S 26 R 281/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 281/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Der Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006 wird aufgehoben, soweit für die Personen W, J, N1, H, I. L1, Q. L1, L2, L3, L4, G und S Pauschalbeträge zur Kranken- und Rentenversicherung im Zeitraum bis 31.12.2005 nachgefordert werden, insoweit in Höhe von 1087,39 EUR. 2.Die Beklagte trägt 1/4 der Kosten des Rechtsstreits; die Klägerin trägt 3/4 der Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob bei der Klägerin tätig gewesene Statisten, mit denen kein schriftlicher Vertrag bestand, der pauschalen Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte unterlagen und gegebenenfalls für diese Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1087,39 EUR nachzufordern sind.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ein Zusammenschluss von städtischen Theatern in N2 und L5. Gesellschafter der GbR sind die Stadt N2 und die Stadt L5. Die Klägerin betreibt Schauspielhäuser in N2 und L5.

In der Zeit von 2003 bis 2006 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch, für Zeiträume seit Anfang 1999 bis Ende 2005. Nach einer Beiziehung diverser Unterlagen und einer Anhörung erteilte die Beklagten den hier angefochtenen

Bescheid vom 21.06.2006.

Mit diesem forderte sie von der Klägerin für diverse im Einzelnen aufgelistete Schauspieler bzw. Mitarbeiter bzw. Statisten insgesamt 4871,41 EUR Sozialversicherungsbeiträge nach (Bl. 288 der Verwaltungsakte). Zur Begründung führte sie unter anderem aus, nach Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger handele es sich bei Statisten und Komparsen im Gegensatz zu zufallsgefilmten Personen grundsätzlich um abhängig Beschäftigte. Auch wenn diese Personen nur für wenige Szenen der Produktion benötigt würden, seien sie der Personengruppe der Schauspieler zuzuordnen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG, BAG und des BFH seien Schauspieler in den Organismus der Produktion eingegliedert und damit als Arbeitnehmer anzusehen. Die Beschäftigungen der geprüften Personen seien nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Für die in der Anlage aufgeführten Arbeitnehmer hätten keine ordentlichen Arbeitsverträge vorgelegt werden können, die das Bestehen einer nur kurzfristigen Beschäftigung begründen würden. Die Beschäftigungen seien auch nicht ihrer Eigenart nach begrenzt gewesen oder im voraus vertraglich begrenzt worden. Da es sich in der Regel um immer wiederkehrende und somit auf Dauer ausgerichtete Arbeitsverhältnisse handele, die im Rahmen der Geringfügigkeit ausgeübt wurden, seien pauschale Beiträge zur Sozialversicherung nachzuerheben.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 08.07.2006 Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete sie, soweit hier noch Streit zwischen den Beteiligten besteht, damit, dass sie nicht für sozialversicherungspflichtig halte solche Statisten, die quasi als Hobby "viel Volk" oder ähnliches auf der Bühne darstellen würden und dafür nur ein Verzehrgeld oder Erfrischungsgeld erhielten, in Höhe von 7,50 EUR pauschal für Probe und Aufführung. Mit diesem Verzehrgeld könnten die Statisten während der teilweise längeren Anwesenheitszeit in der Kantine ein Getränk zu sich nehmen oder anderes. Diese Personen seien austauschbar. Sie seien frei, Termine wahrzunehmen oder nicht. Das könne von Fall zu Fall auch sehr kurzfristig sein. Sie seien dadurch nicht in den Betrieb eingebunden. Sie erhielten auch keine Vergütung im Sinne des Arbeitsrechts. Eine Aufwandsentschädigung von 1-2 EUR je Stunde stelle keinen angemessenen Gegenwert für geleistete Arbeit dar. Außerdem müssten die Statisten, um die es hier geht, nicht zu einem zugesagten Termin erscheinen, oder andere Verfehlungen begehen. Sie müssten nicht mit arbeitsrechtlichen Folgen wie Ermahnung, Abmahnung, Kündigung oder Vertragsstrafen oder anderem rechnen. Auch bestehe kein Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Erkrankung oder Urlaub. Ferner sei das Verzehrgeld auch pauschal und nicht von einer bestimmten geleisteten Stundenzahl abhängig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 (abgesandt am 29.09.2006, Bl. 340 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Nachforderung. Sie begründete dies mit einer Wiederholung und Zusammenfassung ihrer bisherigen Erwägungen. Ergänzend führte sie aus, die Tätigkeit der streitbefangenen Statisten würde von einer vorgesetzten Person koordiniert und angeordnet. Den Statisten komme auch Honorar und Fahrgeld zugute. Abrechnungen darüber lägen vor.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am Donnerstag, dem 02.11.2006 (der 01.11.2006 war Allerheiligen und damit in NRW ein Feiertag) Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Die Klägerin bezieht sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Sie beschränkt nun ihre Anfechtung des Forderungsbescheides auf diejenigen Nachforderungen der Beklagten, die sich auf die Statisten W, J, N1, H, I. L1, Q. L1, L2, 3, L4, G und S beziehen, für welche die Beklagte anteilig 1087,39 EUR fordert. Wegen der Zusammensetzung dieser Forderungen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin vom 21.04. und 24.04.2008, Bl. 89 ff, 100 f der Gerichtsakte (215,80 EUR + 871,59 EUR). Ergänzend trägt die Klägerin noch vor, die Spitzenverbände der Krankenkassen hätten zwar im Jahr 2000 einen Abgrenzungskatalog geschaffen, der die typischen Tätigkeiten für Theater, Orchester, Film und TV auflisten würde und wobei manche Tätigkeiten selbständiger oder abhängiger Beschäftigung zugewiesen würden. Die Beklagte ordne jedoch ohne nähere Begründung die Statisten zu pauschal der Personengruppe der Schauspieler zu. Das könne nicht angehen für solche Statisten, die quasi nur als Hobby auf der Bühne stehen würden, weil sie sich für Theater und Schauspiel interessieren. Dafür gebe es auch nur das erwähnte Verzehrgeld bzw. Erfrischungsgeld von pauschal je Probe und Aufführung 7,50 EUR, was nicht als echtes Entgelt angesehen werden könne, sondern quasi nur als Anerkennungsleistung und Ersatz von Aufwand für das Kommen zur Probe bzw. zur Aufführung. Schließlich obliege es auch allein den Statisten, ob sie an den Proben oder an Aufführungen wirklich teilnehmen. Jederzeit hätten sie ihre Tätigkeit unterbrechen, beenden oder fortführen können. Sie könnten auch ganz kurzfristig noch kurz vor der Aufführung absagen. Ganz kurzfristig könnten dafür dann auch andere Statisten ersatzweise gewonnen werden. Es habe auch keine vertragliche Vereinbarung bestanden, wie sie bei Schauspielern der Fall sei. Es gebe für die Statisten, um die es hier gehe, auch kein Ausfallhonorar bei Absage der Veranstaltung. Allein eine Aufwandsentschädigung von 1-2 EUR je Stunde werde gezahlt bzw. im Falle einer Probe eine pauschale Vergütung von 7,50 EUR. Eingliederung in eine Arbeitsorganisation der Klägerin liege damit nicht vor. Mithin gehörten die Statisten, um die es hier gehe, nicht dem Kreis der klassischen Arbeitnehmer an. Es fehle auch eine langfristige Bindung an die Klägerin und eine soziale Schutzbedürftigkeit der Statisten. Kopien der inzwischen seit 2002 geltenden Honorarregelung fügte die Klägerin bei (Bl. 107 f der Gerichtsakte). Eigentlich erhielten den Fragebogen für "geringfügig Beschäftigte" und für "kurzfristig Beschäftigte" nur diejenigen Statisten, bei denen auch die Klägerin von einer Sozialversicherungspflicht ausgehe. Statisten, die im Einzelfall unabdingbar wichtig für eine Aufführung wären, erhielten auch Arbeitsverträge. Für andere Personen - wie hier - würden nur regelmäßig Fragebögen verwendet für "Statisten/E-Chor", mit diesen Fragebögen würden nur die persönlichen Daten, die Bankverbindung und der so genannte Statistenführer mitgeteilt (Bl. 116 ff der Gerichtsakte). (Hier seien die Fragebögen eventuell versehentlich verwechselt worden.) Irgendwelcher Sanktionen oder einer festen Einbindung solcher nach Auffassung der Klägerin nicht sozialversicherungspflichtiger Statisten bedürfte es nicht, damit diese bzw. ausreichend solcher Statisten erschienen. Denn diesen Personen gehe es primär wie bei einem Hobby oder Liebhaberei praktisch hauptsächlich darum, auf der Bühne zu stehen. Das sei diesen Personen so wichtig, dass regelmäßig ausreichend Statisten erschienen. Nach Überprüfung des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.01.2008 sowie der mit diesem Schriftsatz übersandten Beiakte zu den einzelnen geprüften Personen (Beiakte zu Bl. 96 der Gerichtsakte) gehe nun auch die Klägerin davon aus, dass sie für viele Statisten bisher keine Sozialabgaben geleistet habe, für die Beiträge hätten gezahlt werden müssen. Die Klägerin halte inzwischen also diejenigen Nachforderungen der Beklagten für berechtigt, die sich auf andere Personen bezögen als die im Klageantrag genannten. Die Beklagte habe jedoch zu Unrecht auch für diejenigen Personen im Klageantrag Arbeitnehmer-Eigenschaft bzw. Sozialversicherungspflicht pauschal angenommen.

Die Klägerin beantragt, unter Beschränkung des ursprünglichen Klageantrages,

den Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006 aufzuheben, soweit für die Personen W, J, N1, H, I. L1, Q. L1, L2, L3, L4, G und S Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung im Zeitraum bis 31.12.2005 nachgefordert werden, insoweit in Höhe von 1087,39 EUR.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend trägt sie zu den schriftsätzlichen Argumenten in den Klageschriftsätzen noch vor, dass sie auch angesichts der Honorar-Regelungen für manche Statisten keinen Zweifel an deren Arbeitnehmereigenschaft habe. Für die Personen, um die es hier noch gehe, seien auch Fragebögen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von geringfügigen oder kurzfristigen Beschäftigungen eingereicht worden. Auch wenn die Klägerin inzwischen erkläre, dass für diese Personen Fragebögen fehlerhaft oder irrtümlich abgegeben worden seien, führe die inzwischen vorgelegte Honorar-Regelung nicht zu einer anderen gegenteiligen Einschätzung. Die von der Klägerin herangezogenen Urteile seien zum einen nur einzelfallbezogen zu sehen, und zum anderen verhielten sie sich auch zu sonst mit Statisten nicht vergleichbaren Sachverhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Beiakte zu Bl. 96 Gerichtsakte Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Der Widerspruchsbescheid wurde von der Beklagten erst am 29.09.2006 abgesandt und gilt damit als frühestens am 02.10.2006 zugegangen (§ 37 SGB X); die Klagefrist lief damit bis zum Ablauf des 02.11.2006. An diesem Tag hat die Klägerin die Klage auch noch eingereicht, am Tag nach einem Feiertag (Allerheiligen), sodass die Klagefrist in jedem Falle als gewahrt anzusehen ist.

Die Klägerin ist als GbR auch zulässiger Adressat des Widerspruchsbescheides gewesen und zulässig befugt, in eigenem Namen zu klagen, entsprechend neuerer Rechtsprechung unter anderem des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 29.01.2001 - II ZR 331/00).

Die Klage ist auch mit dem jetzt gestellten Antrag begründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006, sind insoweit rechtswidrig und die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwerend, wie die Beklagte damit auch für die im Klageantrag bzw. im Tenor des Urteils genannten Personen Sozialversicherungsbeiträge nachfordert. Die insoweit von der Beklagten erhobenen so genannten Pauschalbeträge für geringfügig Beschäftigte (§ 249 b SGB V bzw. § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) sind hier nämlich für die streitbefangenen Personen zu Unrecht erhoben, denn diese Statisten sind nach Auffassung der Kammer nicht als Arbeitnehmer anzusehen, auch nicht als nur geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer, und damit mangels Arbeitnehmer-Status auch nicht Beschäftigte im Sinne der vorgenannten Vorschriften.

Dreh- und Angelpunkt des gesamten Rechtsstreits ist die Kernfrage, ob alle für ein Schauspielhaus tätigen Statisten Arbeitnehmer dieses Schauspielhauses sind, also "Beschäftigte"; also nicht nur diejenigen Statisten, die im Rahmen ausdrücklicher schriftlicher oder mündlicher Verträge für die Klägerin bzw. ein Schauspielhaus tätig sind, sondern auch diejenigen, die ohne ausdrückliche Vertragsabreden für Proben und Aufführungen herangezogen werden, auf der Bühne ohne wesentliche Beteiligung stehen oder gehen oder sitzen und z. B. "viel Volk" darstellen und dafür nur ein Erfrischungsgeld erhalten für entweder pauschal 7,50 EUR je Probe bzw. Aufführung bzw. 1 oder 2 EUR je Stunde, maximal 400 EUR pro Monat. Für den letzteren Personenkreis - zu dem die im Urteilstenor genannten Personen gehören - verneint die Kammer eine Arbeitnehmereigenschaft bzw. Beschäftigung im Sinne des Sozialgesetzbuches. Entscheidend für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht bzw. einer Beschäftigung bzw. einer Arbeitnehmereigenschaft sind nämlich nicht die erarbeiteten Abgrenzungskataloge der Krankenkassen oder der Künstler-Sozialkasse aus 2000 bzw. vom 07.05.2005, denn diese haben keine rechtlichen Bindungswirkungen und sind eher als allgemeine Richtlinien oder Anhaltspunkte anzusehen. Entscheidend sind auch nicht die bisher in den Rechtsstreit eingeführten Urteile anderer Gerichte, denn diese Entscheidungen sind nach Auffassung der Kammer zu einzelfallbezogen oder zu sehr auf den typischen Schauspieler bezogen, als dass hier diese Grundsätze auf den Fall der streitbefangenen Statisten der Klägerin zu übertragen wären. Maßgeblich für die Beurteilung der Beschäftigung bzw. Arbeitnehmereigenschaft bzw. der Sozialversicherungspflicht sind vielmehr die allgemeinen anerkannten Kriterien, wann eine Person Arbeitnehmereigenschaft hat. Arbeitnehmer ist nach allgemeiner Auffassung, wer im rechtlichen Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages seine Arbeitskraft weisungsgebunden gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Zur Konkretisierung dieser allgemeinen Merkmale hat die Rechtsprechung verschiedene Abgrenzungsmerkmale entwickelt, die gegeneinander abzuwägen sind, ohne dass ein Merkmal in der Regel allein für sich den Ausschlag geben kann. Die für den Arbeitnehmer typische "persönliche Abhängigkeit" liegt demnach in der Regel vor, wenn Arbeit nach Weisung erfolgt unter fachlicher Aufsicht des Arbeitgebers, und wenn im Rahmen des Vereinbarten der potenzielle Arbeitgeber Zeit, Art und Ort der Arbeit bestimmt und es zu einer Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers gekommen ist; dabei wird die Arbeit typischerweise auch in eigener Person erbracht (§ 613 Satz 1 BGB) und kann rechtlich nicht zulässig durch eine andere Person ausgeübt werden. Die allgemeine Verkehrsanschauung, falls die allgemeinen Merkmale nicht eindeutig sind, und die gewählte Vertragsgestaltung der Beteiligten, falls die allgemeinen Kriterien nicht eindeutig sind, können im Einzelfall ausschlaggebend sein. Entscheidend sind aber vor allem die allgemeinen Merkmale, insbesondere ob die vertraglich vereinbarte Beschäftigung zu einer Eingliederung des vermeintlichen Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers führt, ob also der Arbeitgeber die Arbeitskraft des Dienstpflichtigen ganz oder überwiegend in Anspruch nimmt und damit eher auch auf die Dienste des vermeintlichen Arbeitnehmers angewiesen ist. Besteht die ausgeübte Tätigkeit speziell in spielerischer oder sportlicher Betätigung, so liegt - wenn dies zum primären Selbstzweck wird - gerade keine fremdbestimmte Arbeit vor (anders praktisch nur, wenn gerade zum Beispiel die sportliche Betätigung wie die eines Fußballers, Trainers oder Lehrers zur Befriedigung eines Fremdbedarfes geleistet wird - vgl. z. B. Schaub, Arbeitesrechtshandbuch, schon in der 6. Auflage § 36 I 4 und § 8 II 1 sowie § 186 IV). Potenzielle wirtschaftliche Abhängigkeit bzw. soziale Schutzbedürftigkeit hingegen ist kein Arbeitnehmermerkmal, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung viele Male wiederholt hat.

In Abwägung all dieser Kriterien ist hier festzuhalten, dass die von der Klägerin eingesetzten Statisten, mit denen sie keine speziellen Verträge abgeschlossen hat und die sie allenfalls gelegentlich und nur geringfügig unter 400 EUR monatlich beschäftigt, schon nicht das Merkmal der höchstpersönlichen Erbringung der Arbeitsleistung in eigener Person (§ 613 Satz 1 BGB) erfüllen. Sie sind austauschbar; kann eine Probe bzw. eine Aufführung nicht wahrgenommen werden, so kann - zwischen den Beteiligten unstreitig - ein anderer Statist kurzfristig herangezogen werden, ohne dass dies weitergehende Konsequenzen für den ausgefallenen Statisten hätte (er wird allenfalls bei Unzuverlässigkeit in Zukunft nicht mehr herangezogen, hat aber keine Vertragsstrafe zu leisten oder sonst Sanktionen zu befürchten). Ein solcher Statist ist - anders als z. B. durch Vertrag der Klägerin gebundene Statisten - nicht wesentlich für die Aufführung, er ist also nicht in die Hierarchie dergestalt eingebunden, dass der Arbeitgeber bzw. das Theater auf ihn für eine Aufführung angewiesen ist. Seine Arbeitskraft wird zudem nicht überwiegend bzw. zwingend in Anspruch genommen, sondern nur gelegentlich der Möglichkeit des Auftretens bei einer Probe oder einer Aufführung. Die Tätigkeit der hier streitbefangenen Statisten besteht bzw. bestand auch nicht in Tätigkeit zu Erwerbszwecken; im Vordergrund steht nämlich primär die spielerische bzw. schauspielerische Betätigung als Selbstzweck, ohne dass das hier dafür gewährte Verzehrgeld bzw. Erfrischungsgeld eine eigene wirtschaftliche Bedeutung erlangt hätte. Es kann von seiner Höhe her schon nur dazu dienen, den Fahrtaufwand zu decken und bei Pausen Getränke oder einen Snack zu sich zu nehmen zur "Erfrischung" und quasi als kleines "Danke schön" im Wege einer kleinen Anerkennungsleistung sein. Die Kammer kann ohne weiteres nachvollziehen, dass der Wunsch, an einer Aufführung teilzunehmen bzw. auf der Bühne zu stehen quasi als Liebhaberei oder Hobby stärkerer Betätigungsgrund der Statisten ist als das dafür zugewandte so genannte Erfrischungsgeld. Eine echte "Gegenleistung" im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Entgelt lag nach den Honorarregelungen der Klägerin, so wie sie seit 2002 schriftlich praktiziert werden und bereits vorher in gleicher Weise praktiziert wurden, nicht vor, ohne dass von Bedeutung ist, ob seitens der Statisten ein höheres Entgelt gewünscht würde oder nicht, denn die - fragliche - wirtschaftliche Abhängigkeit oder soziale Abhängigkeit ist gerade kein Arbeitnehmer-Merkmal. Diejenigen Statisten, um die es hier geht, sind allgemein Menschen, die mitten im Leben stehen, nahezu jeden Alters, die im Leben hauptsächlich einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen oder nachgehen möchten oder in Ausbildung sind oder bereits Rentner sind und für die die Tätigkeit als Statist nicht die Bedeutung einer zusätzlichen Erwerbsquelle bekommen hat, sondern vielmehr primär Freude daran, Theater nicht nur als Zuschauer zu erleben, sondern auch von der Bühne aus. Ob und inwieweit dies auf jeden der hier Streitbefangenen zutrifft, ist aber nicht von Bedeutung, sondern die Art des Einsatzes von Statisten, so wie die Klägerin sie hier praktiziert und glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt hat.

Mithin unterlagen die hier nicht aufgrund fester Verträge und nur geringfügig eingesetzten Statisten, die im Urteilstenor genannt sind, nicht der Sozialversicherungspflicht bzw. pauschaler Sozialversicherungspflicht als geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer.

Einer Beiladung (§ 75 SGG) der potenziellen Statisten bedurfte es hier nicht, weil es nur um die Heranziehung der Klägerin zu Pauschalbeiträgen für allenfalls geringfügig Beschäftigte ging; solche Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung nach § 249 b SGB V bzw. § 172 Abs. 3 SGB VI sind keine "echten" Pflichtbeiträge, sie werden auch nicht auf die Wartezeit in der Rentenversicherung angerechnet und sie würden - falls sie erhoben würden - auch keine eigene Beitragsverpflichtung der geringfügig Beschäftigten begründen, sodass die Interessen der Statisten hier durch diesen Rechtsstreit nicht zwingend berührt werden und die Entscheidung des Gerichts auch den Statisten gegenüber nicht einheitlich ergehen muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1, 2 VwGO. Da die Klägerin ursprünglich die angefochtenen Bescheide im Gesamtumfang von 4871,41 EUR angefochten hat, bei späterer Beschränkung der Klage auf eine Forderung der Beklagten nur in Höhe von 1087,39 Euro, hatte die Klage im Verhältnis zur ursprünglichen Gesamtforderung der Beklagten nur Erfolg im Umfang von etwa 1/4. Daraus folgt, dass die Beklagte 1/4 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und die Klägerin 3/4 der Kosten. Die Kosten des Rechtsstreits bestehen dabei sowohl in den angefallenen Gerichtskosten wie in den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten.
Rechtskraft
Aus
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