Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
44
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 44 R 1710/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die zu Gunsten des Q1 C in der Zeit vom 06.02.2014 bis 28.02.2014 durchgeführte Kinderrehabilitation in Höhe von 1.290,75 EUR zu erstatten. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Berufung wird zugelassen. Der Streitwert wird endgültig auf 1.290,75 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin verfolgt die Erstattung von Kosten für eine Kinderrehabilitation in Höhe von 1.290,75 EUR.
Der am 00.00.1995 geborene Schüler Q1 C (im Folgenden Antragsteller genannt) verfügt unter der Versicherungsnummer 00000000 Q2 000 über ein Versicherungskonto bei der Beklagten, in dem die Monate August 2013 bis September 2013 mit Pflichtversicherungsbeiträgen aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung vermerkt sind (vermerktes Entgelt: 540,00 EUR). Für seine Mutter, Frau N B, führt die Beklagte ein Versicherungskonto unter der Versicherungsnummer 00000000 Q2 000.
Am 24.12.2013 wurde der Antragsteller notfallmäßig im Katholischen Klinikum F GmbH mit der Diagnose Delir nach prolongiertem Status asthmaticus bei bekanntem Asthma bronchiale aufgenommen. Am 17.01.2014 stellte er unter der Versicherungsnummer seiner Mutter einen Antrag auf Gewährung einer Anschlussrehabilitation. Zur letzten ausgeübten Erwerbstätigkeit gab er an, Schüler zu sein und noch keine Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung gezahlt zu haben. Dem Antrag war ein ärztlicher Befundbericht des Katholischen Klinikums F GmbH beigefügt. Darin wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller voraussichtlich am 20.01.2014 entlassen werde. Aufgrund der Schwere der Erkrankung sei eine stationäre Anschlussrehabilitation indiziert.
Mit Schreiben vom 24.01.2014 leitete die Beklagte den Antrag unter der Versicherungsnummer des Antragstellers an die Klägerin weiter. Sie teilte mit, dass eine Zuständigkeit der Beklagten nicht gegeben sei, da der Antragsteller die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung nicht erfülle.
Mit Bescheid vom 30.01.2014 bewilligte die Klägerin dem Antragsteller eine Anschlussrehabilitation im Therapie- und Trainingszentrum I GmbH in F, die der Antragsteller sodann in der Zeit vom 06.02.2014 bis 28.02.2014 durchführte.
Mit Schreiben vom 27.02.2014 meldete die Klägerin bei der Beklagten (vorsorglich) einen Erstattungsanspruch nach § 14 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen an. Mit Schreiben vom 02.07.2014 bezifferte sie dann ihren Erstattungsanspruch auf 1.290,75 EUR. Sie teilte mit, dass sich nachträglich die Zuständigkeit der Beklagten zur Kostenübernahme herausgestellt habe. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.
Die Klägerin hat am 18.08.2014 Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, dass es sich bei dem Antragsteller um ein nicht versichertes Kind i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gehandelt habe. Es könne nicht der Wille des Gesetzgebers sein, dass ein zweimonatiger Ferienjob bei einem Schüler dazu führe, dass er seinen Anspruch auf eine Kinderrehabilitation zu Lasten der Rentenversicherung verliere. Hierfür spreche auch das Urteil des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 03.12.2013, Az.: S 6 R 630/11.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die zu Gunsten des Q1 C in der Zeit vom 06.02.2014 bis 28.02.2014 durchgeführte Kinderrehabilitation in Höhe von 1.290,75 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um ein nicht versichertes Kind i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gehandelt habe, da er für die Zeit vom 01.08.2013 bis 30.09.2013 mit den aus dem Entgelt erzielten Pauschalbeiträgen für die geringfügige Beschäftigung eine eigene Versicherungsleistung erbracht habe. Nichtversichert i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI seien nur die Angehörigen, die noch keinen einzigen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hätten bzw. zu deren Gunsten keine Beiträge als entrichtet gelten würden. Dazu gehörten auch die Beiträge aus einer geringfügigen Beschäftigung, auch wenn es sich hierbei nur um Pauschbeiträge handele, die der Arbeitgeber zu entrichten habe. Nur Kinder, die selbst noch keinen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hätten, seien als nichtversicherte Kinder i.S.d. Kinderreha-Richtlinien anzusehen. Dies leite sich aus dem Status eines Rentenversicherten ab, der mit der gesetzlich vorgeschriebenen Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge entstünde. Auch Beitragszeiten aus einer geringfügigen rentenversicherungsfreien Beschäftigung könnten allein den Status eines Versicherten in der Rentenversicherung begründen. Diejenigen, die zwar Beiträge vorweisen könnten, aber nicht ausreichende eigene Beiträge für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation hätten, fielen daher in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die klagende Krankenversicherung hat einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.290,75 EUR gegen die beklagte Rentenversicherung.
Anspruchsgrundlage ist § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX. Danach erstattet der Rehabilitationsträger, der für die Leistung zuständig ist, dem Rehabilitationsträger, der Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB IX festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist. Bei dem Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX handelt es ich um eine eigenständige Rechtsposition der Klägerin. Der Erstattungsanspruch berührt nicht das Verhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem eigentlichen Leistungsberechtigten, sodass eine Beiladung nicht erforderlich war (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.04.2013, Az.: B 8 SO 6/12 R). Dieser spezielle Anspruch nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – vor und begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Träger – bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs – die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe nur Urteil vom 26.06.2007, Az.: B 1 KR 34/06 R sowie Urteil vom 08.09.2009, Az.: B 1 KR 9/09 R m.w.N.). Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis begründet. § 14 SGB IX soll verhindern, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage zu Lasten des behinderten Menschen bzw. der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen (vgl. BT-Drucksache 14/5074, S. 95). Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Diesen Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind.
Die Klägerin hat die Reha-Maßnahme als zweitangegangener Leistungsträger nach § 14 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB IX bewilligt. Die Beklagte hat den Antrag an die Klägerin im Sinne dieser Vorschrift innerhalb der Zweiwochenfrist weitergeleitet.
Die Beklagte war für die Reha-Maßnahme zuständig. Eine Zuständigkeit der Beklagten zur Reha-Maßnahme i.S.d. § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX ist gegeben, wenn der Versicherte die Reha-Maßnahme ihrer Art nach von der Beklagten nach ihrem materiellen Recht hätte beanspruchen können. Dies war vorliegend der Fall. Der Antragsteller hatte ohne die Regelung in § 14 Abs. 2 SGB IX nur gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Reha-Maßnahme nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 SGB VI.
Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI können als sonstige Leistungen zur Teilhabe insbesondere stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten erbracht werden, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI setzten gemäß § 31 Abs. 2 SGB VI voraus, dass der Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt. Sie werden nur auf Grund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden (§ 31 Abs. 2 S. 2 SGB VI).
Der Antragsteller begehrte die Gewährung einer Kinderrehabilitation aus der Versicherung seiner Mutter. Den Antrag hatte er bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer seiner Mutter gestellt. Die Mutter des Antragstellers ist bei der Beklagten versichert, in ihrer Person liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI vor.
Auch die Voraussetzung der Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der Gesundheit und des späteren Einflusses auf seine Erwerbsfähigkeit war in der Person des Antragstellers gegeben (vgl. § 2 Abs. 1 der Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI für Kinderheilbehandlungen – Kinderrehabilitationsrichtlinien, KiHB-Richtlinien vom 05.09.1991 i.d.F. vom 17.12.2012). Dies ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KiHB-Richtlinien insbesondere bei Krankheiten der Atemwege der Fall. Solche lagen bei dem Antragsteller vor. Dies folgt insbesondere aus den ärztlichen Berichten des Katholischen Klinikums F GmbH und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Die Beklagte begründet die Ablehnung des Erstattungsanspruchs mit der Annahme, bei dem Antragsteller habe es sich bereits um einen eigenständigen Versicherten gehandelt. Dabei stützt sie sich auf § 1 Abs. 1 S. 1 KiHB-Richtlinien, wonach die Träger der Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Rehabilitation nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI für "nichtversicherte" Kinder von Versicherten Kinderrehabilitationen erbringen können.
Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich bei dem Antragsteller um ein "nichtversichertes" Kind. Als Kinder i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gelten Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Kinder sind über das 18. Lebensjahr hinaus zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegen, in der Regel, wenn ein Kindergeldanspruch besteht (Haack in: jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 31 SGB VI Rn. 31). Nach Ansicht der Kammer ist ein Kind in diesem Sinne nicht nur "nichtversichert", wenn es noch keinen eigenen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, sondern auch wenn es die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (ebenso Sozialgericht (SG) Hannover, Urteil vom 03.12.2013, Az.: S 6 R 630/11, nicht veröffentlicht). Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 3 KiHB-Richtlinien (ebenso SG Hannover a.a.O.), wo definiert ist, dass Versicherte im Sinne des § 1 KiHB-Richtlinien diejenigen sind, die 1. in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben oder 2. innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder 3. bei Antragstellung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der in Nr. 1 genannte Zeitraum von zwei Jahren verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II.
Nichtversicherte sind damit diejenigen, die die in § 3 KiHB-Richtlinien genannten Voraussetzungen gerade nicht erfüllen. Die Auslegung der Beklagten, nimmt hingegen alle Kinder vom Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI aus, die einen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben bzw. für die aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung Pauschbeträge von dem Arbeitgeber gezahlt worden sind. Diese erweiterte Auslegung des Begriffs "nichtversichert" führt zu einem kleineren Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 NR. 4 SGB VI, der nach seinem Wortlaut bestimmt, dass "Kinder von Versicherten" diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Weitere Einschränkungen hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen enthält die Bestimmung nicht. Zur Überzeugung der Kammer kann es nicht Sinn und Zwecke der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sein, Kinder, die lediglich in den Ferien einer geringfügigen Beschäftigung, z.B. zur Aufstockung ihres Taschengeldes, nachgehen, von einer von dem Rentenversicherungsträger zu gewährenden Kinderrehabilitation auszunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die unterlegene Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die Frage, ob eine geringfügige Beschäftigung eines Schülers (in den Ferien) die Gewährung einer Kinderrehabilitation nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI durch den Rentenversicherungsträger entgegensteht, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist aus Gründen der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts erforderlich.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist nach Abs. 3 deren Höhe maßgebend. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte, ist nach Abs. 2 ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem streitigen Erstattungsbetrag. Dieser beträgt 1.290,75 EUR.
Tatbestand:
Die Klägerin verfolgt die Erstattung von Kosten für eine Kinderrehabilitation in Höhe von 1.290,75 EUR.
Der am 00.00.1995 geborene Schüler Q1 C (im Folgenden Antragsteller genannt) verfügt unter der Versicherungsnummer 00000000 Q2 000 über ein Versicherungskonto bei der Beklagten, in dem die Monate August 2013 bis September 2013 mit Pflichtversicherungsbeiträgen aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung vermerkt sind (vermerktes Entgelt: 540,00 EUR). Für seine Mutter, Frau N B, führt die Beklagte ein Versicherungskonto unter der Versicherungsnummer 00000000 Q2 000.
Am 24.12.2013 wurde der Antragsteller notfallmäßig im Katholischen Klinikum F GmbH mit der Diagnose Delir nach prolongiertem Status asthmaticus bei bekanntem Asthma bronchiale aufgenommen. Am 17.01.2014 stellte er unter der Versicherungsnummer seiner Mutter einen Antrag auf Gewährung einer Anschlussrehabilitation. Zur letzten ausgeübten Erwerbstätigkeit gab er an, Schüler zu sein und noch keine Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung gezahlt zu haben. Dem Antrag war ein ärztlicher Befundbericht des Katholischen Klinikums F GmbH beigefügt. Darin wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller voraussichtlich am 20.01.2014 entlassen werde. Aufgrund der Schwere der Erkrankung sei eine stationäre Anschlussrehabilitation indiziert.
Mit Schreiben vom 24.01.2014 leitete die Beklagte den Antrag unter der Versicherungsnummer des Antragstellers an die Klägerin weiter. Sie teilte mit, dass eine Zuständigkeit der Beklagten nicht gegeben sei, da der Antragsteller die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung nicht erfülle.
Mit Bescheid vom 30.01.2014 bewilligte die Klägerin dem Antragsteller eine Anschlussrehabilitation im Therapie- und Trainingszentrum I GmbH in F, die der Antragsteller sodann in der Zeit vom 06.02.2014 bis 28.02.2014 durchführte.
Mit Schreiben vom 27.02.2014 meldete die Klägerin bei der Beklagten (vorsorglich) einen Erstattungsanspruch nach § 14 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen an. Mit Schreiben vom 02.07.2014 bezifferte sie dann ihren Erstattungsanspruch auf 1.290,75 EUR. Sie teilte mit, dass sich nachträglich die Zuständigkeit der Beklagten zur Kostenübernahme herausgestellt habe. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.
Die Klägerin hat am 18.08.2014 Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, dass es sich bei dem Antragsteller um ein nicht versichertes Kind i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gehandelt habe. Es könne nicht der Wille des Gesetzgebers sein, dass ein zweimonatiger Ferienjob bei einem Schüler dazu führe, dass er seinen Anspruch auf eine Kinderrehabilitation zu Lasten der Rentenversicherung verliere. Hierfür spreche auch das Urteil des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 03.12.2013, Az.: S 6 R 630/11.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die zu Gunsten des Q1 C in der Zeit vom 06.02.2014 bis 28.02.2014 durchgeführte Kinderrehabilitation in Höhe von 1.290,75 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um ein nicht versichertes Kind i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gehandelt habe, da er für die Zeit vom 01.08.2013 bis 30.09.2013 mit den aus dem Entgelt erzielten Pauschalbeiträgen für die geringfügige Beschäftigung eine eigene Versicherungsleistung erbracht habe. Nichtversichert i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI seien nur die Angehörigen, die noch keinen einzigen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hätten bzw. zu deren Gunsten keine Beiträge als entrichtet gelten würden. Dazu gehörten auch die Beiträge aus einer geringfügigen Beschäftigung, auch wenn es sich hierbei nur um Pauschbeiträge handele, die der Arbeitgeber zu entrichten habe. Nur Kinder, die selbst noch keinen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hätten, seien als nichtversicherte Kinder i.S.d. Kinderreha-Richtlinien anzusehen. Dies leite sich aus dem Status eines Rentenversicherten ab, der mit der gesetzlich vorgeschriebenen Entrichtung der Rentenversicherungsbeiträge entstünde. Auch Beitragszeiten aus einer geringfügigen rentenversicherungsfreien Beschäftigung könnten allein den Status eines Versicherten in der Rentenversicherung begründen. Diejenigen, die zwar Beiträge vorweisen könnten, aber nicht ausreichende eigene Beiträge für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation hätten, fielen daher in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die klagende Krankenversicherung hat einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.290,75 EUR gegen die beklagte Rentenversicherung.
Anspruchsgrundlage ist § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX. Danach erstattet der Rehabilitationsträger, der für die Leistung zuständig ist, dem Rehabilitationsträger, der Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB IX festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist. Bei dem Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX handelt es ich um eine eigenständige Rechtsposition der Klägerin. Der Erstattungsanspruch berührt nicht das Verhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem eigentlichen Leistungsberechtigten, sodass eine Beiladung nicht erforderlich war (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.04.2013, Az.: B 8 SO 6/12 R). Dieser spezielle Anspruch nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – vor und begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Träger – bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs – die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe nur Urteil vom 26.06.2007, Az.: B 1 KR 34/06 R sowie Urteil vom 08.09.2009, Az.: B 1 KR 9/09 R m.w.N.). Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis begründet. § 14 SGB IX soll verhindern, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage zu Lasten des behinderten Menschen bzw. der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen (vgl. BT-Drucksache 14/5074, S. 95). Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Diesen Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind.
Die Klägerin hat die Reha-Maßnahme als zweitangegangener Leistungsträger nach § 14 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB IX bewilligt. Die Beklagte hat den Antrag an die Klägerin im Sinne dieser Vorschrift innerhalb der Zweiwochenfrist weitergeleitet.
Die Beklagte war für die Reha-Maßnahme zuständig. Eine Zuständigkeit der Beklagten zur Reha-Maßnahme i.S.d. § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX ist gegeben, wenn der Versicherte die Reha-Maßnahme ihrer Art nach von der Beklagten nach ihrem materiellen Recht hätte beanspruchen können. Dies war vorliegend der Fall. Der Antragsteller hatte ohne die Regelung in § 14 Abs. 2 SGB IX nur gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Reha-Maßnahme nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 SGB VI.
Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI können als sonstige Leistungen zur Teilhabe insbesondere stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten erbracht werden, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI setzten gemäß § 31 Abs. 2 SGB VI voraus, dass der Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt. Sie werden nur auf Grund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden (§ 31 Abs. 2 S. 2 SGB VI).
Der Antragsteller begehrte die Gewährung einer Kinderrehabilitation aus der Versicherung seiner Mutter. Den Antrag hatte er bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer seiner Mutter gestellt. Die Mutter des Antragstellers ist bei der Beklagten versichert, in ihrer Person liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI vor.
Auch die Voraussetzung der Möglichkeit einer wesentlichen Besserung der Gesundheit und des späteren Einflusses auf seine Erwerbsfähigkeit war in der Person des Antragstellers gegeben (vgl. § 2 Abs. 1 der Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI für Kinderheilbehandlungen – Kinderrehabilitationsrichtlinien, KiHB-Richtlinien vom 05.09.1991 i.d.F. vom 17.12.2012). Dies ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KiHB-Richtlinien insbesondere bei Krankheiten der Atemwege der Fall. Solche lagen bei dem Antragsteller vor. Dies folgt insbesondere aus den ärztlichen Berichten des Katholischen Klinikums F GmbH und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Die Beklagte begründet die Ablehnung des Erstattungsanspruchs mit der Annahme, bei dem Antragsteller habe es sich bereits um einen eigenständigen Versicherten gehandelt. Dabei stützt sie sich auf § 1 Abs. 1 S. 1 KiHB-Richtlinien, wonach die Träger der Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Rehabilitation nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI für "nichtversicherte" Kinder von Versicherten Kinderrehabilitationen erbringen können.
Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich bei dem Antragsteller um ein "nichtversichertes" Kind. Als Kinder i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gelten Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Kinder sind über das 18. Lebensjahr hinaus zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegen, in der Regel, wenn ein Kindergeldanspruch besteht (Haack in: jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 31 SGB VI Rn. 31). Nach Ansicht der Kammer ist ein Kind in diesem Sinne nicht nur "nichtversichert", wenn es noch keinen eigenen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, sondern auch wenn es die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (ebenso Sozialgericht (SG) Hannover, Urteil vom 03.12.2013, Az.: S 6 R 630/11, nicht veröffentlicht). Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 3 KiHB-Richtlinien (ebenso SG Hannover a.a.O.), wo definiert ist, dass Versicherte im Sinne des § 1 KiHB-Richtlinien diejenigen sind, die 1. in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben oder 2. innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder 3. bei Antragstellung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der in Nr. 1 genannte Zeitraum von zwei Jahren verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II.
Nichtversicherte sind damit diejenigen, die die in § 3 KiHB-Richtlinien genannten Voraussetzungen gerade nicht erfüllen. Die Auslegung der Beklagten, nimmt hingegen alle Kinder vom Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI aus, die einen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben bzw. für die aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung Pauschbeträge von dem Arbeitgeber gezahlt worden sind. Diese erweiterte Auslegung des Begriffs "nichtversichert" führt zu einem kleineren Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 NR. 4 SGB VI, der nach seinem Wortlaut bestimmt, dass "Kinder von Versicherten" diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Weitere Einschränkungen hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen enthält die Bestimmung nicht. Zur Überzeugung der Kammer kann es nicht Sinn und Zwecke der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sein, Kinder, die lediglich in den Ferien einer geringfügigen Beschäftigung, z.B. zur Aufstockung ihres Taschengeldes, nachgehen, von einer von dem Rentenversicherungsträger zu gewährenden Kinderrehabilitation auszunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die unterlegene Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die Frage, ob eine geringfügige Beschäftigung eines Schülers (in den Ferien) die Gewährung einer Kinderrehabilitation nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI durch den Rentenversicherungsträger entgegensteht, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist aus Gründen der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts erforderlich.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist nach Abs. 3 deren Höhe maßgebend. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte, ist nach Abs. 2 ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem streitigen Erstattungsbetrag. Dieser beträgt 1.290,75 EUR.
Rechtskraft
Aus
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