S 6 (27) R 428/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 (27) R 428/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird - soweit sie über dem Anerkenntnis der Beklagten vom 17.04.2007 hinausgeht - abgewiesen. 2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 9/10, die Beklagte zu 1/10.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin beschäftigte vom 31.07. bis 19.10.00 – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – u.a. drei griechische Arbeitnehmer. Sozialversicherungsbeiträge wurden hierfür nicht entrichtet. Die Klägerin ging davon aus, dass insoweit eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 5 SGB IV (Sozialgesetzbuch – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung) wegen Entsendung vorliege. Entsprechende Bescheinigungen (Vordruck E 101) kann sie aber nicht vorlegen.

Die Beklagte fordert nun – nach Durchführung einer Betriebsprüfung (§ 28p SGB IV) – insoweit die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zur deutschen Kranken-, Pflege- und Renten- sowie Arbeitslosenversicherung – i. H. v. insgesamt 8.711,97 EUR – von der Klägerin (Bescheid 28.06.2005 bzw. Widerspruchsbescheid 11.10.2005).

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, sie sei dem "ausufernden Bürokratismus der EU" nicht gewachsen (Schriftsatz v. 27.06.06) und könne die Vordrucke nicht beibringen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens trägt sie – erstmalig – vor, die drei griechischen Arbeitnehmer seien nur zeitgeringfügig tätig gewesen (Schriftsatz v. 18.05.07). Wegen der näheren Einzelheiten ihres Vortrags wird auf den weiteren Inhalt der von ihr eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 28.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 aufzuheben, soweit darin Sozialversicherungsbeiträge für die drei griechischen Mitarbeiter für den Zeitraum vom 31.07. bis zum 19.10.2000 gefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage - soweit sie über das Anerkenntnis vom 17.04.2007 hinausgeht - abzuweisen.

Sie hält die über das Anerkenntnis hinausgehende Klage für unbegründet, da die Klägerin die Entsendung nicht nachweisen kann. Der Beweiswert der - erst verspätet - vorgelegten Unterlagen bezüglich einer nur tageweisen Beschäftigung wird bezweifelt. Auch hier wird ergänzend auf den weiteren Inhalt der von ihr eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Auch ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird daher auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung der Beklagten ist - jedenfalls nach Abgabe des (Teil-)Anerkenntnisses - weder rechtlich noch tatsächlich zu beanstanden.

Zu Recht ist die Beklagte nach Durchführung der Betriebsprüfung von der Versicherungspflicht der entsprechenden ausländischen Arbeitnehmer ausgegangen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Entsendung ist nicht nachgewiesen.

Grundsätzlich unterliegt ein Beschäftigter, der im Gebiet eines Mitgliedsstaates der EU (Europäische Union) tätig ist, den dort geltenden Sozialrechtsbestimmungen. Eine Ausnahme besteht in den Fällen der Entsendung von Personen für eine befristete Zeit ins Ausland, um dort tätig zu werden. In diesen Fällen gelten weiterhin die Sozialvorschriften des Staates, aus dem die Person entsandt wird (vgl. dazu § 4 SGB IV – Ausstrahlung – bzw. § 5 SGB IV – Einstrahlung –). Die entsandten Personen erhalten eine so genannte E 101-Bescheinigung, mit der die zuständige ausländische Behörde – verbindlich (siehe dazu Padé in: jurisPK-SGB IV, § 4 Rn. 8/18 und § 5 Rn. 6/17 sowie § 6 Rn. 35) – bescheinigt, dass die Rechtsvorschriften weiterhin für den Entsandten gelten (Jochim in: jurisPK-SGB IV, § 28p Rn. 161). Entsprechende Bescheinigungen hat die Klägerin aber weder im Verlaufe der Betriebsprüfung noch während des Gerichtsverfahrens vorgelegt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BÜVO (Beitragsüberwachungsverordnung) hat jeder Arbeitgeber die entsprechenden Angaben in den Lohnunterlagen zu machen. Er hat nach Nr. 13 anzugeben, ob eine im Ausland vom Beschäftigten ausgeübte Beschäftigung im Rahmen einer fortgesetzten Tätigkeit mit zeitlicher Befristung ausgeführt wird oder nicht bzw. ob die im Inland von einem aus dem Ausland kommenden Arbeitnehmer ausgeübte Beschäftigung im Rahmen einer fortgesetzten ausländischen Tätigkeit mit zeitlicher Befristung ausgeführt wird oder nicht (Jochim, a.a.O., § 28p Rn. 209). Darüber hinaus bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 1 BÜVO, dass die Unterlagen zu den Lohnunterlagen zu nehmen sind, aus denen die erforderlichen Angaben ersichtlich sind (Jochim, a.a.O., § 28p Rn. 211).

Zu den Unterlagen, die in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 BÜVO zu den Lohnunterlagen zu nehmen sind, gehören bei Personen aus Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums, die nach Deutschland entsandt werden und wegen weiter bestehender ausländischer Sozialversicherungspflicht nicht den deutschen Rechtsvorschriften unterliegen, zwingend die Bescheinigung des zuständigen ausländischen Sozialversicherungsträgers. Dies ist – wie bereits oben ausgeführt – im Europäischen Wirtschaftsraum der Vordruck E 101 (Jochim, a.a.O., § 28p Rn. 214).

Die Pflicht zur Führung von Lohnunterlagen trifft den Arbeitgeber im Übrigen auch unabhängig von einer Sozialversicherungspflicht (Werner in: jurisPK-SGB IV, § 28f Rn. 19f.).

Da die Klägerin ihren diesbezüglichen Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen ist, ist die Entscheidung der Beklagten aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung in keiner Weise zu beanstanden. Soweit der Kläger nachträglich eine Bescheinigung vorlegen konnte, welche die Krankenversicherungspflicht eines der Arbeitnehmer in seinem Heimatstaat belegen konnte, hat die Beklagte diesem Umstand durch das mit Schriftsatz vom 17.04.2007 Anerkenntnis vollständig Rechnung getragen.

Weitergehende Ermittlungen waren – entgegen der Anregung der Beteiligten – nicht vorzunehmen. Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen trifft allein den Arbeitgeber, er kann hiervon nicht durch die dem Gericht obliegenden Pflicht zur Amtsermittlung befreit werden.

Es kann nicht hingenommen werden, dass sich ein Arbeitgeber durch eigenes schuldhaftes Verhalten seiner Beitragspflicht entzieht und damit zugleich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Arbeitgebern verschafft, die ihren Pflichten nachkommen (dazu Urteil des BSG - 12 RK 26/85 - vom 06.03.1986). Die Klägerin hat auch den Nachteil dafür zu tragen, dass sich nicht mehr feststellen lässt, ob unter den der Beitragsberechnung zugrunde gelegten Entgelten möglicherweise auch solche sind, die – etwa weil sie die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten – beitragsfrei sind (BSG a.a.O.). Dies gilt ebenso für die Frage einer eventuell vorliegenden Zeitgeringfügigkeit. Auch hinsichtlich des Grundtatbestandes der Nr. 2 des § 8 Abs. 1 SGB IV (Unterschreiten der darin genannten Zeitgrenzen) trifft die Klägerin die Feststellung - bzw. Beweislast (hierzu BSG - 12 RK 23/91 - vom 11.05.1993). Den erst im Verlaufe des Prozesses – und hier auch erst sehr spät – vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin misst die Kammer insoweit keinen ausreichenden Beweiswert zu. Alle andere wäre ein Einladung zur Manipulationen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz). Die Kostenquote ergibt sich aus dem Verhältnis des Unterliegens und Obsiegens der Beteiligten.
Rechtskraft
Aus
Saved