S 16 U 144/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 144/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 264/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1935 geborene Kläger war vom 05.05.1965 bis zum 30.11.1992 bei der C1 AG als Gärtner beschäftigt; seit dem 01.06.1995 bezieht er Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 2001 litt der Kläger an einer Harnblasenkrebs-Erkrankung, die im September 2003 zur operativen Entfernung der Blase führte. Zuvor hatte der Kläger die Feststellung seiner Erkrankung als Berufskrankheit begehrt, da er sie auf den berufsbedingten Umgang mit Pflanzenschutzmitteln zurückführte. Eine Liste von Pflanzenschutzmitteln, die er während seines Berufslebens als Gärtner ausbracht hatte, fügte er seinem Antrag bei. Die Beklagte schaltete daraufhin ihren Technischen Aufsichtsbeamten C2, der unter dem 03.02.2004 äußerte, als Gärtnermeister in der Gartenbauabteilung des Werkes M der C1 AG habe der Kläger alle in Gärten von Mitarbeitern der Firma anfallenden Arbeiten zu verrichten gehabt. Dazu habe auch das Ausbringen von Insektiziden, Fungiziden oder Herbiziden gehört. Zunächst sei keine besondere Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt worden. Ab 1981 sei Atemschutz in Form von Mundschutz, Halb- oder Vollmasken mit Partikeln-Filtern zur Verfügung gestellt worden. Ab 1986 seien Konzentrationsmessungen beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln durchgeführt worden. Die vom Kläger aufgelisteten Pflanzenschutzmitteln hätte keine aromatischen Amine der Kategorien 1 oder 2 enthalten. Nachdem der Kläger die Liste der verwendeten Pflanzenschutzmittel ergänzt hatte, veranlasste C2 eine Überprüfung dieser Mittel auf ihre Wirkstoffe und die verwendeten Hilfs- bzw. Zusatzstoffe durch T, C D AG. Nach den Recherchen von T hatte der Kläger lediglich Umgang mit Pflanzenschutzmitteln die aromatische Amine der Kategorie 3 als Wirkstoff enthielten. Beweise für eine mögliche Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen der Kategorie 1 oder 2 konnten dagegen nicht ermittelt werden (Stellungnahme vom 06.08.2004). Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV ab (Bescheid vom 16.09.2004). Auf den Widerspruch des Klägers hin hörte die Beklagte den Diplom-Chemiker Q. Dieser äußerte unter dem 01.03.2005, die chemischen Formeln der Pflanzenschutzmittel, deren Ausgangsprodukte nicht bekannt seien, ergäben keine Hinweise dafür, dass diese Substanzen auf der Basis von krebserzeugenden aromatischen Aminen hergestellt worden seien. Insgesamt ergäben sich keine weiteren Hinweise für den Umgang des Klägers mit krebserzeugenden aromatischen Aminen. Darüber hinaus sei die jeweilige Exposition des Klägers bei der Verwendung der verschiedenen Pflanzenschutzmittel als lediglich gering anzunehmen. Epidemiologische Daten, die einen Kausalzusammenhang zwischen Pflanzenschutzmitteln und Harnblasenkarzinomen belegten, lägen nicht vor. Nachdem auch der Technische Aufsichtsdienst der Gartenbau-Berufsgenossenschaft die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV ebenfalls verneint hatte, holte die Beklagte auf Anregung ihres beratenden Arztes ein Zusammenhangsgutachten von I, Institut für Toxikologie, X, ein. Dieser meinte, die Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes seien lückenhaft, da einige Pflanzenschutzmittel nicht nach ihren Inhaltstoffen hätten aufgeschlüsselt werden können, nach Aktenlage ließe sich jedoch eine berufliche Ursache für das beim Kläger festgestellte Blasenkarzinom nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Auf dieser Grundlage wies die Widerspruchsstelle bei der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006). Mit seiner beim Sozialgericht Köln eingegangenen und an das Sozialgericht Düsseldorf zuständigkeitshalber verwiesenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, während seiner Tätigkeit Umgang mit aromatischen Aminen gehabt zu haben. Zu Unrecht ginge die Beklagte davon aus, dass nur Stoffe der Kategorien 1 oder 2 krebserzeugend seien. Dazu bezieht er sich auf eine Stellungnahme seines Sohnes und seiner Schwiegertochter, die beide Diplom-Chemiker sind.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2006 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage der BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf eine ergänzende Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsbeamten C2 vom 25.04.2007 sowie auf gutachtliche Stellungnahmen von C3, die zum Ergebnis haben, dass der Kläger lediglich mit Stoffen nach der Kategorie 3 und damit mit krebsverdächtigen Stoffen, jedoch nicht mit erwiesenermaßen krebserzeugenden Stoffen (Kategorien 1 oder 2) Umgang hatte.

Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme von dem Diplom-Chemiker Q eingeholt, der darauf hingewiesen hat, eine bei Menschen kanzerogene Wirkung sei lediglich für Stoffe der Kategorie I bewiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 16.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2006 ist rechtmäßig. Der beim Kläger operativ behandelte Harnblasenkrebs stellt keine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV dar. Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs reicht die Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit aus. Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender arbeitsmedizinischer Lehrauffassung mehr für als gegen ihn spricht und ernsthafte Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden. Im vorliegenden Fall ist der Kläger - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - lediglich Arbeitsstoffen ausgesetzt gewesen, die als krebsverdächtig der Kategorie 3 eingestuft werden, nicht jedoch hat er Umgang mit Substanzen gehabt, die beim Menschen oder im Tierversuch krebserzeugend gewirkt haben (Kategorien 1 oder 2 der MAK-Werte-Liste). Diese Auffassung teilen alle im Verfahren gehörten Gutachter. Damit lässt es sich nicht wahrscheinlich machen, dass die Blasenkrebserkrankung des Klägers auf den berufsbedingten Umgang mit aromatischen Aminen zurückzuführen ist. Dabei geht die Kammer mit C3 und Q davon aus, dass nur bei Einwirkungen von Substanzen, die der Kategorie 1 oder 2 zuzuordnen sind sich ein ursächlicher Zusammenhang mit einer Krebserkrankung wahrscheinlich machen lässt. Bei Einwirkungen von Substanzen, die zur Kategorie 3 gehören ist ein Zusammenhang zwar möglich, nicht jedoch wahrscheinlich, da diese Arbeitsstoffe lediglich als krebsverdächtig gelten.Q hat darauf hingewiesen, dass es sich bei Substanzen nach der Kategorie 3 um Stoffe handelt, bei denen aus Tierversuchen bekannt ist, dass sie in sehr hoher Dosis angewandt eine krebserzeugende Wirkung haben. Solche hohen Dosen sind - so Q - auf die Arbeitswelt nicht übertragbar. Diese Auffassung von Q entspricht offensichtlich der zurzeit herrschenden medizinischen Lehrmeinung wie sie im Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV wiedergegeben wird. Danach sind nicht alle aromatischen Amine den beim Menschen krebserzeugenden Substanzen zuzurechnen, sondern lediglich vier aromatische Amine, die nach Abschnitt III der MAK-Werte-Liste der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Kategorie 1 zugeordnet werden. Unter diese Kategorie fallen Stoffe, die beim Menschen krebserzeugend wirken und bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten. Alle im Verfahren gehörten Gutachter haben einer beruflichen Exposition des Klägers gegenüber solchen Aminen als nicht nachgewiesen angesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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