Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 56/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 250/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a R 110/07 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2006 verurteilt, dem Kläger ab August 2005 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in gesetzlicher Höhe zu gewähren
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Der 1945 geborene Kläger war in Deutschland bis einschließlich Juni 1995 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 01.07.1995 bis 23.07.1995 war er arbeitsunfähig, vom 24.07.1995 bis 18.11.1995 arbeitslos. Vom 20.11.1995 bis 31.03.1998 übte er in der Türkei eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland meldete der Kläger sich ab Juli 1998 fortlaufend arbeitslos. Leistungen wurden ihm von der Bundesagentur für Arbeit vom 06.07.1998 bis 05.05.2000 gewährt.
Im Januar 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Mit Bescheid vom 10.11.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass in dem maßgebenden (verlängerten) Zehnjahreszeitraum vom 01.07.1993 bis 31.07.2005 statt der erforderlichen 96 Kalendermonate nur insgesamt 80 Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachgewiesen seien.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Juni 2000 bis Juni 2003 verlängere den Zehnjahreszeitraum mit der Folge, dass die erforderlichen 96 Monate Pflichtbeiträge vorhanden seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2006 als unbegründet zurück. Zu den Zeiten, die zur Verlängerung des Zehnjahreszeitraumes führten, gehörten anrechenbare Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Juni 2000 bis Juni 2003 sei kein Verlängerungstatbestand, da die zurückgelegte Zeit der Arbeitslosigkeit gemäß § 58 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) nicht anrechenbar sei.
Hiergegen richtet sich die bei dem erkennenden Gericht am 06.02.2006 erhobene Klage. Zur Begründung führt der Kläger an, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Zeit von Juni 2000 bis Juni 2003 nicht als Zeit der Arbeitslosigkeit anrechenbar sein sollte. Er habe bis zum 05.05.2000 Arbeitslosengeld bezogen, im Anschluss daran für den streitigen Zeitraum nur deshalb keine Arbeitslosenhilfe, weil er wegen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse keinen Antrag gestellt gehabt habe. Es sei nicht erklärlich, warum die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Juli 2003 bis Juli 2005 mit insgesamt 25 Monaten eine Verlängerung des Zehnjahreszeitraumes bewirke, die davor liegende Zeit jedoch nicht. Die sog. "58er Regelung" habe nicht das Geringste mit den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Arbeitslosigkeit zu tun.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2006 zu verurteilen, ihm ab August 2005 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist sie auf den Widerspruchsbescheid. Sie ist der Ansicht, dass die Gleichstellungsregelung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht einschlägig sei. Die Vorschrift erfasse nur Pflichtbeiträge, für die aus den in §§ 3, 4 SGB VI genannten Gründen Beiträge gezahlt worden seien oder als gezahlt gelten. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall. Es handele sich in dem Zeitraum von Juni 2000 bis Juni 2003 um "reine" Anrechnungszeiten ohne Leistungsbezug, für die keine Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten gewesen seien. Dem entsprechend läge eine versicherte Beschäftigung nicht vor. Keine versicherte Beschäftigung im Sinne des § 58 SGB VI sei u.a. eine Zeit der Versicherungspflicht nach den §§ 3, 4 SGB VI, so dass der Zeitraum vom 03.07.1998 bis 05.05.2000 für das Erfordernis der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung nicht herangezogen werden könne. Diese Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld bilde nur eine Brücke zu einer davor liegenden versicherten Beschäftigung. Da der letzte Pflichtbeitrag (Türkei) am 31.03.1998 entrichtet worden sei, sei dazwischen ein nicht belegter Zeitraum. Nach der Sonderregelung des § 237 Abs. 2 SGB VI werde der Zehnjahreszeitraum auch um bestimmte nicht anrechenbare Zeiten der Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres verlängert. Hiervon sei der Zeitraum von Juli 2003 bis Juli 2005 erfasst.
Die Beteiligten sind zu der Absicht des Gerichts, eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung zu treffen, gehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Rentenakte der Beklagten Bezug genommen, die Grundlage der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ergehen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Die zulässige Klage ist auch sachlich begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2005 abgelehnt. Hierdurch wird der Kläger in seinen Rechten verletzt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug dieser Altersrente sind erfüllt.
Nach § 237 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. vor dem 01. Januar 1952 geboren sind,
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3. entweder
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer der Bergbaus bezogen haben oder
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezuges einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und 5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit besteht nach § 237 Abs. 2 SGB VI auch für Versicherte, die während der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen, weil sie nicht bereit waren, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder an zumutbaren beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Der Zeitraum von zehn Jahren, in dem acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sein müssen, verlängert sich auch u. a. um solche Arbeitslosigkeitszeiten.
Der Kläger hat - worüber die Beteiligten alleinig streiten – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch die Voraussetzungen des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt, denn er hat innerhalb der (verlängerten) Rahmenfrist acht Jahre (96 Kalendermonate) mit Pflichtbeitragszeiten auf Grund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt.
In dem originären Zehnjahreszeitraum vom 01.08.1995 bis 31.07.2005 sind nach dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 17.03.2006 nur Pflichtbeitragszeiten Umfang von 55 Monaten vorhanden. Dieser Zehnjahreszeitraum kann jedoch vorliegend verlängert werden.
Verlängerungstatbestand ist zum einen gem. § 237 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI die nach Vollendung des 58. Lebensjahres liegende Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Hiervon geht auch die Beklagte zutreffend in den angefochtenen Bescheiden aus. Konkret handelt es sich um die Zeit vom 14.07.2003 bis zum 31.07.2003; sie umfasst 25 Monate.
Verlängerungstatbestand ist im Weiteren auch die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab Juni 2000 bis Juni 2003 (37 Monate). Zwar begann die Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bereits am 06. Mai 2000, jedoch wurden bis zum 05. Mai 2000 - vorrangige und bereits berücksichtigte - Pflichtbeiträge entrichtet.
Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab dem 06.05.2000 erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Der Kläger war arbeitslos gemeldet, Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestand einkommensbedingt nicht. Das Erfordernis der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit (Abs. 2 a.a.O.) liegt ebenfalls vor. Der Kläger hat bis zum 05.05.2000 Arbeitslosengeld bezogen. Es bestand Versicherungspflicht als Sozialleistungsbezieher nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in diesem Zeitraum. Eine versicherte Beschäftigung oder versicherte selbstständige Tätigkeit im Sinne von § 58 Abs. 2 SGB VI liegt vor, wenn der Zahlung von Pflichtbeiträgen aufgrund bestehender Versicherungspflicht eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit zu Grunde liegt. Welche Zeiten als Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gelten, wird durch § 55 Abs. 2 SGB VI legal definiert.
§ 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI stellt den Pflichtbeiträgen dabei und ausnahmslos solche Beiträge gleich, die nach den §§ 3 oder 4 SGB VI tatsächlich gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Die Gleichstellungsklausel erfasst über § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI den Bezug von Entgeltersatzleistungen, u. a. Arbeitslosengeld.
Für die Auffassung der Beklagten, dass u. a. Zeiten der Versicherungspflicht nach §§ 3, 4 SGB VI keine versicherten Beschäftigungen im Sinne des § 58 SGB VI seien, finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte.
Auch der Sinn und Zweck der §§ 55, 58 SGB VI gebietet keine andere Auslegung. § 55 Abs. 2 SGB VI zielt gerade darauf, dem Versicherten die Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen dadurch zu ermöglichen, dass bestimmte Beiträge Pflichtbeiträgen gleichgestellt werden (Kreikebohm-Löns, SGB VI, 2. Aufl. 2003, § 55 Rz. 7). Es handelt sich bei der Vorschrift ihrer Stellung im Gefüge des SGB VI nach um eine generelle, vor die Klammer gezogene Bestimmung, die - soweit nichts anderes bestimmt ist - stets Anwendung findet (Kreikebohm-Löns, SGB VI, 2. Aufl. 2003, § 55 Rz. 7).
Normzweck des § 58 Abs. 2 SGB VI ist es, nur diejenigen Versicherten durch Anrechnung der dort genannten beitragsfreien Zeiten zu begünstigen, die der Solidargemeinschaft der Versicherten durch Zahlung von Pflichtbeiträgen zuvor verbunden waren (KassKomm-Niesel, SGB VI, § 58 Rz. 96).
Zeiten des Bezuges von Sozialleistungen, für die nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI Versicherungspflicht besteht, sind daher eine "versicherte Beschäftigung" (so u.a. auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung –SGB VI-, § 58 Rz. 155). Dies führt dazu, dass vorliegend die sich anschließende Zeit der
Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI ist und damit auch Verlängerungstatbestand im Sinne des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
Der originäre Zehnjahreszeitraum ist im Falle des Klägers daher um insgesamt (25 + 37 =) 62 Monate zu verlängern. In dem für ihn dann maßgeblichen Zehnjahreszeitraum von 01.06.1990 bis 31.07.2005 hat der Kläger für 117 Monate Pflichtbeiträge entrichtet, die Voraussetzung des 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI liegt damit vor. Da das Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 237 SGB VI nicht im Streit steht, sind weitere Ausführungen entbehrlich. Dem Kläger steht die beantragte Leistung daher wie beantragt ab dem 01.08.2005 zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtstreits.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Der 1945 geborene Kläger war in Deutschland bis einschließlich Juni 1995 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 01.07.1995 bis 23.07.1995 war er arbeitsunfähig, vom 24.07.1995 bis 18.11.1995 arbeitslos. Vom 20.11.1995 bis 31.03.1998 übte er in der Türkei eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland meldete der Kläger sich ab Juli 1998 fortlaufend arbeitslos. Leistungen wurden ihm von der Bundesagentur für Arbeit vom 06.07.1998 bis 05.05.2000 gewährt.
Im Januar 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Mit Bescheid vom 10.11.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass in dem maßgebenden (verlängerten) Zehnjahreszeitraum vom 01.07.1993 bis 31.07.2005 statt der erforderlichen 96 Kalendermonate nur insgesamt 80 Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachgewiesen seien.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Juni 2000 bis Juni 2003 verlängere den Zehnjahreszeitraum mit der Folge, dass die erforderlichen 96 Monate Pflichtbeiträge vorhanden seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2006 als unbegründet zurück. Zu den Zeiten, die zur Verlängerung des Zehnjahreszeitraumes führten, gehörten anrechenbare Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Juni 2000 bis Juni 2003 sei kein Verlängerungstatbestand, da die zurückgelegte Zeit der Arbeitslosigkeit gemäß § 58 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) nicht anrechenbar sei.
Hiergegen richtet sich die bei dem erkennenden Gericht am 06.02.2006 erhobene Klage. Zur Begründung führt der Kläger an, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Zeit von Juni 2000 bis Juni 2003 nicht als Zeit der Arbeitslosigkeit anrechenbar sein sollte. Er habe bis zum 05.05.2000 Arbeitslosengeld bezogen, im Anschluss daran für den streitigen Zeitraum nur deshalb keine Arbeitslosenhilfe, weil er wegen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse keinen Antrag gestellt gehabt habe. Es sei nicht erklärlich, warum die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Juli 2003 bis Juli 2005 mit insgesamt 25 Monaten eine Verlängerung des Zehnjahreszeitraumes bewirke, die davor liegende Zeit jedoch nicht. Die sog. "58er Regelung" habe nicht das Geringste mit den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Arbeitslosigkeit zu tun.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2006 zu verurteilen, ihm ab August 2005 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist sie auf den Widerspruchsbescheid. Sie ist der Ansicht, dass die Gleichstellungsregelung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht einschlägig sei. Die Vorschrift erfasse nur Pflichtbeiträge, für die aus den in §§ 3, 4 SGB VI genannten Gründen Beiträge gezahlt worden seien oder als gezahlt gelten. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall. Es handele sich in dem Zeitraum von Juni 2000 bis Juni 2003 um "reine" Anrechnungszeiten ohne Leistungsbezug, für die keine Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten gewesen seien. Dem entsprechend läge eine versicherte Beschäftigung nicht vor. Keine versicherte Beschäftigung im Sinne des § 58 SGB VI sei u.a. eine Zeit der Versicherungspflicht nach den §§ 3, 4 SGB VI, so dass der Zeitraum vom 03.07.1998 bis 05.05.2000 für das Erfordernis der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung nicht herangezogen werden könne. Diese Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld bilde nur eine Brücke zu einer davor liegenden versicherten Beschäftigung. Da der letzte Pflichtbeitrag (Türkei) am 31.03.1998 entrichtet worden sei, sei dazwischen ein nicht belegter Zeitraum. Nach der Sonderregelung des § 237 Abs. 2 SGB VI werde der Zehnjahreszeitraum auch um bestimmte nicht anrechenbare Zeiten der Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres verlängert. Hiervon sei der Zeitraum von Juli 2003 bis Juli 2005 erfasst.
Die Beteiligten sind zu der Absicht des Gerichts, eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung zu treffen, gehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Rentenakte der Beklagten Bezug genommen, die Grundlage der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ergehen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Die zulässige Klage ist auch sachlich begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2005 abgelehnt. Hierdurch wird der Kläger in seinen Rechten verletzt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug dieser Altersrente sind erfüllt.
Nach § 237 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. vor dem 01. Januar 1952 geboren sind,
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3. entweder
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer der Bergbaus bezogen haben oder
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezuges einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und 5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit besteht nach § 237 Abs. 2 SGB VI auch für Versicherte, die während der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen, weil sie nicht bereit waren, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder an zumutbaren beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Der Zeitraum von zehn Jahren, in dem acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sein müssen, verlängert sich auch u. a. um solche Arbeitslosigkeitszeiten.
Der Kläger hat - worüber die Beteiligten alleinig streiten – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch die Voraussetzungen des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt, denn er hat innerhalb der (verlängerten) Rahmenfrist acht Jahre (96 Kalendermonate) mit Pflichtbeitragszeiten auf Grund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt.
In dem originären Zehnjahreszeitraum vom 01.08.1995 bis 31.07.2005 sind nach dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 17.03.2006 nur Pflichtbeitragszeiten Umfang von 55 Monaten vorhanden. Dieser Zehnjahreszeitraum kann jedoch vorliegend verlängert werden.
Verlängerungstatbestand ist zum einen gem. § 237 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI die nach Vollendung des 58. Lebensjahres liegende Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Hiervon geht auch die Beklagte zutreffend in den angefochtenen Bescheiden aus. Konkret handelt es sich um die Zeit vom 14.07.2003 bis zum 31.07.2003; sie umfasst 25 Monate.
Verlängerungstatbestand ist im Weiteren auch die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab Juni 2000 bis Juni 2003 (37 Monate). Zwar begann die Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bereits am 06. Mai 2000, jedoch wurden bis zum 05. Mai 2000 - vorrangige und bereits berücksichtigte - Pflichtbeiträge entrichtet.
Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug ab dem 06.05.2000 erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Der Kläger war arbeitslos gemeldet, Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestand einkommensbedingt nicht. Das Erfordernis der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit (Abs. 2 a.a.O.) liegt ebenfalls vor. Der Kläger hat bis zum 05.05.2000 Arbeitslosengeld bezogen. Es bestand Versicherungspflicht als Sozialleistungsbezieher nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in diesem Zeitraum. Eine versicherte Beschäftigung oder versicherte selbstständige Tätigkeit im Sinne von § 58 Abs. 2 SGB VI liegt vor, wenn der Zahlung von Pflichtbeiträgen aufgrund bestehender Versicherungspflicht eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit zu Grunde liegt. Welche Zeiten als Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gelten, wird durch § 55 Abs. 2 SGB VI legal definiert.
§ 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI stellt den Pflichtbeiträgen dabei und ausnahmslos solche Beiträge gleich, die nach den §§ 3 oder 4 SGB VI tatsächlich gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Die Gleichstellungsklausel erfasst über § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI den Bezug von Entgeltersatzleistungen, u. a. Arbeitslosengeld.
Für die Auffassung der Beklagten, dass u. a. Zeiten der Versicherungspflicht nach §§ 3, 4 SGB VI keine versicherten Beschäftigungen im Sinne des § 58 SGB VI seien, finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte.
Auch der Sinn und Zweck der §§ 55, 58 SGB VI gebietet keine andere Auslegung. § 55 Abs. 2 SGB VI zielt gerade darauf, dem Versicherten die Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen dadurch zu ermöglichen, dass bestimmte Beiträge Pflichtbeiträgen gleichgestellt werden (Kreikebohm-Löns, SGB VI, 2. Aufl. 2003, § 55 Rz. 7). Es handelt sich bei der Vorschrift ihrer Stellung im Gefüge des SGB VI nach um eine generelle, vor die Klammer gezogene Bestimmung, die - soweit nichts anderes bestimmt ist - stets Anwendung findet (Kreikebohm-Löns, SGB VI, 2. Aufl. 2003, § 55 Rz. 7).
Normzweck des § 58 Abs. 2 SGB VI ist es, nur diejenigen Versicherten durch Anrechnung der dort genannten beitragsfreien Zeiten zu begünstigen, die der Solidargemeinschaft der Versicherten durch Zahlung von Pflichtbeiträgen zuvor verbunden waren (KassKomm-Niesel, SGB VI, § 58 Rz. 96).
Zeiten des Bezuges von Sozialleistungen, für die nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI Versicherungspflicht besteht, sind daher eine "versicherte Beschäftigung" (so u.a. auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung –SGB VI-, § 58 Rz. 155). Dies führt dazu, dass vorliegend die sich anschließende Zeit der
Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI ist und damit auch Verlängerungstatbestand im Sinne des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
Der originäre Zehnjahreszeitraum ist im Falle des Klägers daher um insgesamt (25 + 37 =) 62 Monate zu verlängern. In dem für ihn dann maßgeblichen Zehnjahreszeitraum von 01.06.1990 bis 31.07.2005 hat der Kläger für 117 Monate Pflichtbeiträge entrichtet, die Voraussetzung des 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI liegt damit vor. Da das Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 237 SGB VI nicht im Streit steht, sind weitere Ausführungen entbehrlich. Dem Kläger steht die beantragte Leistung daher wie beantragt ab dem 01.08.2005 zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtstreits.
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