Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
58
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 58 SO 514/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2006 dem Grunde nach verurteilt, an die Klägerin die angemessenen Kosten für die von der Klägerin in der Zeit vom 18.04.2006 bis zum 05.06.2006 geleistete Pflege des Herrn A. B., geboren am XX.XX.1950, unter Berücksichtigung der bereits von der Pflegekasse geleisteten Zahlungen von 921,00 EUR monatlich zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 2.090,16 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vergütung von Pflegedienstleistungen, welche sie gegenüber dem mittlerweile verstorbenen Herrn A. B. erbracht hat.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Am 13.04.2006 schloss sie einen Pflegevertrag mit Herrn B., in welchem sie sich verpflichtete, ab diesem Datum ambulante Pflegedienstleistungen in der Wohnung des Herrn B. zu erbringen. Diesen Vertrag brachte die Klägerin am 18.04.2006 der Beklagten zur Kenntnis. Herr B. war zu diesem Zeitpunkt vermögenslos und bezog Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Form von Arbeitslosengeld II.
Am XX.XX.2006 verstarb Herr B ... Mit Schreiben vom 30.06.2006 an die Pflegekasse bei der AOK Rheinland/Hamburg, bei welcher der Verstorbene pflegeversichert war, teilte der mit der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit des Herrn B. beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nord mit, anhand der vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass bei Herrn B. von April 2006 bis zu dessen Tod die Voraussetzungen der Pflegestufe II vorgelegen hätten. Die Pflegekasse sagte der Klägerin daraufhin unter dem 21.08.2006 zu, sie werde sich für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 05.06.2006 an den Pflegekosten bis zu einem Gesamtaufwand von 921,- Euro im Monat beteiligen.
Mit Schreiben vom 25.09.2006 erhob die Klägerin bei der Beklagten Anspruch auf die Vergütung der geleisteten häuslichen Pflege des Herrn B. und kündigte an, entsprechende Rechnungen zu übersenden. Am 30.10.2007 stellte die Klägerin der Beklagten für die Monate April und Mai 2006 insgesamt 2.090,16 Euro für gegenüber Herrn B. erbrachte Pflegedienstleistungen in Rechnung. In den Rechnungsbeträgen waren die Leistungen der Pflegekasse in Höhe von 921,- Euro monatlich bereits berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 31.10.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Leistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 62 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei die Entscheidung der Pflegekasse auch bei der Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zugrunde zu legen. Da das Ergebnis der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit erst nach dem Tod des Herrn B. vorgelegen habe, habe eine Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII nicht mehr erfolgen können. Nach § 19 Abs. 6 SGB XII erhielten nach dem Tode eines Leistungsberechtigten nur Einrichtungen und Pflegegeldempfänger Leistungen, ambulante Pflegedienste seien nicht erwähnt. Eine Übernahme der vorgelegten Rechnungen sei daher nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 06.11.2006 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Anspruch des Herrn B. auf sie übergegangen. Zwar habe der Gesetzgeber unglückliche und missverständliche Formulierungen gewählt, nach historischer, systematischer und teleologischer Auslegung des § 19 Abs. 6 SGB XII und der Vorgängernorm des § 28 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz alter Fassung (BSHG a. F.) ergebe sich jedoch, dass auch ambulante Pflegedienste vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2006 zurück. Der in § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII normierte Grundsatz, dass ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nicht übertragbar sei, werde nur in den Fällen des § 25 SGB XII und des § 19 Abs. 6 SGB XII durchbrochen. Es handele sich vorliegend aber weder um einen Eilfall nach § 25 SGB XII, da die Beklagte rechtzeitig über den Hilfebedarf informiert worden sei, noch sei § 19 Abs. 6 SGB XII anwendbar. Nach der mit Einführung des SGB XII erneut in das Gesetz aufgenommenen, dem Wortlaut nach eindeutigen Regelung sei die Norm einer Auslegung nicht mehr zugänglich.
Mit ihrer am 14.12.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, § 19 Abs. 6 SGB XII sei auch auf ambulante Pflegedienste anwendbar.
Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, auch die im Zeitraum vom 13.04.2006 bis zum 17.04.2006 erbrachten Pflegeleistungen zu vergüten, beantragt sie nunmehr nur noch,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2006 dem Grunde nach zu verurteilen, die von ihr durchgeführte Versorgung des Herrn A. B., geb. am XX.XX.1950, entsprechend der Pflegestufe II in dem Zeitraum vom 18.04.2006 bis 05.06.2006 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2008 sowie auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).
1. Die Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 87, 90 SGG). Auch wenn – wie hier – die Verurteilung zur Leistung nur dem Grunde nach begehrt wird und die Beklagte infolge der Verurteilung einen neuen Verwaltungsakt erlassen muss, ist statthafte Klageart im Anwendungsbereich des SGG nicht die Verpflichtungsklage, sondern die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Dies ergibt sich aus dem Verweis auf § 54 Abs. 4 SGG in dem das Grundurteil regelnden § 130 SGG (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 54 Rn. 40a).
2. Die Klage ist auch begründet. Dabei kann im Hinblick auf die Anfechtungsklage dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt befugt war, gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2006 ergibt sich nämlich jedenfalls bereits daraus, dass die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der angemessenen Kosten für die von ihr in der Zeit vom 18.04.2006 bis zum 05.06.2006 geleistete Pflege des Herrn B., soweit diese Kosten den von der Pflegekasse geleisteten Betrag von 921,- Euro im Monat übersteigen. Der dahingehende Anspruch des Herrn B. (a) ist auf die Klägerin übergegangen (b).
a) Der verstorbene Herr B. hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft aus § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Dieser Anspruch besteht, soweit Personen wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), ihnen die Aufbringung der Mittel aus dem eigenen Einkommen und Vermögen nicht zumutbar ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII), sie daher einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII haben und darüber hinaus die erforderliche häusliche Pflege nicht als Nachbarschaftshilfe oder durch Personen übernommen wird, die dem Pflegebedürftigen nahestehen (§ 63 Satz 1 SGB XII).
Herr B. hatte einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Er war pflegebedürftig im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 30.06.2006, wonach bei Herrn B. von April 2006 bis zu seinem Tod die Voraussetzungen der Pflegestufe II vorgelegen haben. Das ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nur dann der Fall, wenn Personen bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Herrn B. war darüber hinaus die Aufbringung der Mittel, soweit die Leistungen der Pflegekasse nicht ausreichten, aus dem eigenen Einkommen und Vermögen nicht zumutbar, da er vermögenslos war und den Lebensunterhalt von staatlichen Grundsicherungsleistungen bestritt (vgl. § 19 Abs. 3 i. V. m. §§ 82 ff. SGB XII). Die erforderliche häusliche Pflege wurde auch nicht durch andere Personen übernommen. Der Anspruch bestand jedenfalls ab dem 18.04.2006, da die Beklagte an diesem Tag über die Klägerin Kenntnis von der Pflegebedürftigkeit des Herrn B. erhielt und die Sozialhilfe, zu der auch die Hilfe zur Pflege zählt, gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.
Der Anspruch war auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil die Pflegekasse vor dem Tod des Herrn B. noch nicht über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit entschieden hatte. Zwar ist diese Entscheidung der Pflegekasse gemäß § 62 SGB XII auch der Entscheidung im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu Grunde zu legen, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Diese Bindung des Sozialhilfeträgers an die Entscheidung der Pflegekasse entbindet den Sozialhilfeträger jedoch nicht von der in § 18 Abs. 1 SGB XII niedergelegten Verpflichtung, einer ihm vermittelten Kenntnis schon vor Ergehen einer Entscheidung der Pflegekasse Rechnung zu tragen (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 25.10.2001 – 12 LB 2908/01 ¬–, juris).
Der Anspruch aus § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auf Kostenübernahme für eine besondere Pflegekraft umfasst schließlich die angemessene Vergütung einer entlohnten Fachkraft, etwa – wie hier – eines Beschäftigten eines ambulanten Pflegedienstes (Krahmer in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 65 Rn. 10).
b) Dieser Anspruch des Herrn B. ist nach seinem Tod gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII im Wege einer Legalzession auf die Klägerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
§ 19 Abs. 6 SGB XII regelt, dass die zum Zeitpunkt des Todes unerfüllten Ansprüche des Leistungsberechtigten gegen den Träger der Sozialhilfe ausnahmsweise weiterbestehen und auf diejenige natürliche oder juristische Person übergehen, die tatsächlich die Hilfe geleistet hat. Die Regelung soll verhindern, dass Leistungserbringer trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen, nur weil die Entscheidung des Sozialhilfeträgers längere Zeit beanspruchte. Denn grundsätzlich gehen Sozialhilfeansprüche mit dem Tod des Berechtigten unter (vgl. Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 2 BSHG a. F., BT-Drs. 13/3904, S. 45). Der Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn im Zeitpunkt der Leistungserbringung alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorgelegen haben, also der gewährende Verwaltungsakt hätte erlassen werden können, und die Hilfe von einem Dritten tatsächlich erbracht worden ist (Schoch in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 19 Rn. 55). So liegt der Fall nach dem oben Gesagten hier.
Zu den nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Leistungserbringer übergehenden Ansprüchen der Berechtigten auf "Leistungen für Einrichtungen" zählen auch die hier streitigen Ansprüche auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, mithin der angemessenen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst (wie hier Neumann in: Hauck/Noftz, SGB XII, 12. EL, Stand Dezember 2007, § 19 Rn. 65; Seidel in: Oestreicher, SGB XII/ SGB II, 53. EL, Stand September 2007, § 19 Rn. 66; a. A. Adolph in: Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 56. EL, Stand Januar 2008, § 19 Rn. 77; Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 8. EL, Stand Januar 2007, § 19 Rn. 38; Freudenberg in: Jahn, SGB XII, § 19 Rn. 60; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 19 Rn. 38; Hohm in: Schellhorn/Schell¬horn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 19 Rn. 59; zur Rechtslage unter Geltung des § 28 Abs. 2 BSHG a. F. wie hier VG Hannover, Urteil vom 28.01.2003 – 7 A 1408/01 –, juris; a. A. SG Hamburg, Urteil vom 13.12.2007 – S 50 SO 692/05 –, n. v.).
Einer solchen Auslegung steht zunächst der Wortlaut der Norm nicht entgegen. Anders als noch in § 28 Abs. 2 BSHG a. F. heißt es in § 19 Abs. 6 SGB XII nicht mehr "Leistungen in Einrichtungen", sondern "Leistungen für Einrichtungen". Aus der Formulierung "Leistungen in Einrichtungen" anstelle der möglichen Formulierung "Leistung durch Einrichtungen" in § 28 Abs. 2 BSHG a. F. ist geschlossen worden, Ansprüche auf Kostenerstattung für ambulante Hilfen, die in der Wohnung des Pflegebedürftigen erbracht würden, sollten nicht übergehen (Zeitler, NDV 1997, 4). Im Hinblick auf die nun gewählte Formulierung "Leistungen für Einrichtungen" wird vertreten, sofern diese "sprachlich missglückte Formulierung überhaupt einen Sinn" habe, dann den, die strikte Unterscheidung zwischen "Hilfen in" und "Hilfen durch" Einrichtungen zu vermeiden (Neumann in: Hauck/Noftz, SGB XII, 12. EL, Stand Dezember 2007, § 19 Rn. 65). Jedenfalls aber lässt die Formulierung "Leistungen für Einrichtungen" es nunmehr zu, auch solche Leistungen unter die Norm zu subsumieren, die nicht in Einrichtungen, sondern lediglich durch Einrichtungen erbracht werden.
Der Wortlaut der Norm schließt es außerdem nicht aus, ambulante Pflegedienste unter den Begriff der Einrichtung zu fassen, denn der Begriff der Einrichtung ist bei näherer Betrachtung der Gesetzessystematik nicht eindeutig. Zuzugeben ist zwar, dass es in § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII heißt, Einrichtungen seien stationäre und teilstationäre Einrichtungen und ergänzend in Satz 2 klargestellt wird, dass die §§ 75 bis 80 SGB XII auch für Dienste Anwendung finden. Dies spricht dafür, ambulante Pflegedienste nicht zu den Einrichtungen im Sinne des Gesetzes zu zählen. Andererseits war im BSHG der Begriff der Einrichtung umfassend gemeint, wie sich unter anderem aus § 93 Abs. 1 BSHG a. F. ergab (so Zeitler, NDV 1997, 4). Dort hieß es, die Sozialhilfeträger sollten eigene Einrichtungen "einschließlich Dienste" nicht neu schaffen. Dieser weite Begriff der Einrichtung wird übernommen in der Legaldefinition des Begriffs der Einrichtung in § 13 Abs. 2 SGB XII. Danach sind Einrichtungen im Sinne der Vorschrift "alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen". Dazu können auch ambulante Pflegedienste gezählt werden. Die Unklarheit des Gesetzeswortlauts ergibt sich zudem bereits aus der Tatsache, dass an keiner Stelle im Gesetz der Begriff der Einrichtung definiert wird, ohne dabei unzulässigerweise den zu definierenden Begriff "Einrichtung" selbst zu verwenden (vgl. §§ 13 Abs. 2, 75 Abs. 1 SGB XII). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jedoch bestehen nach Auffassung der Kammer keine Bedenken, einen ambulanten Pflegedienst als Einrichtung zu bezeichnen.
Steht der Wortlaut der Norm der hier vertretenen Auslegung danach jedenfalls nicht entgegen, so sprechen im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung keine Argumente für die Ansicht, Ansprüche auf Kostenerstattung für Leistungen ambulanter Pflegedienste seien vom Anwendungsbereich der Norm nicht erfasst. Im Hinblick auf Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist bereits die zur Einführung des § 28 Abs. 2 BSHG a. F. veröffentlichte Gesetzesbegründung eindeutig. Dort heißt es wie folgt (BT-Drs. 13/3904, S. 45):
"Beansprucht jemand Sozialhilfe und stirbt vor der Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe, so geht der Anspruch unter. Da bei der Hilfe in Einrichtungen oder bei ambulanter Pflege die Entscheidungen oftmals längere Zeit beanspruchen und die Leistungen bereits von Dritten erbracht werden, führt die geltende Rechtslage dazu, dass Einrichtungen und Pflegepersonen trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen. Dies erscheint nicht gerechtfertigt und erschwert schnelle Hilfe durch Dritte. Die Neuregelung verhindert dies, indem sie den Anspruch des Hilfesuchenden, soweit er bis zu dessen Tode zu erfüllen gewesen wäre, auf einen Dritten übergehen lässt."
Dass danach umfassend alle erbrachten Pflegeleistungen erfasst werden sollten, wird auch daran deutlich, dass auch der Anspruch auf Pflegegeld nach § 64 SGB XII auf die Pflegeperson übergehen soll. Es ist vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) überdies kein Grund ersichtlich, weshalb das Vertrauen einer privaten Pflegeperson auf Leistungen der Sozialhilfe ebenso wie dasjenige einer stationären Einrichtung geschützt werden soll und dasjenige eines ambulanten Pflegedienstes, welcher dieselbe Pflegeleistung erbringt, nicht (so schon VG Hannover, Urteil vom 28.01.2003 – 7 A 1408/01 –, juris).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
4. Die Höhe des festgesetzten Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vergütung von Pflegedienstleistungen, welche sie gegenüber dem mittlerweile verstorbenen Herrn A. B. erbracht hat.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Am 13.04.2006 schloss sie einen Pflegevertrag mit Herrn B., in welchem sie sich verpflichtete, ab diesem Datum ambulante Pflegedienstleistungen in der Wohnung des Herrn B. zu erbringen. Diesen Vertrag brachte die Klägerin am 18.04.2006 der Beklagten zur Kenntnis. Herr B. war zu diesem Zeitpunkt vermögenslos und bezog Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Form von Arbeitslosengeld II.
Am XX.XX.2006 verstarb Herr B ... Mit Schreiben vom 30.06.2006 an die Pflegekasse bei der AOK Rheinland/Hamburg, bei welcher der Verstorbene pflegeversichert war, teilte der mit der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit des Herrn B. beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nord mit, anhand der vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass bei Herrn B. von April 2006 bis zu dessen Tod die Voraussetzungen der Pflegestufe II vorgelegen hätten. Die Pflegekasse sagte der Klägerin daraufhin unter dem 21.08.2006 zu, sie werde sich für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 05.06.2006 an den Pflegekosten bis zu einem Gesamtaufwand von 921,- Euro im Monat beteiligen.
Mit Schreiben vom 25.09.2006 erhob die Klägerin bei der Beklagten Anspruch auf die Vergütung der geleisteten häuslichen Pflege des Herrn B. und kündigte an, entsprechende Rechnungen zu übersenden. Am 30.10.2007 stellte die Klägerin der Beklagten für die Monate April und Mai 2006 insgesamt 2.090,16 Euro für gegenüber Herrn B. erbrachte Pflegedienstleistungen in Rechnung. In den Rechnungsbeträgen waren die Leistungen der Pflegekasse in Höhe von 921,- Euro monatlich bereits berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 31.10.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Leistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 62 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei die Entscheidung der Pflegekasse auch bei der Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zugrunde zu legen. Da das Ergebnis der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit erst nach dem Tod des Herrn B. vorgelegen habe, habe eine Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII nicht mehr erfolgen können. Nach § 19 Abs. 6 SGB XII erhielten nach dem Tode eines Leistungsberechtigten nur Einrichtungen und Pflegegeldempfänger Leistungen, ambulante Pflegedienste seien nicht erwähnt. Eine Übernahme der vorgelegten Rechnungen sei daher nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 06.11.2006 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Anspruch des Herrn B. auf sie übergegangen. Zwar habe der Gesetzgeber unglückliche und missverständliche Formulierungen gewählt, nach historischer, systematischer und teleologischer Auslegung des § 19 Abs. 6 SGB XII und der Vorgängernorm des § 28 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz alter Fassung (BSHG a. F.) ergebe sich jedoch, dass auch ambulante Pflegedienste vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2006 zurück. Der in § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII normierte Grundsatz, dass ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nicht übertragbar sei, werde nur in den Fällen des § 25 SGB XII und des § 19 Abs. 6 SGB XII durchbrochen. Es handele sich vorliegend aber weder um einen Eilfall nach § 25 SGB XII, da die Beklagte rechtzeitig über den Hilfebedarf informiert worden sei, noch sei § 19 Abs. 6 SGB XII anwendbar. Nach der mit Einführung des SGB XII erneut in das Gesetz aufgenommenen, dem Wortlaut nach eindeutigen Regelung sei die Norm einer Auslegung nicht mehr zugänglich.
Mit ihrer am 14.12.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, § 19 Abs. 6 SGB XII sei auch auf ambulante Pflegedienste anwendbar.
Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, auch die im Zeitraum vom 13.04.2006 bis zum 17.04.2006 erbrachten Pflegeleistungen zu vergüten, beantragt sie nunmehr nur noch,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2006 dem Grunde nach zu verurteilen, die von ihr durchgeführte Versorgung des Herrn A. B., geb. am XX.XX.1950, entsprechend der Pflegestufe II in dem Zeitraum vom 18.04.2006 bis 05.06.2006 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2008 sowie auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).
1. Die Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 87, 90 SGG). Auch wenn – wie hier – die Verurteilung zur Leistung nur dem Grunde nach begehrt wird und die Beklagte infolge der Verurteilung einen neuen Verwaltungsakt erlassen muss, ist statthafte Klageart im Anwendungsbereich des SGG nicht die Verpflichtungsklage, sondern die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Dies ergibt sich aus dem Verweis auf § 54 Abs. 4 SGG in dem das Grundurteil regelnden § 130 SGG (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 54 Rn. 40a).
2. Die Klage ist auch begründet. Dabei kann im Hinblick auf die Anfechtungsklage dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt befugt war, gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2006 ergibt sich nämlich jedenfalls bereits daraus, dass die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der angemessenen Kosten für die von ihr in der Zeit vom 18.04.2006 bis zum 05.06.2006 geleistete Pflege des Herrn B., soweit diese Kosten den von der Pflegekasse geleisteten Betrag von 921,- Euro im Monat übersteigen. Der dahingehende Anspruch des Herrn B. (a) ist auf die Klägerin übergegangen (b).
a) Der verstorbene Herr B. hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft aus § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Dieser Anspruch besteht, soweit Personen wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), ihnen die Aufbringung der Mittel aus dem eigenen Einkommen und Vermögen nicht zumutbar ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII), sie daher einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII haben und darüber hinaus die erforderliche häusliche Pflege nicht als Nachbarschaftshilfe oder durch Personen übernommen wird, die dem Pflegebedürftigen nahestehen (§ 63 Satz 1 SGB XII).
Herr B. hatte einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Er war pflegebedürftig im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 30.06.2006, wonach bei Herrn B. von April 2006 bis zu seinem Tod die Voraussetzungen der Pflegestufe II vorgelegen haben. Das ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nur dann der Fall, wenn Personen bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Herrn B. war darüber hinaus die Aufbringung der Mittel, soweit die Leistungen der Pflegekasse nicht ausreichten, aus dem eigenen Einkommen und Vermögen nicht zumutbar, da er vermögenslos war und den Lebensunterhalt von staatlichen Grundsicherungsleistungen bestritt (vgl. § 19 Abs. 3 i. V. m. §§ 82 ff. SGB XII). Die erforderliche häusliche Pflege wurde auch nicht durch andere Personen übernommen. Der Anspruch bestand jedenfalls ab dem 18.04.2006, da die Beklagte an diesem Tag über die Klägerin Kenntnis von der Pflegebedürftigkeit des Herrn B. erhielt und die Sozialhilfe, zu der auch die Hilfe zur Pflege zählt, gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.
Der Anspruch war auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil die Pflegekasse vor dem Tod des Herrn B. noch nicht über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit entschieden hatte. Zwar ist diese Entscheidung der Pflegekasse gemäß § 62 SGB XII auch der Entscheidung im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu Grunde zu legen, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Diese Bindung des Sozialhilfeträgers an die Entscheidung der Pflegekasse entbindet den Sozialhilfeträger jedoch nicht von der in § 18 Abs. 1 SGB XII niedergelegten Verpflichtung, einer ihm vermittelten Kenntnis schon vor Ergehen einer Entscheidung der Pflegekasse Rechnung zu tragen (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 25.10.2001 – 12 LB 2908/01 ¬–, juris).
Der Anspruch aus § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auf Kostenübernahme für eine besondere Pflegekraft umfasst schließlich die angemessene Vergütung einer entlohnten Fachkraft, etwa – wie hier – eines Beschäftigten eines ambulanten Pflegedienstes (Krahmer in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 65 Rn. 10).
b) Dieser Anspruch des Herrn B. ist nach seinem Tod gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII im Wege einer Legalzession auf die Klägerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
§ 19 Abs. 6 SGB XII regelt, dass die zum Zeitpunkt des Todes unerfüllten Ansprüche des Leistungsberechtigten gegen den Träger der Sozialhilfe ausnahmsweise weiterbestehen und auf diejenige natürliche oder juristische Person übergehen, die tatsächlich die Hilfe geleistet hat. Die Regelung soll verhindern, dass Leistungserbringer trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen, nur weil die Entscheidung des Sozialhilfeträgers längere Zeit beanspruchte. Denn grundsätzlich gehen Sozialhilfeansprüche mit dem Tod des Berechtigten unter (vgl. Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 2 BSHG a. F., BT-Drs. 13/3904, S. 45). Der Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn im Zeitpunkt der Leistungserbringung alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorgelegen haben, also der gewährende Verwaltungsakt hätte erlassen werden können, und die Hilfe von einem Dritten tatsächlich erbracht worden ist (Schoch in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 19 Rn. 55). So liegt der Fall nach dem oben Gesagten hier.
Zu den nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den Leistungserbringer übergehenden Ansprüchen der Berechtigten auf "Leistungen für Einrichtungen" zählen auch die hier streitigen Ansprüche auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, mithin der angemessenen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst (wie hier Neumann in: Hauck/Noftz, SGB XII, 12. EL, Stand Dezember 2007, § 19 Rn. 65; Seidel in: Oestreicher, SGB XII/ SGB II, 53. EL, Stand September 2007, § 19 Rn. 66; a. A. Adolph in: Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, 56. EL, Stand Januar 2008, § 19 Rn. 77; Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 8. EL, Stand Januar 2007, § 19 Rn. 38; Freudenberg in: Jahn, SGB XII, § 19 Rn. 60; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 19 Rn. 38; Hohm in: Schellhorn/Schell¬horn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 19 Rn. 59; zur Rechtslage unter Geltung des § 28 Abs. 2 BSHG a. F. wie hier VG Hannover, Urteil vom 28.01.2003 – 7 A 1408/01 –, juris; a. A. SG Hamburg, Urteil vom 13.12.2007 – S 50 SO 692/05 –, n. v.).
Einer solchen Auslegung steht zunächst der Wortlaut der Norm nicht entgegen. Anders als noch in § 28 Abs. 2 BSHG a. F. heißt es in § 19 Abs. 6 SGB XII nicht mehr "Leistungen in Einrichtungen", sondern "Leistungen für Einrichtungen". Aus der Formulierung "Leistungen in Einrichtungen" anstelle der möglichen Formulierung "Leistung durch Einrichtungen" in § 28 Abs. 2 BSHG a. F. ist geschlossen worden, Ansprüche auf Kostenerstattung für ambulante Hilfen, die in der Wohnung des Pflegebedürftigen erbracht würden, sollten nicht übergehen (Zeitler, NDV 1997, 4). Im Hinblick auf die nun gewählte Formulierung "Leistungen für Einrichtungen" wird vertreten, sofern diese "sprachlich missglückte Formulierung überhaupt einen Sinn" habe, dann den, die strikte Unterscheidung zwischen "Hilfen in" und "Hilfen durch" Einrichtungen zu vermeiden (Neumann in: Hauck/Noftz, SGB XII, 12. EL, Stand Dezember 2007, § 19 Rn. 65). Jedenfalls aber lässt die Formulierung "Leistungen für Einrichtungen" es nunmehr zu, auch solche Leistungen unter die Norm zu subsumieren, die nicht in Einrichtungen, sondern lediglich durch Einrichtungen erbracht werden.
Der Wortlaut der Norm schließt es außerdem nicht aus, ambulante Pflegedienste unter den Begriff der Einrichtung zu fassen, denn der Begriff der Einrichtung ist bei näherer Betrachtung der Gesetzessystematik nicht eindeutig. Zuzugeben ist zwar, dass es in § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII heißt, Einrichtungen seien stationäre und teilstationäre Einrichtungen und ergänzend in Satz 2 klargestellt wird, dass die §§ 75 bis 80 SGB XII auch für Dienste Anwendung finden. Dies spricht dafür, ambulante Pflegedienste nicht zu den Einrichtungen im Sinne des Gesetzes zu zählen. Andererseits war im BSHG der Begriff der Einrichtung umfassend gemeint, wie sich unter anderem aus § 93 Abs. 1 BSHG a. F. ergab (so Zeitler, NDV 1997, 4). Dort hieß es, die Sozialhilfeträger sollten eigene Einrichtungen "einschließlich Dienste" nicht neu schaffen. Dieser weite Begriff der Einrichtung wird übernommen in der Legaldefinition des Begriffs der Einrichtung in § 13 Abs. 2 SGB XII. Danach sind Einrichtungen im Sinne der Vorschrift "alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen". Dazu können auch ambulante Pflegedienste gezählt werden. Die Unklarheit des Gesetzeswortlauts ergibt sich zudem bereits aus der Tatsache, dass an keiner Stelle im Gesetz der Begriff der Einrichtung definiert wird, ohne dabei unzulässigerweise den zu definierenden Begriff "Einrichtung" selbst zu verwenden (vgl. §§ 13 Abs. 2, 75 Abs. 1 SGB XII). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch jedoch bestehen nach Auffassung der Kammer keine Bedenken, einen ambulanten Pflegedienst als Einrichtung zu bezeichnen.
Steht der Wortlaut der Norm der hier vertretenen Auslegung danach jedenfalls nicht entgegen, so sprechen im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung keine Argumente für die Ansicht, Ansprüche auf Kostenerstattung für Leistungen ambulanter Pflegedienste seien vom Anwendungsbereich der Norm nicht erfasst. Im Hinblick auf Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist bereits die zur Einführung des § 28 Abs. 2 BSHG a. F. veröffentlichte Gesetzesbegründung eindeutig. Dort heißt es wie folgt (BT-Drs. 13/3904, S. 45):
"Beansprucht jemand Sozialhilfe und stirbt vor der Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe, so geht der Anspruch unter. Da bei der Hilfe in Einrichtungen oder bei ambulanter Pflege die Entscheidungen oftmals längere Zeit beanspruchen und die Leistungen bereits von Dritten erbracht werden, führt die geltende Rechtslage dazu, dass Einrichtungen und Pflegepersonen trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen. Dies erscheint nicht gerechtfertigt und erschwert schnelle Hilfe durch Dritte. Die Neuregelung verhindert dies, indem sie den Anspruch des Hilfesuchenden, soweit er bis zu dessen Tode zu erfüllen gewesen wäre, auf einen Dritten übergehen lässt."
Dass danach umfassend alle erbrachten Pflegeleistungen erfasst werden sollten, wird auch daran deutlich, dass auch der Anspruch auf Pflegegeld nach § 64 SGB XII auf die Pflegeperson übergehen soll. Es ist vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) überdies kein Grund ersichtlich, weshalb das Vertrauen einer privaten Pflegeperson auf Leistungen der Sozialhilfe ebenso wie dasjenige einer stationären Einrichtung geschützt werden soll und dasjenige eines ambulanten Pflegedienstes, welcher dieselbe Pflegeleistung erbringt, nicht (so schon VG Hannover, Urteil vom 28.01.2003 – 7 A 1408/01 –, juris).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
4. Die Höhe des festgesetzten Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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