Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 149/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt im Kern die Zulassungsentziehung ihres ehemaligen Partners einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG).
Die Klägerin ist Fachärztin für Diagnostische Radiologie. Sie war seit dem Jahre 2001 mit dem Beigeladenen zu 8), ebenfalls einem Facharzt für Diagnostische Radiologie, in einer BAG am Vertragsarztsitz Cstraße 00 in S vertragsärztlich tätig gewesen. Auf Antrag des Beigeladenen zu 8) genehmigte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf mit Beschlüssen vom 08.10.2009 die Verlegung seines Vertragsarztsitzes zur Bstraße 00 in S mit Wirkung vom 01.01.2010 und stellte zugleich die Beendigung der BAG zum 31.12.2009 fest.
Nach der Sitzverlegung durch den Beigeladenen zu 8) führte die Klägerin vom 01.01.2010 bis zum 30.09.2010 eine Einzelpraxis. Seit dem 01.10.2010 ist sie erneut in einer BAG tätig, nunmehr mit dem Facharzt für Radiologie D E, der seinerseits seinen Vertragsarztsitz von der L-B-Straße 00, S, in die Cstraße 00, S, verlegt hat. Gegen die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 08.10.2009 gerichtete Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Beschluss vom 16.12.2009 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung an. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist obergerichtlich durch Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23.12.2010 - L 11 KA 95/10 - bestätigt worden. Im Hauptsacheverfahren hat die erkennende Kammer mit Urteil vom 27.07.2011 - S 2 KA 53/10 - die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 16.12.2009 abgewiesen.
Unter dem 02.11.2010 beantragte die Klägerin, Herrn I1-U H "den Vertragsarztsitz gemäß § 27 Zulassungsverordnung i.V.m. § 95 Abs. 6 SGB V zu entziehen". Zur Begründung erhob sie zahlreiche Vorwürfe gegen ihn in Bezug auf sein Verhalten in der BAG.
Durch Beschluss vom 13.01.2011 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf den Entziehungsantrag ab mit der Begründung, die Klägerin sei nicht antragsbefugt; die Antragsbefugnis hinsichtlich der Entziehung der Zulassung stehe gemäß § 27 Satz 2 Ärzte-ZV ausschließlich der dort genannten Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Verbänden der Ersatzkassen zu.
Einen hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 30.03.2011, als Bescheid ausgefertigt am 21.04.2011, zurück, weil die Klägerin nicht befugt sei, einen Entziehungsantrag zu stellen. Dies sei vielmehr nach § 27 Satz 2 Ärzte-ZV der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen vorbehalten. Die Zulassungsentziehung diene nämlich ausschließlich dazu, das System der vertragsärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und funktionsfähig zu halten, also Ärzten keine Zulassung zuzugestehen, die zur vertragsärztlichen Tätigkeit objektiv ungeeignet seien. Das Entziehungsverfahren diene mithin nicht dazu, einen niedergelassenen Vertragsarzt bei einer beruflichen Auseinandersetzung mit einem anderen Vertragsarzt - zumal in einem bereits anhängigen Klageverfahren - zu unterstützen. So lägen die Dinge aber hier. Das Motiv für den Entziehungsantrag liege nämlich offensichtlich in dem Zerwürfnis mit Herrn H.
Hiergegen richtet sich die am 26.05.2010 erhobene Klage.
Die Klägerin hält die Entscheidung des Beklagten, sie nicht als antragsbefugt zu erachten, für willkürlich vor dem Hintergrund, dass die Beigeladene zu 7) Honorare in Höhe von rund 1,6 Mio. EUR von den Partnern der ehemaligen BAG zurückfordere mit der Behauptung eines Scheinarbeitsverhältnisses des Beigeladenen zu 8) in der ehemaligen BAG. Konsequenzen ihm gegenüber seien jedoch unterblieben und allein gegen sie gerichtet. Ihre Klagebefugnis folge sowohl aus dem Gesichtspunkt des offensiven wie des defensiven Konkurrentenschutzes.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beschluss des Berufungsausschusses vom 30.03.2011 aufzuheben, sowie
2. den Beklagten zu verurteilen, die vertragsärztliche Zulassung des Herrn U H zu entziehen,
3. die Zulassung auf die jetzige GP I2/E zu übertragen,
4. die KV zu verpflichten, die Genehmigung zur Abrechnung von MRT- Leistungen Herrn H zu entziehen,
hilfsweise
5. den Beklagten zu verurteilen, die Zulassung des H ruhen zu lassen, bis über die Honorarrückforderung entschieden ist,
äußerst hilfsweise,
6. den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, von Amts wegen ein Verfahren zur Zulassungsent- ziehung unter Beachtung des Honorarrückforderungsbescheides und der dortigen Rechtsauffassung der KV vom 26.11.2010 einzuleiten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig und die Klageanträge zum Teil für unzulässig.
Die Beigeladene zu 7) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene zu 8) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass - über die fehlende Antragsberechtigung der Klägerin hinaus - auch Entziehungsgründe nach § 95 Abs. 6 SGB V für eine Zulassungsentziehung von Amts wegen nicht gegeben seien. Er habe seine vertragsärztliche Tätigkeit in seiner Einzelpraxis korrekt aufgenommen und übe sie unbeanstandet aus. Die von der Klägerin vorgebrachten Vorgänge aus der beendeten BAG seien in einem Zulassungsentziehungsverfahren ohnehin unbeachtlich, da es darin nur um Umstände gehe, die geeignet seien, den Schutz der vertragsärztlichen Versorgung zu gefährden. Um die vorgetragenen Umstände zu klären, habe die Klägerin ihn zivilrechtlich dahin verklagt, auf die auf seinen Namen lautende vertragsärztliche Zulassung zugunsten der fortbestehenden Gemeinschaftspraxis mit der Klägerin zu verzichten und eine Wiederbesetzung dieses Vertragsarztsitzes bei dem verbleibenden Vertragsarzt zum 01.01.2010 zu ermöglichen. Nach zurückweisendem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11.12.2009 - 4 O 354/09 - hätten sich die Parteien vor dem OLG Düsseldorf am 11.02.2011 im Berufungsrechtsstreit I-16 U 46/10 verglichen, wonach insbesondere alle Ansprüche abgegolten seien und die Klägerin die Kosten zu 90 % trage. Mit ihrem Verhalten in dem vorliegenden Rechtsstreit versuche die Klägerin, sich über das rechtskräftig abgeschlossene zivilgerichtliche Verfahren hinwegzusetzen und eine neue Möglichkeit zu suchen, ihm einen Verlust seiner vertragsärztlichen Zulassung zuzufügen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bezüglich des Klageantrages zu 1) zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da dieser rechtmäßig ist. Der Bescheid war deshalb nicht aufzuheben.
Der Beklagte hat es als zweite Verwaltungsinstanz zutreffend abgelehnt, auf den Antrag der Klägerin eine sachliche Entscheidung über die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung des Beigeladenen zu 8) zu treffen, weil die Klägerin insofern nicht befugt ist, einen Entziehungsantrag zu stellen. Nach § 27 Satz 2 Ärzte-ZV können allein die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen die Entziehung der Zulassung beim Zulassungsausschuss unter Angabe der Gründe beantragen. Darüber hinaus hat der Zulassungsausschuss von Amts wegen über die vollständige oder hälftige Entziehung der Zulassung zu beschließen, wenn die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 6 SGB V gegeben sind. Insofern steht einem Vertragsarzt zwar die Möglichkeit offen, beim Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung eines anderen Vertragsarztes anzuregen. Ein einklagbares subjektiv-öffentliches Recht auf Durchsetzung eines darauf gerichteten Anspruchs hat er jedoch nicht.
Subjektiv-öffentliche Rechte unterscheiden sich von lediglich tatsächlich begünstigenden sog. Rechtsreflexen dadurch, dass die Rechtsordnung Individuen ein Recht auf Normvollzug, d.h. einen Gesetzesvollziehungsanspruch, gewährt. Eine Reihe von Normen, die staatliche Leistungs- oder sonstige Handlungspflichten begründen, räumt den Begünstigten ausdrücklich ein subjektiv-öffentliches Recht ein (z.B. § 1 BAFöG, §§ 38, 39 SGB I, § 97 Abs. 7 GWB) oder schließt ein solches aus (z.B. § 1 Abs. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 BauGB, § 3 Abs. 2 HGrG, § 29 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Sofern eine ausdrückliche normative Regelung fehlt, ist einem Rechtssatz nach der herrschenden sog. Schutznormlehre im Wege der Auslegung ein subjektiv-öffentliches Recht zu entnehmen, wenn er (1) eine objektive Verhaltenspflicht begründet, die (2) nicht ausschließlich zur Verwirklichung von öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch der Befriedigung von Individualinteressen dient, und er (3) dem Betroffenen die Rechtsmacht einräumt, die normgeschützten Interessen gegenüber dem Verpflichteten durchzusetzen (vgl. dazu Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., Berlin 2010, Kap. 12 (Subjektiv-öffentliche Rechte), Rn. 9 ff. m.v.w.N.).
Die Rechtsordnung weist mit § 27 Ärzte-ZV dem Zulassungsausschuss (als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung) das Recht und die Pflicht zu, von Amts wegen über eine Zulassungsentziehung zu befinden, und räumt der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kostenträgern der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit Antragsrechte ein. Die Beschränkung der Antragsrechte auf diese öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist dabei abschließend. Sie gründet sich darauf, dass diesen Institutionen die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung übertragen ist. Diese Sicherung erfordert auch, Vertragsärzte, bei denen die Zulassungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, die ihre vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnehmen oder nicht mehr ausüben oder ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzen (§ 95 Abs. 6 SGB V), aus dem System zu entfernen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - zur Zulassungsentziehung wegen Pflichtverletzungen). Die Zulassungsentziehung dient dabei - wie der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt - ausschließlich dazu, das System der vertragsärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und funktionsfähig zu halten, also Ärzten keine Zulassung zuzugestehen, die zur vertragsärztlichen Tätigkeit objektiv ungeeignet sind. Die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems dient jedoch allein öffentlichen Interessen und nicht der Befriedigung von Individualinteressen einzelner Leistungserbringer. Ein subjektiv-öffentliches Recht, das für den einzelnen Vertragsarzt ein einklagbares Antragsrecht auf Zulassungsentziehung begründet, besteht daher nicht. Demgemäß hat das LSG Niedersachsen mit Urteil vom 24.04.1996 - L 5 Ka 25/95 - NZS 1996, 639 (Leitsatz) entschieden, ein niedergelassener Vertragsarzt habe keinen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung darauf, dass diese beim Zulassungsausschuss die Rücknahme oder den Widerruf einer einem Krankenhausarzt erteilten Ermächtigung beantragt, oder dass diese beim Zulassungsausschuss den Antrag stellt, bestimmten Krankenhausärzten keine Ermächtigung zu erteilen, oder dass diese Widerspruch gegen Krankenhausärzten erteilte Ermächtigungen einlegt. Nichts Anderes gilt für die vorliegende Situation des Begehrens auf Zulassungsentziehung des Beigeladenen zu 8).
Die Klageanträge zu 2. (auf Entziehung der Zulassung des Beigeladenen zu 8)) und zu 5. (auf Ruhendstellung der Zulassung des Beigeladenen zu 8), was als Minus gegenüber dem Klageantrag zu 2. verstanden werden kann) und zu 6. (auf Einleitung eines Entziehungsverfahrens) sind daher jedenfalls unbegründet. Dies gilt akzessorisch auch für den Klageantrag zu 3. (auf Übertragung der Zulassung des Beigeladenen zu 8) auf die neue BAG der Klägerin mit E). Der Beigeladene zu 8) ist Inhaber einer wirksamen Zulassung und hat diese durch sein Ausscheiden aus der ehemaligen BAG mit der Klägerin und die Verlegung seines Praxissitzes nicht verloren (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 27.07.2011 - S 2 KA 53/10 -).
Dass im Übrigen ganz erheblichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der vorstehenden Klageanträge bestehen, mag dahinstehen. Unzulässig ist aber in jedem Falle der Klageantrag zu 3. (auf Verpflichtung der Beigeladenen zu 7), dem Beigeladenen zu 8) die MRT-Genehmigung zu entziehen). Abgesehen davon, dass auch insofern ein subjektiv-öffentliches Recht der Klägerin fehlt, mangelt es an jeglichem Verwaltungsverfahren und gibt es keine anfechtbaren Verwaltungsakte. Selbst wenn das Begehren als Untätigkeitsklage verstanden werden sollte, war über eine solche Klage in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht zu befinden. Denn die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein war hier nicht Beklagte, sondern (notwendig) Beigeladene im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG. Beigeladene können aber - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Sondersituation des § 75 Abs. 5 SGG - nicht verurteilt werden.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 8) sind aus Billigkeit der Klägerin aufzuerlegen, weil dieser Beigeladene erfolgreich einen klageabweisenden Antrag gestellt hat. Mit dieser Antragstellung hat er sich dem Risiko der Kostentragung nach § 154 Abs. 3 VwGO unterworfen. Die Billigkeit gebietet daher, dass seine Kosten erstattet werden, wenn sein Antrag zum Ziel führt (Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 162 Rn. 15 m.w.N.).
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt im Kern die Zulassungsentziehung ihres ehemaligen Partners einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG).
Die Klägerin ist Fachärztin für Diagnostische Radiologie. Sie war seit dem Jahre 2001 mit dem Beigeladenen zu 8), ebenfalls einem Facharzt für Diagnostische Radiologie, in einer BAG am Vertragsarztsitz Cstraße 00 in S vertragsärztlich tätig gewesen. Auf Antrag des Beigeladenen zu 8) genehmigte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf mit Beschlüssen vom 08.10.2009 die Verlegung seines Vertragsarztsitzes zur Bstraße 00 in S mit Wirkung vom 01.01.2010 und stellte zugleich die Beendigung der BAG zum 31.12.2009 fest.
Nach der Sitzverlegung durch den Beigeladenen zu 8) führte die Klägerin vom 01.01.2010 bis zum 30.09.2010 eine Einzelpraxis. Seit dem 01.10.2010 ist sie erneut in einer BAG tätig, nunmehr mit dem Facharzt für Radiologie D E, der seinerseits seinen Vertragsarztsitz von der L-B-Straße 00, S, in die Cstraße 00, S, verlegt hat. Gegen die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 08.10.2009 gerichtete Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Beschluss vom 16.12.2009 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung an. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist obergerichtlich durch Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23.12.2010 - L 11 KA 95/10 - bestätigt worden. Im Hauptsacheverfahren hat die erkennende Kammer mit Urteil vom 27.07.2011 - S 2 KA 53/10 - die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 16.12.2009 abgewiesen.
Unter dem 02.11.2010 beantragte die Klägerin, Herrn I1-U H "den Vertragsarztsitz gemäß § 27 Zulassungsverordnung i.V.m. § 95 Abs. 6 SGB V zu entziehen". Zur Begründung erhob sie zahlreiche Vorwürfe gegen ihn in Bezug auf sein Verhalten in der BAG.
Durch Beschluss vom 13.01.2011 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf den Entziehungsantrag ab mit der Begründung, die Klägerin sei nicht antragsbefugt; die Antragsbefugnis hinsichtlich der Entziehung der Zulassung stehe gemäß § 27 Satz 2 Ärzte-ZV ausschließlich der dort genannten Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Verbänden der Ersatzkassen zu.
Einen hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 30.03.2011, als Bescheid ausgefertigt am 21.04.2011, zurück, weil die Klägerin nicht befugt sei, einen Entziehungsantrag zu stellen. Dies sei vielmehr nach § 27 Satz 2 Ärzte-ZV der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen vorbehalten. Die Zulassungsentziehung diene nämlich ausschließlich dazu, das System der vertragsärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und funktionsfähig zu halten, also Ärzten keine Zulassung zuzugestehen, die zur vertragsärztlichen Tätigkeit objektiv ungeeignet seien. Das Entziehungsverfahren diene mithin nicht dazu, einen niedergelassenen Vertragsarzt bei einer beruflichen Auseinandersetzung mit einem anderen Vertragsarzt - zumal in einem bereits anhängigen Klageverfahren - zu unterstützen. So lägen die Dinge aber hier. Das Motiv für den Entziehungsantrag liege nämlich offensichtlich in dem Zerwürfnis mit Herrn H.
Hiergegen richtet sich die am 26.05.2010 erhobene Klage.
Die Klägerin hält die Entscheidung des Beklagten, sie nicht als antragsbefugt zu erachten, für willkürlich vor dem Hintergrund, dass die Beigeladene zu 7) Honorare in Höhe von rund 1,6 Mio. EUR von den Partnern der ehemaligen BAG zurückfordere mit der Behauptung eines Scheinarbeitsverhältnisses des Beigeladenen zu 8) in der ehemaligen BAG. Konsequenzen ihm gegenüber seien jedoch unterblieben und allein gegen sie gerichtet. Ihre Klagebefugnis folge sowohl aus dem Gesichtspunkt des offensiven wie des defensiven Konkurrentenschutzes.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beschluss des Berufungsausschusses vom 30.03.2011 aufzuheben, sowie
2. den Beklagten zu verurteilen, die vertragsärztliche Zulassung des Herrn U H zu entziehen,
3. die Zulassung auf die jetzige GP I2/E zu übertragen,
4. die KV zu verpflichten, die Genehmigung zur Abrechnung von MRT- Leistungen Herrn H zu entziehen,
hilfsweise
5. den Beklagten zu verurteilen, die Zulassung des H ruhen zu lassen, bis über die Honorarrückforderung entschieden ist,
äußerst hilfsweise,
6. den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, von Amts wegen ein Verfahren zur Zulassungsent- ziehung unter Beachtung des Honorarrückforderungsbescheides und der dortigen Rechtsauffassung der KV vom 26.11.2010 einzuleiten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig und die Klageanträge zum Teil für unzulässig.
Die Beigeladene zu 7) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene zu 8) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass - über die fehlende Antragsberechtigung der Klägerin hinaus - auch Entziehungsgründe nach § 95 Abs. 6 SGB V für eine Zulassungsentziehung von Amts wegen nicht gegeben seien. Er habe seine vertragsärztliche Tätigkeit in seiner Einzelpraxis korrekt aufgenommen und übe sie unbeanstandet aus. Die von der Klägerin vorgebrachten Vorgänge aus der beendeten BAG seien in einem Zulassungsentziehungsverfahren ohnehin unbeachtlich, da es darin nur um Umstände gehe, die geeignet seien, den Schutz der vertragsärztlichen Versorgung zu gefährden. Um die vorgetragenen Umstände zu klären, habe die Klägerin ihn zivilrechtlich dahin verklagt, auf die auf seinen Namen lautende vertragsärztliche Zulassung zugunsten der fortbestehenden Gemeinschaftspraxis mit der Klägerin zu verzichten und eine Wiederbesetzung dieses Vertragsarztsitzes bei dem verbleibenden Vertragsarzt zum 01.01.2010 zu ermöglichen. Nach zurückweisendem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11.12.2009 - 4 O 354/09 - hätten sich die Parteien vor dem OLG Düsseldorf am 11.02.2011 im Berufungsrechtsstreit I-16 U 46/10 verglichen, wonach insbesondere alle Ansprüche abgegolten seien und die Klägerin die Kosten zu 90 % trage. Mit ihrem Verhalten in dem vorliegenden Rechtsstreit versuche die Klägerin, sich über das rechtskräftig abgeschlossene zivilgerichtliche Verfahren hinwegzusetzen und eine neue Möglichkeit zu suchen, ihm einen Verlust seiner vertragsärztlichen Zulassung zuzufügen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bezüglich des Klageantrages zu 1) zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da dieser rechtmäßig ist. Der Bescheid war deshalb nicht aufzuheben.
Der Beklagte hat es als zweite Verwaltungsinstanz zutreffend abgelehnt, auf den Antrag der Klägerin eine sachliche Entscheidung über die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung des Beigeladenen zu 8) zu treffen, weil die Klägerin insofern nicht befugt ist, einen Entziehungsantrag zu stellen. Nach § 27 Satz 2 Ärzte-ZV können allein die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen die Entziehung der Zulassung beim Zulassungsausschuss unter Angabe der Gründe beantragen. Darüber hinaus hat der Zulassungsausschuss von Amts wegen über die vollständige oder hälftige Entziehung der Zulassung zu beschließen, wenn die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 6 SGB V gegeben sind. Insofern steht einem Vertragsarzt zwar die Möglichkeit offen, beim Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung eines anderen Vertragsarztes anzuregen. Ein einklagbares subjektiv-öffentliches Recht auf Durchsetzung eines darauf gerichteten Anspruchs hat er jedoch nicht.
Subjektiv-öffentliche Rechte unterscheiden sich von lediglich tatsächlich begünstigenden sog. Rechtsreflexen dadurch, dass die Rechtsordnung Individuen ein Recht auf Normvollzug, d.h. einen Gesetzesvollziehungsanspruch, gewährt. Eine Reihe von Normen, die staatliche Leistungs- oder sonstige Handlungspflichten begründen, räumt den Begünstigten ausdrücklich ein subjektiv-öffentliches Recht ein (z.B. § 1 BAFöG, §§ 38, 39 SGB I, § 97 Abs. 7 GWB) oder schließt ein solches aus (z.B. § 1 Abs. 3 Satz 2, § 123 Abs. 3 BauGB, § 3 Abs. 2 HGrG, § 29 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Sofern eine ausdrückliche normative Regelung fehlt, ist einem Rechtssatz nach der herrschenden sog. Schutznormlehre im Wege der Auslegung ein subjektiv-öffentliches Recht zu entnehmen, wenn er (1) eine objektive Verhaltenspflicht begründet, die (2) nicht ausschließlich zur Verwirklichung von öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch der Befriedigung von Individualinteressen dient, und er (3) dem Betroffenen die Rechtsmacht einräumt, die normgeschützten Interessen gegenüber dem Verpflichteten durchzusetzen (vgl. dazu Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., Berlin 2010, Kap. 12 (Subjektiv-öffentliche Rechte), Rn. 9 ff. m.v.w.N.).
Die Rechtsordnung weist mit § 27 Ärzte-ZV dem Zulassungsausschuss (als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung) das Recht und die Pflicht zu, von Amts wegen über eine Zulassungsentziehung zu befinden, und räumt der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kostenträgern der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit Antragsrechte ein. Die Beschränkung der Antragsrechte auf diese öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist dabei abschließend. Sie gründet sich darauf, dass diesen Institutionen die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung übertragen ist. Diese Sicherung erfordert auch, Vertragsärzte, bei denen die Zulassungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, die ihre vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnehmen oder nicht mehr ausüben oder ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzen (§ 95 Abs. 6 SGB V), aus dem System zu entfernen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - zur Zulassungsentziehung wegen Pflichtverletzungen). Die Zulassungsentziehung dient dabei - wie der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt - ausschließlich dazu, das System der vertragsärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und funktionsfähig zu halten, also Ärzten keine Zulassung zuzugestehen, die zur vertragsärztlichen Tätigkeit objektiv ungeeignet sind. Die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems dient jedoch allein öffentlichen Interessen und nicht der Befriedigung von Individualinteressen einzelner Leistungserbringer. Ein subjektiv-öffentliches Recht, das für den einzelnen Vertragsarzt ein einklagbares Antragsrecht auf Zulassungsentziehung begründet, besteht daher nicht. Demgemäß hat das LSG Niedersachsen mit Urteil vom 24.04.1996 - L 5 Ka 25/95 - NZS 1996, 639 (Leitsatz) entschieden, ein niedergelassener Vertragsarzt habe keinen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung darauf, dass diese beim Zulassungsausschuss die Rücknahme oder den Widerruf einer einem Krankenhausarzt erteilten Ermächtigung beantragt, oder dass diese beim Zulassungsausschuss den Antrag stellt, bestimmten Krankenhausärzten keine Ermächtigung zu erteilen, oder dass diese Widerspruch gegen Krankenhausärzten erteilte Ermächtigungen einlegt. Nichts Anderes gilt für die vorliegende Situation des Begehrens auf Zulassungsentziehung des Beigeladenen zu 8).
Die Klageanträge zu 2. (auf Entziehung der Zulassung des Beigeladenen zu 8)) und zu 5. (auf Ruhendstellung der Zulassung des Beigeladenen zu 8), was als Minus gegenüber dem Klageantrag zu 2. verstanden werden kann) und zu 6. (auf Einleitung eines Entziehungsverfahrens) sind daher jedenfalls unbegründet. Dies gilt akzessorisch auch für den Klageantrag zu 3. (auf Übertragung der Zulassung des Beigeladenen zu 8) auf die neue BAG der Klägerin mit E). Der Beigeladene zu 8) ist Inhaber einer wirksamen Zulassung und hat diese durch sein Ausscheiden aus der ehemaligen BAG mit der Klägerin und die Verlegung seines Praxissitzes nicht verloren (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 27.07.2011 - S 2 KA 53/10 -).
Dass im Übrigen ganz erheblichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der vorstehenden Klageanträge bestehen, mag dahinstehen. Unzulässig ist aber in jedem Falle der Klageantrag zu 3. (auf Verpflichtung der Beigeladenen zu 7), dem Beigeladenen zu 8) die MRT-Genehmigung zu entziehen). Abgesehen davon, dass auch insofern ein subjektiv-öffentliches Recht der Klägerin fehlt, mangelt es an jeglichem Verwaltungsverfahren und gibt es keine anfechtbaren Verwaltungsakte. Selbst wenn das Begehren als Untätigkeitsklage verstanden werden sollte, war über eine solche Klage in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht zu befinden. Denn die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein war hier nicht Beklagte, sondern (notwendig) Beigeladene im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG. Beigeladene können aber - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Sondersituation des § 75 Abs. 5 SGG - nicht verurteilt werden.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 8) sind aus Billigkeit der Klägerin aufzuerlegen, weil dieser Beigeladene erfolgreich einen klageabweisenden Antrag gestellt hat. Mit dieser Antragstellung hat er sich dem Risiko der Kostentragung nach § 154 Abs. 3 VwGO unterworfen. Die Billigkeit gebietet daher, dass seine Kosten erstattet werden, wenn sein Antrag zum Ziel führt (Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 162 Rn. 15 m.w.N.).
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