 abge- rechneten vertragsärztlichen Leistungen zu vergüten,
4. hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen als Fachärzten für Herzchirurgie alle von ihnen abgerechneten vertragsärztlichen Leistun- gen ab dem 01.10.2006 unter Beachtung des Regelwerks zu vergüten, soweit sie nicht dem Kapitel 7 des EBM-Ä zugeordnet sind.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
Die Antragsteller hätten bisher trotz Anordnung des Sofortvollzuges im Zulassungsverfahren keinerlei vertragsärztliche Leistungen zur Abrechnung gebracht. Es bestünden daher hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass sie ihre vertragsärztliche Tätigkeit in X bisher gar nicht aufgenommen hätten. Zudem sei angesichts ihres kürzlichen Antrages, im Wege des Sonderbedarfs in L1 zugelassen zu werden, eine ernsthafte Absicht, die vertragsärztliche Tätigkeit in X aufzunehmen, nicht zu erkennen.
Ferner hätten die Antragsteller weder nach der Veröffentlichung des Beschlusses des Bewertungsausschusses am 30.06.2006 noch zum 01.10.2006 die Wirkungen dieser Beschlussfassung als eilbedürftig beurteilt. Selbst nach dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.11.2006 habe es einen Monat gebraucht, bis die Antragsteller den vorliegenden Antrag bei Gericht anhängig gemacht hätten.
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die L2 C (L2) sind zum Verfahren beigeladen und um Mitteilung gebeten worden, welche Beweggründe im Einzelnen den Änderungen des EBM-Ä zum 01.10.2006 zugrunde gelegen haben und welche Abrechnungsmöglichkeiten nach dem EBM-Ä ab diesem Zeitpunkt für die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzte für Herzchirurgie gegeben sind bzw. aus welchen Gründen ggf. keine Abrechnungsmöglichkeiten für diese Arztgruppe bestehen sollten. Die L2 hat mitgeteilt, sie werde bemüht sein, im Laufe des Februar 2007 hierzu Stellung zu nehmen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war vorläufig teilweise stattzugeben.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. VwGO geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer/Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 86b Rdnr. 14; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, 2003, § 86b Rdnr. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteiler einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller sonach bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Inter-essenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 21/02 KA ER -).
Nach Lage der Dinge ist ein Anordnungsgrund jedenfalls für den Feststellungsantrag zu Ziffer 3) glaubhaft gemacht.
Zwar ist davon auszugehen, dass die Antragsteller trotz der Anordnung des Sofortvollzuges ihrer Zulassung bislang keine vertragsärztlichen Leistungen zur Abrechnung gebracht haben. Dem entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin sind die Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten und haben insbesondere nicht dargelegt, welche Leistungen in welchem Umfang sie erbracht und bei der Antragsgegnerin zur Abrechnung eingereicht haben. Demzufolge fehlt es für die Prozessanträge zu 1), 2) und 4) an einem Rechtsschutzbedürfnis. Für den Antrag zu 1) gilt dies auch deshalb, weil die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 16.11.2006 erklärt hat, die Antragsteller könnten bis einschließlich zum III. Quartal 2006 die an ihrem Praxissitz erbrachten Leistungen - grundsätzlich, bei Vorliegen der übrigen Abrechnungsvoraussetzungen - abrechnen.
Für den Feststellungsantrag zu 3) besteht jedoch ein Anordnungsgrund. Die Antragsteller hatten bereits in ihrem Zulassungsrechtsstreit vor dem LSG NRW glaubhaft vorgetragen, sie beabsichtigten, ihre zukünftige vertragsärztliche Tätigkeit in den von ihnen angemieteten Praxisräumen D Straße 00 in X auszuüben. Dass eine auf herzchirurgische Leistungen spezialisierte Vertragsarztpraxis wirtschaftlich betrieben werden kann, hat das LSG NRW in seinem Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER, Seite 15 - mit Blick auf die Zulassung von Fachärzten für Herzchirurgie in anderen KV-Bereichen bereits allgemein festgestellt. Konkret haben die Antragsteller im vorliegenden Verfahren ein bei summarischer Betrachtung in sich schlüssiges Konzept zum Betreiben einer herzchirurgischen Gemeinschaftspraxis vorgelegt, welches eine tragfähige Existenzgrundlage darstellt. Glaubhaft haben sie zudem eidesstattlich versichert, außer geringen Einkünften in Höhe von etwa 2.000,- EUR pro Praxispartner gegenwärtig keine weiteren Einkünfte zu erzielen mit der Folge, dass unter Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen monatliche Deckungslücken von etwa 8.000,- EUR pro Arzt entstünden. Angesichts dessen haben die Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass und in welchem Umfang sie berechtigt sind, vertragsärztliche Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin abzurechnen.
Die Rechtslage hinsichtlich des Anordnungsanspruchs lässt sich bei summarischer Prüfung gegenwärtig nicht abschließend bewerten.
Der Beschluss des Bewertungsausschusses aus seiner 114. Sitzung ist der gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Die Bestimmungen des EBM-Ä sind Akte der Normsetzung durch Vertrag. Wie jedem anderen Normsetzer steht dabei auch dem Bewertungsausschuss bei der ihm überantworteten Rechtsetzung Gestaltungsfreiheit zu (vgl. z.B. BVerfGE 97, 271, 290 f. 90, 22, 26 m.w.N.; 69, 150, 159 f. m.w.N.; vgl. auch BSGE 88, 126, 133 f.), die grundsätzlich auch von der Rechtsprechung zu respektieren ist und von dieser nur in Ausnahmefällen korrigiert werden darf. Die Gerichte sind grundsätzlich nicht befugt zu überprüfen, ob der Normgeber jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 6 RKa 3/96 -). Der Gestaltungsspielraum des Normgebers ist umso mehr zu beachten, wenn - sei es auch nur mittelbar - Regelungen über die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme im Streit sind (vgl. z.B. BVerfGE 81, 156, 205 f.; 77, 84 106 f. m.w.N.; 75, 108, 157 ff.; BSGE 62, 136, 140 m.w.N.) oder wenn es um die Bewältigung komplexer Sachverhalte geht, wie sie vielfach im Krankenversicherungs- und Vertragsarztrecht anzutreffen sind (vgl. BVerfGE 33, 171, 189; BSGE 73, 131, 139; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 8). Dabei darf nicht übersehen werden, dass gerade im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und dem dort der Leistungserbringung dienenden Vertragsarztrecht die Verfolgung der Aufgabe, die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit dieses Sozialleistungssystems zu erhalten, ein sensibles, weil hochrangig einzustufendes Gemeinschaftsgut darstellt (vgl. BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 29, 30; 82, 209, 230; 103, 172, 184; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 16 m.w.N).
Dies bedeutet indes nicht, dass der Normgeber auf Grund des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums völlig frei wäre. Er darf seine Regelungskompetenz nicht "missbräuchlich", d.h. nicht durch sachgerechte Erwägungen gedeckt, sondern von sachfremden Erwägungen getragen, ausüben (BSGE 83, 205, 208; 84, 235, 237; 79, 239, 245 f.; Urteil vom 16.05.2001 - B 6 KA 47/00 R -). Seine Grenzen ergeben sich vorrangig aus den Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage, die sich durch Auslegung ermitteln lassen und deren Einhaltung die Gerichte in vollem Umfang überprüfen können (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 34).
Vor diesem Hintergrund erscheint die Streichung der Herzchirurgen aus der Facharztliste des Kapitels 7 EBM-Ä ab dem 01.10.2006 bei vorläufiger summarischer Betrachtung nicht als sachgerecht. Nach der bisher vorliegenden einzigen amtlichen Verlautbarung für diese Streichung (Mitteilung der KBV im Dt. Ärzteblatt vom 30.06.2006, Heft 26, A-1848) entspricht die Streichung der Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte durch den G-BA. In der Tat hatte der G-BA im Rahmen seiner Zuständigkeit (§ 92 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) entschieden, dass die Fachärzte für Herzchirurgie nicht der Arztgruppe der Chirurgen zuzurechnen seien, und sie somit von der Bedarfsplanung ausgenommen (Dt. Ärzteblatt vom 21.10.2005, A-2891). Nur auf die bedarfsplanungsrechtlichen Aspekte bezogen sich in diesem Zusammenhang die Beschlussbegründung des G-BA vom 19.07.2005 sowie die Äußerungen des zuständigen Unterausschusses des G-BA vom 30.01.2006 (LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -, S. 14).
Die Änderungen der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte durch den G-BA vermögen die Streichung der Fachgruppe der Herzchirurgen aus den Gebührenordnungspositionen des EBM-Ä indes nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Die Antragsteller sind als Herzchirurgen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Zulassung bewirkt nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Hiermit korrespondiert im Rahmen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ein Anspruch auf angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen (§ 72 Abs. 2 SGB V). Ein solcher Anspruch besteht indes nur insoweit, als die jeweilige Leistung in den EBM-Ä aufgenommen ist, denn nur diejenigen Leistungen, die im Leistungsverzeichnis des EBM-Ä enthalten sind, können von den Vertragsärzten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht und abgerechnet werden (BSG SozR 3-2500 § 87 Nrn. 14, 22). Soweit die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Schreiben vom 16.11.2006 mitgeteilt hat, für die Fachgruppe der Herzchirurgen seien Leistungen des EBM-Ä nicht (mehr) erbringbar und abrechnungsfähig, verstieße daher ein solcher Totalausschluss nicht nur gegen § 72 Abs. 2 SGB V, sondern auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Dies gilt insbesondere für die Leistungen nach den Ziffern 31211 bis 31218 EBM-Ä 2000+ (Herzschrittmacher- und Defibrillatoroperationen), die nach Erkenntnis des LSG NRW nur von Fachärzten für Herzchirurgie ausgeführt werden können (Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -, S. 15).
Im Rahmen der Interessenabwägung hat die Kammer daher im Sinne einer Zwischenentscheidung Veranlassung zu der Feststellung gesehen, dass die Antragsteller vorläufig bis zur Stellungnahme der L2 zu den aufgeworfenen Abrechnungsfragen weiterhin berechtigt sind, diejenigen Leistungen zu erbringen und abzurechnen, die bis zum 30.09.2006 für die Fachgruppe der Herzchirurgen erbringbar und abrechnungsfähig gewesen sind. Diese Frist verlängert sich um einen weiteren Monat, der für die notwendigen wechselseitigen Stellungnahmen der übrigen Beteiligten zu den Erwägungen der L2 und eine Auswertung durch die Kammer erforderlich ist. Danach wird die Kammer eine abschließende Entscheidung treffen. Diese wird auch die Kostenentscheidung sowie eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 14 m.w.N.).
Gründe:
I.
Streitig ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin, von den Antragstellern erbrachte Leistungen ab dem 01.10.2006 zu vergüten.
In seiner Sitzung am 18.10.2005 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte dahin, dass zur Arztgruppe der Chirurgen u.a. nicht die Fachärzte für Herzchirurgie gehören (Nr. 7 Satz 2 sechster Spiegelstrich). Mit Wirkung zum 01.10.2006 beschloss der Bewertungsausschuss in seiner 114. Sitzung eine Änderung des Kapitels 7 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM-Ä) dergestalt, dass aus der Überschrift die herzchirurgischen Leistungen gestrichen wurden und die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen nicht mehr von Herzchirurgen berechnet werden können (Nr. 1 der Präambel). Dieser Beschluss des Bewertungsausschusses wurde im Dt. Ärzteblatt vom 30.06.2006, A-1848 ff., 1851 veröffentlicht.
Die Antragsteller sind Fachärzte für Herzchirurgie. Mit Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER - bestätigte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) die vom Sozialgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 09.12.2005 - S 00 KA 000/00 ER - angeordnete sofortige Vollziehung der Zulassung der Antragsteller zur vertragsärztlichen Versorgung in Gemeinschaftspraxis mit der Maßgabe, dass ihnen auferlegt wurde, die vertragsärztliche Tätigkeit ausschließlich in den von ihnen angemieteten Praxisräumen unter der Adresse X, D Straße 00, auszuüben.
Mit Schreiben vom 16.11.2006 wandte sich die Antragsgegnerin an die Antragsteller: Wie diesen bekannt sei, habe der Bewertungsausschuss eine Änderung von Kapitel 7 des EBM-Ä vorgenommen. Diese Änderung führe dazu, dass die Fachgruppe der Herzchirurgen im EBM-Ä nicht mehr vorkomme. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass für diese Fachgruppe Leistungen des EBM-Ä nicht (mehr) erbringbar und abrechnungsfähig seien. Dies gelte selbstverständlich auch für die in der Präambel zu Kapitel 7 aufgeführten Leistungen aus anderen Kapiteln des EBM-Ä, also auch die Leistungen aus dem Kapitel ambulante und belegärztliche Operationen. Der Beschluss des Bewertungsausschusses gelte ab dem 01.10.2006. Aufgrund der Beschlussfassung des LSG NRW könnten die Antragsteller bis einschließlich zum III. Quartal 2006 die an ihrem Praxissitz D Straße 00 in X erbrachten Leistungen - grundsätzlich, bei Vorliegen der übrigen Abrechnungsvoraussetzungen - abrechnen.
Am 19.12.2006 haben die Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ersucht.
Sie halten die Erteilung eines GKV-mäßigen Berufsverbotes in der Form eines totalen Abrechnungsverbotes für rechtswidrig und für einen Verstoß gegen Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG). Selbst wenn die Regelung des Bewertungsausschusses wirksam sein sollte, würden sie nur von Leistungen des Kapitels 7 EBM-Ä ausgeschlossen sein. Sämtliche weiteren Leistungen aus dem Fachgebiet müssten jedoch abrechenbar bleiben.
Soweit die Antragsgegnerin behaupte, die Antragsteller hätten kürzlich einen Antrag gestellt, im Wege des Sonderbedarfs in L1 zugelassen zu werden, sei dies unrichtig. Zwar seien Gespräche mit dem Geschäftsführer der N Klinik L1 über eine Kooperation mit der Gemeinschaftspraxis der Herzchirugen unter Einbindung der Antragsgegnerin geführt worden, es sei jedoch nicht zu einem Ergebnis gekommen.
Falsch sei auch, dass die Antragsteller bisher keinerlei vertragsärztliche Leistungen erbracht hätten. Sie seien vertragsärztlich tätig gewesen, wobei sich der geringe Umfang daraus ergebe, dass die Antragsgegnerin sie mehrfach aus der Liste der zugelassenen Ärzte im Arztregister gestrichen habe; dies habe Einfluss auf das Zuweiserverhalten gehabt.
Die Antragsteller beantragen,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen als Fachärzten für Herzchirur- gie die von ihnen abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen zu vergü- ten,
2. hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen als Fachärzten für Herzchirurgie die von ihnen ab dem 01.10.2006 abgerechneten vertrags- ärztlichen Leistungen zu vergüten,
3. festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, ihnen als Fachärzten für Herzchirurgie die von ihnen ab dem 01.10.2006 abge- rechneten vertragsärztlichen Leistungen zu vergüten,
4. hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen als Fachärzten für Herzchirurgie alle von ihnen abgerechneten vertragsärztlichen Leistun- gen ab dem 01.10.2006 unter Beachtung des Regelwerks zu vergüten, soweit sie nicht dem Kapitel 7 des EBM-Ä zugeordnet sind.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
Die Antragsteller hätten bisher trotz Anordnung des Sofortvollzuges im Zulassungsverfahren keinerlei vertragsärztliche Leistungen zur Abrechnung gebracht. Es bestünden daher hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass sie ihre vertragsärztliche Tätigkeit in X bisher gar nicht aufgenommen hätten. Zudem sei angesichts ihres kürzlichen Antrages, im Wege des Sonderbedarfs in L1 zugelassen zu werden, eine ernsthafte Absicht, die vertragsärztliche Tätigkeit in X aufzunehmen, nicht zu erkennen.
Ferner hätten die Antragsteller weder nach der Veröffentlichung des Beschlusses des Bewertungsausschusses am 30.06.2006 noch zum 01.10.2006 die Wirkungen dieser Beschlussfassung als eilbedürftig beurteilt. Selbst nach dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.11.2006 habe es einen Monat gebraucht, bis die Antragsteller den vorliegenden Antrag bei Gericht anhängig gemacht hätten.
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die L2 C (L2) sind zum Verfahren beigeladen und um Mitteilung gebeten worden, welche Beweggründe im Einzelnen den Änderungen des EBM-Ä zum 01.10.2006 zugrunde gelegen haben und welche Abrechnungsmöglichkeiten nach dem EBM-Ä ab diesem Zeitpunkt für die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzte für Herzchirurgie gegeben sind bzw. aus welchen Gründen ggf. keine Abrechnungsmöglichkeiten für diese Arztgruppe bestehen sollten. Die L2 hat mitgeteilt, sie werde bemüht sein, im Laufe des Februar 2007 hierzu Stellung zu nehmen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war vorläufig teilweise stattzugeben.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. VwGO geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer/Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 86b Rdnr. 14; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, 2003, § 86b Rdnr. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteiler einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller sonach bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Inter-essenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 21/02 KA ER -).
Nach Lage der Dinge ist ein Anordnungsgrund jedenfalls für den Feststellungsantrag zu Ziffer 3) glaubhaft gemacht.
Zwar ist davon auszugehen, dass die Antragsteller trotz der Anordnung des Sofortvollzuges ihrer Zulassung bislang keine vertragsärztlichen Leistungen zur Abrechnung gebracht haben. Dem entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin sind die Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten und haben insbesondere nicht dargelegt, welche Leistungen in welchem Umfang sie erbracht und bei der Antragsgegnerin zur Abrechnung eingereicht haben. Demzufolge fehlt es für die Prozessanträge zu 1), 2) und 4) an einem Rechtsschutzbedürfnis. Für den Antrag zu 1) gilt dies auch deshalb, weil die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 16.11.2006 erklärt hat, die Antragsteller könnten bis einschließlich zum III. Quartal 2006 die an ihrem Praxissitz erbrachten Leistungen - grundsätzlich, bei Vorliegen der übrigen Abrechnungsvoraussetzungen - abrechnen.
Für den Feststellungsantrag zu 3) besteht jedoch ein Anordnungsgrund. Die Antragsteller hatten bereits in ihrem Zulassungsrechtsstreit vor dem LSG NRW glaubhaft vorgetragen, sie beabsichtigten, ihre zukünftige vertragsärztliche Tätigkeit in den von ihnen angemieteten Praxisräumen D Straße 00 in X auszuüben. Dass eine auf herzchirurgische Leistungen spezialisierte Vertragsarztpraxis wirtschaftlich betrieben werden kann, hat das LSG NRW in seinem Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER, Seite 15 - mit Blick auf die Zulassung von Fachärzten für Herzchirurgie in anderen KV-Bereichen bereits allgemein festgestellt. Konkret haben die Antragsteller im vorliegenden Verfahren ein bei summarischer Betrachtung in sich schlüssiges Konzept zum Betreiben einer herzchirurgischen Gemeinschaftspraxis vorgelegt, welches eine tragfähige Existenzgrundlage darstellt. Glaubhaft haben sie zudem eidesstattlich versichert, außer geringen Einkünften in Höhe von etwa 2.000,- EUR pro Praxispartner gegenwärtig keine weiteren Einkünfte zu erzielen mit der Folge, dass unter Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen monatliche Deckungslücken von etwa 8.000,- EUR pro Arzt entstünden. Angesichts dessen haben die Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass und in welchem Umfang sie berechtigt sind, vertragsärztliche Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin abzurechnen.
Die Rechtslage hinsichtlich des Anordnungsanspruchs lässt sich bei summarischer Prüfung gegenwärtig nicht abschließend bewerten.
Der Beschluss des Bewertungsausschusses aus seiner 114. Sitzung ist der gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Die Bestimmungen des EBM-Ä sind Akte der Normsetzung durch Vertrag. Wie jedem anderen Normsetzer steht dabei auch dem Bewertungsausschuss bei der ihm überantworteten Rechtsetzung Gestaltungsfreiheit zu (vgl. z.B. BVerfGE 97, 271, 290 f. 90, 22, 26 m.w.N.; 69, 150, 159 f. m.w.N.; vgl. auch BSGE 88, 126, 133 f.), die grundsätzlich auch von der Rechtsprechung zu respektieren ist und von dieser nur in Ausnahmefällen korrigiert werden darf. Die Gerichte sind grundsätzlich nicht befugt zu überprüfen, ob der Normgeber jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 6 RKa 3/96 -). Der Gestaltungsspielraum des Normgebers ist umso mehr zu beachten, wenn - sei es auch nur mittelbar - Regelungen über die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme im Streit sind (vgl. z.B. BVerfGE 81, 156, 205 f.; 77, 84 106 f. m.w.N.; 75, 108, 157 ff.; BSGE 62, 136, 140 m.w.N.) oder wenn es um die Bewältigung komplexer Sachverhalte geht, wie sie vielfach im Krankenversicherungs- und Vertragsarztrecht anzutreffen sind (vgl. BVerfGE 33, 171, 189; BSGE 73, 131, 139; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 8). Dabei darf nicht übersehen werden, dass gerade im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und dem dort der Leistungserbringung dienenden Vertragsarztrecht die Verfolgung der Aufgabe, die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit dieses Sozialleistungssystems zu erhalten, ein sensibles, weil hochrangig einzustufendes Gemeinschaftsgut darstellt (vgl. BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 29, 30; 82, 209, 230; 103, 172, 184; vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 16 m.w.N).
Dies bedeutet indes nicht, dass der Normgeber auf Grund des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums völlig frei wäre. Er darf seine Regelungskompetenz nicht "missbräuchlich", d.h. nicht durch sachgerechte Erwägungen gedeckt, sondern von sachfremden Erwägungen getragen, ausüben (BSGE 83, 205, 208; 84, 235, 237; 79, 239, 245 f.; Urteil vom 16.05.2001 - B 6 KA 47/00 R -). Seine Grenzen ergeben sich vorrangig aus den Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage, die sich durch Auslegung ermitteln lassen und deren Einhaltung die Gerichte in vollem Umfang überprüfen können (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 34).
Vor diesem Hintergrund erscheint die Streichung der Herzchirurgen aus der Facharztliste des Kapitels 7 EBM-Ä ab dem 01.10.2006 bei vorläufiger summarischer Betrachtung nicht als sachgerecht. Nach der bisher vorliegenden einzigen amtlichen Verlautbarung für diese Streichung (Mitteilung der KBV im Dt. Ärzteblatt vom 30.06.2006, Heft 26, A-1848) entspricht die Streichung der Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte durch den G-BA. In der Tat hatte der G-BA im Rahmen seiner Zuständigkeit (§ 92 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) entschieden, dass die Fachärzte für Herzchirurgie nicht der Arztgruppe der Chirurgen zuzurechnen seien, und sie somit von der Bedarfsplanung ausgenommen (Dt. Ärzteblatt vom 21.10.2005, A-2891). Nur auf die bedarfsplanungsrechtlichen Aspekte bezogen sich in diesem Zusammenhang die Beschlussbegründung des G-BA vom 19.07.2005 sowie die Äußerungen des zuständigen Unterausschusses des G-BA vom 30.01.2006 (LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -, S. 14).
Die Änderungen der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte durch den G-BA vermögen die Streichung der Fachgruppe der Herzchirurgen aus den Gebührenordnungspositionen des EBM-Ä indes nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Die Antragsteller sind als Herzchirurgen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Zulassung bewirkt nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Hiermit korrespondiert im Rahmen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ein Anspruch auf angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen (§ 72 Abs. 2 SGB V). Ein solcher Anspruch besteht indes nur insoweit, als die jeweilige Leistung in den EBM-Ä aufgenommen ist, denn nur diejenigen Leistungen, die im Leistungsverzeichnis des EBM-Ä enthalten sind, können von den Vertragsärzten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht und abgerechnet werden (BSG SozR 3-2500 § 87 Nrn. 14, 22). Soweit die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Schreiben vom 16.11.2006 mitgeteilt hat, für die Fachgruppe der Herzchirurgen seien Leistungen des EBM-Ä nicht (mehr) erbringbar und abrechnungsfähig, verstieße daher ein solcher Totalausschluss nicht nur gegen § 72 Abs. 2 SGB V, sondern auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Dies gilt insbesondere für die Leistungen nach den Ziffern 31211 bis 31218 EBM-Ä 2000+ (Herzschrittmacher- und Defibrillatoroperationen), die nach Erkenntnis des LSG NRW nur von Fachärzten für Herzchirurgie ausgeführt werden können (Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -, S. 15).
Im Rahmen der Interessenabwägung hat die Kammer daher im Sinne einer Zwischenentscheidung Veranlassung zu der Feststellung gesehen, dass die Antragsteller vorläufig bis zur Stellungnahme der L2 zu den aufgeworfenen Abrechnungsfragen weiterhin berechtigt sind, diejenigen Leistungen zu erbringen und abzurechnen, die bis zum 30.09.2006 für die Fachgruppe der Herzchirurgen erbringbar und abrechnungsfähig gewesen sind. Diese Frist verlängert sich um einen weiteren Monat, der für die notwendigen wechselseitigen Stellungnahmen der übrigen Beteiligten zu den Erwägungen der L2 und eine Auswertung durch die Kammer erforderlich ist. Danach wird die Kammer eine abschließende Entscheidung treffen. Diese wird auch die Kostenentscheidung sowie eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 14 m.w.N.).
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