Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 352/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 156/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der am 00.00.1916 in X (damals in Polen) geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebt seit April 1957 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Der Kläger beantragte am 31.03.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Er gab dabei an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben; er habe aber von Mitte 1941 bis August 1943 während seines Aufenthaltes im Ghetto von Wilna außerhalb des Ghettos Tätigkeiten als Feldarbeiter verrichtet. Er habe Saisonarbeiten verrichtet, den Boden vorbereitet, gesät und geerntet (z. B. Weizen, Kartoffeln). Er habe 12 Stunden täglich gearbeitet, ohne Berücksichtigung des täglichen Weges zur und von der Arbeit (7 km jeweils hin und zurück). Er sei auf dem Weg von und zur Arbeit von litauischer Polizei bewacht worden. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden und freiwillig zustande gekommen. Erhalten habe er dafür Sachbezüge und Essen an der Arbeit und ein wenig Geld vom Judenrat. Ab August 1943 sei er dann in den I (I) zu Wilna (Wilno) gekommen. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von der Bezirksregierung Düsseldorf und die Vorgänge der Claims Conference bei, mit den früheren Angaben zu dem Aufenthalt im Ghetto Wilna. Gegenüber der Claims Conference hat der Kläger 1993 angegeben: "September 1941 bis August 1943 ... Ghetto Wilna ... Zwangsarbeit" und "Ich musste im Ghetto Wilna verschiedene Zwangsarbeiten verrichten und lebte in unmenschlichen Bedingungen in ständiger Todesangst ... Etwa im Herbst 1943 wurde ich im Ghetto in das HKP-Zwangsarbeitslager eingewiesen ...". Gegenüber der Entschädigungsbehörde hatte der Kläger 1966 angegeben " ... zunächst in das Ghetto Wilna und mussten ... ebenso wie alle anderen Juden befehlsmäßig ein Judenkennzeichen tragen und schwere Zwangsarbeit verrichten. Von Ghetto Wilna wurden wir beide in das HKP Wilna eingeliefert und mussten dort bis zur Befreiung ... weiterhin schwere Zwangsarbeit verrichten".
Mit Bescheid vom 17.01.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen und aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Im Einzelnen heißt es dort, der Kläger selbst habe früher angegeben, im Ghetto Zwangsarbeiten verrichtet zu haben. Die jetzt geltend gemachte Beschäftigung als Landarbeiter außerhalb des Ghettos habe so keinerlei Erwähnung gefunden, der Antrag werde deshalb wegen mangelnder Glaubhaftmachung abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein; der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil die Ablehnung der Rente nach Aktenlage nicht zu beanstanden sei, zumal der Widerspruch in der Sache nicht begründet worden sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 13.07.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung macht er geltend, für seine Tätigkeit als Feldarbeiter außerhalb des Ghettos - die nur verkürzend als "Tätigkeit im Ghetto" schon früher gemeint gewesen sei nach einfachem Sprachgebrauch - habe er Lohn in Form von Sachbezügen und ein wenig Geld bekommen, entsprechend einem allgemeinen Gutachten von U (Bl. 24 ff der Gerichtsakte). Außerdem habe er nach den Richtlinien, Vorschriften und Verordnungen für Wilna/Wilno auch einen Anspruch auf Lohn von 20 bis 30 Pfennig brutto pro Stunde gehabt. Die Beschäftigung sei auch aus eigenem Willensentschluss aufgenommen worden. Die Beklagte stelle zu hohe Anforderungen an die Erfüllung der Voraussetzungen des ZRBG. Zudem sei nach dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgericht vom 14.12.2006 die Sachlage hier zu seinen Gunsten verschoben. Der 4. Senat habe das ZRBG auf den Gesetzeswortlaut zurückgeführt. Ein historischer Sachverständiger könnte hier seinen Vortrag bestätigen, zumindest nach individuellen Unterlagen über ihn forschen. Er selbst sei vor einer Entscheidung auch persönlich zu hören. Im übrigen schlössen Ansprüche und Leistungen nach dem Stiftungsgesetz andere Ansprüche aus der Sozialversicherung nicht aus. Dagegen sprächen auch die Gesetzesmaterialien bzw. Bundestags-Drucksachen und auch die Beratungsergebnisse der Rentenversicherungsträger wie auch eine Stellungnahme der Stiftung "EVZ". Bestehende Ansprüche sollten danach nicht tangiert werden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf den Schriftsatz vom 23.08.2007.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
1.die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihm anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Wilna von August 1941 bis August 1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung als Landarbeiter - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen, 2.seine Entschädigungsakte nach dem BEG und die der Claims Conference beizuziehen und zur Einsicht zu überlassen, 3.den Sachverständigen U zur Situation der Ghetto-Arbeiter im Ghetto Wilna betreffend die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der verrichteten Arbeiten zu hören, 4.den Sachverständigen zum Vortrag des Klägers über die Arbeitsaufnahme und Entlohnung zu hören, 5.sein persönliches Erscheinen zum Termin zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, um ihn zu seiner Ghetto-Arbeit anzuhören und zu befragen 6.den Sachverständigen U zu beauftragen, in den Archiven des Ghettos Wilna nach individuellen Unterlagen über ihn und über seine Beschäftigung im Sinne von § 1 ZRBG zu forschen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des von ihr für richtig gehaltenen Urteil des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen. Außerdem habe der Kläger selbst in früheren Entschädigungsvorgängen immer nicht nur von Zwangsarbeit, sondern auch von schwerer Zwangsarbeit gesprochen. Dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts folge sie nicht, aus den Gründen des Schriftsatzes vom 09.07.2007.
Das Gericht hat die inzwischen erledigte Parallelsache des Klägers (S 26 R 19/06) nebst dazugehöriger Verwaltungsakte (Klage auf Witwerrente, zurückgezogen wegen Nichterfüllbarkeit der Wartezeit selbst im Fall der Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten der Ehefrau) beigezogen. In der dortigen Akte hatte der Kläger, und zwar im Entschädigungsverfahren seiner Ehefrau T M, angegeben: "Zu Beginn des Jahres 1941 heiratete ich meine Ehefrau und war die ganze Zeit der Verfolgung ... mit ihr zusammen. Nach Ausbruch des ... Krieges, kamen wir zunächst in das Ghetto Wilna und mussten ... wie alle anderen Juden befehlsmäßig ein Judenkennzeichen tragen und schwere Zwangsarbeit verrichten. Vom Ghetto Wilna wurden wir beide in das HKP-Wilna eingeliefert und mussten dort bis zur Befreiung ... weiterhin schwere Zwangsarbeit verrichten ...".
Das Gericht hat ferner eine Auskunft der Claims Conference beigezogen. In dieser heißt es: " ... in obiger Angelegenheit teilen wir Ihnen mit, dass Herr M von uns eine Entschädigung aufgrund seines Verfolgungsschicksals im Ghetto Wilno im Jahre 1941 erhalten hat. Wir haben hierfür die Entschädigungsakte eingesehen ...". Im Antrag bei der Claims Conference hatte der Kläger unter dem 04.03.2001 angegeben, Ansprüche für Zwangsarbeit im Ghetto Wilno im Jahre 1941 geltend zu machen (Bl. 57 der Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und auch den Inhalt der bereits erwähnten Gerichtsakte S 26 R 19/06 nebst der dort zugehörigen Verwaltungsakte über die verstorbene Ehefrau des Klägers Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil sie in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs.1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 17.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005, sind jedenfalls im Ergebnis nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des ZRBG abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen. Den Hilfsanträgen des Klägers war hier auch nicht zu entsprechen, weil es aus Rechtsgründen auf die Anhörung eines Sachverständigen oder die Anhörung des Klägers nicht ankommt.
Der Kläger hat hier gegen die Beklagte nämlich schon allein deshalb keinen Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des SGB VI in Verbindung mit eventuellen Beitragszeiten in Wilno nach den Vorschriften des ZRBG oder den Vorschriften des FRG, weil der Geltendmachung einer Rentenleistung aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung entgegensteht, dass der Kläger für die Zeit im Ghetto Wilno bereits entschädigt wurde, und zwar nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). § 16 dieses Gesetzes besagt in Abs. 1 Satz 1 und 2: "Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung sowie deutscher Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 können nur nach diesem Gesetz beantragt werden. Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen." Diese Vorschriften schließen also hier, da der Kläger bereits Leistungen nach dem EVZStiftG erhalten hat für Zeiten einer Arbeit im Ghetto von Wilno, weitere Ansprüche aus Tatbeständen im Zusammenhang mit dieser Arbeit im Ghetto Wilno aus. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf schließt sich damit der Auffassung des LSG NRW im Urteil vom 07.06.2005 (L 4 R 3/05) weiterhin an, wonach der Ausschluss von Ansprüchen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung enthält bzw. solche ausschließt. Dieser Leistungsausschluss hätte nämlich praktisch keinen Anwendungsbereich und würde ausgehebelt, wenn über die sehr allgemeine Klausel des § 16 Abs. 3 EVZStiftG mit dem Wortlaut "weitergehende Wiedergutmachung- und Kriegsfolgenregelung gegen die öffentliche Hand bleiben hiervon unberührt" auf diesem Umweg doch wieder Ansprüche aus Ghetto-Zeiten nach anderen Rechtsvorschriften möglich sein sollten. Dies kommt indirekt zu Ausdruck auch in der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" (BT-Drucksache 16/1955 Seite 5). Dort hat die Bundesregierung klargestellt, es sei zu unterscheiden zwischen rentenrechtlichen Beschäftigungen und Entschädigungsleistungen für Zwangsarbeit, die eben nach anderen Gesetzen erbracht würden. Indirekt zum Ausdruck kommt dies auch in dem Handbuch der Claims Conference von Juni 2003 zur "Zahlbarmachung von Renten durch die deutsche Bundesregierung aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG)". In diesem Handbuch heißt es auf Seite 6 " ...in den meisten Fällen lassen sich mehrere Zeiträume der Verfolgung nachweisen. Wenn Sie in einem Ghetto gelebt haben, das unter die gesetzliche Regelung fällt, später dann in ein Arbeitslager oder Konzentrationslager transferiert wurden, ist es möglich, dass Ihnen sowohl die Zahlung der Deutschen Stiftung für geleistete Zwangsarbeit als auch die Ghettorente zusteht. Wenn Sie jedoch für ihre Arbeit im Ghetto eine Vergütung (gemeint ist: Entschädigung, Anm. der 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf) als Zwangsarbeiter erhalten haben, kann ihnen die Ghettorente nicht für denselben Zeitraum und die selbe Arbeit gezahlt werden". Ist der Kläger somit wie hier gerade aufgrund seines Antrages von 2001 für sein Verfolgungsschicksal im Ghetto Wilno bzw. für damit gegebenenfalls verbundene Tätigkeiten im Ghetto wegen etwaiger Tätigkeit entschädigt worden, die als Zwangsarbeiten bzw. Sklavenarbeiten nach dem EVZStiftG qualifiziert wurden (gleich ob dies richtig war oder nicht), hat dies den Aufschluss von Abgeltungen nach anderen Gesetzen wie hier nach dem ZRBG bzw. SGB VI bzw. auch FRG zur Folge. Dass der Kläger für seinen Aufenthalt bzw. etwaige Tätigkeit im Ghetto Wilna aus dem Fond für ehemalige Sklaven- bzw. Zwangsarbeit entschädigt wurde, lässt sich den Auskünften der Claims Conference auch entnehmen, denn der Kläger ist gerade für sein Verfolgungsschicksal im Ghetto Wilno aus diesem Fond aufgrund des Antrages von 2001 nach dem Stiftungsgesetz entschädigt worden (Bl. 57 der Gerichtsakte - Seite 4 der Unterlagen der Claims Conference). In dem Kästchen, in dem der Kläger die Worte "Wilna" eingesetzt hat, ist die vorangegangene Fragestellung in hebräischer Schrift ins Deutsche übersetzt nämlich gewesen "Haftstätte, in der Sie Sklaven-/Zwangsarbeit verrichtet haben", wie der Kammer aus Übersetzungen aus anderen Verfahren gerichtsbekannt ist. Vorangegangen auf Seite 4 dieser Unterlagen der Claims Conference hat der Kläger ganz oben zudem auf hebräisch die Erklärung abgegeben" ich wurde gezwungen, Sklaven- oder Zwangsarbeit zu verrichten". Irrelevant ist dabei auch, dass der Kläger in dem Kästchen auf der rechten Seite nur das Jahr 1941 eingesetzt hat, denn die entsprechende hebräische Fragestellung lautet gerichtsbekannt auf Deutsch "Jahr (bitte nur ein Jahr angeben, auch wenn er über einen längeren Zeitraum inhaftiert waren.)". Es handelt sich nämlich bei der Entschädigung nach dem EVZStiftG um Pauschalentschädigungen für zwangsweise ausgeübte Tätigkeiten im Ghetto, so dass es für den Anspruchsumfang nach dem Stiftungsgesetz wie auch für den Anspruchsausschluss nach dem Stiftungsgesetz keine Rolle spielt, für welche Jahre sonst noch bzw. in welchem Jahr sonst noch Ghetto-Tätigkeiten ausgeübt wurden. Die Bundestags-Drucksachen führen hier auch nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Denn die Grenze der Auslegung der Tragweite eines Gesetzes bildet immer der Wortlaut des Gesetzes. Gleich was sich einzelne Bundestags-Abgeordnete gedacht haben mögen und gleich was in die Bundestags-Drucksachen eingeflossen ist, müssen diese Vorstellungen und Meinungen unberücksichtigt bleiben, wenn der Wortlaut des Gesetzes keine Handhabe bietet, das Gesetz praktisch gegen seinen Wortlaut auszulegen. Es ist auch vielmehr so, dass Ziel des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" es war, endlich für Verfolgte eine Abgeltung zu gewähren, für Arbeiten, die im Dritten Reich in Ost-Europa als Zwangsarbeit angesehen wurden oder so empfunden wurden. Dafür wurden auch Mittel des Bundes und auch der Wirtschaft bereitgestellt. Die Mittel wären jedenfalls aus Töpfen der deutschen Wirtschaft nicht zusammengekommen, wenn das EVZStiftG keinerlei Beschränkung beinhalten würde, hinsichtlich Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt. Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG "etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen ..." kann also nur dahingehend ausgelegt werden, dass für schon nach dem Stiftungsgesetz entschädigte Arbeit in einem Ghetto sich keine Rechtsansprüche mehr nach anderen Vorschriften ergeben können. Die allgemeine Klausel des § 16 Abs. 3 EVZStiftG "weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen gegen die öffentliche Hand bleiben hiervon unberührt" kann also nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen, dass anderweitige eventuelle Ansprüche aus anderen Tatbeständen als der Arbeit im Ghetto nicht eingeschränkt und nicht abgeschafft werden und nicht abgeschafft werden sollen bzw. das schon früher bestehende Ansprüche aus der Arbeit im Ghetto nicht abgeschafft werden sollen. Weitergehende Rechtsansprüche rentenrechtlicher Art aus den Arbeitszeiten im Ghetto, die zeitlich erst später geltend gemacht wurden als Ansprüche nach dem Stiftungsgesetz, bleiben somit durch § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG wie hier ausgeschlossen.
Damit kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger überhaupt im Ghetto Wilno Tätigkeiten verrichtete, die materiell-rechtlich auch als entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zu werden gewesen wären; gleich ob man zur Anspruchsprüfung das den Beteiligten bekannte Urteil des 13. Senats des BSG vom 07.20.2004 (B 13 RJ 59/03 R) heranzieht oder das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) oder aber das neuerliche Urteil des 13. Senats vom 26.07.2007 (B 13 R 28/06 R), mit welchen Urteilen das BSG immer wieder entschieden hat, ohne bisher zu einer einheitlichen senatsübergreifenden Rechtsmeinung zu den allgemeinen Voraussetzungen des § 1 ZRBG oder des § 16 EVZStiftG zu kommen. Mit dem etwaigen Ausschluss von Rentenleistungen haben sich bisher weder der 4. noch der 13. Senat des BSG entscheidungserheblich abschließend auseinandergesetzt.
Da es wegen des Ausschlusses von Rentenleistungen aus Ghetto-Beschäftigungszeiten nicht auf die Art und Weise der Tätigkeit des Klägers im Ghetto Wilno ankommt, bedurfte es hier aus Rechtsgründen weder der hilfsweise begehrten Anhörung eines Sachverständigen noch der hilfsweise begehrten Anhörung des Klägers, zu den Verhältnissen im Ghetto.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers, sieht aber nach Lage von § 16 EVZStiftG keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch des Klägers zu entsprechen. Das ZRBG bzw. SGB VI wie auch das FRG geben hier zur Überzeugung der Kammer weitergehende Ansprüche für den Kläger nicht her.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der am 00.00.1916 in X (damals in Polen) geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebt seit April 1957 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Der Kläger beantragte am 31.03.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Er gab dabei an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben; er habe aber von Mitte 1941 bis August 1943 während seines Aufenthaltes im Ghetto von Wilna außerhalb des Ghettos Tätigkeiten als Feldarbeiter verrichtet. Er habe Saisonarbeiten verrichtet, den Boden vorbereitet, gesät und geerntet (z. B. Weizen, Kartoffeln). Er habe 12 Stunden täglich gearbeitet, ohne Berücksichtigung des täglichen Weges zur und von der Arbeit (7 km jeweils hin und zurück). Er sei auf dem Weg von und zur Arbeit von litauischer Polizei bewacht worden. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden und freiwillig zustande gekommen. Erhalten habe er dafür Sachbezüge und Essen an der Arbeit und ein wenig Geld vom Judenrat. Ab August 1943 sei er dann in den I (I) zu Wilna (Wilno) gekommen. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von der Bezirksregierung Düsseldorf und die Vorgänge der Claims Conference bei, mit den früheren Angaben zu dem Aufenthalt im Ghetto Wilna. Gegenüber der Claims Conference hat der Kläger 1993 angegeben: "September 1941 bis August 1943 ... Ghetto Wilna ... Zwangsarbeit" und "Ich musste im Ghetto Wilna verschiedene Zwangsarbeiten verrichten und lebte in unmenschlichen Bedingungen in ständiger Todesangst ... Etwa im Herbst 1943 wurde ich im Ghetto in das HKP-Zwangsarbeitslager eingewiesen ...". Gegenüber der Entschädigungsbehörde hatte der Kläger 1966 angegeben " ... zunächst in das Ghetto Wilna und mussten ... ebenso wie alle anderen Juden befehlsmäßig ein Judenkennzeichen tragen und schwere Zwangsarbeit verrichten. Von Ghetto Wilna wurden wir beide in das HKP Wilna eingeliefert und mussten dort bis zur Befreiung ... weiterhin schwere Zwangsarbeit verrichten".
Mit Bescheid vom 17.01.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen und aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Im Einzelnen heißt es dort, der Kläger selbst habe früher angegeben, im Ghetto Zwangsarbeiten verrichtet zu haben. Die jetzt geltend gemachte Beschäftigung als Landarbeiter außerhalb des Ghettos habe so keinerlei Erwähnung gefunden, der Antrag werde deshalb wegen mangelnder Glaubhaftmachung abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein; der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil die Ablehnung der Rente nach Aktenlage nicht zu beanstanden sei, zumal der Widerspruch in der Sache nicht begründet worden sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 13.07.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung macht er geltend, für seine Tätigkeit als Feldarbeiter außerhalb des Ghettos - die nur verkürzend als "Tätigkeit im Ghetto" schon früher gemeint gewesen sei nach einfachem Sprachgebrauch - habe er Lohn in Form von Sachbezügen und ein wenig Geld bekommen, entsprechend einem allgemeinen Gutachten von U (Bl. 24 ff der Gerichtsakte). Außerdem habe er nach den Richtlinien, Vorschriften und Verordnungen für Wilna/Wilno auch einen Anspruch auf Lohn von 20 bis 30 Pfennig brutto pro Stunde gehabt. Die Beschäftigung sei auch aus eigenem Willensentschluss aufgenommen worden. Die Beklagte stelle zu hohe Anforderungen an die Erfüllung der Voraussetzungen des ZRBG. Zudem sei nach dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgericht vom 14.12.2006 die Sachlage hier zu seinen Gunsten verschoben. Der 4. Senat habe das ZRBG auf den Gesetzeswortlaut zurückgeführt. Ein historischer Sachverständiger könnte hier seinen Vortrag bestätigen, zumindest nach individuellen Unterlagen über ihn forschen. Er selbst sei vor einer Entscheidung auch persönlich zu hören. Im übrigen schlössen Ansprüche und Leistungen nach dem Stiftungsgesetz andere Ansprüche aus der Sozialversicherung nicht aus. Dagegen sprächen auch die Gesetzesmaterialien bzw. Bundestags-Drucksachen und auch die Beratungsergebnisse der Rentenversicherungsträger wie auch eine Stellungnahme der Stiftung "EVZ". Bestehende Ansprüche sollten danach nicht tangiert werden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf den Schriftsatz vom 23.08.2007.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
1.die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihm anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Wilna von August 1941 bis August 1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung als Landarbeiter - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen, 2.seine Entschädigungsakte nach dem BEG und die der Claims Conference beizuziehen und zur Einsicht zu überlassen, 3.den Sachverständigen U zur Situation der Ghetto-Arbeiter im Ghetto Wilna betreffend die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der verrichteten Arbeiten zu hören, 4.den Sachverständigen zum Vortrag des Klägers über die Arbeitsaufnahme und Entlohnung zu hören, 5.sein persönliches Erscheinen zum Termin zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, um ihn zu seiner Ghetto-Arbeit anzuhören und zu befragen 6.den Sachverständigen U zu beauftragen, in den Archiven des Ghettos Wilna nach individuellen Unterlagen über ihn und über seine Beschäftigung im Sinne von § 1 ZRBG zu forschen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des von ihr für richtig gehaltenen Urteil des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen. Außerdem habe der Kläger selbst in früheren Entschädigungsvorgängen immer nicht nur von Zwangsarbeit, sondern auch von schwerer Zwangsarbeit gesprochen. Dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts folge sie nicht, aus den Gründen des Schriftsatzes vom 09.07.2007.
Das Gericht hat die inzwischen erledigte Parallelsache des Klägers (S 26 R 19/06) nebst dazugehöriger Verwaltungsakte (Klage auf Witwerrente, zurückgezogen wegen Nichterfüllbarkeit der Wartezeit selbst im Fall der Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten der Ehefrau) beigezogen. In der dortigen Akte hatte der Kläger, und zwar im Entschädigungsverfahren seiner Ehefrau T M, angegeben: "Zu Beginn des Jahres 1941 heiratete ich meine Ehefrau und war die ganze Zeit der Verfolgung ... mit ihr zusammen. Nach Ausbruch des ... Krieges, kamen wir zunächst in das Ghetto Wilna und mussten ... wie alle anderen Juden befehlsmäßig ein Judenkennzeichen tragen und schwere Zwangsarbeit verrichten. Vom Ghetto Wilna wurden wir beide in das HKP-Wilna eingeliefert und mussten dort bis zur Befreiung ... weiterhin schwere Zwangsarbeit verrichten ...".
Das Gericht hat ferner eine Auskunft der Claims Conference beigezogen. In dieser heißt es: " ... in obiger Angelegenheit teilen wir Ihnen mit, dass Herr M von uns eine Entschädigung aufgrund seines Verfolgungsschicksals im Ghetto Wilno im Jahre 1941 erhalten hat. Wir haben hierfür die Entschädigungsakte eingesehen ...". Im Antrag bei der Claims Conference hatte der Kläger unter dem 04.03.2001 angegeben, Ansprüche für Zwangsarbeit im Ghetto Wilno im Jahre 1941 geltend zu machen (Bl. 57 der Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und auch den Inhalt der bereits erwähnten Gerichtsakte S 26 R 19/06 nebst der dort zugehörigen Verwaltungsakte über die verstorbene Ehefrau des Klägers Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil sie in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs.1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 17.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005, sind jedenfalls im Ergebnis nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des ZRBG abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen. Den Hilfsanträgen des Klägers war hier auch nicht zu entsprechen, weil es aus Rechtsgründen auf die Anhörung eines Sachverständigen oder die Anhörung des Klägers nicht ankommt.
Der Kläger hat hier gegen die Beklagte nämlich schon allein deshalb keinen Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des SGB VI in Verbindung mit eventuellen Beitragszeiten in Wilno nach den Vorschriften des ZRBG oder den Vorschriften des FRG, weil der Geltendmachung einer Rentenleistung aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung entgegensteht, dass der Kläger für die Zeit im Ghetto Wilno bereits entschädigt wurde, und zwar nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). § 16 dieses Gesetzes besagt in Abs. 1 Satz 1 und 2: "Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung sowie deutscher Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 können nur nach diesem Gesetz beantragt werden. Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen." Diese Vorschriften schließen also hier, da der Kläger bereits Leistungen nach dem EVZStiftG erhalten hat für Zeiten einer Arbeit im Ghetto von Wilno, weitere Ansprüche aus Tatbeständen im Zusammenhang mit dieser Arbeit im Ghetto Wilno aus. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf schließt sich damit der Auffassung des LSG NRW im Urteil vom 07.06.2005 (L 4 R 3/05) weiterhin an, wonach der Ausschluss von Ansprüchen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung enthält bzw. solche ausschließt. Dieser Leistungsausschluss hätte nämlich praktisch keinen Anwendungsbereich und würde ausgehebelt, wenn über die sehr allgemeine Klausel des § 16 Abs. 3 EVZStiftG mit dem Wortlaut "weitergehende Wiedergutmachung- und Kriegsfolgenregelung gegen die öffentliche Hand bleiben hiervon unberührt" auf diesem Umweg doch wieder Ansprüche aus Ghetto-Zeiten nach anderen Rechtsvorschriften möglich sein sollten. Dies kommt indirekt zu Ausdruck auch in der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" (BT-Drucksache 16/1955 Seite 5). Dort hat die Bundesregierung klargestellt, es sei zu unterscheiden zwischen rentenrechtlichen Beschäftigungen und Entschädigungsleistungen für Zwangsarbeit, die eben nach anderen Gesetzen erbracht würden. Indirekt zum Ausdruck kommt dies auch in dem Handbuch der Claims Conference von Juni 2003 zur "Zahlbarmachung von Renten durch die deutsche Bundesregierung aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG)". In diesem Handbuch heißt es auf Seite 6 " ...in den meisten Fällen lassen sich mehrere Zeiträume der Verfolgung nachweisen. Wenn Sie in einem Ghetto gelebt haben, das unter die gesetzliche Regelung fällt, später dann in ein Arbeitslager oder Konzentrationslager transferiert wurden, ist es möglich, dass Ihnen sowohl die Zahlung der Deutschen Stiftung für geleistete Zwangsarbeit als auch die Ghettorente zusteht. Wenn Sie jedoch für ihre Arbeit im Ghetto eine Vergütung (gemeint ist: Entschädigung, Anm. der 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf) als Zwangsarbeiter erhalten haben, kann ihnen die Ghettorente nicht für denselben Zeitraum und die selbe Arbeit gezahlt werden". Ist der Kläger somit wie hier gerade aufgrund seines Antrages von 2001 für sein Verfolgungsschicksal im Ghetto Wilno bzw. für damit gegebenenfalls verbundene Tätigkeiten im Ghetto wegen etwaiger Tätigkeit entschädigt worden, die als Zwangsarbeiten bzw. Sklavenarbeiten nach dem EVZStiftG qualifiziert wurden (gleich ob dies richtig war oder nicht), hat dies den Aufschluss von Abgeltungen nach anderen Gesetzen wie hier nach dem ZRBG bzw. SGB VI bzw. auch FRG zur Folge. Dass der Kläger für seinen Aufenthalt bzw. etwaige Tätigkeit im Ghetto Wilna aus dem Fond für ehemalige Sklaven- bzw. Zwangsarbeit entschädigt wurde, lässt sich den Auskünften der Claims Conference auch entnehmen, denn der Kläger ist gerade für sein Verfolgungsschicksal im Ghetto Wilno aus diesem Fond aufgrund des Antrages von 2001 nach dem Stiftungsgesetz entschädigt worden (Bl. 57 der Gerichtsakte - Seite 4 der Unterlagen der Claims Conference). In dem Kästchen, in dem der Kläger die Worte "Wilna" eingesetzt hat, ist die vorangegangene Fragestellung in hebräischer Schrift ins Deutsche übersetzt nämlich gewesen "Haftstätte, in der Sie Sklaven-/Zwangsarbeit verrichtet haben", wie der Kammer aus Übersetzungen aus anderen Verfahren gerichtsbekannt ist. Vorangegangen auf Seite 4 dieser Unterlagen der Claims Conference hat der Kläger ganz oben zudem auf hebräisch die Erklärung abgegeben" ich wurde gezwungen, Sklaven- oder Zwangsarbeit zu verrichten". Irrelevant ist dabei auch, dass der Kläger in dem Kästchen auf der rechten Seite nur das Jahr 1941 eingesetzt hat, denn die entsprechende hebräische Fragestellung lautet gerichtsbekannt auf Deutsch "Jahr (bitte nur ein Jahr angeben, auch wenn er über einen längeren Zeitraum inhaftiert waren.)". Es handelt sich nämlich bei der Entschädigung nach dem EVZStiftG um Pauschalentschädigungen für zwangsweise ausgeübte Tätigkeiten im Ghetto, so dass es für den Anspruchsumfang nach dem Stiftungsgesetz wie auch für den Anspruchsausschluss nach dem Stiftungsgesetz keine Rolle spielt, für welche Jahre sonst noch bzw. in welchem Jahr sonst noch Ghetto-Tätigkeiten ausgeübt wurden. Die Bundestags-Drucksachen führen hier auch nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Denn die Grenze der Auslegung der Tragweite eines Gesetzes bildet immer der Wortlaut des Gesetzes. Gleich was sich einzelne Bundestags-Abgeordnete gedacht haben mögen und gleich was in die Bundestags-Drucksachen eingeflossen ist, müssen diese Vorstellungen und Meinungen unberücksichtigt bleiben, wenn der Wortlaut des Gesetzes keine Handhabe bietet, das Gesetz praktisch gegen seinen Wortlaut auszulegen. Es ist auch vielmehr so, dass Ziel des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" es war, endlich für Verfolgte eine Abgeltung zu gewähren, für Arbeiten, die im Dritten Reich in Ost-Europa als Zwangsarbeit angesehen wurden oder so empfunden wurden. Dafür wurden auch Mittel des Bundes und auch der Wirtschaft bereitgestellt. Die Mittel wären jedenfalls aus Töpfen der deutschen Wirtschaft nicht zusammengekommen, wenn das EVZStiftG keinerlei Beschränkung beinhalten würde, hinsichtlich Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt. Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG "etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen ..." kann also nur dahingehend ausgelegt werden, dass für schon nach dem Stiftungsgesetz entschädigte Arbeit in einem Ghetto sich keine Rechtsansprüche mehr nach anderen Vorschriften ergeben können. Die allgemeine Klausel des § 16 Abs. 3 EVZStiftG "weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen gegen die öffentliche Hand bleiben hiervon unberührt" kann also nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen, dass anderweitige eventuelle Ansprüche aus anderen Tatbeständen als der Arbeit im Ghetto nicht eingeschränkt und nicht abgeschafft werden und nicht abgeschafft werden sollen bzw. das schon früher bestehende Ansprüche aus der Arbeit im Ghetto nicht abgeschafft werden sollen. Weitergehende Rechtsansprüche rentenrechtlicher Art aus den Arbeitszeiten im Ghetto, die zeitlich erst später geltend gemacht wurden als Ansprüche nach dem Stiftungsgesetz, bleiben somit durch § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG wie hier ausgeschlossen.
Damit kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger überhaupt im Ghetto Wilno Tätigkeiten verrichtete, die materiell-rechtlich auch als entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zu werden gewesen wären; gleich ob man zur Anspruchsprüfung das den Beteiligten bekannte Urteil des 13. Senats des BSG vom 07.20.2004 (B 13 RJ 59/03 R) heranzieht oder das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) oder aber das neuerliche Urteil des 13. Senats vom 26.07.2007 (B 13 R 28/06 R), mit welchen Urteilen das BSG immer wieder entschieden hat, ohne bisher zu einer einheitlichen senatsübergreifenden Rechtsmeinung zu den allgemeinen Voraussetzungen des § 1 ZRBG oder des § 16 EVZStiftG zu kommen. Mit dem etwaigen Ausschluss von Rentenleistungen haben sich bisher weder der 4. noch der 13. Senat des BSG entscheidungserheblich abschließend auseinandergesetzt.
Da es wegen des Ausschlusses von Rentenleistungen aus Ghetto-Beschäftigungszeiten nicht auf die Art und Weise der Tätigkeit des Klägers im Ghetto Wilno ankommt, bedurfte es hier aus Rechtsgründen weder der hilfsweise begehrten Anhörung eines Sachverständigen noch der hilfsweise begehrten Anhörung des Klägers, zu den Verhältnissen im Ghetto.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers, sieht aber nach Lage von § 16 EVZStiftG keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch des Klägers zu entsprechen. Das ZRBG bzw. SGB VI wie auch das FRG geben hier zur Überzeugung der Kammer weitergehende Ansprüche für den Kläger nicht her.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
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