S 4 KR 142/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 142/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.215,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 08.01.2008 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten sowie die außergerichtlichen erstattungsfähigen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Frage, ob für die Abrechnung einer stationären Behandlung in der Klinik der Beklagten die Grunderkrankung oder das Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren waren.

Bei dem am 00.00.1933 geborenen bei der Beklagten versicherten I1 I2 stellte der Kardiologe I3 im August 2006 bei Zustand nach Konversion eines Vorhofflimmerns eine noch unter antiarrhythmischer Therapie bestehende Sinusbradykardie sowie eine leichtgradige Aortenklappeninsuffizienz fest. Die Marcumarbehandlung könne bei stabilem Sinusrhythmus auslaufen. Angina-pectoris-Anfälle bestünden nicht. Im Februar 2007 stellte der Lungenfacharzt K u.a. die Diagnosen: Zustand nach absoluter Arrhythmie, unspezifische bronchitische Hyperreagibilität und Verdacht auf relevantes Schlafapnoesyndrom. Am 10.06.2007 stellte derselbe Arzt im Rahmen einer Abnoe-Screening Prüfung den Verdacht auf ein relevantes Schlafapnoesyndrom fest und verordnete eine Krankenhauseinweisung aufgrund akuter Gefährdung. In der Klinik für Pneumonologie der Beklagten wurde der Versicherte daraufhin vom 10.06. bis 13.06.2007 stationär untersucht. Im vorläufigen Entlassungsbericht vom 15.06.2007 wird als Diagnose eine schlafbezogene Atmungsstörung mit Obstruktion der oberen Atemwege und eine Cheyne-Stokes-Störung (CS-Störung) festgestellt. In dem ausführlichen Entlassungsbericht vom 25.06.2007 werden u.a. folgende Diagnosen genannt: 1. schlafbezogene Atemstörung mit Obstruktion der oberen Atemwege (ICD: G 47.3), Cheyne-Stokes-Atmung (BICD: R 06.3) bei 1.2 chronischem Vorhofflimmern bei hypertensiver Herzerkrankung. 2. Diabetes mellitus Typ 2 B 3. Zustand nach Knie-TEP beiderseits

Auf der nicht in den Akten befindlichen Rechnung vom 28.06.2007 soll als Hauptdiagnose I.50.9 (Herzinsuffizienz) und als Nebendiagnose G 47.31 (obstruktives Schlafapnoesyndrom) angegeben worden sein. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 1.848,64 EUR. Als DRG wurde zugrunde gelegt F 62 C (Herzinsuffizienz und Schock ohne äußerst schwere CC).

Mit Schreiben vom 02.07.2007 beanstandete die Klägerin die Rechnung und leitete das MDK-Prüfverfahren ein.

Im Gutachten des MDK vom 14.11.2007 vertrat der MDK die Auffassung, dass als Hauptdiagnose das obstruktive Schlafapnoesyndrom: G 47.31 hätte kodiert werden müssen. Lediglich als Nebendiagnose hätte I 50.9, Herzinsuffizienz nicht näher bezeichnet, kodiert werden dürfen. Daraus hätte sich die DRG-Ziffer: E 63 Z (Schlafapnoesyndrom) ergeben. Es läge somit eine Überzahlung von 1.215,87 EUR vor. Da die Klägerin die Rechnung vom 28.06.2007 inzwischen vollständig bezahlt hatte, forderte sie mit Schreiben vom 07.12.2007 die Beklagte auf, die Differenz von 1.215,87 EUR zu erstatten.

Die Beklagte war mit dieser Kürzung nicht einverstanden. In den daraufhin weiter eingeholten Gutachten des MDK vom 28.02.2008 und 15.06.2009 blieb der MDK bei seiner Auffassung.

Am 13.11.2009 erhob die Klägerin daraufhin Klage gegen die Beklagte auf Erstattung des o.g. Differenzbetrages von 1.215,87 EUR. Das Schlafapnoesyndrom stelle ein eigenständiges Krankheitsbild dar und wäre hier durch die Einstellung der Beatmungstherapie behandelt worden. Es handele sich nicht um ein reines Symptom der Herzinsuffizienz. Die Atemstörung werde bei der resperativen Insuffizienz auch dann zur Hauptdiagnose, wenn eine Sauerstofftherapie erfolge, unabhängig davon, welche Erkrankung zur resperativen Insuffizienz geführt hätte.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 1.215,87 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 08.01.2008 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass unter Berücksichtigung des Diagnosekataloges die CD-10-GM Version 2007 und den deutschen Kodierrichtlinien Version 2007 die Beklagte berechtigt wäre, als Hauptdiagnose die CD-Ziffer 150.9 zu verschlüsseln. Gemäß DKR D002d werde die Hauptdiagnose definiert als: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist". Im streitigen Behandlungsfall wäre der Versicherte mit einer sog. Cheyne-Stokes-Atmung aufgenommen worden. Pathophysyologisch beruhe diese Atmung auf der beim Patienten vorliegenden Herzmuskelinsuffizienz. Die Cheyne-Stokes-Atmung sei ein Symptom der kardialen Grunderkrankung, was in vielen Übersichtsarbeiten in der schlafmedizinischen Fachwelt publiziert und unstreitig sei. Die Einweisung wäre erfolgt unter dem Verdacht auf das Vorliegen einer schlafbezogenen Atemstörung. Der Nachweis der Cheyne-Stokes-Atmung hätte geführt werden können, die Atmung wäre als Symptom der zugrundeliegenden kardialen Erkrankung aufzufassen, so dass die kardiale Grunderkrankung (Herzinsuffizienz) als Hauptdiagnose den stationären Krankenhausaufenthalt veranlasste. Im Übrigen wäre nicht nur eine Behandlung der Cheyne-Stokes-Atmung erfolgt; durch die Therapie der Cheyne-Stokes-Atmung mittels adaptiver Servoventilation werde nicht nur das Symptom Cheyne-Stokes-Atmung, sondern auch die Prognose der kardialen Grunderkrankung und somit die kardiale Grunderkrankung selber behandelt. Die Codierung der ICD Ziffer 150.9 und die Abrechnung der DRG: F 62 C sei daher zu Recht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen. Beigezogen war außerdem die Patientenakte des Versicherten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als echte Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Bei einem Rechtsstreit über die Höhe der Vergütung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern handelt es sich um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war daher nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (vgl. Urteil des BSG vom 04.03.2004 – B 3 KR 4/03 R).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung überzahlter Vergütung in Höhe des Differenzbetrages zwischen der von der Beklagten abgerechneten DRG-Ziffer: E 63 Z und der von der Klägerin zugrunde gelegten DRG-Ziffer: F 62 C.

Rechtsgrundlage ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den als Leistungserbringer zugelassenen Krankenhäusern sind öffentlich-rechtlicher Natur. Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 BGB der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (Urteil des BSG vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R).

Die Klägerin hat der Beklagten 1.215,87 EUR ohne Rechtsgrund bezahlt, weil die Beklagte die zu Gunsten des Versicherten erbrachten Leistungen in dieser Höhe nicht abrechnen durfte.

Die Krankenhausvergütung misst sich grundsätzlich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage gemäß § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 1 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), den Vorschriften des Krankenhaus- finanzierungsgesetzes (KHG) und der Fallpauschalenvereinbarung 2007 (FPV 2007).

Der Zahlungsanspruch eines Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten entsteht die Zahlungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, da das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlungen einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des BSG vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 KR R).

Unstreitig bestand hier während der Zeit vom 10.06. bis 13.06.2007 die medizinische Erforderlichkeit der stationären Behandlung des Versicherten I1 I2.

Streitig ist lediglich die Frage, ob die hier zugrundeliegende Herzerkrankung oder das Symptom dieser Herzerkrankung, das Schlafapnoesyndrom als Hauptdiagnose kodiert werden durfte.

Nach den deutschen Kodierrichtlinien (KDR), Version 2007: D 002f wird als Hauptdiagnose definiert: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist".

Dabei heißt es in den Kodierrichtlinien: "Wenn sich ein Patient mit einem Syndrom vorstellt und die zugrundeliegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist und behandelt wird, bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert wird, so ist die zugrundeliegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren".

Vor Beginn der stationären Behandlungen waren im vorliegenden Fall sowohl eine Herzerkrankung behandelt worden als auch der Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom gestellt worden. Der von dem Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde K im Behandlungsbericht vom 24.02.2007 geäußerte Verdacht auf ein relevantes Schlafapnoesyndrom war nicht spezifiziert danach, ob es sich um Schlafsyndrom mit Obstruktion der oberen Atemwege oder ob es sich um ein Schlafypnoesyndrom als Symptom einer Cheyne-Stokes-Atmung handelte. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses Q vom 25.06.2007 wird unter Diagnosen eine schlafbezogene Atemstörung mit Obstruktion der oberen Atemwege als erste Diagnose genannt und lediglich danach wird die Cheyne-Stokes-Atmung aufgeführt. Im Bericht heißt es allerdings, in der Epikrise, dass aufgrund der typischen klinischen Symptomatik und des oben beschriebenen Befundes der nächtlichen Polysymnographie die Diagnose eines zentralen Schlafapnoesyndroms im Sinne einer Cheyne-Stokes-Atmung gestellt werden konnte. Für die Frage, welche Diagnose hier als Hauptdiagnose heranzuziehen ist, muss des weiteren berücksichtigt werden, dass die Einweisung durch einen Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde erfolgte und die stationäre Untersuchung bzw. Behandlung in einer Klinik für Pneumologie erfolgte. Aus diesen Umständen lässt sich somit die Schlussfolgerung ziehen, dass bei Beginn des stationären Aufenthaltes unklar war, ob sich der Aufenthalt auf ein Symptom der zugrundeliegenden Herzerkrankung bezog oder eine eigenständige Schlafapnoeerkrankung zugrunde lag. Der vorliegende Fall bietet Auslegungsmöglichkeiten für beide Varianten. Für solche Zweifelsfälle enthält die DKR 2007 folgende weitere Empfehlung: "Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrundeliegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrundeliegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren." Im vorliegenden Fall wurde in der Klinik für Pneumologie und Allergologie, Zentrum für Schlaf- und Beatmungsmedizin des Krankenhauses der Beklagten lediglich eine Schlaflaboruntersuchung durchgeführt zur Feststellung der Frage, ob es sich um eine schlafbezogene Atemstörung mit Obstruktion der oberen Atemwege handelte oder um ein Symptom der kardialen Grunderkrankung, nämlich einer sog. Cheyne-Stokes-Atmung. Auch wenn das Ergebnis der Untersuchung eine zentrale schlafbezogene Atemstörung mit Cheyne-Stokes-Atmung ergab, rechtfertigt dies nicht, die kardiale Grunderkrankung hier als Hauptdiagnose zu kodieren. Eine spezifische Behandlung der Grunderkrankung erfolgte bei der Beklagten nicht. Die Behandlung beschränkte sich hier auf das Symptom der Grunderkrankung. Nur dann, wenn eine spezifische Behandlung der Grunderkrankung über das o.g. Symptom hinaus erfolgt wäre, wäre nach den DKR die Grunderkrankung zu kodieren gewesen. Der stationäre Aufenthalt bei der Beklagten beschränkte sich jedoch, legt man die kardiale Grunderkrankung zugrunde, lediglich auf eine Abklärung des Symptoms dieser Erkrankung. Die bei Entlassung gegebene Therapieempfehlung der adaptiven Servoventilation stellt zwar indirekt auch eine Behandlung der zugrundeliegenden Herzerkrankung dar, beschränkt sich jedoch auf eine Behandlung ausschließlich dieses eines Symptoms. Nach dem eindeutigen, insoweit nicht auslegbaren Wortlaut der DKR Version 2007 darf somit in einem solchen Fall nur das Symptom als Hauptdiagnose kodiert werden.

Der Klage war daher stattzugeben.

Der Zinsanspruch folgt aus entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 des Sicherstellungsvertrages.

Der Streitwert wird auf 1.215,87 EUR festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO).
Rechtskraft
Aus
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