Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 124/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 109/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2006 verurteilt, eine Berufskrankheit nach Nummer 4103 der Anlage zur BKV festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheiten nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1941 geborene Kläger war - eigenen Angaben zufolge - im damaligen Jugoslawien von 1965 bis 1972 als Bauhilfsarbeiter, Zimmerer und Maurer tätig. Nach seinem 1972 erfolgten Zuzug in die Bundesrepublik war er bis Mai 2000 als Maurer, Zimmerer, Montage- und Gießereiarbeiter beschäftigt. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten war der Kläger in der Zeit von 1976 als Maurer Asbestexponiert beim Abbruch von Asbestzementplatten und bei der Verarbeitung von asbesthaltigen Brandschutzplatten tätig gewesen. Außerdem - so der Technische Aufsichtsdienst - ist nicht auszuschließen, dass der Kläger in der Zeit von 1976 bis 1977 und von 1980 bis 1982 auch Formaldehyd als möglichem Bestandteil von Spanplatten und Anthracen als Bestandteil von teerhaltigen Stoffen ausgesetzt war. Im Mai 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, sein Gesundheitszustand habe sich aufgrund berufsbedingten Umgangs mit krebsverursachenden Materialien, wie Asbest und Stahlwolle verschlechtert. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen holte die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten von U ein, der unter dem 21.06.2005 zu dem Ergebnis kam, bereits 2001 sei computertomograpisch eine minimale Asbestose mit kleinen asbestassoziierten Pleuraplaques nachgewiesen worden, wobei die MdE als nicht messbar einzuschätzen sei. Eine beim Kläger vorliegende chronische Bronchitis könne nicht auf den Umgang mit chemischen irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen zurückgeführt werden, dazu sei die Belastung des Klägers mit Formaldehyd zu gering gewesen, im Übrigen fehlten lungenfunktionsanalytische Einschränkungen, so dass die MdE insoweit ebenfalls als nicht messbar anzusehen sei. Nachdem der beratende Arzt der Beklagten das Vorliegen einer pleuralen Asbestose in Frage gestellt hatte, lehnte die Beklagte die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheit nach Nr. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV ab (Bescheide vom 15.02.2006 und 19.04.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 23.05.2006 und 27.06.2006). Mit seinen dagegen gerichteten Klagen, die das Gericht zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, verfolgt der Kläger sein Begehren unter Bezug auf eine ärztliche Bescheinigung von L weiter.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2006 und unter Änderung des Bescheides vom 19.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2006 zu verurteilen, bei ihm Berufskrankheiten nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV festzustellen und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat einen Befundbericht von L1 eingeholt und zur Klärung der Zusammenhangsfrage L2 gehört, der eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura festgestellt und mit einer MdE von 10 vom Hundert bewertet hat. Darüber hinaus hat der Sachverständige eine obstruktive Ventilationsstörung nicht ermitteln können und ausgeführt, ob beim Kläger dauerhaft ein hyperregagibles Bronchialsystem vorliege, ließe sich zurzeit noch nicht klären.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegend es sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Beklagten und auf die Vorprozessakten S 30 Vs 12/92 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Beim Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV in Form einer computertomographisch nachgewiesenen pleuralen Asbestose vor. Pleurale Veränderungen bedingen jedoch keine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 vom Hundert (vgl. § 56 SGB VII). Die Annahme einer MdE setzt eine Funktionseinbuße voraus. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass allein der Röntgenbefund einer Asbestose ohne messbare Einschränkungen der Kardio-pulmonalen Funktion keine messbare MdE bedingt (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, M 4103 Rn. 4). Ob die von L2 beschriebene geringgradige Ventilationsstörung nachgewiesen ist und ob ein ursächlicher Zusammenhang mit den beschriebenen Pleuraplaques besteht, kann dahingestellt bleiben, weil die dadurch bedingte MdE 10 vom Hundert nicht übersteigt. Damit wird ein rentenberechtigendes Ausmaß nicht erreicht, da ein Stütztatbestand im Sinne des § 56 SGB VII ausscheidet: L2 hat ebenso wie U keine obstruktive Ventilationsstörung feststellen können, wobei beide Gutachter auf die schlechte Mitarbeit des Klägers hingewiesen haben. Zwar hat L2 darüber hinaus von einem hochgradigen hyperregagiblen Bronchialsystem berichtet. Im Hinblick auf das Fehlen vergleichbarer Vorbefunde hat er jedoch die Dauerhaftigkeit dieser Störung in Frage gestellt. Damit bleibt offen, ob die beschriebene bronchiale Hyperregabilität nicht beispielsweise infektbedingt vorübergehend bestanden hat. Im Übrigen lässt sich diese Beeinträchtigung der Lunge schon deshalb nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den berufsbedingten Umgang mit atemegsreizenden Stoffen zurückführen, weil nicht im Sinne des Vollbeweises eine entsprechende Belastung oberhalb der MAK-Werte nachgewiesen ist und im Übrigen seit dem im Jahr 2000 erfolgten Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben erstmals 2008 von einem hyperregabilen Bronchialsystem die Rede ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheiten nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1941 geborene Kläger war - eigenen Angaben zufolge - im damaligen Jugoslawien von 1965 bis 1972 als Bauhilfsarbeiter, Zimmerer und Maurer tätig. Nach seinem 1972 erfolgten Zuzug in die Bundesrepublik war er bis Mai 2000 als Maurer, Zimmerer, Montage- und Gießereiarbeiter beschäftigt. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten war der Kläger in der Zeit von 1976 als Maurer Asbestexponiert beim Abbruch von Asbestzementplatten und bei der Verarbeitung von asbesthaltigen Brandschutzplatten tätig gewesen. Außerdem - so der Technische Aufsichtsdienst - ist nicht auszuschließen, dass der Kläger in der Zeit von 1976 bis 1977 und von 1980 bis 1982 auch Formaldehyd als möglichem Bestandteil von Spanplatten und Anthracen als Bestandteil von teerhaltigen Stoffen ausgesetzt war. Im Mai 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, sein Gesundheitszustand habe sich aufgrund berufsbedingten Umgangs mit krebsverursachenden Materialien, wie Asbest und Stahlwolle verschlechtert. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen holte die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten von U ein, der unter dem 21.06.2005 zu dem Ergebnis kam, bereits 2001 sei computertomograpisch eine minimale Asbestose mit kleinen asbestassoziierten Pleuraplaques nachgewiesen worden, wobei die MdE als nicht messbar einzuschätzen sei. Eine beim Kläger vorliegende chronische Bronchitis könne nicht auf den Umgang mit chemischen irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen zurückgeführt werden, dazu sei die Belastung des Klägers mit Formaldehyd zu gering gewesen, im Übrigen fehlten lungenfunktionsanalytische Einschränkungen, so dass die MdE insoweit ebenfalls als nicht messbar anzusehen sei. Nachdem der beratende Arzt der Beklagten das Vorliegen einer pleuralen Asbestose in Frage gestellt hatte, lehnte die Beklagte die Feststellung und Entschädigung von Berufskrankheit nach Nr. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV ab (Bescheide vom 15.02.2006 und 19.04.2006 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 23.05.2006 und 27.06.2006). Mit seinen dagegen gerichteten Klagen, die das Gericht zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, verfolgt der Kläger sein Begehren unter Bezug auf eine ärztliche Bescheinigung von L weiter.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2006 und unter Änderung des Bescheides vom 19.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2006 zu verurteilen, bei ihm Berufskrankheiten nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV festzustellen und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat einen Befundbericht von L1 eingeholt und zur Klärung der Zusammenhangsfrage L2 gehört, der eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura festgestellt und mit einer MdE von 10 vom Hundert bewertet hat. Darüber hinaus hat der Sachverständige eine obstruktive Ventilationsstörung nicht ermitteln können und ausgeführt, ob beim Kläger dauerhaft ein hyperregagibles Bronchialsystem vorliege, ließe sich zurzeit noch nicht klären.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegend es sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Beklagten und auf die Vorprozessakten S 30 Vs 12/92 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Beim Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV in Form einer computertomographisch nachgewiesenen pleuralen Asbestose vor. Pleurale Veränderungen bedingen jedoch keine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 vom Hundert (vgl. § 56 SGB VII). Die Annahme einer MdE setzt eine Funktionseinbuße voraus. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass allein der Röntgenbefund einer Asbestose ohne messbare Einschränkungen der Kardio-pulmonalen Funktion keine messbare MdE bedingt (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, M 4103 Rn. 4). Ob die von L2 beschriebene geringgradige Ventilationsstörung nachgewiesen ist und ob ein ursächlicher Zusammenhang mit den beschriebenen Pleuraplaques besteht, kann dahingestellt bleiben, weil die dadurch bedingte MdE 10 vom Hundert nicht übersteigt. Damit wird ein rentenberechtigendes Ausmaß nicht erreicht, da ein Stütztatbestand im Sinne des § 56 SGB VII ausscheidet: L2 hat ebenso wie U keine obstruktive Ventilationsstörung feststellen können, wobei beide Gutachter auf die schlechte Mitarbeit des Klägers hingewiesen haben. Zwar hat L2 darüber hinaus von einem hochgradigen hyperregagiblen Bronchialsystem berichtet. Im Hinblick auf das Fehlen vergleichbarer Vorbefunde hat er jedoch die Dauerhaftigkeit dieser Störung in Frage gestellt. Damit bleibt offen, ob die beschriebene bronchiale Hyperregabilität nicht beispielsweise infektbedingt vorübergehend bestanden hat. Im Übrigen lässt sich diese Beeinträchtigung der Lunge schon deshalb nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den berufsbedingten Umgang mit atemegsreizenden Stoffen zurückführen, weil nicht im Sinne des Vollbeweises eine entsprechende Belastung oberhalb der MAK-Werte nachgewiesen ist und im Übrigen seit dem im Jahr 2000 erfolgten Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben erstmals 2008 von einem hyperregabilen Bronchialsystem die Rede ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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