Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 142/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 187/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der für die Anschaffung eines Therapiedreirads aufgewandten Kosten in Höhe von 1.911,68 Euro.
Die 1981 geborene Klägerin leidet an einer spastischen Spinalparalyse mit einer Corpus callosum Hypolasie und V.a. eine myofibrilläre Mypathie. Diese Erkrankung ist seit dem 17. Lebensjahr bekannt und führt zu einer fortschreitenden Muskelverschmächtigung.
Die Klägerin beantragte am 25.02.2005 bei der Beklagten unter Vorlage eines Kostenvoranschlags (1.911,68 Euro) und eines Attestes des behandelnden Neurologen und Psychiaters E die Übernahme der Kosten für ein Therapiedreirad. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.03.2005 ab. Ein Therapiedreirad als Mobilitätshilfe stelle nur für Kinder in einer schulkindlichen Entwicklungsphase ein geeignetes Hilfsmittel dar. Für Jugendliche und Erwachsene sei ein Therapiedreirad nicht von so hohem therapeutischen Effekt wie für Kinder.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie u.a. geltend machte, dass nach der Rechtsprechung des 8. Senates des Bundessozialgerichts für die Versorgung mit einem Therapiedreirad keine Altersbegrenzung vorgesehen sei. Diesen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2005 zurück. Es wurde zusätzlich ausgeführt, dass es sich bei einem Therapiedreirad um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele, für den die gesetzliche Krankenversicherung nicht aufzukommen habe.
Die Klägerin hat gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Beim Therapiedreirad handele es sich um eine spezielle Konstruktion für Behinderte und damit nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Sie benötige das Rad zur Ermöglichung eines gewissen Bewegungsradius, vergleichbar dem eines Rollstuhls bzw. Elektro-Scooters. Es sei für sie für tägliche Erledigungen wie Einkaufen (200 - 300 m) und Besuche der Krankengymnastik (700 m) notwendig. Durch den täglichen Gebrauch, sofern es die Wetterlage zulasse, trete sehr wohl ein therapeutischer Effekt hinsichtlich der fortschreitenden Muskelverschmächtigung ein. Es gebe keine Rechtsprechung, dass Therapieräder nur kindergeeignete Hilfsmittel seien. Das Therapiedreirad hatte sich die Klägerin gegen Ratenzahlung selbst beschafft und hat insoweit die Rechnung vom 28.02.2005 vorgelegt. Ihr Vater hat vorgetragen, dass ein Mitarbeiter der Beklagten eine individuelle Prüfung und Anhörung durch den Medizinischen Dienst angekündigt habe. Es wäre dann nur noch offen, wie hoch der Zuschuss für das Therapiedreirad ausfallen werde.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005 zu verurteilen, die für das Therapiedreirad aufgewandten Kosten in Höhe von 1.901,68 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Zu Therapie- und Fortbewegungszwecken sei eine ausreichende Versorgung der Klägerin mit einem Aktivrollstuhl, einem Rollator, einem passiven Beintrainer sowie dreimal wöchentlich stattfindender Krankengymnastik erfolgt. Sie wendet ein, dass die Klägerin darüber hinaus den sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Die Klägerin habe sich das Therapierad bereits selbst beschafft, bevor die Beklagte den angefochtenen Bescheid erlassen habe. Von einer vorherigen mündlichen Zusage oder Entscheidung durch ihren Mitarbeiter könne nicht ausgegangen werden.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad bzw. eine entsprechende Kostenerstattung zu, §§ 13 Abs. 3, 27, 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Denn die Versorgung mit einem Therapierad bei Erwachsenen gehört nicht mehr zum Versorgungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein behindertengerechtes Fahrrad als Hilfsmittel ist von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung weder generell ausgeschlossen noch generell erfasst. Ob eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R) für jeden Einzelfall nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 33, 34 SGB V zu prüfen. Danach fällt die Ermöglichung des Fahrradfahrens für einen Menschen mit Behinderung, der ein handelsübliches Fahrrad nicht benutzen kann, nicht von vorne herein in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt allein die medizinische Rehabilitation und damit die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, damit die Versicherte ein möglichst selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu kann. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist ggf. Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Die Einführung des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" hat daran nichts geändert. Daraus folgt, dass die Förderung der Selbstbestimmung des Menschen mit einer Behinderung und seiner gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln nur dann in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fällt, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigt oder mildert und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betrifft (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 KR 3/97 R = SozR 3 2500 § 33 Nr. 29; SozR 3-2500 § 33 Nr. 5, 27 und 32 sowie zuvor bereits: SozR 2200 § 182b Nrn. 12, 30, 34, 37 jeweils m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen (s. Bundessozialgericht in SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 m.w.N.). Die "elementare Bewegungsfreiheit" ist als Grundbedürfnis anzusehen (SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 – Rollstuhlboy -). Dieses Grundbedürfnis wird bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens etc. sichergestellt. Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 15/04 R – (www.bundessozialgericht.de; Stichwort: Entscheidungen) ausgeführt hat, hat die gesetzliche Krankenversicherung das Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung sicherzustellen und nicht im Umfang eines vollständigen Gleichziehens und den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Versicherten.
Den Basisausgleich im Sinne des Grundbedürfnisses an Mobilität wird nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 19.04.2007 –B 3KR 9/06R– (SozR 4-2500 § 33 Nr 15; www.bundessozialgericht.de) regelmäßig durch einen handbetriebenen oder Elektro-Rollstuhl erschlossen. Die Klägerin ist vorliegend mit einem handbetriebenen Rollstuhl versorgt.
Ggf. vorliegende Besonderheiten des Wohnorts mit größeren Entfernungen für tägliche Erledigungen wie Einkaufen und Behandlungen begründen nach der jüngeren ausdrücklichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keinen entsprechenden Versorgungsanspruch mit Hilfsmitteln (Urteil vom 19.04.2007, a.a.O.). Mit dem Urteil vom 19.04.2007 hat sich das Bundessozialgericht ausdrücklich von seiner insoweit missverständlich begründeten Entscheidung vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R - (BSGE 93, 176 ff., www.bundessozialgericht.de) distanziert. Einen entsprechend abschlägigen Kostenbeschluss hatte auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 29.12.2005 getroffen - L 16 KR 59/05 - (Speedy-Bike).
Dagegen kann sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung des 8. Senats des Bundessozialgerichts berufen. Die in Bezug genommene Entscheidung vom 29.09.1997 - 8 RKn 27/06 - betraf den Fall einer Versicherten mit geistiger Behinderung.
Hinsichtlich der von der Klägerin angesprochenen Sicherung des Behandlungserfolgs (§ 33 Abs. 1, Satz 1, 1.Alternative SGB V) ist mit der Beklagten darauf zu verweisen, dass für den insoweit beabsichtigten therapeutischen Effekt Hilfs- und Heilmittel, insbesondere der passive Beintrainer, Krankengymnastik und ggf. der Rollator, bereits zur Verfügung stehen.
Da die Klage bereits aus den ausgeführten Gründen keinen Erfolg haben konnte, konnte es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Therapiedreirad um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt und ob die Klägerin bei der Selbstbeschaffung des Therapierades den erforderlichen Beschaffungsweg eingehalten hat (eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V kommt nur in Betracht, wenn die aufgewandten Kosten auf eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung der Krankenkasse zurückzuführen ist; dies bedeutet, dass Versicherte - außer in medizinischen Notfällen - immer erst die Entscheidung der Krankenkasse abwarten müssen; ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der für die Anschaffung eines Therapiedreirads aufgewandten Kosten in Höhe von 1.911,68 Euro.
Die 1981 geborene Klägerin leidet an einer spastischen Spinalparalyse mit einer Corpus callosum Hypolasie und V.a. eine myofibrilläre Mypathie. Diese Erkrankung ist seit dem 17. Lebensjahr bekannt und führt zu einer fortschreitenden Muskelverschmächtigung.
Die Klägerin beantragte am 25.02.2005 bei der Beklagten unter Vorlage eines Kostenvoranschlags (1.911,68 Euro) und eines Attestes des behandelnden Neurologen und Psychiaters E die Übernahme der Kosten für ein Therapiedreirad. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.03.2005 ab. Ein Therapiedreirad als Mobilitätshilfe stelle nur für Kinder in einer schulkindlichen Entwicklungsphase ein geeignetes Hilfsmittel dar. Für Jugendliche und Erwachsene sei ein Therapiedreirad nicht von so hohem therapeutischen Effekt wie für Kinder.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie u.a. geltend machte, dass nach der Rechtsprechung des 8. Senates des Bundessozialgerichts für die Versorgung mit einem Therapiedreirad keine Altersbegrenzung vorgesehen sei. Diesen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2005 zurück. Es wurde zusätzlich ausgeführt, dass es sich bei einem Therapiedreirad um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele, für den die gesetzliche Krankenversicherung nicht aufzukommen habe.
Die Klägerin hat gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Beim Therapiedreirad handele es sich um eine spezielle Konstruktion für Behinderte und damit nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Sie benötige das Rad zur Ermöglichung eines gewissen Bewegungsradius, vergleichbar dem eines Rollstuhls bzw. Elektro-Scooters. Es sei für sie für tägliche Erledigungen wie Einkaufen (200 - 300 m) und Besuche der Krankengymnastik (700 m) notwendig. Durch den täglichen Gebrauch, sofern es die Wetterlage zulasse, trete sehr wohl ein therapeutischer Effekt hinsichtlich der fortschreitenden Muskelverschmächtigung ein. Es gebe keine Rechtsprechung, dass Therapieräder nur kindergeeignete Hilfsmittel seien. Das Therapiedreirad hatte sich die Klägerin gegen Ratenzahlung selbst beschafft und hat insoweit die Rechnung vom 28.02.2005 vorgelegt. Ihr Vater hat vorgetragen, dass ein Mitarbeiter der Beklagten eine individuelle Prüfung und Anhörung durch den Medizinischen Dienst angekündigt habe. Es wäre dann nur noch offen, wie hoch der Zuschuss für das Therapiedreirad ausfallen werde.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005 zu verurteilen, die für das Therapiedreirad aufgewandten Kosten in Höhe von 1.901,68 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Zu Therapie- und Fortbewegungszwecken sei eine ausreichende Versorgung der Klägerin mit einem Aktivrollstuhl, einem Rollator, einem passiven Beintrainer sowie dreimal wöchentlich stattfindender Krankengymnastik erfolgt. Sie wendet ein, dass die Klägerin darüber hinaus den sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Die Klägerin habe sich das Therapierad bereits selbst beschafft, bevor die Beklagte den angefochtenen Bescheid erlassen habe. Von einer vorherigen mündlichen Zusage oder Entscheidung durch ihren Mitarbeiter könne nicht ausgegangen werden.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad bzw. eine entsprechende Kostenerstattung zu, §§ 13 Abs. 3, 27, 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Denn die Versorgung mit einem Therapierad bei Erwachsenen gehört nicht mehr zum Versorgungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein behindertengerechtes Fahrrad als Hilfsmittel ist von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung weder generell ausgeschlossen noch generell erfasst. Ob eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 23. Juli 2002, B 3 KR 3/02 R) für jeden Einzelfall nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 33, 34 SGB V zu prüfen. Danach fällt die Ermöglichung des Fahrradfahrens für einen Menschen mit Behinderung, der ein handelsübliches Fahrrad nicht benutzen kann, nicht von vorne herein in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt allein die medizinische Rehabilitation und damit die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, damit die Versicherte ein möglichst selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu kann. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist ggf. Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Die Einführung des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" hat daran nichts geändert. Daraus folgt, dass die Förderung der Selbstbestimmung des Menschen mit einer Behinderung und seiner gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln nur dann in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fällt, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigt oder mildert und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betrifft (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 KR 3/97 R = SozR 3 2500 § 33 Nr. 29; SozR 3-2500 § 33 Nr. 5, 27 und 32 sowie zuvor bereits: SozR 2200 § 182b Nrn. 12, 30, 34, 37 jeweils m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen (s. Bundessozialgericht in SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 m.w.N.). Die "elementare Bewegungsfreiheit" ist als Grundbedürfnis anzusehen (SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 – Rollstuhlboy -). Dieses Grundbedürfnis wird bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens etc. sichergestellt. Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 15/04 R – (www.bundessozialgericht.de; Stichwort: Entscheidungen) ausgeführt hat, hat die gesetzliche Krankenversicherung das Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung sicherzustellen und nicht im Umfang eines vollständigen Gleichziehens und den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Versicherten.
Den Basisausgleich im Sinne des Grundbedürfnisses an Mobilität wird nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 19.04.2007 –B 3KR 9/06R– (SozR 4-2500 § 33 Nr 15; www.bundessozialgericht.de) regelmäßig durch einen handbetriebenen oder Elektro-Rollstuhl erschlossen. Die Klägerin ist vorliegend mit einem handbetriebenen Rollstuhl versorgt.
Ggf. vorliegende Besonderheiten des Wohnorts mit größeren Entfernungen für tägliche Erledigungen wie Einkaufen und Behandlungen begründen nach der jüngeren ausdrücklichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keinen entsprechenden Versorgungsanspruch mit Hilfsmitteln (Urteil vom 19.04.2007, a.a.O.). Mit dem Urteil vom 19.04.2007 hat sich das Bundessozialgericht ausdrücklich von seiner insoweit missverständlich begründeten Entscheidung vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R - (BSGE 93, 176 ff., www.bundessozialgericht.de) distanziert. Einen entsprechend abschlägigen Kostenbeschluss hatte auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 29.12.2005 getroffen - L 16 KR 59/05 - (Speedy-Bike).
Dagegen kann sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung des 8. Senats des Bundessozialgerichts berufen. Die in Bezug genommene Entscheidung vom 29.09.1997 - 8 RKn 27/06 - betraf den Fall einer Versicherten mit geistiger Behinderung.
Hinsichtlich der von der Klägerin angesprochenen Sicherung des Behandlungserfolgs (§ 33 Abs. 1, Satz 1, 1.Alternative SGB V) ist mit der Beklagten darauf zu verweisen, dass für den insoweit beabsichtigten therapeutischen Effekt Hilfs- und Heilmittel, insbesondere der passive Beintrainer, Krankengymnastik und ggf. der Rollator, bereits zur Verfügung stehen.
Da die Klage bereits aus den ausgeführten Gründen keinen Erfolg haben konnte, konnte es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Therapiedreirad um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt und ob die Klägerin bei der Selbstbeschaffung des Therapierades den erforderlichen Beschaffungsweg eingehalten hat (eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V kommt nur in Betracht, wenn die aufgewandten Kosten auf eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung der Krankenkasse zurückzuführen ist; dies bedeutet, dass Versicherte - außer in medizinischen Notfällen - immer erst die Entscheidung der Krankenkasse abwarten müssen; ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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