S 2 KA 76/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 76/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Führung des von ihr vertriebenen Fertigarzneimittels Almogran® in einer im Internet zugänglichen sog. "Me-Too"-Liste und in einer Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel zu Analogpräparaten".

Das von der Klägerin vertriebene Präparat Almogran® ist für die akute Behandlung der Kopfschmerzphase von Migräneanfällen mit oder ohne Aura zugelassen. Es enthält den Wirkstoff Almotriptan. Mit den Triptanen steht seit Anfang der neunziger Jahre eine neue Generation von Arzneistoffen für die Behandlung akuter Migräneattacken zur Verfügung. Sie sind eine wirksame Alternative zu den Ergotaminen. Alle Triptane sind selektive Serotonin-5-HT 1B/1D-Rezeptor-agonisten. Sumatriptan (Imigran®) war der erste Vertreter dieser neuen Gruppe. Seit ca. 1999 folgten - in alphabetischer Reihenfolge - Almotriptan (Almogran®), Naratriptan (Naramig®), Rizatriptan (Maxalt®) und Zolmitriptan (AscoTop®).

Am 11.10.2006 schloss die zu 1) beklagte Kassenärztliche Vereinigung mit den zu 2) bis 8) beklagten Krankenkassen/-verbänden eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2007" und am 29.10.2007 eine solche Vereinbarung für das Kalenderjahr 2008. In diesen Vereinbarungen soll u.a. mit einer Zielvereinbarung erreicht werden, dass der durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachte arztgruppenbezogene Versorgungsanteil (1) des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt erreicht oder überschritten wird und (2) des Bruttoumsatzes der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt eingehalten oder unterschritten wird (§ 4). Für die einzelnen Arztgruppen bestimmt die Vereinbarung Zielwerte von 69,6 % (Chirurgen) bis zu 87,9 % (HNO-Ärzte) bei den Generika und von 1,0 % (Kinderärzte) bis zu 13,8 %/2007 bzw. 11,9 %/2008 (Nervenärzte) bei den Me-Too-Präparaten. Neben Bonuszahlungen bei Unterschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens (§ 7) sieht die Vereinbarung eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes vor (§ 8), wenn er sein für das Kalenderjahr 2007 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet dabei nicht statt. In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Landesverbände der Krankenkassen/Verbände der Ersatzkassen von den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von bis zu vier Prozent des für das Kalenderjahr 2007 bzw. von bis zu fünf Prozent des für das Kalenderjahr 2008 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars.

Auf ihrer Internet-Website veröffentlicht die Beklagte zu 1) eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste"). Nach dem einleitenden Text zu diese Liste werden als patentgeschützte Analogpräparate (Me-too-Präparate) alle Arzneimittel bezeichnet, für die Patentschutz in irgendeiner Form besteht und für die keine Generika mit gleichartigen Wirkstoffen verfügbar sind. Weitere Voraussetzung ist u.a., dass diese basierend auf der Methode von Fricke und Klaus als Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten klassifiziert wurden. Seit dem 01.01.2007 wird auch das Präparat Almogran® auf dieser Liste geführt. Ferner hat die Beklagte zu 1) von Januar bis März 2007 und wieder seit 2008 eine Marktübersicht verordnungsrelevanter pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirkstoffe zur Liste patentgeschützter Analogpräparate (Me-Too-Liste) veröffentlicht. Hierin werden der Handelsname der Analogpräparate mit der verordnungshäufigsten Packung, Packungspreis und DDD-Kosten sowie eine Marktübersicht pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Arzneimittel für die Hauptindikation in geeigneter Packungsgröße, Darreichungsform und Wirkstärke angegeben. Pro Analogpräparat wird ein Wirkstoff - zum Teil zusätzlich eine Alternative - mit bis zu drei preisgünstigeren Präparaten aufgelistet, die im Februar 2007 bzw. am 1. Januar 2008 im Handel waren. Sofern mehr als drei preisgünstige Präparate mit gleicher Packungsgröße und Preis auf dem Markt waren, sind nur die drei verordnungshäufigsten Präparate des ersten Halbjahres 2006 bzw. 2007 dargestellt. Die gelisteten pharmakologisch-therapeutischen Alternativen beziehen sich auch auf verfügbare Importe und Reimporte, soweit sie zu günstigeren Preisen angeboten werden.

Für Almogran® 12,5 mg gibt diese Marktübersicht DDD-Kosten von 8,38 EUR an. Als preisgünstigere Alternativen mit DDD-Kosten von jeweils 3,16 EUR benennt die Liste Sumatriptan beta 50 mg, Sumatriptan biomo 50 mg überzogen und Sumatriptan 50-1A Pharma.

Im Anschluss an ein mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.04.2007 - S 2 KA 32/07 ER - abgeschlossenes Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz hat die Klägerin am 21.06.2007 Klage in der Hauptsache erhoben.

Die Klägerin trägt vor, der in ihrem Arzneimittel Almogran® enthaltene Wirkstoff Almotriptan sei in Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung mit der Leitsubstanz Sumatriptan überlegen, wie in einer großen Meta-Analyse von Ferrari et al. (2001) gezeigt worden sei. Ein weiterer nachgewiesener Zusatznutzen liege darin, dass Almogran® zu einem gewissen Anteil auch Patienten erreiche, die auf die Therapie mit Sumatriptan nicht ansprächen (Diener et al., 2005). Einer von der Beklagten zu den Akten gereichten fachlichen Stellungnahme von T, Pharmakologisches Institut der S-L-Universität I, vom 26.03.2007 tritt sie mit einer Gegenäußerung von E, Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums F, vom 25.04.2007 entgegen.

Die Klägerin sieht sich in ihren Grundrechten und einfachen Rechten verletzt. Eine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung der Me-Too-Präparate ergebe sich weder aus der Arznei- und Verbandmittel-Vereinbarung noch aus §§ 84 Abs. 1, 73 Abs. 8 SGB V. Auch hätten die Beklagten keine ausreichende Kompetenz, eine verbindliche Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln vorzunehmen; diese Befugnis stehe nur dem IQWiG zu. Selbst wenn eine dahingehende Kompetenz unterstellt würde, stelle das Präparat Almogran® kein Analogpräparat im Sinne der Me-Too-Liste dar. Der Umstand, dass Vergleichspräparate wie Ascotop® (Zolmitriptan) und Naramig® (Naratriptan) nicht auf der Me-Too-Liste genannt würden, obwohl sie bei geringerem bzw. gleichem Nutzen höhere Kosten als Almogran® verursachten, verletze sie in Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Die Me-Too-Liste diene aufgrund der darin enthaltenen falschen und unvollständigen Informationen nicht der Markttransparenz. Durch die Veröffentlichung der Liste und die mögliche Rechtsfolge, dass Ärzte bei einer Überschreitung des Verordnungsanteils dieser Präparate 4 % bzw. 5 % ihres gesamten GKV-Honorars zurückzahlen müssten, bestehe die Gefahr, dass Almogran® künftig weniger verordnet werde. Diese Gefahr habe sich bereits zum Teil verwirklicht, so dass die Klägerin erhebliche Umsatzeinbußen erlitten habe.

Die Klägerin beantragt:

I. Die Beklagte zu 1) wird verpflichtet, das von der Klägerin vertriebene Präparat Almogran® von der auf der Internetseite der Beklagten zu 1) veröffentlichten Me-too-Präparateliste 2008 unverzüglich zu entfernen.

II. Des Weiteren wird die Beklagte zu 1) verpflichtet, die Änderung der Me-too-Präparateliste 2008 unverzüglich durch Veröffentli-

chung eines entsprechenden Hinweises auf ihrer Internetseite sowie in der nächsten Ausgabe der KVNo Aktuell bekannt zu machen.

III.

Es wird festgestellt, dass die Veröffentlichung des Präparates Almogran® auf der Me-Too-Präparateliste 2007 rechtswidrig gewesen ist.

IV. Die Beklagte zu 1) wird verpflichtet, das von der Klägerin vertriebene Präparat Almogran® aus der von ihr veröffentlichten Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel zu Analogpräparaten 2008" unverzüglich zu entfernen.

V. Die Beklagte zu 1) wird ferner verpflichtet, die Änderung der Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel zu Analogpräparaten 2008" durch Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises auf ihrer Internetseite sowie in der nächsten Ausgabe der KVNo Aktuell bekannt zu machen.

VI.

Es wird festgestellt, dass die Listung des Präparates Almogran® in der Marktübersicht "Pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel zu Analogpräparaten" in der Zeit von Januar bis März 2007 rechtswidrig gewesen ist.

VII.

Die Beklagten zu 1) - 8) tragen die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines auf das Sozial- und Arztrecht spezialisierten Rechtsanwalts war wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage notwendig.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Klage abzuzuweisen.

Sie hält die Listung des Präparates Almogran® sowohl auf der Me-Too-Liste als auch in der Marktübersicht insgesamt für rechtmäßig. Hinsichtlich der Rechtslage sieht sie sich durch zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen - u.a. betreffend die Präparate Biofenac® und Ebastel® der Klägerin - bestärkt. Pharmakologisch-therapeutisch nimmt sie Bezug auf eine Stellungnahme von T, b.b ... Danach hätten Almotriptan und Sumatriptan eine ähnliche Wirksamkeit bei der Behandlung mittelstarker bis schwerer Migränekopfschmerzen und wiesen auch eine ähnliche Verträglichkeit und Sicherheit auf.

Die Beklagten zu 6) und 7) beantragen ebenfalls,

die Klage abzuzuweisen.

Die Beklagten zu 2) bis 5) und 8) stellen keine Prozessanträge.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akte S 2 KA 32/07 ER Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die als Leistungs- bzw. Feststellungsklage zulässige Klage ist unbegründet.

Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist ein auf § 1004 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG beruhender Abwehranspruch. Die Klägerin kann geltend machen, durch die angegriffenen Maßnahmen in ihren Chancen auf gleichberechtigten Zugang zum Markt der in der GKV eingesetzten Arzneimittel beeinträchtigt zu sein, sofern es für das Handeln der Beklagten keine Rechtsgrundlage gibt und/oder die Qualifizierung von Almogran® als "Me-Too-Präparat" inhaltlich unzutreffend ist und/oder lediglich Almogran® aus der Gruppe der Triptane als "Me-Too"-Präparat gelistet wird, obwohl andere Produkte ebenfalls hierunter zu subsumieren sind (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 27.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER - m.w.N.; BayerLSG, Beschluss vom 19.11.2007 - L 12 B 475/06 KA ER - (jeweils www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Die "Me-Too-Liste" und die Marktübersicht stellen nicht lediglich reine marktrelevante Informationen für die Vertragsärzte bereit und dürfen nicht isoliert für sich allein gesehen werden. Sie sind in Verbindung mit den Arzneimittelvereinbarungen vielmehr Instrumente gezielter staatlicher Verhaltenslenkung (HessLSG, Beschluss vom 14.08.2006 - L 4 KA 58/06 ER -). Die Arzneimittelvereinbarungen 2007 und 2008 geben der Beklagten zu 1) spezifische Informationspflichten gegenüber ihren Mitgliedern auf, nämlich deren Unterrichtung über den Abschluss und die Bedeutung dieser Vereinbarung sowie die Notwendigkeit der Veränderung des Verordnungsverhaltens der Vertragsärzte in Nordrhein, weiterhin gezielte Informationen an Vertragsärzte über die therapeutische Bewertung einzelner Arzneimittel und zur Substitution bestimmter Arzneimittelgruppen durch andere Arzneimittel (§ 5 Abs. 2). Diese Informationspflichten dienen ebenso wie der Honorarabzug beim einzelnen Vertragsarzt bei Überschreitung seines Richtgrößenvolumens und Nichteinhalten der Zielwerte dazu, das Erreichen der vereinbarten Ziele sicherzustellen. Dass die "Me-Too"-Liste und die Marktübersicht auch tatsächlich steuernde Funktion entfalten, zeigen die Abrechnungsergebnisse. So war der Umsatzanteil von Me-too-Präparaten in Nordrhein im Jahre 2006 gegenüber dem Vorjahr auf 13,5 Prozent gesunken, während er im Bundesdurchschnitt unverändert bei 15 Prozent lag (http://www.kvno.de/presse/meld2008/meld2007/meld2006/metoo generika07.html).

Die Voraussetzungen des Abwehranspruchs liegen jedoch nicht vor.

Rechtsgrundlage für die Veröffentlichungen der Me-Too-Liste und der Marktübersicht ist § 84 Abs. 1 SGB V. Danach hat die Beklagte zu 1) mit den Landesverbänden der Krankenkassen eine Arzneimittelvereinbarung zu treffen, die neben einem Ausgabenvolumen für Arzneimittel auch Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsätze dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere zur Information und Beratung, enthalten soll. In Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrags haben die Vertragspartner zum einen Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsziele (§ 4 Abs. 2 der Vereinbarung) vereinbart und sich zum anderen in § 5 Abs. 2 sowohl zu einer allgemeinen Unterrichtung der Ärzte über die Vereinbarung und die Notwendigkeit einer Änderung des Verordnungsverhaltens als auch einer gezielten Information über die therapeutischen Bewertung einzelner Arzneimittel verpflichtet. Dem dienen die angegriffenen Maßnahmen, insbesondere die Veröffentlichung der Me-Too-Liste. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Ermächtigung des Bundesausschusses zum Erlass von Richtlinien für eine wirtschaftliche Verordnung (§ 92 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 6 SGB V) für ausreichend gehalten, um zur Konkretisierung des den Vertragsarzt unmittelbar bindenden Wirtschaftlichkeitsgebotes Therapiehinweise zu erlassen (BSG vom 31.08.2006 - B 6 KA 13/05 R -). Auch die Vorgaben des § 84 Abs. 1 SGB V dienen der Einhaltung und Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Bei der Neufassung des § 84 Abs. 1 SGB V durch das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz (ABAG) hat der Gesetzgeber ausdrücklich gefordert, Wirtschaftlichkeitsziele hinsichtlich der bevorzugten Verordnung von Generika und Analogpräparaten zu vereinbaren (BT-Drucksache 14/6309, 7). Somit stellt § 84 Abs. 1 SGB V eine ausreichende Rechtsgrundlage für die zur Umsetzung der hier getroffenen Arzneimittelvereinbarung dienenden Maßnahmen der Beklagten zu 1) dar (vgl. im Einzelnen LSG NRW vom 23.11.2007 - L 10 B 11/06 KA ER - m.w.N.)

Der Beklagten zu 1) stand auch die Kompetenz zu, Almogran® als Me-Too-Präparat zu bewerten. § 35 b SGB V steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift regelt Einzelheiten zu den Aufgaben des nach § 139 a Abs. 1 SGB V errichteten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bezüglich der Bewertung des Nutzens oder des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Arzneimitteln. Die Einführung eines Verfahrens mit transparenten Bewertungskriterien sowie Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten beruht darauf, dass die Empfehlungen des IQWiG die fachliche Grundlage für Beschlüsse des G-BA nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V bilden. Die vom G-BA in den Arzneimittel-Richtlinien vorgenommenen Bewertungen entfalten im Verhältnis zu Krankenkassen, Ärzten und Versicherten gleichermaßen rechtliche Wirkung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 9). Deswegen ist es konsequent, dass der Gesetzgeber eine besondere Regelung für das Verfahren in § 35 b SGB V getroffen hat. Dabei handelt es sich jedoch um gänzlich andere Regelungsbereiche als um den hier gegenständlichen gesetzlichen Auftrag aus § 84 Abs. 1 SGB V (vgl. im Einzelnen LSG NRW, Beschluss vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER - unter Hinweis auf BT-Drucksache 15/1525, 88). Zudem kommt in § 139 a Abs. 3 SGB V zum Ausdruck, dass das IQWiG zu "Fragen von grundsätzlicher Bedeutung" für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen tätig wird. Aus der Verwendung des Begriffs "grundsätzliche Bedeutung" folgt aber zwanglos, dass es daneben auch andere Formen der Beantwortung von Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Bereich der GKV geben muss. Aus der gesetzlichen Systematik muss daher jedenfalls hergeleitet werden, dass dem IQWiG von Gesetzes wegen eine Monopolstellung nicht zugedacht ist (vgl. im Einzelnen BayerLSG, Beschlüsse vom 28.02.2007 - L 12 B 450/06 KA ER - und vom 19.11.2007 - L 12 B 475/06 KA ER -).

Die Bewertung von Almogran ® als Me-Too-Präparat ist auch zutreffend, so dass die Aufnahme in die "Me-Too-Liste" und die Marktübersicht rechtmäßig ist. In § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Arzneimittelvereinbarungen werden Me-Too-Präparate als "ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten" charakterisiert, währenddessen es in den Vorbemerkungen der Me-Too-Liste heißt: "Als patentgeschützte Analogpräparate werden alle patentgeschützten Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen bezeichnet, die basierend auf der Methode von Fricke und Klaus (Arzneiverordnungsreport 1986-2005) als Analogpräparate mit keinem oder marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Wirkstoffen klassifiziert wurden". Die Vorbemerkungen erläutern den in § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Vereinbarungen benutzten, dort aber nicht näher definierten Begriff des Me-Too-Präparats. Der Zusatz "aber mit höheren Kosten" ist kein notwendiger Bestandteil des Begriffs "Me-Too". Analogpräparate sind keineswegs immer teuerer als bereits am Markt vorhandene Arzneimittel; sie können sogar dazu beitragen, Wirtschaftlichkeitsreserven bei den Arzneiausgaben zu mobilisieren. Demgemäß lautet die Überschrift der Me-Too-Liste auch nur "Patentgeschützte Analogpräparate". Soweit es § 4 Abs. 2 Nr. 2 Arzneimittelvereinbarungen anlangt, wird der Me-Too-Begriff um den Zusatz "aber mit höheren Kosten" angereichert. Dies ist folgerichtig, weil auf das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte auch nur hinsichtlich der "Me-Too-Präparate mit höheren Kosten" eingewirkt werden soll, um insoweit eine Kostenreduktion zu erreichen.

Nach der vorliegenden Datenlage handelt es sich bei Almogran® um ein patentgeschütztes Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff (Almotriptan), das basierend auf der Methode von Fricke und Klaus zutreffend als Analogpräparat mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten klassifiziert wurde. Leitsubstanz bei den Triptanen ist nach den Rahmenvorgaben der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für den Abschluss regionaler Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 7 SGB V (www.deutsches-aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src&i =heftd=54060) der Wirkstoff Sumatriptan.

Hinsichtlich der Wirksamkeit weist E in seiner in das Verfahren S 2 KA 32/07 ER eingeführten Stellungnahme vom 25.04.2005 in Übereinstimmung mit der Einschätzung von T darauf hin, dass grundsätzlich alle Triptane bei der Behandlung akuter Migräneattacken mehr oder weniger wirksam seien. Soweit die Klägerin die Überlegenheit des Wirkstoffs Almotriptan gegenüber dem Wirkstoff Sumatriptan aus der Meta-Analyse von Ferrari et al. (2001) herleite, hält auch T diese Meta-Analyse zweifellos für eine wichtige Veröffentlichung für die Beurteilung der pharmakologisch-therapeutischen Eigenschaften der Triptane für die Akutbehandlung der Migräne. Aus diesem Grunde habe auch die Autorin des speziellen Kapitels "Migränemittel" im Arzneiverordnungs-Report 2006 (S. 735-744) diese Meta-Analyse in die Darstellung einbezogen. Zutreffend weist er in Übereinstimmung mit E jedoch darauf hin, dass die Meta-Analyse von Ferrari et al. nicht die einzige Literaturstelle ist, die Stellung einzelner Triptane zu beurteilen. Mit E geht die Kammer dabei davon aus, dass doppelblind vergleichende Studien die wissenschaftlich validesten Ergebnisse zum Vergleich von Arzneimitteln geben. Tfelt-Hansen (2006) vertritt hierbei die Auffassung, dass direkte Vergleichsstudien ("Head-to-Head comparisons") der Goldstandard für die vergleichende Beurteilung von Arzneimitteln bleiben sollten. Insofern liegen zum direkten Vergleich von Sumatriptan mit Almotriptan zwei Studien (Spierings et al.,

2001, und Dowson et al., 2002) vor, die beide in der Meta-Analyse von Ferrari et al. noch keine Berücksichtigung gefunden haben.

In der klinischen Vergleichsstudie von Spierings et al. (2001) wurden nach Mitteilung von T 591 Migränepatienten mit Almotriptan und 582 mit Sumatriptan (insgesamt 1.173) behandelt. Zwei Stunden nach der Behandlung mit Almotriptan waren die Migränekopfschmerzen bei 58,0 % der Patienten und nach der Behandlung mit Sumatriptan bei 57,3 % der Patienten gelindert. Eine völlige Beseitigung der Kopfschmerzen wurde bei 17,9 % der mit Almotriptan behandelten Patienten und bei 24,6 % der mit Sumatriptan behandelten Patienten erreicht, so dass Sumatriptan für diese Messgröße eine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber Almotriptan zeigte. Eine sog. Rettungsmedikation (rescue medication), d.h. eine zweite Arzneimitteldosis bei unzureichender Wirkung der ersten Dosis, musste von 36,7 % der mit Almotriptan behandelten Patienten und von 33,2 % der mit Sumatriptan behandelten Patienten eingenommen werden. Insgesamt hätten die Studienautoren aus diesen Ergebnissen die Schlussfolgerung gezogen, dass Almotriptan und Sumatriptan eine ähnliche Wirksamkeit bei der Behandlung mittelstarker bis schwerer Migränekopfschmerzen hätten. Nach der Stellungnahme von E wird insofern das Kriterium der anhaltenden Schmerzfreiheit als ideales Wirksamkeitskriterium definiert (Tfeld-Hansen et al, 2000). Die Schmerzfreiheit sei bei dieser Einzelstudie bei mehr Patienten unter Sumatriptan erreicht worden. Allerdings sei die Statistik nicht auf dieses sekundäre Kriterium ausgewiesen und damit diskutierbar. Die anhaltende Schmerzfreiheit sei in dieser Studie nicht dargestellt. Damit deckten sich die Ergebnisse der Spierings-Arbeit im Wesentlichen mit der Aussage der von Almirall zitierten Meta-Analyse zur Schmerzlinderung, die für diese z.T. veralteten Kriterien eine Gleichheit von Sumatriptan und Almotriptan feststelle. Dagegen habe die Meta-Analyse von Ferrari et al. aufgezeigt, dass Almotriptan auch bei den moderneren Wirksamkeitskriterien eine hohe Wirksamkeit besitze. Almotriptan 12,5 mg habe eine höhere Schmerzfreiheitsrate und eine höhere anhaltende Schmerzfreiheitsrate gezeigt. Berücksichtigt man hierbei aber, dass es sich bei der Studie von Spierings et al. um eine solche zum direkten Vergleich von Sumatriptan mit Almotriptan handelte, vermochte sich die Kammer insgesamt nicht von einer höheren Wirksamkeit von Almotriptan zu überzeugen. Dieses Ergebnis wird durch die von E geäußerte Kritik am methodischen Ansatz nicht in Frage gestellt. Zwar seien die Vergleichssubstanzen in dieser Studie in Gelatinekapseln eingelegt worden, um die Verblindung zu gewährleisten. Wissenschaftlich allgemein bekannt sei, dass eine solche Verkapselung die Resorption der Arzneimittel erheblich stören könne und daher die Ergebnisse in Frage stelle. Dem folgt die Kammer ohne Bedenken. Es wird jedoch nicht mitgeteilt, ob und inwieweit die Ergebnisse der Untersuchung durch unterschiedliche Resorptionsraten im Verhältnis Almotriptan zu Sumatriptan verfälscht worden sein könnten. Demgemäß muss die Kammer davon ausgehen, dass bei gleicher Resorption der Vergleichspräparate identische Vergleichsbedingungen geherrscht haben.

In der zweiten klinischen Vergleichsstudie von Dowson et al. (2002) wurden nach Mitteilung von T 668 Migränepatienten mit Almotriptan oder Sumatriptan behandelt. Die Ansprechraten der Patienten für Almotriptan und Sumatriptan seien äquivalent und signifikant besser gewesen als für Placebo. Die zusammenfassende Beurteilung der Studienautoren laute, dass Almotriptan ein wirksames Mittel zur Behandlung der Migräne und ebenso wirksam wie Sumatriptan sei. Diese Dosisfindungs- und Zulassungsstudie war allerdings statistisch nur auf den Nachweis der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) ausgerichtet. Aus statistisch-wissenschaftlichen Gründen war sie daher nicht in der Lage, eine Aussage zur Überlegenheit eines Präparates zu generieren. Vielmehr war ihr einziger Zweck zu zeigen, dass Almotriptan auf jeden Fall mindestens gleich gut wie Sumatriptan in der hohen, also wirksameren Dosis von 100 mg war, und dies war nach E auch erreicht worden. Für eine höhere Wirksamkeit von Almotriptan können die Ergebnisse dieser Studie daher nicht fruchtbar gemacht werden.

Nach den "Empfehlungen zur Therapie chronischer Kopf- und Gesichtsschmerzen" der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, inhaltlich abgestimmt mit der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (AVP-Sonderheft Therapieempfehlungen, 3, Aufl. 2001, S. 15 (www.akdae.de/35/89/ KopfGesichtschmerz 2001 3Auflage.pdf)) besteht für Sumatriptan die längste Erfahrung sowie die größte Variationsbreite in der Applikationsart und Dosis. Almotriptan erscheine hinsichtlich seiner Wirksamkeit dem Sumatriptan vergleichbar. Diesen Empfehlungen ist E - Erstautor der Leitlinie Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft - nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich der Verträglichkeit hat E auf die von ihm durchgeführte Studie (E et al., 2005) hingewiesen, nach der Almotriptan 12,5 mg deutlich besser verträglich gewesen sei als Sumatriptan 50 mg, ohne insofern konkrete Details mitzuteilen. Sofern aus der Studie von Dowson et al. (2002) und der Meta-Analyse von Ferrari et al. (2001) eine bessere Verträglichkeit von Almogran hervorgeht, ist insoweit zu beachten, dass Vergleichsmaßstab jeweils eine Dosis von 100 mg Sumatriptan gewesen war, die Leitdosis von Sumatriptan jedoch 50 mg beträgt. Angesichts der zusammenfassenden Schlussfolgerungen der Autoren der Studien von Spierings et al. (2001) und Dowson et al. (2002), Almotriptan und Sumatriptan wiesen eine ähnliche Verträglichkeit und Sicherheit auf, vermochte die Kammer eine mehr als marginale Verbesserung von Almotriptan insofern nicht zu erkennen.

E weist ferner darauf hin, dass eine erhebliche Anzahl von Patienten, in der Praxis geschätzt ca. 30 %, auf eine Behandlung mit Sumatriptan nicht anspreche. Dies ist nach Erkenntnis der Kammer die im Wesentlichen bei allen Arzneimitteln zu beobachtende Quote der Nichterreichbarkeit. Nach den Ergebnissen seiner Studie (E et al., 2005) bewirkte die Therapie mit Almotriptan bei diesen zunächst erfolglos behandelten Patienten Therapieerfolge dahin, dass 47,5 % der Patienten eine Schmerzlinderung, 33,3 % eine Schmerzfreiheit nach zwei Stunden erlebten. Insofern gewinnt vorliegend Bedeutung, dass die Me-Too-Liste dem verordnenden Vertragsarzt weiterhin volle Therapiefreiheit belässt und er nicht von der Verordnung von Almogran® ausgeschlossen ist. Die in den Arzneimittelvereinbarungen 2007 und 2008 festgelegten me-too-Quoten von 13,8 %/2007 bzw. 11,9 %/2008 für Nervenärzte, die primär Migränepräparate verordnen, sind insofern ausreichend hoch bemessen, um insbesondere solchen Situationen Rechnung zu tragen.

Eine Rechtswidrigkeit der Führung von Almogran® in den Me-too-Listen ist auch nicht deswegen gegeben, weil Präparate wie Ascotop® (Wirkstoff: Zolmitriptan) und Naramig® (Wirkstoff: Naratriptan) nicht auf der Me-Too-Liste genannt werden. Wie T in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überzeugend dargelegt hat, konnte nach der Methodik von Fricke und Klaus bei diesen Präparaten eine mehr als marginale Verbesserung gegenüber Sumatriptan nachgewiesen werden, so dass diese Arzneimittel begrifflich nicht unter "Me-too" fallen.

Die in der Aufnahme von Almogran® in die Me-Too-Liste und die Marktübersicht enthaltene Bewertung als unwirtschaftliches Arzneimittel ist schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Preis des Präparates nach Absenkung zum 01.03.2007 unterhalb des jeweiligen aktuellen Festbetrages liegt. Der Festbetrag stellt nur die Obergrenze der Leistungspflicht der Krankenkassen gegenüber den Versicherten dar; innerhalb einer Festbetragsgruppe kann es erhebli- che Preisdifferenzen geben. Seit Geltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) muss der Vertragsarzt bei therapeutischer Gleichwertigkeit das preisgünstigste Mittel verordnen, und zwar unabhängig von und nicht erst seit Geltung von Arzneimittelvereinbarungen (vgl. näher LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2006 - L 11 B 30/06 KA ER -).

Insgesamt stellen sich daher die Aufnahme von Almogran ® in die Me-Too-Liste und in die Marktübersicht sowohl für 2007 als auch für 2008 als rechtmäßig dar. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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