S 10 AS 3350/11 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 3350/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: S 10 AS 3357/11) gegen den Versagungsbescheid des Antragsgegners vom 27.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2011 wird festgestellt. Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01.10.2011 bis zum 29.02.2012 vorläufig darlehensweise Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich 364,00 EUR Regelsatz zzgl. 328,00 EUR Kosten der Unterkunft zzgl. der Heizkosten zu bewilligen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Der Antragsteller stand ab dem Jahr 2007 bei dem Antragsgegner im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Zuletzt wurden dem Antragsteller seitens des Antragsgegners mit Bescheid vom 04.12.2009 (Bl. 312 d. VA) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 30.06.2010 i.H.v. insgesamt 345,06 EUR bewilligt. Im Frühjahr des Jahres 2010 erbte der Antragsteller ein Hausgrundstück im Gesamtwert von 130.000,00 EUR (Vgl. Bl. 353 d. VA), welches zum Zeitpunkt des Erbfalls mit einer Grundschuld i.H.v. 60.000,00 EUR belastet war (vgl. Bl. 364 d. VA). Dieses Grundstück veräußerte der Antragsteller im Nachgang nach Abzug aller Verbindlichkeiten für einen Gesamterlös i.H.v. 72.350,39 EUR, welcher dem Girokonto des Antragstellers am 30.03.2010 gutgeschrieben wurde. Sodann wurde der Bescheid vom 04.12.2009 über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen mit Bescheid vom 24.03.2010 für die Zeit ab dem 01.04.2010 vollständig aufgehoben, da der Erlös aus dem Erbe als "Vermögen" in Anrechnung gebracht wurde.

In der Folgezeit verbrauchte der Antragsteller weitestgehend das erhaltene Geld, bis er am 09.03.2011 erneut einen Antrag auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen stellte.

Im Rahmen dieser Antragstellung wurde der Antragsteller vom Antragsgegner aufgefordert u.a. ungeschwärzte Kontoauszüge für gewisse Transaktionen (vgl. Bl. 453 d. VA) vorzulegen, um festzustellen, ob diese Überweisungen unabdingbar für die Bestreitung des Lebensunterhalts waren. Nachdem sich der Antragsteller unter Berufung auf datenschutzrechtliche Aspekte weigerte, die Kontoauszüge (ungeschwärzt) vorzulegen, versagte der Antragsgegner nach Hinweis auf die Rechtsfolgen die Leistungen mit Bescheid vom 27.04.2011. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht Klage unter dem Az.: S 10 AS 3357/11.

Nachdem auch in der Folgezeit seitens des Antragsgegners keine Leistungen gezahlt wurden, hat der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, dass er nicht verpflichtet sei, die angeforderten Kontoauszüge vorzulegen. Im Übrigen sei das Geld mittlerweile – überwiegend zur Tilgung von Verbindlichkeiten – verbraucht.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in gesetzlicher Höhe zzgl. Kosten der Unterkunft i.H.v. 353,00 EUR zzgl. Heizkosten bis längstens zum 29.02.2012 zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass der Antragsteller seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen sei. Insbesondere habe der Antragsteller Verfügungen über die Erbsumme getätigt, welche eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers als zweifelhaft erscheinen lassen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II. Der Antrag des Antragstellers ist – nach Auslegung desselben – zulässig.

Zu 1) Bei wohlwollender Auslegung des Antrags ist davon auszugehen, dass sich der anwaltlich vertretene Antragsteller zunächst gegen den Versagungsbescheid des Antragsgegners vom 27.04.2011 wendet. Soweit die Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 S 1 oder 2 SGB I (Erstes Sozialgesetzbuch) vorliegen, kann der Leistungsträger die Leistung ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Versagung ist die Ablehnung einer beantragten oder von Amts wegen festzustellenden Leistung, Entziehung die Einstellung einer Leistung, die bereits bewilligt und erbracht worden ist. Gegen beide ist Anfechtungsklage zu erheben, im Falle der Entziehung der Leistung kann diese mit der allgemeinen Leistungsklage verbunden werden (BSG 22.2.1995 – 4 RA 44/94BSGE 76, 16 = SozR 1200 § 66 Nr 10; BSG 26.5.1983 – 10 RKg 13/82SozR 3-1200 § 66 Nr 3). Würde sich der Antragsteller im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht (separat) gegen den Versagungsbescheid wenden, würde dieser dem darüber hinausgehenden Leistungs- /Verpflichtungsbegehren des Antragstellers zwangsläufig entgegenstehen.

Insoweit ist der Antrag des Antragstellers gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz) unstatthaft. Danach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (Satz 1). Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (Satz 2). Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II haben der Widerspruch und die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt keine aufschiebende Wirkung. Da vorliegend kein Fall des § 39 Nr. 1 SGB II gegeben ist, haben Widerspruch und Klage gegen den Versagungsbescheid vom 27.04.2011 aufschiebende Wirkung, womit § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht einschlägig ist (vgl. hierzu LSG Hessen, Beschluss vom 26.08.2008 – Az.: L 9 SO 56/08 B ER).

Allerdings missachtet der Antragsgegner – mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung des Versagungsbescheids – vorliegend die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage, womit gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG analog ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht statthaft ist.

Zu 2) Im Übrigen ist der Antrag – auch soweit er die Festsetzung von Leistungen im Rahmen eines Bewilligungsbescheids betrifft – zulässig. Er ist gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Form einer Regelungsanordnung statthaft, da es dem Antragsteller um eine Erweiterung seines Rechtskreises in Form der vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung geht.

Der so verstandene Antrag ist auch teilweise begründet.

Zu 1) Der Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG analog ist begründet. Der Antragsgegner missachtet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage, da eine sofortige Vollziehbarkeit des Versagungsbescheids vom 27.04.2011 i.S.d. § 86a Abs. 2 SGG nicht gegeben ist.

Zu 2) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S.d. § 86 b Abs. 2 S. 2 setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Eine solche Unzumutbarkeit ist im Falle einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine solche Entscheidung unumgänglich macht, zu bejahen (LSG NRW, Beschluss v. 25.06.2007 – L 1 B 25/07 AS ER). Sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind nach § 86 b Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat lediglich einen darlehensweisen Anspruch auf die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen einer summarischen Prüfung hinreichend glaubhaft gemacht.

Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Er ist bei summarischer Prüfung des Sachverhalts im Zeitpunkt der Entscheidung aber nicht hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Der tenorierte Bedarf des Antragstellers wird z. Zt. durch vorhandenes Einkommen gedeckt.

Die Erbsumme, welche dem Antragsteller am 30.03.2010 zugeflossen ist, ist insoweit gemäß § 11 Abs. 1 SGB II als Einkommen bedarfsmindernd in Abzug zu bringen.

Zunächst ist zu bemerken, dass der Antragsgegner die Erbschaft vorliegend fehlerhaft als "Vermögen" i.S.d. § 12 SGB II eingestuft hat. Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II. Dabei ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30. Juli 2008, B 14 AS 43/07 R, Rn. 26, Juris). Vorliegend hat der Antragsteller erstmalig am 01.07.2007 Leistungen der Grundsicherung beantragt, womit der Zufluss der Erbsumme nach der (erstmaligen) Antragstellung erfolgte.

Gemäß § 4 i.V.m. 2 Abs. 1 S. 1 Alg II-VO sind einmalige Einnahmen im Monat des Zuflusses anzurechnen. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (vgl. u.a. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v, 11.11.2010 – Az.: L 5 AS 256/10 B ER). Ziel des Gesetzgebers war es, zu verhindern, dass die allein durch den Bezug von SGB II-Leistungen pflichtversicherten Hilfebedürftigen nach § 5 Abs. 2a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) durch die Aufteilung von Einmalzahlungen aus dem Leistungsbezug ausscheiden und gezwungen sind, selbst eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung abzuschließen (vgl. dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R, Rn. 35 Juris). Unter Berücksichtigung des monatlichen Bedarfs des Antragstellers wäre hier mithin vom Antragsgegner ein "Verteilzeitraum" von deutlich über zwölf Monaten in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, aaO). Das hätte ggf. sicher gestellt, dass der Antragsteller weiterhin gesetzlich in der Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert gewesen wäre. Das Gericht erachtet vorliegend – aufgrund des hohen Betrages der Erbschaftssumme – als Grundlage der Entscheidung einen Zeitraum von zumindest 24 Monaten (bis zum 30.03.2012) als sachgerecht, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei Ansatz dieses Zeitraumes kein Kranken- und Pflegeversicherungsschutz mehr bestanden hätte. Dies ist bei sehr hohen einmaligen Einnahmen aber ggf. außer Acht zu lassen, da der Verteilzeitraum ansonsten sehr weitreichend wäre und den Leistungsbezieher dadurch u.U. ebenso benachteiligen würde. Zudem ist davon auszugehen, dass bei sehr hohen einmaligen Einnahmen grundsätzlich die Möglichkeit der Privatversicherung besteht.

Die privaten Verbindlichkeiten, die der Antragsteller getilgt hat, sind von seinem Einkommen nicht in Abzug zu bringen. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Einkommens ist allein in § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II (in der Fassung bis zum 01.04.2011) vorgesehen. Ein solcher Fall der Tilgung titulierter Unterhaltsverpflichtungen liegt hier jedoch nicht vor. Im Übrigen hat der Gesetzgeber keine Regelung für die Anrechnung privater Verbindlichkeiten getroffen. Nach dem Willen des Gesetzgebers regelt § 11 SGB II die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie das Sozialhilferecht (BT-Drs. 15/1516 S. 53). Dort galt der Grundsatz, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1983, 5 C 114/81, Rn. 11, Juris). Mit der bedürftigkeitsabhängigen Sozialhilfe sollte nicht zur Tilgung von Schulden beigetragen werden. Diese Rechtsprechung ist vom BSG fortgeführt worden. Freiwillige Zahlungen zur Tilgung von Schulden können nicht vom Einkommen abgesetzt werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008, B 14/7b AS 10/07 R, Rn. 25; Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 76/08 R, Rn. 21; beide zitiert nach Juris).

Es kann auch dahinstehen, ob der Antragsteller das ihm angerechnete Einkommen im Zeitpunkt der Entscheidung tatsächlich vor Ablauf des Aufteilungszeitraums (zumindest bis zum 30.03.2012, s.o.) verbraucht hat, denn ein höherer Anspruch des Antragstellers besteht auch dann nicht, wenn dem Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Geld aus der Erbschaft (mehr) zur Verfügung steht. § 11 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 2 AlgII-VO regelt die Modalitäten der Einkommensberücksichtigung. Die Berücksichtigung von Einkommen des Hilfesuchenden bedeutet aber nicht, dass die bei der Berechnung vorausgesetzten Gelder über die gesamte Bedarfszeit tatsächlich vorhanden sein müssen. Im Falle von einmaligen Einnahmen ist der nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 AlgII-VO errechnete Teilbetrag selbst dann bis zum Ende des angemessenen Zeitraums anzurechnen, wenn das Einkommen vorzeitig verbraucht wurde (vgl. LSG NW, Urteil v. 02.04.2009 – Az.: L 9 AS 58/07; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rn. 66). Ansonsten hätte es der Hilfesuchende in der Hand, eine in Anwendung der Vorgaben der AlgII-VO vorgenommene Einkommensberücksichtigung nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern und die Behörde auf einen – nicht zwingend realisierbaren – Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II zu verweisen. Dieses Ergebnis ist schon vor dem Hintergrund nicht sachgerecht, dass auch der vorzeitige Verbrauch von angerechneten regelmäßigen Einkünften nicht etwa zum Entstehen eines neuen Leistungsanspruchs im noch laufenden Monat führt. Die Einkommensberücksichtigung nach § 2 Abs. 3 AlgII-VO ist auch nicht fiktiv, denn es handelt sich um einen wirklichen Geldzufluss, der nur im Hinblick auf die Höhe des Betrages über mehr als einen Monat verteilt wird.

Allerdings sind den Antragstellern in analoger Anwendung der §§ 22 Abs. 5, 23 Abs. 1 SGB II die zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes notwendigen Mittel vorläufig als Darlehen zu gewähren (LSG Sachsen- Anhalt, aaO). Der Antragsgegner wird noch abschließend darüber zu entscheiden haben, über welchen angemessenen Zeitraum die Erbschaft aufgeteilt werden soll und ggf. rückwirkend eine Leistungsberechnung vornehmen. Insoweit besteht ein Beurteilungsspielraum des Antragsgegners. Zur Vermeidung einer Notlage ist im vorliegenden Verfahren zunächst die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen vollständigen darlehensweisen Bewilligung ausgesprochen worden, welche zumindest bis zur Klärung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren erfolgen sollte. Dabei geht das Gericht – in Abweichung des Antrags des Antragstellers – von einer monatlichen Gesamtmiete i.H.v. 328,00 EUR (268,00 EUR KM zzgl. 60,00 EUR NK, vgl. Bl. 341 ff. VA) aus.

Die Eilbedürftigkeit ergibt sich ab dem Monat Oktober 2011 aus der Vorlage der ungeschwärzten Kontoauszüge der letzten drei Monate, wonach dem Antragsteller keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die nächste Zeit bleiben. Für die Zeit vor Antragstellung und für den Monat September ist eine derartige Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich, da der Antragsteller die laufenden Kosten für diesen Zeitraum durch Darlehen seitens seines Sohnes decken konnte.
Rechtskraft
Aus
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