Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 235/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Ärztin ohne Weiterbildung und war bis zum 31.03.2011 in der drogentherapeutischen Ambulanz sowie in der Substitutionsambulanz des Vereins für Gefährdetenhilfe gB-GmbH (VfG) in C tätig. Mit Beschluss vom 21.10.2009 hatte der Zulassungsausschuss für Ärzte L sie für die Zeit ab 01.11.2009 bis längstens 31.12.2011 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zur Durchführung der Methadon-Substitutionsbehandlungen nach den BUB-Richtlinien nach den Nrn. 01321, 01950 bis 01952, 32137 und 32140 bis 32148 EBM ermächtigt.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.10.2009 erteilte die Beklagte der Klägerin die Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten mit der Auflage, ihr bis zum 30.04.2010 die Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" vorzulegen. Unter dem 09.03.2010 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung, ob es möglich wäre, die begonnene Substitutionsbehandlung als "Notfallmaßnahme" auch ohne diese Urkunde längstens bis zum Ablauf der vorgesehenen Zeit durchzuführen. Sie beabsichtige auch nicht, nach dem 31.12.2011 einen weiteren Ermächtigungsantrag zu stellen, und werde ihre Arbeitgeber entsprechend informieren. Um in den Besitz der Urkunde zu kommen, sei eine Prüfung erforderlich. Zulassungsvoraussetzung hierfür sei der Nachweis einer 36-monatigen Vollzeittätigkeit in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung. Da sie keine Weiterbildungszeiten an einer von der Ärztekammer anerkannten Weiterbildungsstelle nachweisen könne, sei eine Zulassung zur Prüfung nicht möglich.
Mit Bescheid vom 16.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung ab dem 01.05.2010 zur Substitution von bis zu 50 Substitutionspatienten ohne Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" ab: Die Mindestanforderungen der Ärztekammer Nordrhein an eine suchttherapeutische Qualifikation seien dann erfüllt, wenn die Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" erworben worden sei. Die Zulassung zur Prüfung zum Erwerb dieser Weiterbildung setze eine 36-monatige Weiterbildung unter Leitung von weiterbildungsbefugten Ärzten sowie die Teilnahme an einem Kurs "Suchtmedizinische Grundversorgung" über 50 Stunden nach dem Curriculum der Bundesärztekammer voraus. Da es sich um feststehende Vorgaben nach der "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" in Verbindung mit den Vorgaben der Ärztekammer Nordrhein handele, bestehe insoweit kein Ermessensspielraum.
Hiergegen richtet sich die am 31.05.2010 erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, das von der Beklagten geäußerte Verlangen nach Vorlage einer Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" aufgrund mehrjähriger praktischer Weiterbildungstätigkeit sei contra legem und im Vergleich zu den Weiterbildungsbestimmungen anderer Ärztekammern auch unverhältnismäßig.
Seit dem 01.04.2011 ist die Klägerin nicht mehr in der Substitutionsmedizin tätig und hat ihre Tätigkeit für den VfG eingestellt. Sie begehrt nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Bescheide. Diese Feststellung sei vorgreiflich für mehrere derzeit anhängige, gegenwärtig ruhend gestellte Widerspruchsverfahren über den Widerruf ihrer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie über sachlich-rechnerische Berichtigungen ihrer Abrechnungen für die Quartale II/2010 bis I/2011.
Die Klägerin beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 16.03.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 rechtswidrig gewesen sind und die Beklagte verpflichtet war, ihr - der Klägerin - die am 09.03.2010 beantragte Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten auch ohne Vorlage einer Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" zu erteilen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die auf eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage umgestellte Klage mangels (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses bereits für unzulässig. Das streitige Rechtsverhältnis habe keine Auswirkungen auf die ruhend gestellten Widerspruchsverfahren. Selbst im Falle einer antragsgemäßen Entscheidung wären die sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Abrechnungen für die Quartale II/2010 bis I/2011 rechtmäßig, da die begehrte Genehmigung Wirkung lediglich ex nunc entfalten würde. Das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf den Widerruf der Ermächtigung der Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen dürfte sich bereits aufgrund der seit dem 01.04.2011 nicht mehr benötigten Substitutionsgenehmigung erledigt haben.
Materiell-rechtlich habe die Klägerin die Mindestvoraussetzungen der Ärztekammer Nordrhein an eine suchttherapeutische Qualifikation, an welche die Beklagte gebunden sei, nicht erfüllt, da es ihr unstreitig an einer 36-monatigen Weiterbildungszeit fehle.
Die Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sie durch Gerichtsbe-scheid zu entscheiden beabsichtige. Die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erteilt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.
Die Klage ist unzulässig geworden.
Nachdem die Klägerin seit dem 01.04.2011 nicht mehr in der Substitutionsmedizin tätig ist, hat sich die ursprüngliche Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Substitutionsgenehmigung ohne die von der Beklagten geforderten weiteren Qualifikationsnachweise erledigt. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt, der sich erledigt hat, rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Ein solches Interesse ergibt sich vorliegend nicht aus einer möglichen Wiederholungsgefahr. Ausreichend ist insofern die konkrete, in naher Zukunft oder absehbarer Zeit tatsächlich bestehende Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 9. Aufl. 2008, § 131 Rdnr. 10b m.w.N. aus der Rspr. des BSG und BVerwG). Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen zu beabsichtigen, im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein erneut in der Substitutionsmedizin tätig werden zu wollen.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann sich auch nicht auf eine Vorgreiflichkeit des vorliegenden Rechtsstreits für derzeit anhängige, gegenwärtig ruhend gestellte Widerspruchsverfahren über den Widerruf der Ermächtigung der Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie über sachlich-rechnerische Berichtigung ihrer Abrechnungen für die Quartale II/2010 bis I/2011 stützen.
Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw. in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss. Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also z.B. für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen und für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten (BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 6 KA 15/08 R - m.w.N.). Auch weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen, die an persönliche Qualifikationen anknüpfen und damit einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen, können nicht rückwirkend erteilt werden (BSG, Beschluss vom 03.02.2010 - B 6 KA 20/09 B - m.w.N.). Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind. Ebenfalls zu Beginn einer Behandlung muss auch Gewissheit über die Befugnis des Arztes gegeben sein, die Durchführung erforderlicher diagnostischer oder therapeutischer Leistungen durch andere Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen mittels Überweisung zu veranlassen. Dasselbe gilt für Verordnungen und Anordnungen des Arztes, soweit dadurch andere, nichtärztliche Leistungserbringer ihrerseits befugt werden, in Ausführung des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen gegenüber deren Versicherten spezifische Leistungen zu erbringen (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. bereits Urteil vom 28.01.1998 - B 6 KA 41/96 R -).
Fehlt der Klägerin somit ab 01.05.2010 die erforderliche Substitutionsgenehmigung, können ihr vertragsärztlicher Status und ihre Honoraransprüche seit diesem Zeitpunkt nicht rückwirkend wiederhergestellt werden.
Die Klägerin hat schließlich nicht substantiiert ankündigt, im Falle eines Prozesserfolges im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte mit Schadenersatz- bzw. Amtshaftungsansprüchen vorgehen zu wollen (vgl. dazu BSG, Urteile vom 09.06.1999 - B 6 KA 2/98 R -; vom 11.12.2002 - B 6 KA 32/01 R -). Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann daher auch nicht aus einer Präjudizialität des vorliegenden Verfahrens für einen zivilgerichtlichen Prozess abgeleitet werden.
Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet.
Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten auch ohne Vorlage einer Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung".
Rechtsgrundlage für die Erteilung der von der Klägerin beantragten Substitutionsgenehmigung über den 30.04.2010 hinaus sind die §§ 2, 10 Abs. 1 der Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung" in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Letztere Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation erfüllt, die von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgelegt werden. Die Ärztekammer Nordrhein hat hierzu die Zusatzweiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" (Abschnitt C Ziffer 45 der Weiterbildungsordnung (WBO) in der Fassung ab 01.10.2008) als neue Fachkunde in die WBO eingeführt (vgl. dazu Rhein. Ärzteblatt 2001, 65 ff.). Diese sieht eine - von der Klägerin absolvierte - Weiterbildungszeit von 50 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 WBO in "Suchtmedizinische Grundversorgung" vor. Voraussetzung für den Erwerb der Bezeichnung ist ferner eine 36-monatige Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 WBO. Eine solche Weiterbildung hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
In diesem Zusammenhang dringt die Klägerin mit ihrem Hinweis auf Ziffer 16 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger (Qualifikation des behandelnden Arztes) auf der Grundlage des § 5 Abs. 11 BtMVV, in denen weder von dem Erwerb der Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" noch von der Ableistung einer 3-jährigen Weiterbildung die Rede sei, nicht durch. § 5 Abs. 11 BtMVV ermächtigt die Bundesärztekammer zur Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien nur für (1) die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 Buchst. c, ferner für (2) die Auswahl des Substitutionsmittels nach Abs. 4 Satz 4 und für (3) die Bewertung des bisherigen Erfolges der Behandlung nach Abs. 8 Satz 1 und 4 sowie zur Dokumentation nach Abs. 10. Eine Ermächtigung der Bundesärztekammer, auch die von dem Arzt zu erfüllenden Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz Nr. 6 in Richtlinien festzulegen, enthält § 5 Abs. 11 BtMVV nicht.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, das Erfordernis einer 36-monatigen Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung gehe in unverhältnismäßiger Weise über die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation hinaus, vermag sich die Kammer dieser Ansicht nicht anzuschließen. Zwar trifft es zu, dass die einzelnen Ärztekammern den Erwerb der Bezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" an unterschiedliche Voraussetzungen knüpfen. Diese sehen in Teil C der jeweiligen Weiterbildungsordnungen zum Teil keine Voraussetzungen vor (Bayern, Brandenburg, Hessen, Saarland, Thüringen), verlangen mitunter eine Facharztanerkennung (Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Westfalen-Lippe), Facharztkompetenz (Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) oder mindestens 5-jährige ärztliche Tätigkeit (Sachsen) oder eine Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung mit einer Dauer von 24 Monaten (Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt) bzw. 36 Monaten (Nordrhein). Zu berücksichtigen ist dabei, dass das ärztliche Weiterbildungsrecht zur Materie des ärztlichen Berufsrechts gehört und aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung im Bereich der Normsetzung eine Angelegenheit des Landesrechts ist, das die nähere Ausgestaltung der Regelungsbefugnis eigenständig den Ärztekammern als Selbstverwaltungskörperschaften übertragen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 RKa 58/96 -; Seewald, VSSR 2008, 131 ff.). Abzustellen ist bei der Normsetzung insofern auf die jeweiligen gesundheitlichen Versorgungsbedürfnisse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.2000 - 1 BvR 1662/97 - zu Facharztbezeichnungen). Wenn die mit den Verhältnissen in ihrem Zuständigkeitsbereich vertraute Ärztekammer Nordrhein die Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation der Ärzte dahin bestimmt, dass eine 36-monatige Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung erforderlich sei, um die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Krankheitsbildern im Zusammenhang mit dem schädlichen Gebrauch suchterzeugender Stoffe und nicht stoffgebundener Suchterkrankungen (vgl. Definition der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung") qualitativ ausreichend zu erbringen, begegnet dies auch angesichts der damit verbundenen Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit der interessierten Ärzte keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere mit Blick auf diejenigen Weiterbildungsordnungen, die eine volle - nach mehrjähriger Weiterbildung erworbene - Facharztanerkennung zur Voraussetzung des Erwerbs der Zusatzbezeichnung machen.
Unerheblich und von der Kammer nicht zu prüfen ist, ob und inwieweit die Länder bzw. Kammern für die vorliegende Situation der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" wechselseitig die Qualitätssicherung durch andere Bundesländer bzw. Kammern akzeptieren, ob also die Klägerin in den Bezirk einer anderen Ärztekammer, die geringere Voraussetzungen statuiert, umsiedeln könnte, sich dort die Befugnis zum Führen der Zusatz-Bezeichnung verleihen ließe, um anschließend nach C zurückzukehren, wo die Beklagte die Verleihung durch die andere Ärztekammer anerkennen müsste. Eine Gegenseitigkeitsklausel gewährleistet jedenfalls nicht den landesüblichen bzw. kammerüblichen Ausbildungsstandard (BVerfG a.a.O.); nur hierauf kommt es vorliegend an.
Die vorstehenden Erwägungen hatte die Kammer den Beteiligten bereits mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.05.2010 - S 2 KA 197/10 ER - vermittelt. Hieran hält sie fest.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens war für notwendig zu erklären. Die aus Gründen der Effizienz gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO dem Gericht vorbehaltene Entscheidung, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, gehört nicht zur Kostenfolge, über die nach § 161 Abs. 1 VwGO im Urteil zu entscheiden ist. Denn sie regelt nicht die Kostenerstattungspflicht der Beteiligten dem Grunde nach, sondern betrifft nur den Umfang der Kostenerstattungspflicht (BayVGH, Beschluss vom 25.03.2009 - 8 B 07.197 - unter Hinweis auf BVerwG vom 18.02.1981, Buchholz 310 § 162 Nr. 15; BVerwG vom 18.11.2002, NVwZ-RR 2003, 246).
Die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren ist danach zu beurteilen, ob der Widerspruchsführer im Zeitpunkt der Beauftragung seines Bevollmächtigten es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden (sog. Ex-ante-Sicht, vgl. BSG, Beschluss vom 29.09.1999 - B 6 KA 30/99 B - m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn schwierige Sach- oder Rechtsfragen eine Rolle spielen und deshalb ein Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand des Widerspruchsführers sich vernünftigerweise eines Rechtsanwalts bedient. Das ist gegeben z.B. bei Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, wenn in der Widerspruchsbegründung nicht allein medizinische Aspekte der Behandlungsweise, sondern schwierige Sachfragen und/oder Rechtsfragen erörtert werden (BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 78/04 R -), und in der Regel auch in Verfahren, in denen es um die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung geht (BSG, Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R -). Auch der vorliegende Fall, in dem schwierige Rechtsfragen in entlegeneren Rechtsgebieten um die Qualifikation der Widerspruchsführerin und späteren Klägerin thematisiert wurden, bedurfte aus Sicht der Klägerin sinnvollerweise anwaltlicher Unterstützung.
&8195;
Tatbestand:
Die Klägerin ist Ärztin ohne Weiterbildung und war bis zum 31.03.2011 in der drogentherapeutischen Ambulanz sowie in der Substitutionsambulanz des Vereins für Gefährdetenhilfe gB-GmbH (VfG) in C tätig. Mit Beschluss vom 21.10.2009 hatte der Zulassungsausschuss für Ärzte L sie für die Zeit ab 01.11.2009 bis längstens 31.12.2011 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zur Durchführung der Methadon-Substitutionsbehandlungen nach den BUB-Richtlinien nach den Nrn. 01321, 01950 bis 01952, 32137 und 32140 bis 32148 EBM ermächtigt.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.10.2009 erteilte die Beklagte der Klägerin die Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten mit der Auflage, ihr bis zum 30.04.2010 die Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" vorzulegen. Unter dem 09.03.2010 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung, ob es möglich wäre, die begonnene Substitutionsbehandlung als "Notfallmaßnahme" auch ohne diese Urkunde längstens bis zum Ablauf der vorgesehenen Zeit durchzuführen. Sie beabsichtige auch nicht, nach dem 31.12.2011 einen weiteren Ermächtigungsantrag zu stellen, und werde ihre Arbeitgeber entsprechend informieren. Um in den Besitz der Urkunde zu kommen, sei eine Prüfung erforderlich. Zulassungsvoraussetzung hierfür sei der Nachweis einer 36-monatigen Vollzeittätigkeit in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung. Da sie keine Weiterbildungszeiten an einer von der Ärztekammer anerkannten Weiterbildungsstelle nachweisen könne, sei eine Zulassung zur Prüfung nicht möglich.
Mit Bescheid vom 16.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung ab dem 01.05.2010 zur Substitution von bis zu 50 Substitutionspatienten ohne Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" ab: Die Mindestanforderungen der Ärztekammer Nordrhein an eine suchttherapeutische Qualifikation seien dann erfüllt, wenn die Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" erworben worden sei. Die Zulassung zur Prüfung zum Erwerb dieser Weiterbildung setze eine 36-monatige Weiterbildung unter Leitung von weiterbildungsbefugten Ärzten sowie die Teilnahme an einem Kurs "Suchtmedizinische Grundversorgung" über 50 Stunden nach dem Curriculum der Bundesärztekammer voraus. Da es sich um feststehende Vorgaben nach der "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" in Verbindung mit den Vorgaben der Ärztekammer Nordrhein handele, bestehe insoweit kein Ermessensspielraum.
Hiergegen richtet sich die am 31.05.2010 erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, das von der Beklagten geäußerte Verlangen nach Vorlage einer Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" aufgrund mehrjähriger praktischer Weiterbildungstätigkeit sei contra legem und im Vergleich zu den Weiterbildungsbestimmungen anderer Ärztekammern auch unverhältnismäßig.
Seit dem 01.04.2011 ist die Klägerin nicht mehr in der Substitutionsmedizin tätig und hat ihre Tätigkeit für den VfG eingestellt. Sie begehrt nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Bescheide. Diese Feststellung sei vorgreiflich für mehrere derzeit anhängige, gegenwärtig ruhend gestellte Widerspruchsverfahren über den Widerruf ihrer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie über sachlich-rechnerische Berichtigungen ihrer Abrechnungen für die Quartale II/2010 bis I/2011.
Die Klägerin beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 16.03.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 rechtswidrig gewesen sind und die Beklagte verpflichtet war, ihr - der Klägerin - die am 09.03.2010 beantragte Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten auch ohne Vorlage einer Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" zu erteilen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die auf eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage umgestellte Klage mangels (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses bereits für unzulässig. Das streitige Rechtsverhältnis habe keine Auswirkungen auf die ruhend gestellten Widerspruchsverfahren. Selbst im Falle einer antragsgemäßen Entscheidung wären die sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Abrechnungen für die Quartale II/2010 bis I/2011 rechtmäßig, da die begehrte Genehmigung Wirkung lediglich ex nunc entfalten würde. Das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf den Widerruf der Ermächtigung der Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen dürfte sich bereits aufgrund der seit dem 01.04.2011 nicht mehr benötigten Substitutionsgenehmigung erledigt haben.
Materiell-rechtlich habe die Klägerin die Mindestvoraussetzungen der Ärztekammer Nordrhein an eine suchttherapeutische Qualifikation, an welche die Beklagte gebunden sei, nicht erfüllt, da es ihr unstreitig an einer 36-monatigen Weiterbildungszeit fehle.
Die Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sie durch Gerichtsbe-scheid zu entscheiden beabsichtige. Die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erteilt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.
Die Klage ist unzulässig geworden.
Nachdem die Klägerin seit dem 01.04.2011 nicht mehr in der Substitutionsmedizin tätig ist, hat sich die ursprüngliche Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Substitutionsgenehmigung ohne die von der Beklagten geforderten weiteren Qualifikationsnachweise erledigt. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt, der sich erledigt hat, rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Ein solches Interesse ergibt sich vorliegend nicht aus einer möglichen Wiederholungsgefahr. Ausreichend ist insofern die konkrete, in naher Zukunft oder absehbarer Zeit tatsächlich bestehende Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 9. Aufl. 2008, § 131 Rdnr. 10b m.w.N. aus der Rspr. des BSG und BVerwG). Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen zu beabsichtigen, im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein erneut in der Substitutionsmedizin tätig werden zu wollen.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann sich auch nicht auf eine Vorgreiflichkeit des vorliegenden Rechtsstreits für derzeit anhängige, gegenwärtig ruhend gestellte Widerspruchsverfahren über den Widerruf der Ermächtigung der Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie über sachlich-rechnerische Berichtigung ihrer Abrechnungen für die Quartale II/2010 bis I/2011 stützen.
Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw. in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss. Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also z.B. für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen und für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten (BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 6 KA 15/08 R - m.w.N.). Auch weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen, die an persönliche Qualifikationen anknüpfen und damit einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen, können nicht rückwirkend erteilt werden (BSG, Beschluss vom 03.02.2010 - B 6 KA 20/09 B - m.w.N.). Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind. Ebenfalls zu Beginn einer Behandlung muss auch Gewissheit über die Befugnis des Arztes gegeben sein, die Durchführung erforderlicher diagnostischer oder therapeutischer Leistungen durch andere Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen mittels Überweisung zu veranlassen. Dasselbe gilt für Verordnungen und Anordnungen des Arztes, soweit dadurch andere, nichtärztliche Leistungserbringer ihrerseits befugt werden, in Ausführung des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen gegenüber deren Versicherten spezifische Leistungen zu erbringen (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. bereits Urteil vom 28.01.1998 - B 6 KA 41/96 R -).
Fehlt der Klägerin somit ab 01.05.2010 die erforderliche Substitutionsgenehmigung, können ihr vertragsärztlicher Status und ihre Honoraransprüche seit diesem Zeitpunkt nicht rückwirkend wiederhergestellt werden.
Die Klägerin hat schließlich nicht substantiiert ankündigt, im Falle eines Prozesserfolges im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte mit Schadenersatz- bzw. Amtshaftungsansprüchen vorgehen zu wollen (vgl. dazu BSG, Urteile vom 09.06.1999 - B 6 KA 2/98 R -; vom 11.12.2002 - B 6 KA 32/01 R -). Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann daher auch nicht aus einer Präjudizialität des vorliegenden Verfahrens für einen zivilgerichtlichen Prozess abgeleitet werden.
Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet.
Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten auch ohne Vorlage einer Urkunde der Ärztekammer Nordrhein über die Anerkennung zum Führen der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung".
Rechtsgrundlage für die Erteilung der von der Klägerin beantragten Substitutionsgenehmigung über den 30.04.2010 hinaus sind die §§ 2, 10 Abs. 1 der Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung" in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Letztere Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation erfüllt, die von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgelegt werden. Die Ärztekammer Nordrhein hat hierzu die Zusatzweiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" (Abschnitt C Ziffer 45 der Weiterbildungsordnung (WBO) in der Fassung ab 01.10.2008) als neue Fachkunde in die WBO eingeführt (vgl. dazu Rhein. Ärzteblatt 2001, 65 ff.). Diese sieht eine - von der Klägerin absolvierte - Weiterbildungszeit von 50 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 WBO in "Suchtmedizinische Grundversorgung" vor. Voraussetzung für den Erwerb der Bezeichnung ist ferner eine 36-monatige Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 WBO. Eine solche Weiterbildung hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
In diesem Zusammenhang dringt die Klägerin mit ihrem Hinweis auf Ziffer 16 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger (Qualifikation des behandelnden Arztes) auf der Grundlage des § 5 Abs. 11 BtMVV, in denen weder von dem Erwerb der Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" noch von der Ableistung einer 3-jährigen Weiterbildung die Rede sei, nicht durch. § 5 Abs. 11 BtMVV ermächtigt die Bundesärztekammer zur Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien nur für (1) die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 Buchst. c, ferner für (2) die Auswahl des Substitutionsmittels nach Abs. 4 Satz 4 und für (3) die Bewertung des bisherigen Erfolges der Behandlung nach Abs. 8 Satz 1 und 4 sowie zur Dokumentation nach Abs. 10. Eine Ermächtigung der Bundesärztekammer, auch die von dem Arzt zu erfüllenden Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz Nr. 6 in Richtlinien festzulegen, enthält § 5 Abs. 11 BtMVV nicht.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, das Erfordernis einer 36-monatigen Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung gehe in unverhältnismäßiger Weise über die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation hinaus, vermag sich die Kammer dieser Ansicht nicht anzuschließen. Zwar trifft es zu, dass die einzelnen Ärztekammern den Erwerb der Bezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung" an unterschiedliche Voraussetzungen knüpfen. Diese sehen in Teil C der jeweiligen Weiterbildungsordnungen zum Teil keine Voraussetzungen vor (Bayern, Brandenburg, Hessen, Saarland, Thüringen), verlangen mitunter eine Facharztanerkennung (Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Westfalen-Lippe), Facharztkompetenz (Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) oder mindestens 5-jährige ärztliche Tätigkeit (Sachsen) oder eine Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung mit einer Dauer von 24 Monaten (Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt) bzw. 36 Monaten (Nordrhein). Zu berücksichtigen ist dabei, dass das ärztliche Weiterbildungsrecht zur Materie des ärztlichen Berufsrechts gehört und aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung im Bereich der Normsetzung eine Angelegenheit des Landesrechts ist, das die nähere Ausgestaltung der Regelungsbefugnis eigenständig den Ärztekammern als Selbstverwaltungskörperschaften übertragen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 RKa 58/96 -; Seewald, VSSR 2008, 131 ff.). Abzustellen ist bei der Normsetzung insofern auf die jeweiligen gesundheitlichen Versorgungsbedürfnisse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.2000 - 1 BvR 1662/97 - zu Facharztbezeichnungen). Wenn die mit den Verhältnissen in ihrem Zuständigkeitsbereich vertraute Ärztekammer Nordrhein die Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation der Ärzte dahin bestimmt, dass eine 36-monatige Weiterbildung in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung erforderlich sei, um die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Krankheitsbildern im Zusammenhang mit dem schädlichen Gebrauch suchterzeugender Stoffe und nicht stoffgebundener Suchterkrankungen (vgl. Definition der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung") qualitativ ausreichend zu erbringen, begegnet dies auch angesichts der damit verbundenen Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit der interessierten Ärzte keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere mit Blick auf diejenigen Weiterbildungsordnungen, die eine volle - nach mehrjähriger Weiterbildung erworbene - Facharztanerkennung zur Voraussetzung des Erwerbs der Zusatzbezeichnung machen.
Unerheblich und von der Kammer nicht zu prüfen ist, ob und inwieweit die Länder bzw. Kammern für die vorliegende Situation der Zusatz-Weiterbildung "Suchtmedizinische Grundversorgung" wechselseitig die Qualitätssicherung durch andere Bundesländer bzw. Kammern akzeptieren, ob also die Klägerin in den Bezirk einer anderen Ärztekammer, die geringere Voraussetzungen statuiert, umsiedeln könnte, sich dort die Befugnis zum Führen der Zusatz-Bezeichnung verleihen ließe, um anschließend nach C zurückzukehren, wo die Beklagte die Verleihung durch die andere Ärztekammer anerkennen müsste. Eine Gegenseitigkeitsklausel gewährleistet jedenfalls nicht den landesüblichen bzw. kammerüblichen Ausbildungsstandard (BVerfG a.a.O.); nur hierauf kommt es vorliegend an.
Die vorstehenden Erwägungen hatte die Kammer den Beteiligten bereits mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.05.2010 - S 2 KA 197/10 ER - vermittelt. Hieran hält sie fest.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens war für notwendig zu erklären. Die aus Gründen der Effizienz gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO dem Gericht vorbehaltene Entscheidung, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, gehört nicht zur Kostenfolge, über die nach § 161 Abs. 1 VwGO im Urteil zu entscheiden ist. Denn sie regelt nicht die Kostenerstattungspflicht der Beteiligten dem Grunde nach, sondern betrifft nur den Umfang der Kostenerstattungspflicht (BayVGH, Beschluss vom 25.03.2009 - 8 B 07.197 - unter Hinweis auf BVerwG vom 18.02.1981, Buchholz 310 § 162 Nr. 15; BVerwG vom 18.11.2002, NVwZ-RR 2003, 246).
Die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren ist danach zu beurteilen, ob der Widerspruchsführer im Zeitpunkt der Beauftragung seines Bevollmächtigten es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden (sog. Ex-ante-Sicht, vgl. BSG, Beschluss vom 29.09.1999 - B 6 KA 30/99 B - m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn schwierige Sach- oder Rechtsfragen eine Rolle spielen und deshalb ein Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand des Widerspruchsführers sich vernünftigerweise eines Rechtsanwalts bedient. Das ist gegeben z.B. bei Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, wenn in der Widerspruchsbegründung nicht allein medizinische Aspekte der Behandlungsweise, sondern schwierige Sachfragen und/oder Rechtsfragen erörtert werden (BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 78/04 R -), und in der Regel auch in Verfahren, in denen es um die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung geht (BSG, Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R -). Auch der vorliegende Fall, in dem schwierige Rechtsfragen in entlegeneren Rechtsgebieten um die Qualifikation der Widerspruchsführerin und späteren Klägerin thematisiert wurden, bedurfte aus Sicht der Klägerin sinnvollerweise anwaltlicher Unterstützung.
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