S 2 KA 85/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 85/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen im Quartal II/2005.

Der Kläger ist seit 1993 als praktischer Arzt in C niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt gemäß Urkunde der Ärztekammer Nordrhein vom 15.07.1987 über die Anerkennung als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und besitzt eine Genehmigung der Beklagten vom 18.02.1993 zur Durchführung von Sonographieuntersuchungen für Abdominalorgane und Retroperitonealraum einschließlich der Nieren, Uro-Genitalorgane, Schwangerschaftsdiagnostik, Mammadiagnostik und Vaginalsonographie gemäß Nrn. 108, 178, 191, 380 bis 391 und 394 EBM (alt).

Mit Bescheid vom 03.01.2006 strich die Beklagte im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung für das Quartal II/2005 Leistungen nach den Nrn. 01785, 01786, 01815, 01825, 01827, 01850 und 01912 EBM aus den Kapiteln 1.7.4 (Mutterschaftsvorsorge), 1.7.5 (Empfängnisregelung), 1.7.6 (Sterilisation) und 1.7.7 (Schwangerschaftsabbruch).

Diesem Bescheid widersprach der Kläger. Dabei wies er darauf hin, dass ihm die Beklagte mit Schreiben vom 20.05.2006 auf seine entsprechende Anfrage, ob er neben der Schwangerschaftsvorsorge weiterhin Leistungen wie Ultraschall, Tokogramm, CTG, Amnioskopie, Wöchnerinnen-Untersuchungen usw. abrechnen könne, mitgeteilt habe, ein neuerliches Genehmigungsverfahren sei insoweit nicht notwendig. Den vorgenommenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen müsse er nunmehr das Gegenteil entnehmen. Es sei nicht in Einklang zu bringen, dass er einerseits berechtigt sei, sonographische Leistungen zu erbringen und abzurechnen, andererseits jedoch nicht berechtigt sein solle, Leistungen der Mutterschaftsvorsorge zu erbringen und abzurechnen. Das eine ma che ohne das andere keinen Sinn. Im Übrigen habe er seit seiner Niederlassung Leistungen der Mutterschaftsvorsorge erbracht und abgerechnet, die bis zur Einführung des EBM 2005 bezahlt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Da der Kläger seit dem 01.01.1996 im hausärztlichen Versorgungsbereich tätig sei, könnten arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen von ihm nur abgerechnet werden, wenn sie in der Präambel 3.1 zu Kapitel 3 (hausärztlicher Versorgungsbereich) aufgeführt seien.

Hiergegen richtet sich die am 20.04.2006 erhobene Klage.

Der Kläger ist vor allem der Ansicht, die Berichtigungen seien aus Gründen des Vertrauensschutzes rechtswidrig. Die Beklagte habe jahrelang seine Leistungserbringung geduldet und die Leistungen abgerechnet. Zudem habe sie mit ihrer Auskunft vom 20.05.2005 die Abrechnung nochmals überprüft, anerkannt und vorbehaltlos bestätigt. Jedenfalls für eine Übergangszeit nach Einführung des neuen EBM müsse er weiterhin berechtigt sein, die Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Dies gelte umso mehr, als es medizinisch keinen Sinn mache, die Erbringung von Sonographieleistungen zu genehmigen, Leistungen der Mutterschaftsvorsorge aber nicht zu vergüten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die sachlich-rechnerische Berichtigung für das Quartal II/2005 vom 03.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Der Kläger verkenne die Aussage ihres Schreibens vom 20.05.2005. In diesem werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die erteilten personenbezogenen Genehmigungen auch im Hinblick auf den ab 01.04.2005 gültigen EBM weiterhin Bestand hätten, soweit abrechnungsgestaltende Regelungen dem nicht entgegen stünden. Bei der vom Kläger nicht abrechnungsfähigen Leistung handele es sich um eine abrechnungsgestaltende Regelung. Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes könne hier nicht greifen. Soweit die Beklagte die streitige Leistung vor Einführung des neuen EBM zum 01.04.2005 abgerechnet und vergütet habe, seien die Regelungen des bis zum 31.03.2005 gültigen EBM maßgeblich gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der im Termin am 29.08.2007 ebenfalls verhandelten Streitsachen S 2 KA 87/06 (sachlich-rechnerische Berichtigung III/2005) und S 2 KA 158/06 (Genehmigung zur Abrechnung der Nr. 01770 EBM) sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil diese rechtmäßig sind.

Nach § 45 Abs. 1, 2 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 des Bundesmantelvertrages-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) obliegt den Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt ggf. die fehlerhafte Honorarforderung des Vertragsarztes.

Leistungen der Abschnitte 1.7.4, 1.7.5, 1.7.6 und 1.7.7 EBM, zu denen die gestrichenen Leistungen nach Nrn. 01785, 01786, 01815, 01825, 01827, 01850 und 01912 EBM gehören, sind nicht Gegenstand des Kataloges der berechnungsfähigen Leistungen nach Nr. 3.1.3 der Präambel (hausärztlicher Versorgungsbereich) im Kapitel III (arztgruppenspezifische Leistungen). Der Kläger verfügt zwar gemäß Urkunde der Ärztekammer Nordrhein vom 15.07.1987 über die Anerkennung als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Er ist jedoch nicht als Facharzt für Frauenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, sondern als praktischer Arzt und nimmt daher an der hausärztlichen Versorgung teil.

Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen den vorgenommenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen nicht entgegen.

Die Beklagte hat zwar dem Kläger mit Schreiben vom 20.05.2006 auf seine entsprechende Anfrage, ob er neben der Schwangerschaftsvorsorge weiterhin Leistungen wie Ultraschall, Tokogramm, CTG, Amnioskopie, Wöchnerinnen-Untersuchungen usw. abrechnen könne, mitgeteilt, ein neuerliches Genehmigungsverfahren sei insoweit nicht notwendig. Die dem Kläger erteilte personenbezogene Genehmigung habe auch im Hinblick auf den neuen ab 01.04.2005 gültigen EBM weiterhin Bestand. Diese zutreffende Äußerung entfaltet indes allein dann Bedeutung, wenn der Kläger nach Wechsel des Fachgebietes nicht als praktischer Arzt, sondern als Facharzt für Frauenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen würde und in dieser Eigenschaft dem Kreis der abrechnungsberechtigten Ärzte angehören würde. In seiner Eigenschaft als praktischer Arzt ist jedoch kein Raum für die Berücksichtigung seiner persönlichen Befähigung hierzu. Hierauf weist der Zusatz: " ... soweit abrechnungsgestaltende Regelungen dem nicht entgegenstehen" ausdrücklich hin. Die Ausschluss der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte von der Abrechnungsfähigkeit der streitbefangenen Leistungen ist eine solche abrechnungsgestaltende Regelung im EBM. Damit hat die Beklagte zugleich die Abrechnung des Klägers nicht nach nochmaliger Prüfung anerkannt und vorbehaltlos bestätigt (dazu BSG, Urteil vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R - m.w.N.).

Die Sonographiegenehmigung vom 18.02.1993, auf die der Kläger Bezug nimmt, ist durch den Ausschluss der Abrechenbarkeit der berichtigten Leistungen auch nicht entwertet. Die in der allgemeinärztlichen Praxis anfallenden Ultraschalluntersuchungen der Brustdrüsen (Nr. 33041 EBM), des Abdomens (Nr. 33042 EBM), der Uro-Genital-Organe (Nr. 33043 EBM) und der weiblichen Genitalorgane (Nr. 33044 EBM) kann der Kläger als arztgruppenübergreifende Leistungen weiterhin erbringen und abrechnen.

Auch soweit der Kläger seit seiner Niederlassung im Jahre 1993 die Leistungen der Mutterschaftsvorsorge erbracht und unbeanstandet abgerechnet hatte, be gründet dies keinen Vertrauensschutz. Diese Abrechnungen erfolgten rechtmäßig nach Maßgabe des bis zum 31.03.2005 geltenden EBM, der insofern eine Beschränkung auf Fachärzte für Frauenheilkunde nicht vorgesehen hatte, und nicht aufgrund einer Duldung fachfremder Leistungen durch die Beklagte über längere Zeit.

Es ist aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auch nicht geboten, dem Kläger für eine Übergangszeit die Abrechnungsmöglichkeit der streitbefangenen Leistungen zu erhalten. Werden Ärzte durch neue Regelungen von der Erbringung und Abrechnung bestimmter, in der Vergangenheit in erlaubter Weise erbrachter Leistungen ausgeschlossen, so liegt eine statusrelevante Berufsausübungsregelung nur dann vor, wenn diese Leistungen für ihr Fachgebiet wesentlich sind (BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 36/99 R -). Bei der Mutterschaftsvorsorge handelt es sich jedoch nicht um für das Fachgebiet praktischer Ärzte wesentliche oder dieses Fachgebiet prägende Leistungen. Dies ergibt sich aus Inhalt und Ziel der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin gemäß der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein (Nr. 1), die für diese Ärzte keine eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Mutterschaftsvorsorge verlangt. Demgegenüber sieht die Weiterbildung in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Nr. 9) ausdrücklich die Mutterschaftsvorsorge als Inhalt und Ziel der Weiterbildung vor. Handelt es sich somit um eine Leistung, die nicht den Grundbestand bzw. Kernbereich des allgemeinmedizinischen Fachgebietes betrifft, so brauchen Übergangsregelungen grundsätzlich nicht eingeführt zu werden (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 12/99 R -).

Im Übrigen stand dem Kläger tatsächlich eine mehrjährige Übergangsfrist zur Verfügung, innerhalb derer er Gelegenheit hatte, sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen. Dem ab 01.04.2005 geltenden EBM (sog. EBM 2000plus) liegt eine längere Entwicklungsgeschichte zugrunde, die allen Vertragsärzten frühzeitig und fortlaufend in der KVNo aktuell vermittelt worden ist.

Bereits in den Ausgaben 4/00 und 5/00 wurden Strukturen und Inhalte des neuen EBM vorgestellt und in einem Sonderheft 10/00 eingehend erläutert. In den Ausgaben 9/00, 9/02, 7+8/03, 3/04, 4/04, 6/04, 10/04 und 11/04 wurde jeweils berichtet, aus welchen Gründen sich die Einführung des EBM verzögerte. Eine eigens eingerichtete Website im Internet (www.ebm2000plus.de) informierte ebenfalls durchgängig über Beweggründe, Ziele und Regelungen des neuen EBM. Angesichts solch dichter Hinweise durfte kein Arzt darauf vertrauen, dass die in der Vergangenheit vergüteten Leistungen ohne weiteres auch in der Zukunft weiter honoriert würden (vgl. zur Zerstörung des Vertrauensschutzes durch Mitteilungen in der KVNO aktuell LSG NRW, Urteil vom 21.12.2005 - L 11 KA 44/05 -). Eine fünfjährige faktische Zeitspanne, um sich auf die neue Rechtslage einzurichten, stellt jedenfalls eine hinreichende Übergangszeit dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache im Hinblick auf Übergangsfristen hat die Kammer die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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