S 27 R 2401/12 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 R 2401/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.07.2010 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin die auf die Lohnsummen für die Jahre 2000 und 2001 entfallenden Steuern verbeitragt hat. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 9/10 und die Antragsgegnerin zu 1/10.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Erhebung von Säumniszuschlägen.

Der Kläger betreibt ein Taxiunternehmen. Er beschäftigt mehrere Arbeitnehmer, die der bei der N-A der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als geringfügig Beschäftigte gemeldet hat. Ab dem 10.10.2003 führte das Hauptzollamt L – Finanzkontrolle Schwarzarbeit – Ermittlungen gegen den Antragsteller durch. Das Hauptzollamt wertete Lohnaufzeichnungen, Karteikarten und einen Tischkalender des Antragstellers aus und vernahm zusätzlich die Beschäftigten des Antragstellers. In der Gesamtschau der erhobenen Beweise kam das Hauptzollamt zu der Feststellung, dass die Beschäftigten in größerem Umfang als gemeldet für den Antragsteller tätig waren und höhere Lohnzahlungen als gemeldet erhielten; auch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf kam in seinem Bericht vom 22.01.2008 zur Feststellung von Schwarzlohnzahlungen und stützte dies u.a. auf die ermittelten Kilometerstände, eine Gutachten zu manipulierten Tachomärständen, die Auswertung der Taxameterdaten und die Aussage einiger Fahrer. In der Zeit vom 21.06.2006 – 05.05.2010 führte sodann die Antragsgegnerin beim Antragsteller an 23 Tagen eine Betriebsprüfung durch. Die Antragsgegnerin erhob zunächst mit Bescheid vom 03.07.2008 Sozialversicherungsbeiträge i. H. v. 240.513,07 Euro und hierfür Säumniszuschläge i. H. v. 150.531,93 Euro für den Prüfzeitraum 2002 und 2004 nach. Gestützt auf die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes lägen die Voraussetzungen für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht vor. Mit weiterem Bescheid vom 09.07.2010 erhob sie unter Auswertung des Berichtes des Finanzamtes für Steuerstrafsachen vom 22.01.2008 für die übrigen Jahre des Prüfzeitraums 01.01.2000 bis 31.10.2006 weitere Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 567.272,52 EUR und Säumniszuschläge in Höhe von 501.560,83 EUR nach. Die stichprobenartig durchgeführte Prüfung habe Schwarzlohnzahlungen ergeben. Sie habe der Beitragsforderung Lohnsummen zu Grunde gelegt. Diese habe sie ausgehend von einem branchenüblichen Lohnanteil von 40 % der Einnahmen ermittelt, hiervon sei ein Abschlag von 5 % vorgenommen und somit Lohnzahlungen in Höhe von 35 % der ermittelten Bruttoumsätze angesetzt worden. Wie in den Vorjahren sei eine Buchung der Löhne in Höhe von 25 % der gebuchten Bruttoumsätze unterstellt worden, die Differenz sei die unversteuerte Lohnzahlung. Diese Schwarzlohnzahlung zuzüglich der vom Finanzamt festgestellten Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer sei das zu verbeitragende Sozialversicherungsbrutto. Ferner lägen die Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbeitragsbescheides vor, da der Antragsteller seine Aufzeichnungspflichten verletzt habe und eine personenbezogene Beitragsberechnung nicht zweifelsfrei möglich sei.

Der Antragsteller widersprach und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er machte geltend, die Antragsgegnerin könne ihre Beitragsnachforderung nicht auf vom Finanzamt festgestellte Lohnsummen stützen, das Finanzamt habe bisher nur Lohnsummen geschätzt, hierzu gebe es ein Einspruchsverfahren. Der Grundsachverhalt könne nicht geschätzt werden und der Summenbeitragsbescheid sei auch wegen der fehlenden personellen Zuordnung rechtswidrig; für die Jahre 2002 und 2004 habe die Antragsgegnerin die Beiträge personell zugeordnet, der Personenkreis in den jetzt verbeitragten Jahren könne kein anderer sein. Für die Jahre 2000 und 2001 sei ferner Festsetzungsverjährung eingetreten und für Zeiträume vor dem 01.08.2002 sei die Anwendung der Nettolohnfiktion nicht möglich. Der Antragsgegnerin fehle zudem die Kompetenz für die Festsetzung von Säumniszuschlägen, die zudem nicht für verjährte Beiträge festgesetzt werden dürften und auch gegen das Übermaßverbot verstießen.

Dem Aussetzungsantrag entsprach die Antragsgegnerin zunächst und setzte den Vollzug der Beitragsforderung mit Schreiben vom 19.08.2010 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus. Diese Aussetzung widerrief sie unter dem 17.08.2012.

Am 13.11.2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.

Er ist insbesondere der Auffassung, die Antragsgegnerin dürfe ihre Aussetzungsentscheidung nicht willkürlich aufheben, es handele sich um eine begünstigende Entscheidung, deren Rücknahme nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 und 3 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich sei. Die Erhebung der Beiträge beruhe auf Schätzungen der Finanzverwaltung und diese habe den Vollzug des Lohnsteuerhaftungsbescheides für die Jahre 2000 bis 2004 sicherheitslos ausgesetzt. Aufzeichnungspflichten seien nicht verletzt worden, sie bestünden nur dann, wenn es tatsächlich Schwarzlohnzahlungen gegeben hätte, was aber nicht zutreffe. Insoweit liege ein Zirkelschluss vor. Zudem erlaube der Umstand, dass jeder Fahrer einen Taxischein brauche, eine personenbezogene Zuordnung der geschätzten Entgelte. Die Antragsgegnerin habe auch nicht nachgewiesen, dass er vorsätzlich Beiträge vorenthalten habe. Im Übrigen gelte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, dass bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung genügten, der Erfolg in der Hauptsache brauche nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg; er verweise ergänzend auf das vorausgegangene Eilverfahren, das mit einem Vergleich vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) geendet habe.

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 09.08.2010 gegen den Bei- tragsnachforderungsbescheid für 2000 – 2006 des Antragsgegners vom 09.07.2010 – sicherheitslos – wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält die getroffene Entscheidung für zutreffend. Soweit der Antragsteller darauf hinweise, dass die Darlegungs- und Nachweislast für einen Beitragsanspruch beim Sozialversicherungsträger liege, treffe dies zwar grundsätzlich zu, setze allerdings voraus, dass der Antragsteller seinen Aufzeichnungspflichten nachkomme; das sei hier nicht der Fall.

Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Vorprozessakten L 16 B 25/08 R ER, L 17 B 32/08 U ER und S 1 U 69/08 und die von der Antragsgegnerin beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe II:

Der nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG statthafte Antrag ist insgesamt zulässig. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller nicht die Wiederherstellung, sondern die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt, weil diesem nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG nie aufschiebende Wirkung zukam und deswegen eine Wiederherstellung derselben ausscheidet.

Der so verstandene Antrag ist nur zum Teil begründet. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen wie hier Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht eine Abwägungsentscheidung nach den Kriterien des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG vorzunehmen. Danach ist die Aussetzung der Vollziehung vorzunehmen, wenn ausgehend von einer summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Soweit es um die Prüfung des Aussetzungsinteresses wegen ernstlicher Zweifel geht ist ferner zu beachten, dass § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert. Deswegen können entgegen der Auffassung des Antragstellers nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs - hier des Widerspruchs - zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011 – L 8 R 864/10 B ER; Beschlüsse v. 24.6.2009 - L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009 - L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010 - L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010 - L 8 R 368/10 B ER; jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Wegen des gesetzlich angeordneten grundsätzlichen Vorrangs des Vollzugsinteresses ist es zudem Sache des Beteiligten, die besonderen Umstände vorzutragen, die eine vom gesetzlich gewollten Vollzugsvorrang abweichende Entscheidung rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – und Beschluss des BVerfG vom 24.09.2012 in der gegen die parallelen BG-Verfahren des Antragstellers erhobenen Verfassungsbeschwerde – 1 BvR 131/09).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides, die einen Erfolg des vom Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (hierzu: 1). Im Übrigen erweist er sich als voraussichtlich rechtmäßig (hierzu: 2).

1. Der Beitragsbescheid vom 09.07.2010 erweist sich zunächst als voraussichtlich rechtswidrig, soweit die Antragsgegnerin für die Jahre 2000 und 2001 die auf die geschätzten Lohnsummen entfallenden Steuern verbeitragt hat. Die grundsätzliche Befugnis der Antragsgegnerin nach § 28p Abs. 1 Satz 4 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) zum Erlass von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung endet, wenn es an einem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt fehlt. Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Nach dieser weiten Definition gehören zum Arbeitsentgelt zunächst auch die auf den ausgezahlten Nettolohn entfallenden Steuern (und Beiträge), soweit der Arbeitgeber diese von vornherein übernommen und mit seinen Beschäftigten eine sog. Nettolohnabrede getroffen hat (BSG, Urteil vom 22.09.1988 – 12 RK 36/86). Neben dieser anfänglichen Übernahme sind auch im Falle der nachträglichen Übernahme Steuern beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Auch dann übernimmt der Arbeitgeber freiwillig eine in erster Linie den Arbeitnehmer treffende Schuld. Damit wendet er ihm jedenfalls dann einen Vermögensvorteil zu, wenn er die Steuer mit der Absicht übernimmt, sie endgültig selbst zu tragen, den Arbeitnehmer also von ihr freizustellen, gegen ihn insbesondere keine Regressansprüche zu erheben (BSG, a.a.O.; ebenso BFHE 142, 483, 493 f = BStBl II 1985, 164, 169 f sowie BFHE 142, 494, 499 = BStBl II 1985, 170, 173). Beide Fallkonstellationen treffen hier nicht zu. Es spricht zunächst nichts dafür, dass der Antragsteller von vornherein in jedem Fall auch die auf das (geschätzte) Arbeitsentgelt entfallenden Steuern (und Beiträge) übernehmen wollte. Aber auch ein Fall der nachträglichen Übernahme ist nach dem derzeitigen Streitstand gegeben. Der Antragsteller hat gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid Einspruch erhoben und die Finanzverwaltung hat den Vollzug nach seiner unwidersprochenen Einlassung ausgesetzt.

2. Im Übrigen erweist sich der Beitragsbescheid bei summarischer Prüfung aber als rechtmäßig. Zunächst durfte die Antragsgegnerin die zu verbeitragenden Lohnsummen anhand der Einnahmen unter Rückgriff auf die Feststellungen des Hauptzollamtes und des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf – insbesondere im Bericht vom 22.01.2008 – in einer Lohnsumme schätzen. Grundlage hierfür ist § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV, wonach das Arbeitsentgelt in Form einer Lohnsumme geschätzt werden kann, wenn entsprechende Aufzeichnungen fehlen und die Summe der Arbeitsentgelte nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand durch den Rentenversicherungsträger ermittelt werden kann (Kasseler Kommentar-Seewald, § 28f SGB IV Rn. 10; s.a. LSG Berlin, Beschluss vom 12.01.2005 – L 9 KR 53/03, Rn. 17 bei Juris; Urteil vom 25.08.2004 – L 9 KR 63/02). Ein solcher Fall ist hier bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung gegeben. Der Antragsteller hat seine aus §§ 2ff. Beitragsüberwachungsverordnung (BÜVO) bestehende Verpflichtung zur Führung ordnungsgemäßer Lohnunterlagen verletzt und er hat auch im jetzigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren nichts Greifbares vorgetragen, was insbesondere die Feststellungen des Finanzamtes aus dem Bericht vom 22.01.2008 in Frage stellt, er hat auch keine Lohnunterlagen vorgelegt, die eine von der angefochtenen Entscheidung abweichende ermöglichen würde.

Auch hinsichtlich der Höhe ist die Schätzung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Bei einer Schätzung müssen die Ergebnisse in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 162 Rn. 36). Ferner muss der Rentenversicherungsträger von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen, ist aber letztlich in der Wahl seiner Mittel frei, selbst wenn das Ergebnis für den Beitragschuldner nicht das Günstigste ist (LSG Sachsen, Beschluss vom 08.12.2010 – L 1 B 1/08 KR-PKH; JurisPK-Werner, § 28f SGB IV Rn. 63). § 28f Abs. 2 Satz 4 SGB IV lässt dabei eine Schätzung nach den ortsüblichen Entlohnungsverhältnissen zu; daneben kann eine Schätzung auch nach dem branchenüblichen Lohn, nach der tariflichen Arbeitszeit und üblicherweise geleisteten Überstunden, nach allgemeinen Durchschnittsverdiensten in der Rentenversicherung, nach den konkreten steuerlichen Verhältnissen oder nach dem Umsatz des Arbeitgebers erfolgen (LSG Sachsen, a.a.O.; Juris-PK-Werner, a.a.O.). Diesen Grundsätzen genügt die Schätzung der Antragsgegnerin, sie geht von einem Lohnanteil von 40 % der Einnahmen aus und berücksichtigt einen Sicherheitsabschlag von 5 Prozentpunkten, was im Bereich des personalintensiven Beförderungsgewerbes keinen Bedenken unterliegt. Soweit der Antragsteller diese Schätzung angreift, kann er hiermit nicht gehört werden. Macht der Arbeitgeber geltend, es sei von einer niedrigeren Summe als der geschätzten auszugehen, liegt die Beweislast bei ihm (SG Lüneburg, Beschluss vom 14.04. 2008 – S 13 R 518/07 ER; Kasseler Kommentar-Seewald, a.a.O. Rn. 10a). Hierzu hat der Antragsteller aber ebenfalls nichts Greifbares vorgetragen.

Es unterliegt ferner keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin die so ermittelten Lohnsummen nicht personalisiert verbeitragt hat. Selbst wenn es entsprechend der Behauptung des Antragstellers mit verhältnismäßigem Aufwand möglich sein sollte, die betroffenen Beschäftigten zu ermitteln (z.B. anhand der Taxischein), so ermöglicht dies allein keine persönliche Zuordnung der auf den jeweiligen Beschäftigten entfallenden Lohnsummen.

Des Weiteren ist die Verbeitragung der auf die Lohnsummen für die Jahre 2003ff. entfallenden Steuern nicht zu beanstanden. Dies findet seine Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach kann der Rentenversicherungsträger (sogar) ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart annehmen, wenn – wie hier – bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls die hier nur erfolgte Berücksichtigung der Steuern erlaubt.

Darüber hinaus steht auch keine Beitragsverjährung im Raum. Angesichts der fehlenden Lohnunterlagen und unter Berücksichtigung der nicht substantiiert widerlegten Feststellungen der Finanzverwaltung greift bei summarischer Prüfung die große Verjährung aus § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV.

Ferner unterliegt auch die Erhebung von Säumniszuschlägen keinen Bedenken. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Zahlungspflichtige für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die er nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dann entstehen die Säumniszuschläge unmittelbar kraft Gesetzes, so dass ein insoweit erlassener Verwaltungsakt nur deklaratorische Bedeutung hat (Kasseler Kommentar-Seewald, § 24 SGB IV Rn. 3) und der Behörde auch kein Ermessen zusteht (BSG, Urteil vom 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, Rn. 32 bei Juris). Für die Festsetzung ist ferner der Rentenversicherungsträger zuständig, soweit er anlässlich einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV Beiträge nacherhebt (Beck`scher-OK-Mette, § 24 SGB IV Rn. 8). Diesen Grundsätzen wird die von der Antragsgegnerin deklaratorisch verfügte Erhebung von Säumniszuschlägen gerecht. Ferner teilt das Gericht nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers hinsichtlich der Höhe der Säumniszuschläge. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot liegt angesichts des legitimen gesetzgeberischen Zieles, mit den Säumniszuschlägen den durch die verspätete Beitragszahlung entstehenden Schaden im Mindestmaß zu kompensieren (dazu: BSG, Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 32/00 R, Rn. 24 bei Juris), ersichtlich nicht vor.

Letztlich genießt der Antragsteller auch keinen Vertrauensschutz auf den Fortbestand der zunächst von der Antragsgegnerin verfügten Aussetzung der Vollziehung. Die Antragsgegnerin durfte diese Entscheidung nach § 86a Abs. 3 Satz 5 SGG ändern und hat hierbei nicht willkürlich gehandelt, sondern der langen Verfahrensdauer Rechnung getragen. Den in § 45 SGB X geregelte Vertrauensschutz musste sie im Übrigen nicht beachten, weil es sich bei der Aussetzungsentscheidung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

Abschließend besteht auch keine unbillige Härte. Es ist Sache des Beitragsschuldners, substantiierte Angaben zum Vorliegen einer unbilligen Härte zu machen. Unterlässt er dies, so kann keine unbillige Härte angenommen werden (LSG NRW, Beschluss vom 22.08.2002 – L 5 B 41/02 KR ER). Ausgehend hiervon scheidet die Annahme einer unbilligen Härte aus, weil der Antragsteller keine konkreten Angaben zum Vorliegen einer unbilligen Härte gemacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Das Gericht hat es wegen des Eilcharakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens unterlassen, die anderen von dem Beitragsbescheid betroffenen Sozialversicherungsträger beizuladen.
Rechtskraft
Aus
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