S 57 AY 69/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
57
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 57 AY 69/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Anspruch auf höhere Leistungen entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hat. Der nach eigenen Angaben am XX.XX.1986 geborene Kläger reiste am 11.04.2001 zusammen mit seinem Zwillingsbruder B. B1 ohne Ausweispapiere in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Rahmen seines Antrags auf Duldung aus humanitären Gründen gab der Kläger u.a. an, er stamme aus Grosny- Tschetschenien und habe bei der ersten kriegerischen Auseinandersetzung im Jahr 1994 seine Eltern verloren. Nach dem Tod der Eltern seien er und sein Bruder im Kinderheim oder bei Verwandten aufgewachsen. Als Name des Vaters gab der Kläger "R. (B1)" und als Name der Mutter "M. (B1)" an. Die Beklagte erließ mit Bescheid vom 17.05.2001 eine Ausweisungsverfügung und teilte u.a. mit, dass man davon ausgehe, dass der Kläger älter als 16 Jahre sei. Daher werde ein fiktives Geburtsdatum festgesetzt. In einer Anhörung am 27.06.2001 gab der Kläger u.a. an, er habe seine Geburtsurkunde verloren. In Tschetschenien habe er keine Verwandten. Mit Bescheid vom 06.08.2001 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ein daraufhin gestellter Antrag beim Verwaltungsgericht Hamburg (17 VG A 1137/2001), die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen, blieb ohne Erfolg. Seit Februar 2002 ist der Kläger im Besitz einer Duldung, da seine Abschiebung wegen fehlender Reisedokumente nicht möglich ist. Das Generalkonsulat der Russischen Förderation lehnte am 11.03.2003 die Ausstellung von Passersatzpapieren für den Kläger und seinen Bruder ab, da nach Angaben der zuständigen russischen Behörde für Inneres der Kläger und sein Bruder unter der angegebenen Anschrift unbekannt seien. Am 05.08.2005 legte der Kläger bei der Beklagten eine Geburtsurkunde vor, in der als Geburtsdatum des Klägers der XX.XX.1986 sowie als Vatersname des Vaters A. und als Vatersname der Mutter U. angegeben war. Das Generalkonsulat der Russischen Förderation lehnte mit Schreiben vom 16.05.2005 erneut die Ausstellung von Reisedokumenten ab, da der Kläger unter der angegebenen Anschrift unbekannt sei.

Mit Bescheid vom 30.05.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger für Juni 2006 Leistungen gemäß § 3 AsylbLG. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte Leistungen auf Grundlage des § 2 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006 als unbegründet zurück. Der Kläger habe die Dauer seines Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst, indem er nichts Handfestes dazu beitrage, seine Identität aufzuklären.

Hiergegen hat der Kläger am 29.11.2006 Klage erhoben. Er trägt vor, durch die Vorlage seiner Geburtsurkunde habe er die Richtigkeit seines Vortrages zu seinen persönlichen Daten nachgewiesen. Die Geburtsurkunde habe er bei seiner Flucht in der Heimat gelassen und sich diese von zu Hause schicken lassen. Sein Bruder sei mehrfach im Russischen Konsulat gewesen und habe auch die Unterlagen für ihn mitgenommen. Eine Bestätigung über seine Vorsprachen habe sein Bruder vom Konsulat nicht erhalten. Dem Kläger könne kein Fehlverhalten vorgeworfen werden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 30.05.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. SGB XII zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und verweist auf das Vorbringen im Widerspruchs¬bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidungsfindung vor¬gelegen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Über sie konnte im Wege des Gerichtsbescheides entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufwies und die Beteiligten zuvor zu dieser Verfahrensweise gehört worden sind, § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. SGB XII abgelehnt. Der Kläger gehört als Besitzer einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz zum Kreis der in § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG genannten Leistungsberechtigten. Diese haben nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 AsylbLG Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII, wenn sie insgesamt 36 Monate lang Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Kläger hat die notwendige Wartezeit erfüllt, jedoch hat er seine Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich beeinflusst.

Eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG liegt auch bei einer von der Rechtsordnung missbilligten, subjektiv vorwerfbaren und zur Aufenthaltsverlängerung führenden Nutzung der Rechtsposition vor, die ein Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erlangt hat. Darunter fällt auch der Verbleib eines Ausländers in Deutschland, dem es möglich und zumutbar wäre, auszureisen (Hohm in: GK-AsylbLG, § 2 Rdn. 79 ff.; BSG, U. v. 08.02.2007 – B 9b AY 1/06 R). Der Kläger ist vollziehbar ausreisepflichtig. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die gegen eine freiwillige Ausreise des Klägers sprechen. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mehrfach bestätigt, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG bzw. Abschiebehindernisse nicht vorliegen. Der Kläger selbst hat sich auch nicht ausreichend um die Beschaffung der notwendigen Reisedokumente gekümmert. Auf die Nachfrage des Gerichts, welche Versuche der Kläger unternommen habe, um Ausweispapiere zu erhalten, hat der Kläger vorgetragen, sein Bruder sei mehrfach im Generalkonsulat der Russischen Förderation gewesen und habe auch die Unterlagen für den Kläger mitgenommen. Eine Bestätigung vom Konsulat habe er nicht erhalten. Nach Auffassung des Gerichts besteht für den Kläger eine eigene Verpflichtung, sich persönlich um die Ausstellung der notwendigen Papiere unter Angabe der zutreffenden Angaben zu seiner Person zu bemühen. Der Kläger hat damit noch nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen, die notwendigen Ausweispapiere zu erhalten.

Im Übrigen hat das Gericht mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Klageverfahren des Bruders vor dem Sozialgericht Hamburg (S 54 AY 64/06) vorgetragen hat, dass der Kläger für seinen Bruder mehrmals im russischen Konsulat vorgesprochen und die Unterlagen für seinen Bruder mitgenommen habe. Zumindest in einem Verfahren dürften damit falsche Angaben gemacht worden seien. Für das Gericht liegt der Schluss nahe, dass weder der Kläger noch sein Bruder beim Generalkonsulat persönlich vorgesprochen haben.

Der Kläger hat zudem widersprüchliche Angaben zu seiner Person bzw. seinen familiären Umständen gemacht. So hat er zunächst vorgetragen, seine Eltern seien verstorben und er sei Vollwaise. Später hat er vorgetragen, seine Eltern seien verschollen. Für das Gericht erschließt sich im Übrigen auch nicht, woher der Kläger plötzlich im Jahre 2005 seine Geburtsurkunde erlangt hat. Insoweit hat er auf Nachfrage vorgetragen, diese sei ihm von zu Hause geschickt wurden. Dies ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat vorgetragen, dass er keine Verwandten mehr in der Heimat habe. Sollte der Kläger die Urkunde über eine öffentliche Stelle erhalten haben, muss es ihm auch möglich sein, eine Erklärung der örtlichen Behörden der Heimatstadt zu erlangen und dann beim Generalkonsulat entsprechende Reisedokumente zu beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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