S 8 KR 90/12 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 90/12 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30.03.2012 gegen den Bescheid vom 26.01.2012 wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 1.157,90 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ist die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von 4.631,62 EUR. Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 30.03.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.01.2012.

Die Antragstellerin betreibt die Einstellung, den Einsatz und die Beschäftigung gewerblicher und kaufmännischer Arbeitnehmer als Zeitpersonal bei Betrieben und Unternehmen aller Art. Die Antragstellerin verfügt über eine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). In einigen Arbeitsverträgen der von der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer wird für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 auf den Entgelt-Tarifvertrag mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) verwiesen. Auf Basis der dort vorgesehenen Vergütung hat die Antragstellerin die Beiträge für einige der bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Die Entgelte der Mitarbeiter der Antragstellerin lagen teilweise unter der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer in den Betrieben der Entleiher.

Im Oktober 2008 wurde von der Gewerkschaft Ver.di und dem Land Berlin ein Verfahren nach §§ 97 Abs. 1, 2a Abs. 1 Nr. 4 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zur Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP vor dem Arbeitsgericht Berlin eingeleitet. Mit Beschluss vom 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08 stellte das Arbeitsgericht Berlin die Tarifunfähigkeit der CGZP fest. Diesen Beschluss bestätigte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg am 07.12.2009, Az. 23 TaBV 1016/09. Das BAG bestätigte mit Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10 die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die CGZP nicht tariffähig ist. Da der zugrundeliegende Feststellungsantrag gegenwartsbezogen war (vgl. BAG, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10) bezieht sich die Feststellung, dass die CGZP nicht tariffähig ist, auf den Entscheidungszeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz, mithin den 07.12.2009.

In der Zeit vom 24.08.2011 bis zum 17.11.2011 fand eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin statt. Prüfzeitraum war die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009.

Mit Bescheid vom 26.01.2012 stellte die Antragsgegnerin unter anderem Beitragsansprüche infolge der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages fest und erhob eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 11.722,24 EUR. Der Anteil der wegen der Unwirksamkeit des Tarifvertrages nachgeforderten Beiträge beträgt 4.631,62 EUR. Wegen der Unwirksamkeit der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge gelte keine Ausnahme mehr von dem Grundsatz des "equal-pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Die Leiharbeitnehmer, die auf der Basis eines solchen Tarifvertrages tätig waren, könnten von der Antragstellerin den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt wurde.

Hiergegen erhob die Antragstellerin am 31.01.2012 Widerspruch und bat um Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides, soweit dieser die Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages betrifft. Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, es liege kein rechtskräftiges Urteil des BAG vor, aus dem hervorgehe, ob auch rückwirkend Beiträge zu zahlen seien. Bis ein rechtskräftiges Urteil vorliege sei die Vollziehung auszusetzen. Den anderen Verbindlichkeiten aus dem angefochtenen Bescheid sei die Antragstellerin bereits nachgekommen.

Am 02.03.2012 hat die Antragstellerin Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 22.03.2012 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin vorgetragen, angesichts der Entscheidung des BAG gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die CGZP in der Vergangenheit tariffähig gewesen sei. Die vom BAG benannten Aspekte, aus denen sich die Tarifunfähigkeit der CGZP ergibt, hätten bereits von Beginn der Tätigkeit der CGZP vorgelegen. Nachdem aufgrund der Entscheidung des BAG letztinstanzlich geklärt sei, dass die CGZP nicht als Tarifvertragspartei in der Leiharbeit agieren kann und konnte, sei die Antragsgegnerin zur Geltendmachung der Beitragsnachforderungen verpflichtet gewesen.

Am 30.03.2012 hat die Antragstellerin Klage erhoben.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 30.03.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012 anzuordnen soweit dieser Beitragsnachforderungen aufgrund der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages betrifft.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wiederholt die Antragsgegnerin im Wesentlichen die Begründung des Widerspruchsbescheides.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30.03.2012 gegen den Bescheid vom 26.01.2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.03.2012 ist gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 26.01.2012, mit dem Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden, gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30.03.2012 gegen den Bescheid vom 26.01.2012 ist jedoch nicht begründet.

Das Gericht entscheidet bei dem Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG aufgrund einer Interessenabwägung. Dabei ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu entscheiden, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt oder ob dem entgegenstehenden Interesse des Antragstellers, von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, der Vorrang einzuräumen ist. Regelmäßig werden die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, als erstes Kriterium herangezogen. Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass das Widerspruchsverfahren/ die Klage im Hauptsacheverfahren Erfolg haben wird, so kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Umgekehrt kann der Antragsteller kein schutzwürdiges privates Interesse haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 12e ff.).

Im vorliegenden Fall fällt die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zugunsten des öffentlichen Vollzugsinteresses aus. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012.

Nach § 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 4607) waren Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsahen. Der Gesetzgeber hat davon ausdrücklich tarifliche Regelungen ausgenommen. Ist ein solcher, niedrigere Arbeitsentgelte enthaltender Tarifvertrag unwirksam, hat dies zur Folge, dass die in § 9 Nr. 2 AÜG geregelte Ausnahme von dem sonst üblichen Grundsatz des "equal-pay" nicht vorliegt und die Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt in der für vergleichbare Arbeitnehmer im Entleihbetrieb geltenden Höhe haben (vgl. § 10 Abs. 4 AÜG (in der Fassung vom 23.12.2003, BGBl. I S. 4607)). Entsprechend höher sind die daraus geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge. Diese werden nicht aus dem an die Beschäftigten tatsächlich gezahlten, sondern aus dem von der Antragstellerin als Arbeitgeberin geschuldeten Entgelt berechnet. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER). Dass durch die Anwendung dieses "Entstehungsprinzips" ein Arbeitgeber erst nachträglich zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.9.2008, 1 BvR 2007/05, Rn. 10; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER).

Das BAG hat der CGZP die Eigenschaft als tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) abgesprochen. Die CGZP organisierte nach ihrer Satzung keine Arbeitnehmer, sondern lediglich einen vorgegebenen Kreis von Arbeitnehmerkoalitionen. Auch hat das BAG die Eigenschaft als tariffähige Spitzenorganisation gemäß § 2 Abs. 3 TVG verneint, da die in der CGZP organisierten Arbeitnehmervereinigungen ihre Tariffähigkeit der CGZP nicht vollständig übermittelt haben. Zudem geht der fachliche Organisationsbereich über den ihrer Mitglieder hinaus. Das BAG hat in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich ausgeführt, dass sich die einschlägige Satzungsbestimmung sowohl in der Satzung 2009 als auch in der Satzung aus dem Jahr 2005 findet (vgl. BAG, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10, Rn. 110). Daher ist davon auszugehen, dass die Ausführungen des BAG in seinem Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10, zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP auch für die Zeit vor dem 07.12.2009 gelten (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER). Ist die Tariffähigkeit nicht gegeben, fehlt es an der Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen (vgl. BAG, Beschluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10, Rz. 61; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER). Damit kann der Anspruch auf equal-pay-Entlohnung nicht mehr durch die Ausnahmenorm § 9 Nr. 2 AÜG verdrängt werden. Aus den höheren equal-pay-Ansprüchen der Arbeitnehmer nach § 10 Abs. 4 AÜG schulden die Arbeitgeber die höheren Gesamtsozialversicherungsbeiträge.

Der spätere Zeitpunkt der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP mit Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) war auch nicht konstitutiv. Die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG begründet oder beendet nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stellt die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur fest. Dies muss schon daraus folgen, dass das Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 5 ArbGG der Klärung einer in einem anderen Rechtsstreit entscheidungserheblichen Vorfrage dient und sich nicht als Aufschubtatbestand erweisen darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wäre die Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens weitgehend sinnlos und überflüssig, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit einer Vereinigung nur für die Zeit nach der Verkündung der Entscheidung von Bedeutung wäre (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.2006, 10 AZR 665/05, Rn. 22; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER).

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP durch die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit derzeit rechtskräftig erst zum 7.12.2009 festgestellt worden ist. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9.1.2012 (24 TaBV 1285/11 - Tarifunfähigkeit der CGZP auch schon zum 29.11.2004, 19.6.2006 und 9.7.2008) ist nämlich noch nicht rechtskräftig; das BAG wird über die Nichtzulassungsbeschwerden nach § 92a ArbGG zu entscheiden haben (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.2.2012, 10 Sa 453/11, Rn. 16; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER). Denn es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 97 Abs. 5 ArbGG überhaupt erfüllt sind. Nach § 97 Abs. 5 ArbGG müssen die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist. Dies gilt auch für vergangenheitsbezogene Zahlungsklagen, mit denen equal-pay-Ansprüche geltend gemacht werden (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.2.2012, 10 Sa 453/11, Rz. 15 - zitiert nach juris). In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist nicht unumstritten, ob dies auch nach dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) gilt und die Erledigung von Beschlussverfahren für frühere Zeiträume vor dem 7.12.2009 nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 5 ArbGG abzuwarten ist (dafür: LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.12.2011, 10 Ta 247/11, Beschluss vom 15.6.2011, 6 Ta 99/11 und Beschluss vom 17.8.2011, 11 Ta 160/11; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2011, 2 Ta 616/11; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.6.2011, 11 Ta 10/11; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15.8.2011, 2 Ta 42/11 und vom 9.9.2011, 2 Ta 45/11; LAG Köln, Beschluss vom 14.10.2011, 13 Ta 284/11; LAG Hamm, Beschluss vom 28.9.2011, 1 Ta 500/11; LAG Nürnberg, Beschluss vom 19.9.2011, 2 Ta 128/11; LAG Sachsen, Beschluss vom 8.9.2011 und vom 5.9.2011, 4 Ta 149/11 und 4 Ta 162/11; dagegen: LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2.11.2011, 4 Ta 130/11, LAG Hamm, Urteil vom 30.06.2011, 8 Sa 387/11).

Auch ist hier nicht zu entscheiden, ob die Aussetzungspflicht uneingeschränkt für andere Gerichtsbarkeiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.7.2006, 6 P 17/05, Rn. 10; Koch in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Auflage 2012, § 97 ArbGG, Rn. 6) und damit auch für den Sozialgerichtsprozess besteht. Im sozialgerichtlichen Eilverfahren zur Entscheidung über den Sofortvollzug von Beitragsnachforderungen ist die rechtskräftige Feststellung der Tarifunfähigkeit für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vor dem 7.12.2009 nicht abzuwarten. Der Gesetzgeber hat ein besonderes Verfahren zur Entscheidung über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung in § 97 Abs. 1 ArbGG geschaffen, bei dem - anders als in arbeitsrechtlichen Individualverfahren - der Amtsermittlungsgrundsatz gilt und der Kreis der verfahrensrechtlich zu Beteiligenden größer als in Individualrechtsstreitigkeiten zwischen Leiharbeitnehmern und Leiharbeitgebern ist. § 97 ArbGG dient der Stärkung der Tarifautonomie (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2011, 2 Ta 616/11, Rn. 26). Im Gegensatz zu diesem arbeitsgerichtlichen Sonderverfahren ist vorliegend nicht Gegenstand die abschließende Klärung von Ansprüchen, die mit der als Vorfrage zu beantwortenden Tariffähigkeit der CGZP untrennbar verbunden sind. Vielmehr ist im Rahmen einer summarischen Prüfung allein festzustellen, wer vorläufig, das heißt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung, das Risiko trägt, die Beitragsnachforderung gegebenenfalls später nicht mehr realisieren zu können (bei aufschiebender Wirkung des Widerspruchs: die Antragsgegnerin) oder im Gegensatz dazu, mit einer Vorleistung belastet zu werden, ohne dass diese in der rückwirkenden Betrachtung gerechtfertigt war (bei Sofortvollzug: die Antragstellerin). Bereits der im Eilverfahren eingeschränkte Prüfungsmaßstab der "ernstlichen Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung stellt klar, dass keine abschließende Prüfung stattfindet. Beurteilt werden allein die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rz. 12 ff) in einem prognostischen Verfahren. In Anwendung dieses Maßstabes bleiben das abschließende Verfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG und der Schutz der Tarifautonomie durch die vorliegende Entscheidung unangetastet (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER). Es ist davon auszugehen, dass sich die spätere Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung in der Hauptsache auf eine - dann bereits rechtskräftige - arbeitsgerichtliche Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der CGZP für die Zeit vor dem 7.12.2009 stützen wird. Vertrauensschutz wird nicht zuzugestehen sein. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung wird nicht geschützt (BAG, Urteil vom 15.11.2006 - 10 AZR 665/05, Rn. 23; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 5 R 138/12 B ER).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vollziehung der Beitragsnachforderung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Von der Antragstellerin wurde dazu nichts vorgetragen; entsprechende Anhaltspunkte sind auch nicht anderweitig zu erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Gegenstand der Hauptsache sind Beitragsnachforderungen wegen der Unwirksamkeit des Tarifvertrages in Höhe von 4.631,62 EUR. Den anderen Verbindlichkeiten aus dem angefochtenen Bescheid ist die Antragstellerin nach ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren bereits nachgekommen; d.h. mit ihrer Klage und ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wendet sie sich nicht gegen den Bescheid vom 26.01.2012, soweit nicht die wegen Unwirksamkeit des Tarifvertrages nachgeforderten Beiträge betroffen sind. Der Streitwert ist wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz auf ¼ des Streitwerts in der Hauptsache und damit auf 1.157,90 EUR festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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