S 40 U 86/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 86/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 11.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 wird aufgehoben. 2. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 20.02.2005 ein Arbeitsunfall ist. 3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Ereignisses vom 20. Februar 2005 als Arbeitsunfall.

Die am XX.XXXXXXX 1991 geborene Klägerin wohnte in Hamburg und hielt sich seit 2003 des Öfteren auf dem Pferdegestüt der Eheleute L. in H. bei Hamburg auf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie Reitunterricht auf einem anderen "Pferdehof" gehabt. Den Kontakt zu den Eheleuten L. hatten die Großeltern der Klägerin hergestellt, die mit diesen nachbarschaftlich befreundet sind. Danach durfte sich die Klägerin auf dem Gestüt aufhalten und verbrachte regelmäßig ihre Freizeit am Wochenende und zum Teil in der Woche nach der Schule auf dem Gestüt. Sie ist nach eigenen Angaben "pferdebegeistert".

Das Gestüt der Eheleute L. besteht aus circa 50 Pferden, die zum Teil auch von den vier Kindern der Eheleute L. bei Turnieren eingesetzt werden. Die Eheleute L. beschäftigen drei festangestellte Pferdepflegerinnen, die sich in Absprache mit den vier Kindern der Eheleute L. um die Pferde auf dem Gestüt kümmern. Das Reiten der Pferde übernehmen fast ausschließlich die Kinder.

Während ihrer Aufenthalte half die Klägerin freiwillig zum Beispiel beim Longieren, Aufzäumen, Putzen und Bewegen der Pferde des Gestüts mit. Zum Teil durfte die Klägerin auch zu Reitturnieren mitfahren und betreute dort die Pferde der Kinder mit.

Am 20. Februar 2005 trat ein Pferd beim Longieren plötzlich aus und traf die Klägerin in die rechte Bauchhöhle. Es kam zu einer Nieren- und Leberverletzung, wobei in der Folge eine Niere entfernt werden musste.

Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2005 wandte sich die Klägerin wegen der Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall an die Beklagte. In einer Gesprächsnotiz vom 30. Januar 2006 über ein Telefonat zwischen dem Inhaber des Gestüts (J. L.) und einer Mitarbeiterin der Beklagten wurden unter anderem die Äußerungen des Inhabers wie folgt festgehalten: Der Inhaber teilte mit, die Klägerin habe nicht auf dem Hof gearbeitet. Die Klägerin helfe nicht regelmäßig mit, sondern komme immer nur sporadisch, wenn sie zu Besuch bei ihren Großeltern sei. Zum Unfallzeitpunkt sei der Inhaber nicht auf dem Hof gewesen. Eine angestellte Pferdepflegerin sei dort gewesen und habe die Klägerin beschäftigt (Pferd putzen und longieren). Die Klägerin sei auf dem Hof "geduldet" worden und habe auch kleine Arbeiten übernehmen dürfen. Zusätzlich hätten seine Kinder der Klägerin Reitunterricht gegeben, damit sie dieses erlernen konnte. Einen "echten" Auftrag habe er der Klägerin nie gegeben. Sie seien auch nicht auf die "Arbeit" der Klägerin angewiesen gewesen.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 20. Februar 2005 als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung aus, ein Arbeitsunfall liege gemäß § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor, wenn eine versicherte Person bei einer versicherten Tätigkeit einen Unfall erleide. Es müsse sich dabei um eine dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handeln, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen stehe und dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspreche. Ein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmer sei nicht erforderlich.

Ein Eintritt in das landwirtschaftliche Unternehmen, wie eine beschäftigte Person, sei entgegen den Angaben der Klägerin vom Unternehmer zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen. Vielmehr habe der Unternehmer (J. L.) der Klägerin durch sein Angebot, die Pferde besuchen zu dürfen, ein stabiles soziales Umfeld bieten wollen. Einen Auftrag zur Verrichtung bestimmter Tätigkeiten habe der Unternehmer nicht erteilt. Diese von der Klägerin verrichtete Tätigkeit stelle somit keine versicherte Tätigkeit dar und stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2006 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein und führte zur Begründung aus, dass sie umfangreiche Arbeitsleistungen auf dem Gestüt der Familie L. verrichtet habe. Hierzu sei sie insbesondere von der Tochter J1 L. eingesetzt worden. Die genauen Instruktionen habe sie sowohl mündlich als auch zum Teil per SMS erhalten. Im Stall auf dem Hof sei eine spezielle Tafel angebracht, auf der die Klägerin habe ablesen können, wofür sie von der Familie L. jeweils eingeteilt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, die Klägerin habe in keinem Arbeitsverhältnis zum landwirtschaftlichen Unternehmer L. gestanden, so dass Versicherungsschutz nur in Betracht komme, wenn die Klägerin wie eine Arbeitnehmerin tätig geworden sei. Dies setze voraus, dass es sich bei der zum Unfall führenden Handlung um eine ernste, dem Unternehmen des Herrn L. dienende Tätigkeit handele, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspreche, ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einen dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden, und dass die Tätigkeit derjenigen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sei, so dass durch sie ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt werden könne.

Von entscheidender Bedeutung sei, dass die Tätigkeit durch ihre Zielsetzung fremdbestimmt sei. Diene die Tätigkeit sowohl eigenen Belangen als auch fremden Zwecken, so seien die objektiv erbrachte Leistung und die subjektive Handlungstendenz ihrer Intensität nach gegeneinander abzuwägen. Wer vorwiegend seine eigenen Angelegenheiten und seine eigenen Interessen fördere, verhalte sich nicht wie ein im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses Tätiger und stehe daher nicht unter Versicherungsschutz.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handele es sich beim Tätigwerden der Klägerin nicht um eine dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienende Tätigkeit, die der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Tätigkeit entspreche, so dass kein Versicherungsschutz für den streitigen Unfall bestünde. Die Longierarbeit habe zwar auch mittelbar dem Unternehmen des Herrn L. gedient. Sie sei aber durch die verfolgten eigenen Interessen maßgeblich "selbstbestimmt" und nicht vom Unternehmer "fremdbestimmt" gewesen. Der Klägerin sei es in erster Linie darum gegangen, ihrer Pferdebegeisterung und Freizeitgestaltung nachzukommen. Das Longieren eines Pferdes sei eine Tätigkeit, die zweifelsfrei sonst von Arbeitnehmern erledigt werden könne. Die Handlung der Klägerin sei jedoch ausschließlich auf die persönlichen Bedürfnisse und die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Ziele, nicht dagegen auf die Erledigung fremdbestimmter Arbeit ausgerichtet gewesen. Anlass des Aufenthaltes auf dem Betrieb L. sei ausschließlich eine zielgerichtete Freizeitgestaltung gewesen. Die Klägerin sei die Enkelin eines befreundeten Paares aus der Nachbarschaft von Herrn L. und dessen Familie. Eine Mitarbeit im Betrieb sei in keiner Weise gefordert, ein tatsächliches Tätigwerden sei damit durch betriebsfremde Umstände geprägt gewesen. Da die Klägerin auch kein Entgelt erhalten habe, weise ihr Tätigwerden unter Berücksichtigung aller Umstände keine Ähnlichkeit mit dem aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses geleisteten auf und rechtfertige es nicht, sie einer Arbeitnehmerin gleichzustellen. Es habe weder eine Aufforderung seitens des Unternehmers, noch eine Notwendigkeit zum Longieren bestanden, ebenfalls nicht für andere Tätigkeiten. Herr L. habe der Klägerin durch sein Angebot, die Pferde besuchen zu dürfen, vielmehr ein stabiles soziales Umfeld bieten wollen, da wohl schwierige Familienverhältnisse vorliegen würden. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ergebe sich, dass die Klägerin zu keiner Zeit in das Unternehmen eingetreten sei. Sie sei regelmäßig in der Absicht auf den Hof gekommen, dort ihre Freizeit zu verbringen.

Mit der am 16. März 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie den Unfall bei einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit erlitten habe. Sie habe bei den Tätigkeiten für das Gestüt L. eine fremdbestimmte Arbeitsleistung erbracht, die ansonsten von Beschäftigten hätte verrichtet werden müssen und sei für den Betrieb eine billige Arbeitskraft gewesen. Daher liege ein Arbeitsunfall vor.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 11. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 20. Februar 2005 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 19. Dezember 2007 hat das Gericht die Klägerin sowie die Zeugen F. und L. gehört.

Die Klägerin hat hierbei ergänzend mitgeteilt, sie sei seit ca. 2003 fast jeden Tag auf dem Hof gewesen. Auch während der Schulzeit sei sie von Hamburg nach der Schule dorthin gefahren. Ihr seien Pferde konkret beispielsweise zum Longieren und Absatteln zugeteilt worden. In der Regel sei diese Zuteilung durch J1 L. erfolgt. Es habe im Stall eine Tafel mit den Namen der Kinder der Familie L. sowie den Namen von ihr und einem anderen "Pferdemädchen" gegeben. Hinter den Namen hätten regelmäßig mehrere Pferdenamen gestanden, so sei die Arbeit verteilt worden. Als Gegenleistung für die Arbeit habe sie auch die Pferde reiten dürfen. Die "Arbeitsleistung", die für sie eigentlich keine Arbeit gewesen sei, weil sie ihr Spaß gemacht habe, sei weit umfänglicher als das Reiten gewesen. Zum Teil sei sie durch eine SMS angefordert worden. Vorher habe die Klägerin Reitunterricht (gegen Bezahlung) auf einem anderen Hof gehabt. Die Arbeitsleistung habe sie nicht als Arbeit empfunden, sondern eher als Spaß.

Die Zeugin J2 F., die auf dem Gestüt als auszubildende Pferdepflegerin beschäftigt ist, hat ausgesagt:

Nach meiner Kenntnis war die Klägerin an den Wochenenden von morgens bis abends auf dem Hof. In der Woche war sie unregelmäßig da. Wir waren drei angestellte Pferdepflegerinnen und zwei zusätzliche Helferinnen (die Klägerin und eine Freundin). Die Klägerin verrichtete im Prinzip alle anfallenden Arbeiten, je nach dem, ob sie hierzu Lust hatte. Die Arbeiten wurden von der Familie L. verteilt, insbesondere standen die Namen der Beschäftigten sowie der Klägerin und einer Freundin auf einer Tafel im Stall, wo aufgeführt wurde, welche Arbeiten anfallen. Es gibt noch ein "Pferdemädchen", die zurzeit in G. studiert, sie kommt in den Semesterferien. Sie darf die Pferde unentgeltlich Reiten, ohne dafür zu arbeiten.

Die Klägerin hätte grundsätzlich Arbeitsleistungen ablehnen können, da sie aber an allen Arbeiten Spaß hatte, kam dies in der Regel nicht vor.

Der Zeuge J. L., der Inhaber des Gestüts, hat ausgesagt:

Die Klägerin sei wohl seit 2004 bei ihm regelmäßig auf dem Hof. Das Ganze ergab sich durch die Großeltern der Klägerin, mit denen wir befreundet sind. Diese baten mich, ob die Klägerin auf dem Hof sein darf. Die Klägerin wurde in der Weise bei uns eingebunden, dass sie auch mit zu Turnieren fahren durfte. Die Klägerin hat sich bei uns auf dem Hof nützlich gemacht. Sie hat z.B. beim Pferdeeinstellen, auch Putzen, Führen und Longieren geholfen. Es gab noch ein zweites "Pferdemädchen" bei uns auf dem Hof, F1 M., die ähnlich tätig wurde, aber erheblich seltener.

Wir haben im Stall ein schwarzes Brett. Da stehen die Namen meiner Kinder drauf. Diese teilen sich die zu reitenden Pferde für den Tag ein und tragen es dort auf der Tafel ein. Die Namen der Klägerin bzw. der Pferdepflegerinnen tauchten auf dieser Tafel in der Regel nicht auf. Zur konkreten Arbeitsleistung kann ich sagen: die Klägerin hat Pferde eingestellt und geputzt. Dies war eine Hilfeleistung, die wohl insbesondere den Pferdepflegerinnen zugute kam, weil die dann die entsprechenden Arbeiten nicht machen mussten.

Als "Gegenleistung" durfte die Klägerin ab und zu Pferde bei uns reiten. Das Verhältnis zwischen "Arbeitsleistung" - mit den Pferden rumtütteln - und dem Reiten/ Reitunterricht war wohl so, dass das Reiten wohl sehr wenig war.

Die Zeugin J1 L. konnte nicht gehört werden, da diese seit dem 1. Oktober 2007 in S. wohnt und dort arbeitet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakte, des Protokolls und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese haben der Kammer vorgelegen und waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten. Die Klägerin hat am 20. Februar 2005 einen Arbeitsunfall erlitten.

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten, infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dass die Klägerin am Unfalltage beim Longieren durch den Tritt des Pferdes einen Unfall erlitten und sich dabei schwere Verletzungen zugezogen hat, ist unstreitig. Bei dieser zum Unfall führenden Tätigkeit stand sie auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Eine Versicherung als Beschäftigte nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII scheidet aus, da kein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zu den Inhabern des Gestüts, den Eheleuten L., bestanden hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand aber Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Der Versicherungsschutz erstreckt sich aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen auf Tätigkeiten, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln.

Die ständige sozialgerichtliche Rechtsprechung (vgl. zuletzt Bundessozialgericht –BSG- vom 13. September 2005 Az.: B 2 U 6/05 R in Juris; zur Rechtsprechung Kruschinsky in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: März 2007, § 2 SGB VII RdNr 805ff mwN.) hat zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt:

• es muss sich um eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handeln (Handlungstendenz), • sie muss dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen, • die Tätigkeit muss dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d.h. ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem Beschäftigungs-verhältnis stehen und • unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Eingliederung oder der Eintritt in das Unternehmen nicht erforderlich. Genauso wenig wird eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer gefordert. In solchen Fällen wäre bereits Versicherungs-schutz über ein Beschäftigungsverhältnis begründet. Es ist auch regelmäßig unerheblich, ob der wirtschaftliche Wert der Tätigkeit gering oder hoch ist und auf welche Beweggründe das Handeln zurückzuführen ist. Insgesamt stellen diese Kriterien kein unumstößliches Dogma dar, sondern dienen der Abgrenzung, ob die Tätigkeit, bei der sich ein Unfall ereignet hat, als versicherte Tätigkeit zu werten ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang). Hierbei ist zu entscheiden, ob die Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung, vgl BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70 S 197; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 32 S 113; zuletzt BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, jeweils RdNr 6 mwN).

Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, die sich aus den konkreten Umständen und dem Gesamtbild einer Tätigkeit ergeben. Bei einer solchen Gesamtbetrachtung ist weiter zu beachten, dass trotzdem nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet werden muss.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441), eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht "wie" im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern "wie" ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs 2 SGB VII wie ein nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (vgl. zu § 539 Abs 2 RVO: BSG Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 48/91 - USK 92181 sowie zu § 2 Abs 2 SGB VII: Urteil vom 26.06.2007, Az.: B 2 U 35/06 R in Juris; BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 8/01 R - HVBG-Info 2002, 1175; Brackmann/Kruschinsky, aaO, § 2 RdNr 832). Entscheidend ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90; SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 6; SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 16).

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung des BSG an, insbesondere dass es für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII unerheblich ist, aus welchen Motiven oder Beweggründen der Entschluss zum Tätigwerden kommt, sondern dass vielmehr auf die mit dem Tun verbundene Handlungstendenz abzustellen ist. Die Handlungstendenz gibt nach objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt werden soll. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen als beschäftigtenähnlich zugerechnet werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass die Bedeutung "wesentlich" nicht im Sinne der Bedingungstheorie zu verstehen ist, denn es geht nicht um Kausalitätsfragen, sondern um die Zurechnung, dem sachlichen Zusammenhang der zu beurteilenden Tätigkeit. Der sozialpolitische Schutzzweck der Norm und die zugrunde liegende Ablösung der Unternehmerhaftpflicht sind in die Wertung mit einzubeziehen (vgl. P. Becker "Der Arbeitsunfall" in SGb 2007, 721, 724).

Die Kammer kommt nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ausgeübt hat. Die Voraussetzungen für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sind erfüllt.

Die zum Unfall führende Tätigkeit der Klägerin war eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit. Nach der Handlungstendenz diente die Tätigkeit nicht im Wesentlichen nur eigenen Zwecken, denn die Klägerin war nicht – wie die Beklagte meint – ausschließlich eigenwirtschaftlich bzw. unternehmerähnlich tätig. Die Klägerin wurde, wie die festangestellten Pferdepflegerinnen, über die im Stall befindliche Tafel darüber informiert, welche Arbeiten auf dem Hof zu verrichten waren. Die Zuteilung der Arbeiten erfolgte für die Klägerin und die Pferdepflegerinnen in der Regel durch die Familienmitglieder der Eheleute L ... Diese haben hinter die Namen der Beschäftigten auf der Tafel die Pferdenamen eingetragen und damit den Arbeitsablauf eines Tages auf dem Gestüt geregelt. Aus diesen objektiven Umständen folgt für die Kammer, dass die Klägerin wesentlich fremdbestimmte Arbeiten verrichtet hat. Insbesondere wurde sie zum Unfallzeitpunkt von der Zeugin F. konkret angewiesen, das Pferd zu longieren. Hierbei spielt es keine Rolle, dass die Zeugen übereinstimmend bekundet haben, es habe keine rechtliche Verpflichtung für die Klägerin zur Übernahme der Tätigkeiten bestanden, denn es geht nicht um das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, sondern ausschließlich um ein beschäftigtenähnliches Verhältnis.

Entgegen der pauschalen Behauptung der Beklagten, die Tätigkeit sei selbstbestimmt, weil die Klägerin in erster Linie ihrer Pferdebegeisterung und Freizeitgestaltung nachgekommen sei, liegt nach Meinung der Kammer eine wesentlich fremdbestimmte Arbeitsleistung vor. Es ist insoweit unerheblich, dass die Klägerin "Spaß" bei der Arbeit hatte und sie die Tätigkeiten nicht als "Arbeit" empfand. Die Behauptung der Beklagten zielt auf das unbeachtliche Motiv, den inneren Entschluss, zum Tätigwerden ab und übersieht die äußeren objektiven Umstände der Tätigkeit im Sinne der Handlungstendenz. Die Abgrenzung von selbstbestimmten eigenwirtschaftlichen bzw. unternehmerähnlichen Tätigkeiten zu fremdbestimmten versicherten Tätigkeiten hat daher auch nach dem objektiv zurechenbaren wirtschaftlichen Wert einer Arbeitsleistung zu erfolgen. Eine selbstbestimmte Tätigkeit liegt regelmäßig dann vor, wenn durch die Tätigkeit maßgeblich ein eigener wirtschaftlicher Vorteil bezweckt wird. Solche eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten wären auf dem Hof/Gestüt dann unversichert, wenn diese in einem ummittelbaren Zusammenhang mit dem unentgeltlichen Reiten bzw. unentgeltlichen Reitunterricht stehen würden. Wenn also eine "pferdebegeisterte" Reiterin sich um Pferde und die damit verbundenen Arbeiten kümmern und als "Gegenleistung" dafür reiten dürfte, dann ist der Versicherungsschutz regelmäßig ausgeschlossen, weil hier die Verfolgung eigener (wirtschaftlicher) Interessen im Vordergrund stünde und die Handlungstendenz wesentlich eigenwirtschaftlich geprägt wäre. Wenn aber, wie im Falle der Klägerin, sich gerade nach den gesamten Umständen ergibt, dass tatsächlich (objektiv) Arbeitsleistungen in einem Umfang verrichtet wurden, die einem echten Beschäftigungsverhältnis entsprechen, ist es bereits aus dem Sinn und Schutzzweck der Norm heraus geboten, hier Unfallversicherungsschutz anzunehmen. Dies folgt im Falle der Klägerin für die Kammer daraus, dass sowohl der Zeuge L. als auch die Klägerin übereinstimmend berichtet haben, dass das "Reiten" als Gegenleistung in den Hintergrund getreten war. Die Tätigkeiten der Klägerin hatten daher einen erheblichen Wert für das Unternehmen L., denn diese Arbeitsleistungen kamen ausschließlich dem Gestüt zu Gute. Auch dies hat der Zeuge L. bestätigt. Dieser erhebliche Umfang der Arbeitsleistung, regelmäßig an den Wochenenden und zum Teil auch an einigen (wenigen) Tagen in der Woche nach der Schule, macht die Bedeutung deutlich. Durch die von der Klägerin verrichteten Arbeiten wurden die festangestellten Pferdepflegerinnen von diesen notwendigen Arbeitsleistungen entlastet und konnten sich anderen Arbeiten widmen. Bereits im Telefonat mit der Beklagten am 30. Januar 2006 hatte der Zeuge L. bekundet, dass eine angestellte Pferdepflegerin die Klägerin mit der zum Unfall führenden Tätigkeit "beschäftigt" hatte und die Klägerin auch "kleine Arbeiten" übernehmen durfte.

Die Klägerin hatte sich zum Zeitpunkt des Unfalles seit ungefähr zwei Jahren regelmäßig auf dem Gestüt der Eheleute L. aufgehalten. Die Kammer weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass der Versicherungsschutz mit Sicherheit nicht von Beginn der Tätigkeiten an begründet war, sondern sich erst durch die umfangreiche Übertragung der Arbeiten auf die Klägerin ergeben hat. Am Anfang war das "Besuchen dürfen" zwischen den Eheleuten L. und den Großeltern der Klägerin vereinbart, ohne dass Arbeitsleistungen im Raume standen. Zu Beginn der Aufenthalte auf dem Gestüt war das eigene Interesse der Klägerin sicherlich davon geprägt, ihre Freizeit mit Pferden auf dem Hof zu verbringen und diente damit allein wesentlich einem unversicherten Zweck. Der Klägerin wurden aber in der Folgezeit nach der Aussage des Zeugen L. "kleine Arbeiten" übertragen und sie hat sich "auf dem Hof nützlich gemacht". Der Unfallversicherungsschutz ist ab dem Zeitpunkt begründet, ab dem eine Hilfeleistung den Rahmen sprengt, der als "Gegenleistung" in einem Rechtskreis allgemein üblich ist und erwartet werden kann. Dies ergibt sich aus dem Sinn und insbesondere aus dem Schutzzweck des § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Dieser Umstand war zum Unfallzeitpunkt vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat auf dem Gestüt eine wirtschaftlich verwertbare Tätigkeit für das Unternehmen verrichtet, ohne hierfür eine adäquate Gegenleistung in Form von Reitunterricht zu erhalten. Damit hat sie objektiv und wesentlich eine dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit verrichtet. Ihre Motivation, sich freiwillig um Pferde zu kümmern, ist unbeachtlich.

Insgesamt sind vorliegend sämtliche Merkmale, die ein Beschäftigungsverhältnis von einer Unternehmertätigkeit abgrenzen, erfüllt. Die Klägerin war quasi in den Betrieb eingegliedert und erhielt ihre Arbeitsaufträge über die Tafel, die im Stall angebracht war. Sie hatte zum Unfallzeitpunkt sogar den offiziellen "Auftrag", das Pferd zu longieren. Genau diese Tätigkeit des "Pferdebewegens" musste auf dem Gestüt an diesem Tage verrichtet werden. Hierbei handelte es sich nicht um einen werkvertraglichen Auftrag, denn eine solche Werkleistung schuldete die Klägerin nicht, so dass sie nicht unternehmerähnlich tätig wurde. Nur weil eine Arbeitsleistung Freude bereitet und "Spaß" macht, wird sie nicht zu einer eigenwirtschaftlichen unversicherten Tätigkeit.

Die Argumentation der Beklagten, dass die Klägerin dadurch, dass sie kein Entgelt erhalten hat, nicht beschäftigtenähnlich tätig gewesen sei, ist abwegig. Hätte die Klägerin ein, wenn auch nur kleines, Entgelt erhalten, wären von vornherein sämtliche Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverhältnis gegeben und der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII begründet worden. Dies zeigt bereits, dass nach dem Schutzzweck der Norm für die vorliegende Tätigkeit Unfallversicherungsschutz anzunehmen ist.

Die Tätigkeit entsprach dem ausdrücklichen Willen des Unternehmers. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge L. ausgesagt hat, das Gestüt sei nicht auf die Mithilfe angewiesen gewesen und die Klägerin wäre auf dem Hof nur geduldet. Gerade hieraus ergibt sich, dass die Klägerin mit dem erforderlichen Willen des Unternehmers dort tätig wurde. Auch wenn der Unternehmer selbst betont, er habe diese Duldung aus sozialen Erwägungen und aus Freundschaft zu den Großeltern der Klägerin gebilligt, führt dies nicht zum Ausschluss einer versicherten Tätigkeit. Die Klägerin war mit seinem Einverständnis und seinem Wissen auf dem Gestüt tätig und "durfte kleine Arbeiten übernehmen".

Die Tätigkeit war dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich und wurde auch unter solchen Umständen verrichtet, dass sie einem konkreten Beschäftigungsverhältnis entsprach. Die Klägerin verrichtete dieselben Arbeiten wie die festangestellten Pferdepflegerinnen.

Auf die Grundsätze einer so genannten gemischten Tätigkeit braucht nicht mehr eingegangen werden, denn selbst wenn man vorliegend von einer solchen gemischten Tätigkeit ausgehen würde, überwiegt die Fremdbestimmtheit nach den objektiven Umständen und der wirtschaftlichen Zurechnung der Tätigkeiten zum Unternehmen der Eheleute L. und gibt der Tätigkeit ihr wesentliches bzw. gleichwertiges Gepräge.

Die Kammer weist zusätzlich noch daraufhin, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen der altersgemäße Entwicklungsstand zu beachten ist. Dieser Entwicklungsstand kann bei der Auslegung einer Norm dazu führen, dass durch ein entsprechendes Verhalten der sachliche Zusammenhang mit einer unfallbringenden Tätigkeit auch dann nicht verloren geht, wenn dasselbe Verhalten bei Erwachsenen als eigenwirtschaftliche oder unternehmerähnliche und damit unversicherte Tätigkeit im Rechtssinne zu werten wäre (vgl. zu Schülern: BSG vom 30.10.2007 -B 2 U 29/06 R). Im Gegensatz zu erwachsenen Personen, die häufig wesentlich eigene (wirtschaftliche oder unternehmerische) Interessen und Ziele bei bestimmten Tätigkeiten bezwecken, ist bei Kindern und Jugendlichen die Handlungstendenz besonders sorgfältig zu prüfen. Ob die Tätigkeit eines Heranwachsenden unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung und daher im sachlichen Zusammenhang steht, ist als Zurechnungsfrage anhand des Einzelfalles und seiner Besonderheiten zu beurteilen. Vorliegend begründet sich nach Überzeugung der Kammer dieser Zurechnungszusammenhang insbesondere aus dem zeitlichen Umfang der Tätigkeiten, die die Klägerin für das Gestüt geleistet hat und dem wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen. Der zeitliche Umfang sprengt den Rahmen, der eine bloße unversicherte Freizeit-gestaltung durch den Aufenthalt auf dem Hof – bei einem Erwachsenen - begründen könnte.

Die Kammer konnte auf die Vernehmung der Zeugin J1 L. verzichten, weil sich die den Versicherungsschutz begründenden Tatsachen bereits aus den Aussagen der Zeugen F. und J. L. geben haben. Ob zusätzlich noch Arbeitsaufforderungen per SMS an die Klägerin von der Zeugin J1 L. geschickt wurden, war daher nicht mehr zu ermitteln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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