Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
30
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SO 28/12
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe für Betreutes Wohnen.
Der Kläger leidet an einer ausgeprägten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit zeitweise massiven Alkohol-und Cannabismissbrauch. Ferner besteht der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Am 31.1.2011 beantragte der Kläger durch den Verbund für psychosoziale Dienstleistungen gGmbH die Übernahme der Kosten für Betreutes Wohnen im Rahmen der Eingliederungshilfe ab dem 1.2.2011. Beklagte erstellte daraufhin für die Zeit 1.4.2011 bis 31.3.2012 im Rahmen eines Erstantrags einen individuellen Hilfeplan. Hieraus ergab sich unter anderem, dass der Kläger sich nach eigenen Angaben quasi nie in seiner eigenen Wohnung aufhalte, er fühle sich alleine schlecht, vor allem abends. Anlässlich des individuellen Hilfeplans beschrieb der Antragsteller auch seine Gewalterfahrung. Der Kreis N stellte in seiner Entscheidung vom 18.05.2011 darauf hin fest, dass der Kläger zum Personenkreis der seelischen behinderten Menschen aufgrund psychischer Erkrankung zählt. Mit Datum vom 7.6.2011 forderte der Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes aufgrund Untersuchung des Klägers an.
Aufgrund der Untersuchung am 8.7.2011 erstattete der medizinische Dienst eine Stellungnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der zuständige Arzt, G kam dabei in seiner fachärztlichen Stellungnahme unter 3.1 zu dem Ergebnis, dass keine wesentliche Behinderung im Sinne von § 53 Absatz ein Satz 1 SGB XII vorliege. Außerdem wies der Gutachter auf weitere verordnungsfähige Behandlungsmaßnahmen hin. So erwähnte der Gutachter unter anderem psychiatrische ambulante Begleitung, Ergotherapie, Alkoholentwöhnungsbehandlung sowie stationäre Behandlung mit Schwerpunkt Borderline. Als nichtärztliche Maßnahmen legte der Gutachter ein Anti Gewalt Training nahe.
Mit Bescheid vom 12.7.2011 lehnte die Beklagte darauf hin die Bewilligung von Leistungen mit Hinweis auf dieses Ergebnis ab. Hiergegen legte der Kläger mit Datum vom 18.7.2011 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 9.8.2011 weiter begründete. Er habe Angst, wenn er nicht in Betreutes Wohnen komme, nichts mehr zu erreichen. Er nehme Drogen und Alkohol und werde dann zum aggressiven Menschen.
Unter dem Datum 28.7.2011 erstellte der LVR Rheinland eine fachärztliche Stellungnahme zum Gesundheitszustand des Klägers; der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Herr C, kam Rahmen dieser Stellungnahme zu der Erkenntnis, dass das betreute Wohnen aus psychiatrischer Sicht alternativlos sei.
Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2011 als unbegründet zurück. Hierbei berief sich der Beklagte wiederum auf das Gutachten von Herrn G. Eine derartige wesentliche Behinderung läge beim Kläger nicht vor. Es bestünde ein behandlungsbedürftiges Störungsbild, für das der Gutachter entsprechende Behandlungsvorschläge gemacht habe. Der Antrag auf Leistungen für Betreutes Wohnen scheine eher ein Mitnahmeeffekt zu sein. Der Kläger sei zur eigenen Lebensführung in der Lage. Das betreute Wohnen sei hingegen vielmehr symptomstützend und wegen anstehender Behandlungsmaßnahmen eher kontraproduktiv.
Mit seiner Klage vom 16.1.2012, beim Sozialgericht Düsseldorf am selben Tag eingegangen, verfolgt der Kläger weiterhin sein Begehren Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe die Kosten des betreuten Wohnens.
Der Kläger trug zunächst vor, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlaubten ihm keine selbstständige Lebensführung. Alle erzielten Fortschritte seien auf die Maßnahmen des betreuten Wohnens zurückzuführen. Allein auf sich gestellt (ohne fremde Hilfe in der eigenen Wohnung) erfassten ihn Angstzustände. Übliche Aufgabenstellungen der allgemeinen Lebensführung überforderten ihn. Nur das betreute Wohnen gäbe ihm die notwendige Struktur für die Gestaltung des Alltags.
Das Gericht forderte mit Beweisbeschluss vom 14.2.2012 an medizinische Sachverständigengutachten beim S an. Namentlich thematisierte das Gericht hierbei die Frage, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen den Kläger außer Stande setzen, den Haushalt alleine zu organisieren und ob das betreute Wohnen die Beeinträchtigung des Klägers in der Lage sein zu mildern. Auch stellte das Gericht die Frage, ob die Gefahr einer Verschlimmerung bestehe und ob Handlungsalternativen gegeben sein. Herr S erstattete sein Gutachten aufgrund persönlicher Vorstellung des Klägers am 16.7.2012. Hierin attestierte der Gutachter dem Kläger eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen. Die Störung sei tief verwurzelt und zeichnete sich durch anhaltende Verhaltensmuster aus, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigten. Der Kläger sei ein impulsive Typ, der zum episodisch schädlichen Gebrauch von Alkohol und Cannabis neige. Dennoch stellte der Gutachter fest, dass der Kläger nicht der derartig schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt sei, dass er nicht in der Lage sei, sich allein in der Wohnung aufzuhalten. Der Kläger sei in der Lage, seinen Haushalt zu organisieren und seinen Tagesablauf selbst zu gestalten; aus gesundheitlicher Sicht spreche nichts dagegen, dass der Kläger sich sowohl an den Abenden als auch den Nächten alleine in der Wohnung aufzuhalten. Er sei gehindert, sich mit Behörden und Ämtern auseinander zu setzen. Auch bei der Aufnahme therapeutischer Maßnahmen sowie bei der eigenständigen Krisenbewältigung sei er gehindert. Eine Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens stufte der Gutachter als geeignete und erforderliche Maßnahme ein, um die Folgen der Behinderung des Klägers zu mildern und ihn in die Gesellschaft einzugliedern. Die aufgeführten Schwierigkeiten könnten durch das betreute Wohnen abgemildert oder beseitigt werden. Die direkten Hilfeleistungen – Anleitung zu administrativen Tätigkeiten, Persönlichkeitsentwicklung, Motivation zur Arbeit und Beratung bei Überschuldung - könnten in der eigenen Wohnung des Klägers durchgeführt werden. Es bestehe die Gefahr einer Verschlimmerung der Behinderungsfolgen, wenn der Kläger nicht an Maßnahmen in Form des betreuten Wohnens teilnehme. Es steht zu erwarten, dass der Kläger weiterhin des sozial reagiere, straffällig werde und seine Überschuldung bei der zunehme. Auch der Alkoholmissbrauch könne im Rahmen von Konflikten steigen. Alternativen, wie eine psychotherapeutische Behandlung, stünden der Persönlichkeitsflug des Klägers als unzuverlässig entgegen. Eine solche Behandlung lasse eine Verbesserung innerhalb eines Zeitfensters von zwei Jahren erwarten. Anderweitige Kompensationsmöglichkeiten bestünden nicht. Im Hinblick auf das Gutachten von Herrn G vom 11.7.2011 sei nochmals darauf hinzuweisen, dass Psychotherapie und Ergotherapie an der mangelnden Verlässlichkeit des Klägers scheitere. Nur durch die Führung durch einen Sozialbetreuer sei eine Besserung möglich. Eine Entziehungskur sei nicht erforderlich ebenso keine stationäre Behandlung der Persönlichkeitsstörung. Das Anti Gewalt Training erscheine erst nach Durchführung der psychotherapeutischen Maßnahme sinnvoll. Insgesamt sei der Einschätzung an Herrn C zu folgen, insbesondere im Hinblick auf die alternativ der Fortführung des betreuten Wohnens. Mit den Ausführungen von Herrn G bestehe hingegen keine Einigung.
Der Kläger wies nach Erstattung des Gutachtens drauf hin, dass seine Ansicht durch das Gutachten geschützt werde. Der Gutachter bestätige die Notwendigkeit einer Psychotherapie, um Selbständiges Wohnen zu ermöglichen. Hierzu habe der Gutachter ausgeführt, dass die Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens erforderlich sei, um die Folgen der Behinderung zu mildern, gerade durch die Betreuung eines Sozialarbeiters könnten die aufgeführten Schwierigkeiten beseitigt werden, um den Kläger bei gleichzeitiger Motivation zu einer Psychotherapie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Einzig und allein die Führung durch ein Sozialbetreuer fördere die Motivation und Verlässlichkeit des Klägers, dies hebe auch der Gutachter hervor; die Lebenserfahrung zeige, dass die notwendige Motivation nur durch ein Sozialbetreuer im Rahmen des betreuten Wohnens erreicht werden könne.
Die Beklagte nahm nach Erstattung des Gutachtens Stellung und wies zunächst darauf hin, dass der Gutachter Herr S von einer falschen Grundlage ausgegangen sei, der Gutachter, Herr G, habe explizit unter 3.1 festgehalten, dass die Behinderung nicht von wesentlichem Umfang sei. Dies habe der Gutachter Herr S jedoch in seinem Gutachten Seite 2 unterstellt. Auch käme der Gutachter zu einer falschen Bewertung. Es sei nicht Aufgabe des ambulant betreuten Wohnens, den Kläger an die SGB V Leistungen heranzuführen, auch der Umgang mit Ämtern und Behörden unterfalle der gesetzlichen Betreuung. Eine Entwöhnungsbehandlung sei indiziert, dort würden entsprechende Motivation und Einsicht erarbeitet, die beim Kläger nicht vorhanden sei. Diesbezüglich verfügten nur psychologische Psychotherapeuten über eine ausreichende Qualifikation und nicht ein BEWO-Anbieter. Auch bei der eigenhändigen Bewältigung von Krisensituationen könne nur eine psychotherapeutische Bearbeitung bzw. eine medikamentöse psychiatrischer Behandlung Erfolg versprechend. Dieses Leistungsangebot gehört auch nicht zum Leistungsbereich nach §§ 75 ff SGB XII des ambulant betreuten Wohnens. Gleiches gelte für die ambulante oder stationäre Behandlung des Borderline-Syndroms. Diese Persönlichkeitsstörung zeichnete sich durch die Ichbezogenheit aus, die nur durch entsprechend qualifizierte therapeutische Behandlung bearbeitet werden könnten. Das ambulant betreute Wohnen stütze vielmehr das zu Grunde liegende Störungsbild und arbeite diese entgegen. Der Gutachter habe selbst mitgeteilt, dass der Kläger in der Lage sei, seinen Tagesablauf zu gestalten und seinen Haushalt zu organisieren, damit konstatiere der Gutachter, dass der Kläger zur selbstständigen Lebensführung grundsätzlich in der Lage sei. Damit entfielen aber die Voraussetzungen für die Leistung des ambulant betreuten Wohnens. Die Teilhabefähigkeit sei nach den Feststellungen vielmehr nur dadurch eingeschränkt, dass er seine Persönlichkeitsstörung nicht behandeln lasse, sich nicht mit Behörden auseinandersetzen können und Krisensituation nicht alleine meistern könne. Für die Unterstützung hierbei und zu diesen Tätigkeiten sei der Betreuer zuständig. Allein der Umstand, dass für die sonstige Motivation niemand infrage komme und der gesetzliche Betreuer hierzu nicht in der Lage sei, könne an der klare Zielrichtung der Hilfe (Betreutes Wohnen) nichts ändern und diese nicht erweitern; die Therapiemotivation gehöre nicht zur Hilfestellung. Diese sei auch nicht Gegenstand der Leistungsvereinbarung gemäß § 75 SGB ziehen. Das betreute Wohnen diene nicht dazu, den Kläger für die Behandlung zunächst überhaupt erst einmal zu motivieren.
Der Kläger beantragt,
1) Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2011 wird aufgehoben. 2) Es wird festgestellt, dass dem Kläger Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII für Betreutes Wohnen aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörung auch weiter zu steht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Gz.: 254147) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist im Übrigen auch zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 IV SGG statthaft.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtsmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Eingliederungsleistungen für betreutes Wohnen nach §§ 53 ff SGB XIII.
Die vom Kläger begehrte Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens infolge der festgestellten Defizite – im Hinblick auf die fehlende Fähigkeit zur Krisenbewältigung und die fehlende Motivation zur Absolvierung einer Therapie – aufgrund seiner Behinderung stellt nach Überzeugung der Kammer keine geeignet Maßnahme im Sinne von § 53 SGB XII dar, die Anspruchsvoraussetzungen liegen daher nicht vor.
Im Hinblick auf die Unterstützung bei Behördengängen steht der Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 2 Absatz 1 SGB XII einer Bewilligung von Leistungen entgegen. Hier ist vorrangig der zivilrechtlich bestellte oder zu bestellende Betreuer zuständig, nicht aber die Beklagten.
Alle Gutachter haben im Ergebnis festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung insbesondere Defizite bei der Krisenbewältigung und der Motivation zur Absolvierung einer Therapie aufweist. Insbesondere aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Gutachters, Herrn S, geht hervor, dass es zwingend und unabdingbar notwendig ist, dass der Kläger sich einer Psychotherapie unterziehen, zu der der Kläger bisher nicht in der Lage gewesen ist. Nur durch diese kann der Kläger langfristig (binnen einer Frist von zwei Jahren), in die Lage versetzt werde, wieder selbstständig Krisen zu bewältigen. Nur dadurch wird der Kläger wieder in die Lage versetzt, wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Das steht zur Überzeugung der Kammer nach Durchführung des Verhandlungstermins fest. Auch die insoweit zentral zu bewertende fehlende Therapiemotivation kann nur durch eine Psychotherapeuten oder Psychiater überwunden werden. Erst die beim Kläger wieder erweckte Motivation, sich einer entsprechenden Therapie und damit sich selbst zu stellen, kann den Kläger nach Überzeugung der Kammer in die Lage versetzen, wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Durchführung einer Psychotherapie allenfalls im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen steht und damit an sich nicht durch den nachrangig verpflichteten Träger der Sozialhilfe erbracht werden muss, dem steht der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII entgegen.
Aber auch Leistungen zur Beseitigung des eigentlichen Motivationshemmnisses, das nach Ansicht der Kammer von dem Vorrangsprinzip nicht erfasst wird sofern keine anderweitig vorrangigen Leistungen (wie bspw. Psychotherapie) begehrt werden, kann durch die Leistung des BEWO-Anbieters nicht überwunden werden. Die Maßnahmen des Anbieters für betreutes Wohnen sind hierzu schlicht ungeeignet. Aus der von der Beklagten übersandten Leistungsvereinbarung ergibt sich nach § 1 Ziff 2 – Ziele der Leistungen – in Verbindung mit § 1 Ziff. 4 – direkte Betreuungsleistungen – die beiden Säulen der Unterstützungsmaßnahmen durch einen Anbieter für Betreutes Wohnen; hierbei steht auf der einen Seite ganz allgemein die Wiedereingliederung auf der anderen Seite in concreto die Gestaltung und Strukturierung des Tagesablaufs. Da der gerichtlich bestellte Gutachter, Herr S, festgestellt hat, dass der Kläger keine Defizite in der Gestaltung seines Tagesablauf hat, scheiden bereits allen Maßnahmen aus, die dies zum Ziel haben. Mit dem Kläger ist allerdings zu konstatieren, dass legitimes Ziel einer Maßnahme des betreuten Wohnens auch die Wiedereingliederung in die Gesellschaft sein kann. Da das Motivationshemmnis des Klägers aber nach Überzeugung der Kammer ebenfalls nur durch eine Psychotherapie überwunden werden kann, sind jegliche Maßnahmen durch den Anbieter des betreuten Wohnens ungeeignet. Die Mitarbeiter des betreuten Wohnens verfügen nicht über die Qualifikation, die ein Psychiater im Rahmen seiner Facharztausbildung oder ein Psychotherapeut im Rahmen seiner in der Regel sechsjährigen Zusatzausbildung erwerben muss.
Letztlich hat der Kläger dies auf Nachfragen der Beklagtenvertreterin im Termin auch bestätigt. Der den Kläger betreuende Mitarbeiter des Leistungsanbieters hat den Kläger in den vergangenen zwei Jahren mehrfach zu bewegen versucht, eine Therapie zu beginnen und durchzuführen. Der Kläger hat nach eigener Aussage, die er im Termin nochmals wiederholte, bestätigt, dass er lediglich ein einziges Mal kurzfristig ein Therapieversuch begonnen und den Therapieversuch sofort wieder beendet hat.
Das Gericht geht, wie die mit der Beklagten auch, sogar ebenfalls davon aus, dass eine Maßnahme im betreuten Wohnen sich kontraproduktiv auswirkt. Der Kläger leidet nach den Feststellungen der Gutachter unter einer Alkohol -und Cannabisabhängigkeit, die unter anderem sein Motivationshemmnis bedingen. Der Kläger wird nur bei entsprechender Selbsterkenntnis, die notwendige Motivation aufbringen, die notwendige Psychotherapie durchzuführen. Dies kann der Kläger, wie die Kammer im Verhandlungstermins die Überzeugung gewonnen hat, nur dann aufbringen und gewinnen, wenn der Kläger begreift, dass er und nur er alleine in der Lage ist, sich selbst zu helfen. Der Kläger hat im Termin wiederholt darauf hingewiesen, dass er durch Lebensgefährtinnen, seine Mutter oder auch den Freundeskreis gestützt wird. Gleiches gilt für die Leistungen des Anbieters für betreutes Wohnen. Solange der Kläger dieses Netz und doppelten Boden hat und nicht zur Einsicht gelangt, dass er allein für sich Verantwortung trägt, wird der Kläger – nach der Überzeugung des Gerichtes – auch die notwendige Motivation zur Durchführung der dringend angeratenen Psychotherapie nicht aufbringen können. Deshalb ist die Durchführung von Maßnahmen des betreuten Wohnens auch nach Auffassung der Kammer kontraproduktiv. Letztlich hat dies auch der bereits zitierte Umstand gezeigt, dass der Ansprechpartner des Kläger beim Anbieter für betreutes innerhalb von zwei Jahren keine Möglichkeit gefunden hat, den Kläger zur Durchführung einer Psychotherapie zu bewegen.
Da der Kläger entweder in Teilbereichen nicht beeinträchtigt ist – Lebensführung und Tagesstrukturierung – oder aber Leistung des betreuten Wohnens beansprucht für Bereiche, für die der Nachrangsgrundsatz der Sozialhilfe nach § 2 Absatz 1 SGB XII gilt – Behördengänge – oder Leistung des betreuten Wohnens beansprucht, die schlicht ungeeignet sind, war die Klage abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe für Betreutes Wohnen.
Der Kläger leidet an einer ausgeprägten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit zeitweise massiven Alkohol-und Cannabismissbrauch. Ferner besteht der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Am 31.1.2011 beantragte der Kläger durch den Verbund für psychosoziale Dienstleistungen gGmbH die Übernahme der Kosten für Betreutes Wohnen im Rahmen der Eingliederungshilfe ab dem 1.2.2011. Beklagte erstellte daraufhin für die Zeit 1.4.2011 bis 31.3.2012 im Rahmen eines Erstantrags einen individuellen Hilfeplan. Hieraus ergab sich unter anderem, dass der Kläger sich nach eigenen Angaben quasi nie in seiner eigenen Wohnung aufhalte, er fühle sich alleine schlecht, vor allem abends. Anlässlich des individuellen Hilfeplans beschrieb der Antragsteller auch seine Gewalterfahrung. Der Kreis N stellte in seiner Entscheidung vom 18.05.2011 darauf hin fest, dass der Kläger zum Personenkreis der seelischen behinderten Menschen aufgrund psychischer Erkrankung zählt. Mit Datum vom 7.6.2011 forderte der Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes aufgrund Untersuchung des Klägers an.
Aufgrund der Untersuchung am 8.7.2011 erstattete der medizinische Dienst eine Stellungnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der zuständige Arzt, G kam dabei in seiner fachärztlichen Stellungnahme unter 3.1 zu dem Ergebnis, dass keine wesentliche Behinderung im Sinne von § 53 Absatz ein Satz 1 SGB XII vorliege. Außerdem wies der Gutachter auf weitere verordnungsfähige Behandlungsmaßnahmen hin. So erwähnte der Gutachter unter anderem psychiatrische ambulante Begleitung, Ergotherapie, Alkoholentwöhnungsbehandlung sowie stationäre Behandlung mit Schwerpunkt Borderline. Als nichtärztliche Maßnahmen legte der Gutachter ein Anti Gewalt Training nahe.
Mit Bescheid vom 12.7.2011 lehnte die Beklagte darauf hin die Bewilligung von Leistungen mit Hinweis auf dieses Ergebnis ab. Hiergegen legte der Kläger mit Datum vom 18.7.2011 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 9.8.2011 weiter begründete. Er habe Angst, wenn er nicht in Betreutes Wohnen komme, nichts mehr zu erreichen. Er nehme Drogen und Alkohol und werde dann zum aggressiven Menschen.
Unter dem Datum 28.7.2011 erstellte der LVR Rheinland eine fachärztliche Stellungnahme zum Gesundheitszustand des Klägers; der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Herr C, kam Rahmen dieser Stellungnahme zu der Erkenntnis, dass das betreute Wohnen aus psychiatrischer Sicht alternativlos sei.
Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2011 als unbegründet zurück. Hierbei berief sich der Beklagte wiederum auf das Gutachten von Herrn G. Eine derartige wesentliche Behinderung läge beim Kläger nicht vor. Es bestünde ein behandlungsbedürftiges Störungsbild, für das der Gutachter entsprechende Behandlungsvorschläge gemacht habe. Der Antrag auf Leistungen für Betreutes Wohnen scheine eher ein Mitnahmeeffekt zu sein. Der Kläger sei zur eigenen Lebensführung in der Lage. Das betreute Wohnen sei hingegen vielmehr symptomstützend und wegen anstehender Behandlungsmaßnahmen eher kontraproduktiv.
Mit seiner Klage vom 16.1.2012, beim Sozialgericht Düsseldorf am selben Tag eingegangen, verfolgt der Kläger weiterhin sein Begehren Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe die Kosten des betreuten Wohnens.
Der Kläger trug zunächst vor, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlaubten ihm keine selbstständige Lebensführung. Alle erzielten Fortschritte seien auf die Maßnahmen des betreuten Wohnens zurückzuführen. Allein auf sich gestellt (ohne fremde Hilfe in der eigenen Wohnung) erfassten ihn Angstzustände. Übliche Aufgabenstellungen der allgemeinen Lebensführung überforderten ihn. Nur das betreute Wohnen gäbe ihm die notwendige Struktur für die Gestaltung des Alltags.
Das Gericht forderte mit Beweisbeschluss vom 14.2.2012 an medizinische Sachverständigengutachten beim S an. Namentlich thematisierte das Gericht hierbei die Frage, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen den Kläger außer Stande setzen, den Haushalt alleine zu organisieren und ob das betreute Wohnen die Beeinträchtigung des Klägers in der Lage sein zu mildern. Auch stellte das Gericht die Frage, ob die Gefahr einer Verschlimmerung bestehe und ob Handlungsalternativen gegeben sein. Herr S erstattete sein Gutachten aufgrund persönlicher Vorstellung des Klägers am 16.7.2012. Hierin attestierte der Gutachter dem Kläger eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen. Die Störung sei tief verwurzelt und zeichnete sich durch anhaltende Verhaltensmuster aus, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigten. Der Kläger sei ein impulsive Typ, der zum episodisch schädlichen Gebrauch von Alkohol und Cannabis neige. Dennoch stellte der Gutachter fest, dass der Kläger nicht der derartig schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt sei, dass er nicht in der Lage sei, sich allein in der Wohnung aufzuhalten. Der Kläger sei in der Lage, seinen Haushalt zu organisieren und seinen Tagesablauf selbst zu gestalten; aus gesundheitlicher Sicht spreche nichts dagegen, dass der Kläger sich sowohl an den Abenden als auch den Nächten alleine in der Wohnung aufzuhalten. Er sei gehindert, sich mit Behörden und Ämtern auseinander zu setzen. Auch bei der Aufnahme therapeutischer Maßnahmen sowie bei der eigenständigen Krisenbewältigung sei er gehindert. Eine Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens stufte der Gutachter als geeignete und erforderliche Maßnahme ein, um die Folgen der Behinderung des Klägers zu mildern und ihn in die Gesellschaft einzugliedern. Die aufgeführten Schwierigkeiten könnten durch das betreute Wohnen abgemildert oder beseitigt werden. Die direkten Hilfeleistungen – Anleitung zu administrativen Tätigkeiten, Persönlichkeitsentwicklung, Motivation zur Arbeit und Beratung bei Überschuldung - könnten in der eigenen Wohnung des Klägers durchgeführt werden. Es bestehe die Gefahr einer Verschlimmerung der Behinderungsfolgen, wenn der Kläger nicht an Maßnahmen in Form des betreuten Wohnens teilnehme. Es steht zu erwarten, dass der Kläger weiterhin des sozial reagiere, straffällig werde und seine Überschuldung bei der zunehme. Auch der Alkoholmissbrauch könne im Rahmen von Konflikten steigen. Alternativen, wie eine psychotherapeutische Behandlung, stünden der Persönlichkeitsflug des Klägers als unzuverlässig entgegen. Eine solche Behandlung lasse eine Verbesserung innerhalb eines Zeitfensters von zwei Jahren erwarten. Anderweitige Kompensationsmöglichkeiten bestünden nicht. Im Hinblick auf das Gutachten von Herrn G vom 11.7.2011 sei nochmals darauf hinzuweisen, dass Psychotherapie und Ergotherapie an der mangelnden Verlässlichkeit des Klägers scheitere. Nur durch die Führung durch einen Sozialbetreuer sei eine Besserung möglich. Eine Entziehungskur sei nicht erforderlich ebenso keine stationäre Behandlung der Persönlichkeitsstörung. Das Anti Gewalt Training erscheine erst nach Durchführung der psychotherapeutischen Maßnahme sinnvoll. Insgesamt sei der Einschätzung an Herrn C zu folgen, insbesondere im Hinblick auf die alternativ der Fortführung des betreuten Wohnens. Mit den Ausführungen von Herrn G bestehe hingegen keine Einigung.
Der Kläger wies nach Erstattung des Gutachtens drauf hin, dass seine Ansicht durch das Gutachten geschützt werde. Der Gutachter bestätige die Notwendigkeit einer Psychotherapie, um Selbständiges Wohnen zu ermöglichen. Hierzu habe der Gutachter ausgeführt, dass die Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens erforderlich sei, um die Folgen der Behinderung zu mildern, gerade durch die Betreuung eines Sozialarbeiters könnten die aufgeführten Schwierigkeiten beseitigt werden, um den Kläger bei gleichzeitiger Motivation zu einer Psychotherapie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Einzig und allein die Führung durch ein Sozialbetreuer fördere die Motivation und Verlässlichkeit des Klägers, dies hebe auch der Gutachter hervor; die Lebenserfahrung zeige, dass die notwendige Motivation nur durch ein Sozialbetreuer im Rahmen des betreuten Wohnens erreicht werden könne.
Die Beklagte nahm nach Erstattung des Gutachtens Stellung und wies zunächst darauf hin, dass der Gutachter Herr S von einer falschen Grundlage ausgegangen sei, der Gutachter, Herr G, habe explizit unter 3.1 festgehalten, dass die Behinderung nicht von wesentlichem Umfang sei. Dies habe der Gutachter Herr S jedoch in seinem Gutachten Seite 2 unterstellt. Auch käme der Gutachter zu einer falschen Bewertung. Es sei nicht Aufgabe des ambulant betreuten Wohnens, den Kläger an die SGB V Leistungen heranzuführen, auch der Umgang mit Ämtern und Behörden unterfalle der gesetzlichen Betreuung. Eine Entwöhnungsbehandlung sei indiziert, dort würden entsprechende Motivation und Einsicht erarbeitet, die beim Kläger nicht vorhanden sei. Diesbezüglich verfügten nur psychologische Psychotherapeuten über eine ausreichende Qualifikation und nicht ein BEWO-Anbieter. Auch bei der eigenhändigen Bewältigung von Krisensituationen könne nur eine psychotherapeutische Bearbeitung bzw. eine medikamentöse psychiatrischer Behandlung Erfolg versprechend. Dieses Leistungsangebot gehört auch nicht zum Leistungsbereich nach §§ 75 ff SGB XII des ambulant betreuten Wohnens. Gleiches gelte für die ambulante oder stationäre Behandlung des Borderline-Syndroms. Diese Persönlichkeitsstörung zeichnete sich durch die Ichbezogenheit aus, die nur durch entsprechend qualifizierte therapeutische Behandlung bearbeitet werden könnten. Das ambulant betreute Wohnen stütze vielmehr das zu Grunde liegende Störungsbild und arbeite diese entgegen. Der Gutachter habe selbst mitgeteilt, dass der Kläger in der Lage sei, seinen Tagesablauf zu gestalten und seinen Haushalt zu organisieren, damit konstatiere der Gutachter, dass der Kläger zur selbstständigen Lebensführung grundsätzlich in der Lage sei. Damit entfielen aber die Voraussetzungen für die Leistung des ambulant betreuten Wohnens. Die Teilhabefähigkeit sei nach den Feststellungen vielmehr nur dadurch eingeschränkt, dass er seine Persönlichkeitsstörung nicht behandeln lasse, sich nicht mit Behörden auseinandersetzen können und Krisensituation nicht alleine meistern könne. Für die Unterstützung hierbei und zu diesen Tätigkeiten sei der Betreuer zuständig. Allein der Umstand, dass für die sonstige Motivation niemand infrage komme und der gesetzliche Betreuer hierzu nicht in der Lage sei, könne an der klare Zielrichtung der Hilfe (Betreutes Wohnen) nichts ändern und diese nicht erweitern; die Therapiemotivation gehöre nicht zur Hilfestellung. Diese sei auch nicht Gegenstand der Leistungsvereinbarung gemäß § 75 SGB ziehen. Das betreute Wohnen diene nicht dazu, den Kläger für die Behandlung zunächst überhaupt erst einmal zu motivieren.
Der Kläger beantragt,
1) Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2011 wird aufgehoben. 2) Es wird festgestellt, dass dem Kläger Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII für Betreutes Wohnen aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörung auch weiter zu steht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Gz.: 254147) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist im Übrigen auch zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 IV SGG statthaft.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtsmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Eingliederungsleistungen für betreutes Wohnen nach §§ 53 ff SGB XIII.
Die vom Kläger begehrte Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens infolge der festgestellten Defizite – im Hinblick auf die fehlende Fähigkeit zur Krisenbewältigung und die fehlende Motivation zur Absolvierung einer Therapie – aufgrund seiner Behinderung stellt nach Überzeugung der Kammer keine geeignet Maßnahme im Sinne von § 53 SGB XII dar, die Anspruchsvoraussetzungen liegen daher nicht vor.
Im Hinblick auf die Unterstützung bei Behördengängen steht der Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 2 Absatz 1 SGB XII einer Bewilligung von Leistungen entgegen. Hier ist vorrangig der zivilrechtlich bestellte oder zu bestellende Betreuer zuständig, nicht aber die Beklagten.
Alle Gutachter haben im Ergebnis festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung insbesondere Defizite bei der Krisenbewältigung und der Motivation zur Absolvierung einer Therapie aufweist. Insbesondere aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Gutachters, Herrn S, geht hervor, dass es zwingend und unabdingbar notwendig ist, dass der Kläger sich einer Psychotherapie unterziehen, zu der der Kläger bisher nicht in der Lage gewesen ist. Nur durch diese kann der Kläger langfristig (binnen einer Frist von zwei Jahren), in die Lage versetzt werde, wieder selbstständig Krisen zu bewältigen. Nur dadurch wird der Kläger wieder in die Lage versetzt, wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Das steht zur Überzeugung der Kammer nach Durchführung des Verhandlungstermins fest. Auch die insoweit zentral zu bewertende fehlende Therapiemotivation kann nur durch eine Psychotherapeuten oder Psychiater überwunden werden. Erst die beim Kläger wieder erweckte Motivation, sich einer entsprechenden Therapie und damit sich selbst zu stellen, kann den Kläger nach Überzeugung der Kammer in die Lage versetzen, wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Durchführung einer Psychotherapie allenfalls im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen steht und damit an sich nicht durch den nachrangig verpflichteten Träger der Sozialhilfe erbracht werden muss, dem steht der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII entgegen.
Aber auch Leistungen zur Beseitigung des eigentlichen Motivationshemmnisses, das nach Ansicht der Kammer von dem Vorrangsprinzip nicht erfasst wird sofern keine anderweitig vorrangigen Leistungen (wie bspw. Psychotherapie) begehrt werden, kann durch die Leistung des BEWO-Anbieters nicht überwunden werden. Die Maßnahmen des Anbieters für betreutes Wohnen sind hierzu schlicht ungeeignet. Aus der von der Beklagten übersandten Leistungsvereinbarung ergibt sich nach § 1 Ziff 2 – Ziele der Leistungen – in Verbindung mit § 1 Ziff. 4 – direkte Betreuungsleistungen – die beiden Säulen der Unterstützungsmaßnahmen durch einen Anbieter für Betreutes Wohnen; hierbei steht auf der einen Seite ganz allgemein die Wiedereingliederung auf der anderen Seite in concreto die Gestaltung und Strukturierung des Tagesablaufs. Da der gerichtlich bestellte Gutachter, Herr S, festgestellt hat, dass der Kläger keine Defizite in der Gestaltung seines Tagesablauf hat, scheiden bereits allen Maßnahmen aus, die dies zum Ziel haben. Mit dem Kläger ist allerdings zu konstatieren, dass legitimes Ziel einer Maßnahme des betreuten Wohnens auch die Wiedereingliederung in die Gesellschaft sein kann. Da das Motivationshemmnis des Klägers aber nach Überzeugung der Kammer ebenfalls nur durch eine Psychotherapie überwunden werden kann, sind jegliche Maßnahmen durch den Anbieter des betreuten Wohnens ungeeignet. Die Mitarbeiter des betreuten Wohnens verfügen nicht über die Qualifikation, die ein Psychiater im Rahmen seiner Facharztausbildung oder ein Psychotherapeut im Rahmen seiner in der Regel sechsjährigen Zusatzausbildung erwerben muss.
Letztlich hat der Kläger dies auf Nachfragen der Beklagtenvertreterin im Termin auch bestätigt. Der den Kläger betreuende Mitarbeiter des Leistungsanbieters hat den Kläger in den vergangenen zwei Jahren mehrfach zu bewegen versucht, eine Therapie zu beginnen und durchzuführen. Der Kläger hat nach eigener Aussage, die er im Termin nochmals wiederholte, bestätigt, dass er lediglich ein einziges Mal kurzfristig ein Therapieversuch begonnen und den Therapieversuch sofort wieder beendet hat.
Das Gericht geht, wie die mit der Beklagten auch, sogar ebenfalls davon aus, dass eine Maßnahme im betreuten Wohnen sich kontraproduktiv auswirkt. Der Kläger leidet nach den Feststellungen der Gutachter unter einer Alkohol -und Cannabisabhängigkeit, die unter anderem sein Motivationshemmnis bedingen. Der Kläger wird nur bei entsprechender Selbsterkenntnis, die notwendige Motivation aufbringen, die notwendige Psychotherapie durchzuführen. Dies kann der Kläger, wie die Kammer im Verhandlungstermins die Überzeugung gewonnen hat, nur dann aufbringen und gewinnen, wenn der Kläger begreift, dass er und nur er alleine in der Lage ist, sich selbst zu helfen. Der Kläger hat im Termin wiederholt darauf hingewiesen, dass er durch Lebensgefährtinnen, seine Mutter oder auch den Freundeskreis gestützt wird. Gleiches gilt für die Leistungen des Anbieters für betreutes Wohnen. Solange der Kläger dieses Netz und doppelten Boden hat und nicht zur Einsicht gelangt, dass er allein für sich Verantwortung trägt, wird der Kläger – nach der Überzeugung des Gerichtes – auch die notwendige Motivation zur Durchführung der dringend angeratenen Psychotherapie nicht aufbringen können. Deshalb ist die Durchführung von Maßnahmen des betreuten Wohnens auch nach Auffassung der Kammer kontraproduktiv. Letztlich hat dies auch der bereits zitierte Umstand gezeigt, dass der Ansprechpartner des Kläger beim Anbieter für betreutes innerhalb von zwei Jahren keine Möglichkeit gefunden hat, den Kläger zur Durchführung einer Psychotherapie zu bewegen.
Da der Kläger entweder in Teilbereichen nicht beeinträchtigt ist – Lebensführung und Tagesstrukturierung – oder aber Leistung des betreuten Wohnens beansprucht für Bereiche, für die der Nachrangsgrundsatz der Sozialhilfe nach § 2 Absatz 1 SGB XII gilt – Behördengänge – oder Leistung des betreuten Wohnens beansprucht, die schlicht ungeeignet sind, war die Klage abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
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