Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 65/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Genehmigung zur Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen Vertreter.
Die Antragsteller sind die Erben des am 11.06.2006 verstorbenen Radiologen Q1. Der Erblasser war bis zu seinem Tode in einer radiologischen Praxisgemeinschaft mit den Q2, S und C in E, Iallee 00 - 00, vertragsärztlich tätig gewesen. Die Antragstellerin zu 1) ist die Mutter des Erblassers, der Antragsteller zu 2) sein Bruder. Nach dem Tode des Erblassers beantragten die Antragsteller unter dem 04.07.2006 die Ausschreibung dessen Vertragsarztsitzes, weil die Praxis an einen Nachfolger verkauft werden soll.
Bis zum 31.12.2006 hatte die Antragsgegnerin die Weiterführung der Praxis durch einen Vertreter genehmigt. Mit undatiertem Bescheid, den Antragstellern
am 22.01.2007 zugestellt, lehnte sie ihren Antrag vom 18.12.2006 auf Verlängerung der Weiterführung der Praxis bis zum 31.03.2007 ab: Gemäß § 4 Abs. 3 des Bundesmantelvertrages (BMV-Ä) bzw. § 8 Abs. 5 des Arzt-/Ersatzkassen-Vertrages (EKV-Ä) sei die Fortführung einer Praxis durch einen anderen Arzt längstens bis zu 2 Quartalen möglich. Herr Q1 sei am 11.06.2006 verstorben. Die Genehmigung zur Weiterführung der Praxis sei für einen Zeitraum von 2 Quartalen genehmigt worden. Eine Verlängerung dieses Zeitraumes lasse sich aus den Verträgen nicht ableiten.
Diesem Bescheid widersprachen die Antragsteller und beantragten unter dem 23.04.2007, die Vertretergenehmigung für Herrn Q2 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Zulassungsausschuss zu verlängern. Mit Schreiben vom 27.04.2007 teilte ihnen die Antragsgegnerin mit, über den Widerspruch sei in der Widerspruchssitzung am 25.04.2007 zurückweisend entschieden worden. Über den Antrag vom 23.04.2007 werde sie nicht nochmalig entscheiden, da sich die Sachlage gegenüber dem bereits im Widerspruchsverfahren zurückweisend entschiedenen Antrag nicht verändert habe.
Der Zulassungsausschuss hatte zunächst für den 09.11.2006 eine Sitzung anberaumt, diese telefonisch aber wieder abgesagt. Sodann fand am 14.12.2006 eine Sitzung statt. Diese wurde vertagt und der Erbengemeinschaft aufgegeben, folgende Unterlagen einzureichen:
Praxiswertgutachten eines vereidigten Wirtschaftsprüfers hinsichtlich des Wertes des Praxisanteiles des Herrn Q1,
sämtliche Korrespondenz mit den Bewerbern auf den ausgeschriebenen Praxissitz,
Praxiskaufvertrag bzw. Vorvertrag, den die Erbengemeinschaft mit Herrn M abgeschlossen hat.
Zudem erging an die Erbengemeinschaft der Hinweis, dass die erteilte Genehmigung zur Vertretung des Praxissitzes Q1 am 31.12.2006 auslaufen würde, somit ab 01.01.2007 keine Vertretung der Praxis Q1 mehr erfolgen könnte. Für den 18.06.2007 ist die Angelegenheit erneut beim Zulassungsausschuss - Kammer I - terminiert.
Am 18.05.2007 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Die Antragsteller tragen vor, die in § 4 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 5 EKV-Ä vorgesehene zeitliche Beschränkung sei zwar im Regelfall angemessen, da die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes eines verstorbenen Vertragsarztes gewöhnlich in diesem Zeitrahmen gelinge. Bei verfassungskonformer Auslegung müsse die Vertretergenehmigung indes auch über diesen Zeitraum hinaus bei Abwägung aller privaten und öffentlichen Interessen des jeweiligen Einzelfalles zulässig sein. Dies gelte vorliegend vor allem deshalb, weil die Antragsteller kein Verschulden an der Dauer des Nachbesetzungsverfahrens treffe. Dieses treffe allenfalls den Zulassungsausschuss, dessen Sitzung im November 2006 wegen eines Ladungsfehlers nicht habe stattfinden können und der in der Sitzung vom Dezember 2006 unrechtmäßig die Vorlage von für das Zulassungsverfahren irrelevanten Unterlagen gefordert habe. Im Übrigen handele es sich bei dem BMV und dem EKV lediglich um öffentlich-rechtliche Verträge, also nicht um Rechtsnormen, die im Rahmen eines formellen Gesetzgebungsverfahrens zustande gekommen seien. Auch lasse der Stillstand der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes nach Auslaufen der zwei Quartale umfassenden Vertretergenehmigung den Sicherstellungsauftrag völlig unberücksichtigt.
Die Angelegenheit sei auch dringlich, da jeder Tag der Verzögerung erhebliche Umsatzverluste zur Folge habe und der Praxiswert von Tag zu Tag sinke. Es bestehe in hohem Maße die Gefahr des Abwanderns von Patienten, namentlich in die Praxen der drei anderen Radiologen im selben Hause.
Die Antragsteller beantragen den Erlass einer einstweiliger Anordnung folgenden Inhalts:
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Weiterführung der Praxis des verstorbenen Vertragsarztes Q1, Praxisanschrift: Iallee 00 - 00, 00000 E, bis zum bestandskräftigen Abschluss des gemäß § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V derzeit laufenden Nachbesetzungsverfahrens vor dem Zulassungsauschuss E mit sofortiger Wirkung durch einen Vertreter zu genehmigen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag der Antragsteller vom 17.07.2007, bei ihr eingegangen am 22.05.2007, abzulehnen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
Es sei nicht zu befürchten, dass die bisherigen Patienten des Herrn Q1 mangels Behandlungsmöglichkeit auf andere Arztpraxen ausweichen würden und sich der Patientenstamm der Praxis schnell verflüchtigen werde.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass die drei weiteren Radiologen der Praxisgemeinschaft diese Patienten bis zum Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens mitversorgten.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 5 EKV-Ä sei die Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes längstens bis zu zwei Quartalen möglich. Folgte man der Auffassung der Antragsteller, dass sich diese Regelungen als verfassungswidrig erwiesen, stünde ihnen gar keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Der Zulassungsausschuss habe auch zu Recht die Vorlage der Unterlagen gefordert.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Danach sind die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)).
Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; NVwZ RR 2001, 694 bis 695; LSG NRW, Beschluss vom 19.03.2007 - L 10 B 3/07 KA ER - m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Es ist bereits ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Der verstorbene Vertragsarzt Q1 war bis zu seinem Tode mit den Q2, S und C in einer radiologischen Praxisgemeinschaft tätig gewesen. Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung gemeinsamer Patienten dient. Ihr liegt vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen, zugrunde. Es verbleibt bei der selbständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - m.w.N.). Hierauf weisen die Antragsteller zutreffend hin.
Nicht nachvollziehbar ist aber insofern, dass die Antragsteller eine besonders hohe Gefahr des Abwanderns der Patienten aus der Praxis des verstorbenen Radiologen Q1 daran sehen, wenn sich diese in die Praxen der anderen Radiologen in den gleichen Räumlichkeiten begeben. Denn nach dem Antrag vom 23.04.2007 soll der Radiologe Q2 die Vertretung in der Praxis des verstorbenen Vertragsarztes übernehmen; Q2 ist aber gerade einer derjenigen Ärzte, die eine andere Praxis in den gleichen Räumlichkeiten betreiben. Es fällt schwer anzunehmen, dass Q2 eine strikte Trennung zwischen den Patienten seiner eigenen Praxis und denjenigen der Vertretungspraxis einhalten wird, um den Praxiswert der Vertretungspraxis zu erhalten, ohne aus eigenwirtschaftlichen Interessen das naheliegende Ziel zu verfolgen, möglichst viele eigene Patienten zu gewinnen. Insofern führt auch der Hinweis auf den Sicherstellungsauftrag der Antragsgegnerin nicht weiter. Für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist es unerheblich, ob die von Q2 untersuchten Patienten seine eigenen Patienten darstellen oder solche der Vertretungspraxis.
Es besteht auch kein Anordnungsanspruch. Nach §§ 4 Abs. 3 BMV-Ä, 8 Abs. 5 EKV-Ä kann die Kassenärztliche Vereinigung die Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen anderen Arzt bis zur Dauer von zwei Quartalen genehmigen. Rechtsgrundlage für diese öffentlich-rechtlichen Verträge ist § 82 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Es handelt sich hierbei um Rechtsetzung durch Normenverträge (vgl. zur dogmatischen Herleitung im Einzelnen BSG, Urteile vom 09.12.2004 - B 6 KA 40/03 R u.a. - m.w.N.), die für die Vertragsärzte gemäß § 95 Abs. 3 Satz 3 SGB V verbindlich sind. Nach diesen Vorgaben durfte die Antragsgegnerin hier längstens bis zum 31.12.2006 eine Vertretergenehmigung erteilen und hat dies in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ("kann") auch getan. Rechtsnormen des Vertragsarztrechts, die im Rahmen eines formellen Gesetzgebungsverfahrens zustande gekommen sind und als Rechtsfolge die Vertretung der Praxis eines verstorbenen Arztes vorsehen, existieren nicht.
Verfassungsrecht aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet keinen Anspruch auf vertretungsweise Weiterführung der Praxis bis zum bestandskräftigen Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens.
Die Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung sind von dem Grundsatz geprägt, dass Überversorgung zu vermeiden und - soweit möglich - abzubauen ist. Dem Eigentumsschutz wird hierbei dadurch Rechnung getragen, dass dem ausscheidenden Arzt bzw. - wie hier - den Erben die wirtschaftliche Verwertung der Praxis auch in einem für Neuzulassungen gesperrten Gebiet ermöglicht wird (vgl. BSGE 85, 1 ff.).
Hierbei sind gemäß § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V die wirtschaftlichen Interessen der Erben nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt. Aus diesem Grund müssen die Bewerber die Bereitschaft besitzen, die Praxis des Abgebers gegen Zahlung des Verkehrswertes zu übernehmen, so dass sich für den Praxisabgeber hinsichtlich des Kaufpreises eine Garantie in Höhe des Verkehrswertes der Praxis ergibt. Mit der gesetzlichen Regelung soll im Rahmen der Auswahlentscheidung verhindert werden, dass ein Bewerber deshalb den Vorzug erhält, weil er zur Zahlung eines Kaufpreises oberhalb des Verkehrswertes der Praxis bereit ist (Schallen, Zulassungsverordnungen, 5. Aufl. 2007, Rn. 272 f).
Das Nachbesetzungsverfahren ist dabei auf beschleunigte Durchführung angelegt; es beginnt mit der "unverzüglichen" Ausschreibung des Vertragsarztsitzes (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Die zügige Abwicklung des Verfahrens dient dabei nicht nur dem Eigentumsschutz des Praxisabgebers. Zugleich soll verhindert werden, dass in einem gesperrten Planungsbereich auf längere Dauer ein Vertragsarztsitz existiert, der nicht durch einen Vertragsarzt mit eigener Zulassung besetzt ist, sondern nur vertreten wird. Die zügige Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens könnte dabei gefährdet sein, wenn eine vertretungsweise Weiterführung der Praxis bis zum bestandskräftigen Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens gestattet würde. Dies könnte unerwünschte Anreize schaffen, im Hinblick auf die verstärkte Nachfrage nach Vertragsarztpraxen und die damit verbundene Kassenzulassung auf eine ungerechtfertigte Erhöhung des Kaufpreises hinzuwirken, wie von der Antragsgegnerin befürchtet, und somit vom Gesetz nicht geschützte Wertsteigerungen mitzunehmen. Verfassungsrechtlich ist dem Eigentumsschutz vor dem Hintergrund der mit dem Grundgesetz vereinbaren Bedarfsplanung und der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Planungsbereichen (BVerfG MedR 2001, 639) mit der Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen Vertreter für die Dauer von längstens sechs Monaten hinreichend Rechnung getragen. Dem ist vorliegend entsprochen worden; eine Verlängerung der Vertretung kommt nicht mehr in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Genehmigung zur Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen Vertreter.
Die Antragsteller sind die Erben des am 11.06.2006 verstorbenen Radiologen Q1. Der Erblasser war bis zu seinem Tode in einer radiologischen Praxisgemeinschaft mit den Q2, S und C in E, Iallee 00 - 00, vertragsärztlich tätig gewesen. Die Antragstellerin zu 1) ist die Mutter des Erblassers, der Antragsteller zu 2) sein Bruder. Nach dem Tode des Erblassers beantragten die Antragsteller unter dem 04.07.2006 die Ausschreibung dessen Vertragsarztsitzes, weil die Praxis an einen Nachfolger verkauft werden soll.
Bis zum 31.12.2006 hatte die Antragsgegnerin die Weiterführung der Praxis durch einen Vertreter genehmigt. Mit undatiertem Bescheid, den Antragstellern
am 22.01.2007 zugestellt, lehnte sie ihren Antrag vom 18.12.2006 auf Verlängerung der Weiterführung der Praxis bis zum 31.03.2007 ab: Gemäß § 4 Abs. 3 des Bundesmantelvertrages (BMV-Ä) bzw. § 8 Abs. 5 des Arzt-/Ersatzkassen-Vertrages (EKV-Ä) sei die Fortführung einer Praxis durch einen anderen Arzt längstens bis zu 2 Quartalen möglich. Herr Q1 sei am 11.06.2006 verstorben. Die Genehmigung zur Weiterführung der Praxis sei für einen Zeitraum von 2 Quartalen genehmigt worden. Eine Verlängerung dieses Zeitraumes lasse sich aus den Verträgen nicht ableiten.
Diesem Bescheid widersprachen die Antragsteller und beantragten unter dem 23.04.2007, die Vertretergenehmigung für Herrn Q2 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Zulassungsausschuss zu verlängern. Mit Schreiben vom 27.04.2007 teilte ihnen die Antragsgegnerin mit, über den Widerspruch sei in der Widerspruchssitzung am 25.04.2007 zurückweisend entschieden worden. Über den Antrag vom 23.04.2007 werde sie nicht nochmalig entscheiden, da sich die Sachlage gegenüber dem bereits im Widerspruchsverfahren zurückweisend entschiedenen Antrag nicht verändert habe.
Der Zulassungsausschuss hatte zunächst für den 09.11.2006 eine Sitzung anberaumt, diese telefonisch aber wieder abgesagt. Sodann fand am 14.12.2006 eine Sitzung statt. Diese wurde vertagt und der Erbengemeinschaft aufgegeben, folgende Unterlagen einzureichen:
Praxiswertgutachten eines vereidigten Wirtschaftsprüfers hinsichtlich des Wertes des Praxisanteiles des Herrn Q1,
sämtliche Korrespondenz mit den Bewerbern auf den ausgeschriebenen Praxissitz,
Praxiskaufvertrag bzw. Vorvertrag, den die Erbengemeinschaft mit Herrn M abgeschlossen hat.
Zudem erging an die Erbengemeinschaft der Hinweis, dass die erteilte Genehmigung zur Vertretung des Praxissitzes Q1 am 31.12.2006 auslaufen würde, somit ab 01.01.2007 keine Vertretung der Praxis Q1 mehr erfolgen könnte. Für den 18.06.2007 ist die Angelegenheit erneut beim Zulassungsausschuss - Kammer I - terminiert.
Am 18.05.2007 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Die Antragsteller tragen vor, die in § 4 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 5 EKV-Ä vorgesehene zeitliche Beschränkung sei zwar im Regelfall angemessen, da die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes eines verstorbenen Vertragsarztes gewöhnlich in diesem Zeitrahmen gelinge. Bei verfassungskonformer Auslegung müsse die Vertretergenehmigung indes auch über diesen Zeitraum hinaus bei Abwägung aller privaten und öffentlichen Interessen des jeweiligen Einzelfalles zulässig sein. Dies gelte vorliegend vor allem deshalb, weil die Antragsteller kein Verschulden an der Dauer des Nachbesetzungsverfahrens treffe. Dieses treffe allenfalls den Zulassungsausschuss, dessen Sitzung im November 2006 wegen eines Ladungsfehlers nicht habe stattfinden können und der in der Sitzung vom Dezember 2006 unrechtmäßig die Vorlage von für das Zulassungsverfahren irrelevanten Unterlagen gefordert habe. Im Übrigen handele es sich bei dem BMV und dem EKV lediglich um öffentlich-rechtliche Verträge, also nicht um Rechtsnormen, die im Rahmen eines formellen Gesetzgebungsverfahrens zustande gekommen seien. Auch lasse der Stillstand der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes nach Auslaufen der zwei Quartale umfassenden Vertretergenehmigung den Sicherstellungsauftrag völlig unberücksichtigt.
Die Angelegenheit sei auch dringlich, da jeder Tag der Verzögerung erhebliche Umsatzverluste zur Folge habe und der Praxiswert von Tag zu Tag sinke. Es bestehe in hohem Maße die Gefahr des Abwanderns von Patienten, namentlich in die Praxen der drei anderen Radiologen im selben Hause.
Die Antragsteller beantragen den Erlass einer einstweiliger Anordnung folgenden Inhalts:
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Weiterführung der Praxis des verstorbenen Vertragsarztes Q1, Praxisanschrift: Iallee 00 - 00, 00000 E, bis zum bestandskräftigen Abschluss des gemäß § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V derzeit laufenden Nachbesetzungsverfahrens vor dem Zulassungsauschuss E mit sofortiger Wirkung durch einen Vertreter zu genehmigen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag der Antragsteller vom 17.07.2007, bei ihr eingegangen am 22.05.2007, abzulehnen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
Es sei nicht zu befürchten, dass die bisherigen Patienten des Herrn Q1 mangels Behandlungsmöglichkeit auf andere Arztpraxen ausweichen würden und sich der Patientenstamm der Praxis schnell verflüchtigen werde.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass die drei weiteren Radiologen der Praxisgemeinschaft diese Patienten bis zum Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens mitversorgten.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 5 EKV-Ä sei die Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes längstens bis zu zwei Quartalen möglich. Folgte man der Auffassung der Antragsteller, dass sich diese Regelungen als verfassungswidrig erwiesen, stünde ihnen gar keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Der Zulassungsausschuss habe auch zu Recht die Vorlage der Unterlagen gefordert.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Danach sind die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)).
Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; NVwZ RR 2001, 694 bis 695; LSG NRW, Beschluss vom 19.03.2007 - L 10 B 3/07 KA ER - m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Es ist bereits ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Der verstorbene Vertragsarzt Q1 war bis zu seinem Tode mit den Q2, S und C in einer radiologischen Praxisgemeinschaft tätig gewesen. Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung gemeinsamer Patienten dient. Ihr liegt vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen, zugrunde. Es verbleibt bei der selbständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - m.w.N.). Hierauf weisen die Antragsteller zutreffend hin.
Nicht nachvollziehbar ist aber insofern, dass die Antragsteller eine besonders hohe Gefahr des Abwanderns der Patienten aus der Praxis des verstorbenen Radiologen Q1 daran sehen, wenn sich diese in die Praxen der anderen Radiologen in den gleichen Räumlichkeiten begeben. Denn nach dem Antrag vom 23.04.2007 soll der Radiologe Q2 die Vertretung in der Praxis des verstorbenen Vertragsarztes übernehmen; Q2 ist aber gerade einer derjenigen Ärzte, die eine andere Praxis in den gleichen Räumlichkeiten betreiben. Es fällt schwer anzunehmen, dass Q2 eine strikte Trennung zwischen den Patienten seiner eigenen Praxis und denjenigen der Vertretungspraxis einhalten wird, um den Praxiswert der Vertretungspraxis zu erhalten, ohne aus eigenwirtschaftlichen Interessen das naheliegende Ziel zu verfolgen, möglichst viele eigene Patienten zu gewinnen. Insofern führt auch der Hinweis auf den Sicherstellungsauftrag der Antragsgegnerin nicht weiter. Für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist es unerheblich, ob die von Q2 untersuchten Patienten seine eigenen Patienten darstellen oder solche der Vertretungspraxis.
Es besteht auch kein Anordnungsanspruch. Nach §§ 4 Abs. 3 BMV-Ä, 8 Abs. 5 EKV-Ä kann die Kassenärztliche Vereinigung die Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen anderen Arzt bis zur Dauer von zwei Quartalen genehmigen. Rechtsgrundlage für diese öffentlich-rechtlichen Verträge ist § 82 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Es handelt sich hierbei um Rechtsetzung durch Normenverträge (vgl. zur dogmatischen Herleitung im Einzelnen BSG, Urteile vom 09.12.2004 - B 6 KA 40/03 R u.a. - m.w.N.), die für die Vertragsärzte gemäß § 95 Abs. 3 Satz 3 SGB V verbindlich sind. Nach diesen Vorgaben durfte die Antragsgegnerin hier längstens bis zum 31.12.2006 eine Vertretergenehmigung erteilen und hat dies in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ("kann") auch getan. Rechtsnormen des Vertragsarztrechts, die im Rahmen eines formellen Gesetzgebungsverfahrens zustande gekommen sind und als Rechtsfolge die Vertretung der Praxis eines verstorbenen Arztes vorsehen, existieren nicht.
Verfassungsrecht aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet keinen Anspruch auf vertretungsweise Weiterführung der Praxis bis zum bestandskräftigen Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens.
Die Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung sind von dem Grundsatz geprägt, dass Überversorgung zu vermeiden und - soweit möglich - abzubauen ist. Dem Eigentumsschutz wird hierbei dadurch Rechnung getragen, dass dem ausscheidenden Arzt bzw. - wie hier - den Erben die wirtschaftliche Verwertung der Praxis auch in einem für Neuzulassungen gesperrten Gebiet ermöglicht wird (vgl. BSGE 85, 1 ff.).
Hierbei sind gemäß § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V die wirtschaftlichen Interessen der Erben nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt. Aus diesem Grund müssen die Bewerber die Bereitschaft besitzen, die Praxis des Abgebers gegen Zahlung des Verkehrswertes zu übernehmen, so dass sich für den Praxisabgeber hinsichtlich des Kaufpreises eine Garantie in Höhe des Verkehrswertes der Praxis ergibt. Mit der gesetzlichen Regelung soll im Rahmen der Auswahlentscheidung verhindert werden, dass ein Bewerber deshalb den Vorzug erhält, weil er zur Zahlung eines Kaufpreises oberhalb des Verkehrswertes der Praxis bereit ist (Schallen, Zulassungsverordnungen, 5. Aufl. 2007, Rn. 272 f).
Das Nachbesetzungsverfahren ist dabei auf beschleunigte Durchführung angelegt; es beginnt mit der "unverzüglichen" Ausschreibung des Vertragsarztsitzes (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Die zügige Abwicklung des Verfahrens dient dabei nicht nur dem Eigentumsschutz des Praxisabgebers. Zugleich soll verhindert werden, dass in einem gesperrten Planungsbereich auf längere Dauer ein Vertragsarztsitz existiert, der nicht durch einen Vertragsarzt mit eigener Zulassung besetzt ist, sondern nur vertreten wird. Die zügige Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens könnte dabei gefährdet sein, wenn eine vertretungsweise Weiterführung der Praxis bis zum bestandskräftigen Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens gestattet würde. Dies könnte unerwünschte Anreize schaffen, im Hinblick auf die verstärkte Nachfrage nach Vertragsarztpraxen und die damit verbundene Kassenzulassung auf eine ungerechtfertigte Erhöhung des Kaufpreises hinzuwirken, wie von der Antragsgegnerin befürchtet, und somit vom Gesetz nicht geschützte Wertsteigerungen mitzunehmen. Verfassungsrechtlich ist dem Eigentumsschutz vor dem Hintergrund der mit dem Grundgesetz vereinbaren Bedarfsplanung und der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Planungsbereichen (BVerfG MedR 2001, 639) mit der Weiterführung der Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes durch einen Vertreter für die Dauer von längstens sechs Monaten hinreichend Rechnung getragen. Dem ist vorliegend entsprochen worden; eine Verlängerung der Vertretung kommt nicht mehr in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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