Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 211/15 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der Einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab dem 1.12.2015 zum 29.2.2016, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob der Antragstellerin vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach dem SGB XII zu gewähren sind.
Die Antragstellerin ist Mitte März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat sich in A-Stadt mit ihrem Wohnsitz gemeldet. Sie war zunächst im Rahmen der Spargelernte tätig. Nach ihrer Tätigkeit als Erntehelferin war die Antragstellerin auf Arbeitssuche. Am 28.5.2015 wurde bei der Antragstellerin festgestellt, dass sie schwanger ist und dass der voraussichtliche Geburtstermin am 11.1.2016 sein wird.
Am 1.7.2015 stellte die Antragstellerin bei dem SGB II- Träger in Offenbach – der MainArbeit – einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag der Antragstellerin wurde am 21.10.2015 von der MainArbeit abgelehnt. Die Antragstellerin habe lediglich ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche. Daher greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Am 17.11.2015 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII. Am 27.11.2015 teilte die Antragsgegnerin telefonisch mit, dass sie die Leistungen nicht gewähren werde.
Am 1.12.2015 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Darmstadt einen Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz.
Die Antragstellerin ist der Meinung, dass sie einen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt und bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach dem SGB XII habe. Da sie keinen Anspruch nach dem SGB II habe, nicht zum Zwecke der Leistungserlangung eingereist sei und aufgrund der nahen Entbindung nicht arbeitssuchend sei, würden ihr die begehrten Leistungen nach dem SGB XII zustehen. Ihr und ihrem ungeborenen Kind würden erhebliche Nachteile drohen, da eine medizinische Versorgung und der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Ihr Girokonto sei mit 0,90 EUR im Minus und sie lebe derzeit lediglich von Lebensmittelspenden und kleinen Darlehen von Freunden. Sie habe kein Einkommen und kein Vermögen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin meint, dass die Antragstellerin nach § 21 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei, da die Antragstellerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Daran ändere auch der Leistungsausschluss nach dem SGB II nichts. Insoweit verweist die Antragsgegnerin auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts. Auch für die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es würde naheliegen, dass die Antragstellerin als ehemalige Erntehelferin eine Versicherung nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 188 Abs. 4 SGB V oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe. Dies stehe dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 11 SGB V ausgeschlossen sei. Dem Anspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung stehe auch nicht entgegen, dass die Krankenkasse von der Antragstellerin noch gewählt werden müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die zu der Antragstellerin geführten Leistungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Im Einzelnen:
1.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (also die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Diese Voraussetzungen sind glaubhaft zu machen (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung ZPO -). Dabei sind für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend. Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Antragsverfahrens zutage getreten sind, zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 8.8.2008, Az. L 7 AS 149/08 B ER m.w.N). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.1988, Az.: 2 BvR 745/88; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.11.2002, Az.: 1 BvR 1586/02). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl., § 86b Rn. 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 25.11.2010, Az. L 6 AS 423/10 B ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.5.2005, Az. 1 BvR 569/05; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.07.2011, Az. L 7 AS 107/11 B ER). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.7.2011, Az. L 7 AS 107/11 B ER).
2.
Ausgehend von diesem Maßstab ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht worden. Im Einzelnen:
a) Nach § 19 Abs. 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
Nach den eingereichten Unterlagen, insbesondere den vorgelegten Kontoauszügen, bezieht die Antragstellerin kein Einkommen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin über ein Vermögen verfügt, welches den Vermögensschonbetrag (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 der VO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) überschreitet. Die Hilfebedürftigkeit würd von der Antragsgegnerin letztlich auch nicht in Abrede gestellt.
Daher hegt das Gericht keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin hilfebedürftig im Sinne des § 19 Abs. 1 SGB XII ist. Die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch liegen damit dem Grunde nach vor.
b) Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragstellerin gemäß § 21 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist.
§ 21 S. 1 SGB XII sieht zwar vor, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten.
Jedoch kann sich die Antragsgegnerin hierauf im vorliegenden Fall nicht berufen. Die Antragsgegnerin trägt zwar vor, dass bei der Antragstellerin die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II vorliegen, wonach Personen Leistungen nach dem SGB II erhalten, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Aber selbst wenn dies zutreffend wäre, könnte sich die Antragsgegnerin darauf nicht mit Erfolg berufen. Denn vorliegend würde der Ausschluss des § 21 S. 1 SGB XII trotzdem nicht greifen. Denn die Antragstellerin ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II und nach dem inzwischen bestandskräftigen Bescheid der MainArbeit vom 21.10.2015 vom Bezug von SGB II – Leistungen ausgeschlossen und damit nach der zutreffenden Auffassung der Antragstellerin dem SGB XII zugewiesen. Insoweit verweist das Gericht auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen in der Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 3.12.2015 zu dem Az. B 4 AS 44/15 R, in der es wörtlich heißt:
"Die Kläger haben jedoch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gegen die Beigeladene. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit der Kläger hatte. Die Beigeladene muss sich hier die Kenntnis des Beklagten zurechnen lassen. Ebenso wenig führt die "gesundheitlich" bestehende Erwerbsfähigkeit der Kläger zu 1) und 2) nach § 21 SGB XII zu einem Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Sie sind als nach dem SGB II Ausgeschlossene bei Hilfebedürftigkeit dem System des SGB XII zugewiesen."
Vor diesem Hintergrund wird sich die Antragsgegnerin auch nicht mehr mit Erfolg auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 22.5.2015 berufen können. Das Bundessozialgericht hat diesen Personenkreis durch das Urteil vom 3.12.2015 ausdrücklich dem SGB XII zugewiesen.
Demnach ist die Antragstellerin nicht gemäß § 21 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
c) Auch ein Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII steht im vorliegenden Fall dem geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht entgegen.
Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII sollen zwar Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben.
Aber auch darauf kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg berufen. Denn im vorliegenden Fall ist bereits nicht ersichtlich, dass die 1. Variante des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII einschlägig sein könnte. Es ist insbesondere weder von der Antragsgegnerin konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin zum Zwecke des Bezuges von Sozialhilfe in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Dafür liegen im hier anhängigen Eilverfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
Auch die Voraussetzungen der 2. Variante des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII stehen dem geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin nicht entgegen. Auch hier verweist das Gericht auf die überzeugenden Ausführungen des Bundessozialgerichts in der Pressemitteilung vom 3.12.2015 zu dem Verfahren mit dem Az. B 4 AS 44/15 R, in der es wörtlich heißt:
"Die Revision des Beklagten hatte im Sinne der Änderung des Urteils des LSG Erfolg. Nicht er hat den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende im streitigen Zeitraum zu erbringen, sondern die Beigeladene ist nach den Vorschriften des SGB XII verpflichtet, ihre Existenzsicherung im streitigen Zeitraum zu gewährleisten. Die Kläger unterfallen dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Die Kläger verfügten zwar nicht über ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche im Sinne dieser Vorschrift. Sie sind jedoch gleichwohl von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. ( ) Der Leistungsausschluss ist nach den Entscheidungen des EuGH in den Sachen "Dano" und "Alimanovic" auch europarechtskonform. Die Kläger haben jedoch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gegen die Beigeladene. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit der Kläger hatte. Die Beigeladene muss sich hier die Kenntnis des Beklagten zurechnen lassen. Ebenso wenig führt die "gesundheitlich" bestehende Erwerbsfähigkeit der Kläger zu 1) und 2) nach § 21 SGB XII zu einem Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Sie sind als nach dem SGB II Ausgeschlossene bei Hilfebedürftigkeit dem System des SGB XII zugewiesen. Zwar waren die Kläger wegen der fehlenden Freizügigkeitsberechtigung aufgrund des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII auch von einem Rechtsanspruch auf die Leistungen nach § 23 Abs 1 S 1 SGB XII ausgeschlossen. Diesem Personenkreis sind jedoch Leistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII im Ermessenswege zu erbringen. Insoweit schließt sich der erkennende Senat - vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zu einem Anspruch auf Gewährleistung der Existenzsicherung aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG - der des BVerwG zu der Vorgängervorschrift des § 120 BSHG an. Nach der hier anwendbaren Vorschrift des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Regelung räumt dem Sozialhilfeträger dem Grunde und der Höhe nach auf der Rechtsfolgenseite Ermessen ein. Im Falle eines verfestigten Aufenthalts - über sechs Monate - ist dieses Ermessen jedoch aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf Null reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist. So ist es auch im vorliegenden Fall, denn die Kläger haben sich im streitigen Zeitraum bereits mehr als zwei Jahre in Deutschland aufgehalten. Soweit der Beklagte bereits aufgrund der Verpflichtung durch das LSG im vorläufigen Rechtsschutz Leistungen erbracht hat, findet § 107 SGB X Anwendung."
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht im Rahmen des vorliegenden Einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall ebenfalls nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt und auch Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft zu gewähren hat. Denn auch hier ergibt sich dieser Anspruch aus § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII in Verbindung mit dem verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Insoweit wird auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2012 (Az. 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) verwiesen, in dem es heißt:
"Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu."
Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch davon aus, dass das Ermessen der Antragsgegnerin nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII dem Grunde und der Höhe nach auf Null reduziert ist, denn auch im vorliegenden Fall hält sich die Antragstellerin bereits länger als 6 Monate in A-Stadt auf, so dass von einem verfestigten Aufenthalt auszugehen ist (vgl. Pressemitteilung des Bundessozialgerichts zum Urteil vom 3.12.2015, Az. B 4 AS 44/15 R).
d) Dem Anspruch auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie keinen Anspruch auf Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung habe.
Dass ein solcher Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung bestehen könnte, ist für das Gericht nicht hinreichend ersichtlich. Die Antragsgegnerin meint zwar, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Erntehelferin nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 188 Abs. 4 SGB V oder zumindest nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Anspruch auf Krankenversicherungsschutz haben müsste.
Hier verkennt die Antragsgegnerin jedoch, dass Erntehelfer häufig – gerade wenn sie wie die Antragstellerin nur bei der Spargelernte helfen - nicht dem Versicherungspflichttatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V unterfallen. Zwar sieht § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vor, dass versicherungspflichtig Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, sind. Und es bestehen auch keine Bedenken, dass Erntehelfer abhängig Beschäftigte sind. Jedoch sind Erntehelfer nach § 7 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV versicherungsfrei in der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist (es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt). Hier war die Antragstellerin im Jahre 2015 jedoch zunächst eingereist um als Erntehelferin bei der Spargelernte zu helfen. Die Spargelsaison dauerte jedoch im Jahre 2015 nur etwa 7 Wochen (vgl. etwa http://www.focus.de/wissen/spargelsaison-2015-die-wichtigsten-fakten-zum-spargel id 4612015.html), somit kürzer als 50 Tage, so dass bei der Tätigkeit der Antragstellerin als Erntehelferin im Frühjahr 2015 – zumindest im Rahmen des Eilverfahrens - davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin als "zeitgeringfügig Beschäftigte" nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlag. Denn gerade bei Erntehelfern kann – wie hier - das Beschäftigungsverhältnis seiner Eigenart nach begrenzt sein, sogar selbst dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien kein befristetes Beschäftigungsverhältnis vereinbart hatten (vgl. jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 8 SGB IV, Rn. 46 m.w.N.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit als Erntehelferin berufsmäßig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ausgeübt haben könnte. Denn eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird nur dann berufsmäßig ausgeübt, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und der Beschäftigte damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht. Dies ist bei der Antragstellerin hier nicht ersichtlich. Somit ist nach Auffassung des Gerichts nicht wahrscheinlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 188 Abs. 4 SGB V haben könnte, weil noch nicht einmal ersichtlich ist, dass die Antragstellerin überhaupt als abhängig Beschäftigte nach § 5 Abs. 1 SGB V der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung unterlegen hat. Es spricht nämlich vor dem Hintergrund des Vortrages der Antragstellerin mehr dafür, dass die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV versicherungsfrei in der Gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sein dürfte. Daher dürfte es auch nach § 188 Abs. 4 SGB V nicht zu einer Überleitung der Antragstellerin in die freiwillige Mitgliedschaft bei einer Gesetzlichen Krankenversicherung gekommen sein.
Darüber hinaus kann sich die Antragsgegnerin im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch nicht darauf berufen, dass die Antragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Anspruch auf Krankenversicherungsschutz haben könnte. Diese Regelung sieht zwar vor, dass Personen gesetzlich krankenversichert sein sollen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren (Ziffer a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren (b). Jedoch sieht § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V gerade vor, das nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht versicherungspflichtig ist, wer nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII laufende Leistungen empfängt. Dies ist hier jedoch gerade der Fall. Denn der Gesetzgeber geht im Verhältnis des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V von einem Vorrang der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers aus (vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 29). Eine Verschiebung der Krankheitskosten zugunsten der Sozialhilfeträger in die gesetzliche Krankenversicherung wollte der Gesetzgeber gerade verhindern. Dabei ist der Empfang solcher Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII bereits dann anzunehmen, wenn in absehbarer Zeit die Gewährung laufender Leistungen erwartet werden kann (vgl. jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 5 SGB V, Rn. 94, Urteil des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 17.09.2009, Az. L 16 (5) KR 206/08). Dies ist bei der Antragstellerin hier zumindest seit Beendigung der Tätigkeit als Erntehelferin der Fall, zumal sie auch bereits am 1.7.2015 einen Antrag auf Leistungen wegen Hilfebedürftigkeit gestellt hatte, den sich die Antragsgegnerin nach der ausdrücklichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zurechnen lassen muss. Daher spricht hier einiges dafür, dass hier auch die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht greift, da die Voraussetzungen des § 5 Abs.8a S. 2 SGB V vorliegenden dürften. Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass das Gericht im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch nicht abschließend prüfen kann, ob der Ausschluss des § 5 Abs. 11 SGB V greift, weil dafür weitere Ermittlungen notwendig sind, die das Gericht im Rahmen des Eilverfahrens nicht anstellen kann. Daher sind vor dem Hintergrund der weit fortgeschrittenen Schwangerschaft der Antragstellerin und der dringend gebotenen Absicherung der Antragstellerin bezüglich der Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft auch im Rahmen der Folgenabwägung zunächst vorläufig Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.
e) Im Ergebnis geht das Gericht daher davon aus, dass der Antragstellerin für die geltend gemachten Ansprüche im Rahmen des Eilverfahrens einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht hat.
3.
Die Antragstellerin hat darüber hinaus auch einen Anordnungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht. Denn die Antragstellerin ist hochschwanger. Gemäß dem vorgelegten Mutterpass ist der errechnete Geburtstermin der 11.1.2016. In einem so weit fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium kann es jederzeit dazu kommen, dass ärztliche Hilfe erforderlich ist. Auch ist es zum Schutz des ungeborenen Kindes und der hochschwangeren Mutter dringend geboten, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin umgehend sichergestellt wird.
Ein Anordnungsgrund ist somit ausreichend glaubhaft gemacht.
4.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch der Antragstellerin zumindest auch im Rahmen der Folgenabwägung zusteht. Dies gilt gerade für die geltend gemachten Leistungen bei Mutterschaft und Schwangerschaft.
Denn aus den bereits dargestellten Gründen ist im Rahmen des Eilverfahrens insoweit die vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage nicht möglich. Im Rahmen der Folgenabwägung geht das Gericht im Ergebnis auch davon aus, dass insoweit der Antragsgegnerin ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin auf Schutz ihres Lebens und ihrer Gesundheit aufgrund der Schwangerschaft besonderes im Rahmen der Folgenabwägung zu berücksichtigen. Dies gilt darüber hinaus auch bezüglich der Ansprüche, bei denen es – wie hier – darum geht, das grundrechtlich geschützten soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip). Daher müssen im Rahmen der Folgeabwägung die besonders gewichtigen Interessen der Antragstellerin Vorrang vor den Interessen der Antragsgegnerin haben, zumal hier zu berücksichtigen ist, dass hier nicht ersichtlich ist, an welche gesetzliche Krankenkasse sich die Antragstellerin derzeit wenden können soll und zumal es der Antragsgegnerin auch möglich wäre (wenn denn tatsächlich ein Anspruch gegenüber einer Gesetzlichen Krankenkasse bestehen würde) einen Antrag auf Erstattung gegenüber einer möglicherweise vorrangig zuständigen Krankenkasse gemäß §§ 102 ff. SGB X geltend zu machen.
5.
Im Ergebnis war dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung ganz überwiegend zu entsprechen.
Die einstweilige Anordnung war zeitlich zu beschränken, und zwar auf die Zeit ab Antragseingang beim Sozialgericht Darmstadt am 1.12.2015 bis zum 29.2.2016, weil im einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige dringliche Notlage beseitigt werden soll (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.07.2011 – L 7 AS 107/11 B ER). Dabei war es hier sachgerecht die Antragsgegnerin bis zum 29.2.2016 vorläufig zur Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu verpflichten, da damit der Notlage der Antragstellerin zunächst hinreichend Rechnung getragen wird. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung war der Antrag zur Klarstellung im Übrigen abzuweisen.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Teilabweisung wirkt sich bei der Kostenentscheidung nicht aus, da die Antragstellerin ganz überwiegend obsiegt hat.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob der Antragstellerin vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach dem SGB XII zu gewähren sind.
Die Antragstellerin ist Mitte März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat sich in A-Stadt mit ihrem Wohnsitz gemeldet. Sie war zunächst im Rahmen der Spargelernte tätig. Nach ihrer Tätigkeit als Erntehelferin war die Antragstellerin auf Arbeitssuche. Am 28.5.2015 wurde bei der Antragstellerin festgestellt, dass sie schwanger ist und dass der voraussichtliche Geburtstermin am 11.1.2016 sein wird.
Am 1.7.2015 stellte die Antragstellerin bei dem SGB II- Träger in Offenbach – der MainArbeit – einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag der Antragstellerin wurde am 21.10.2015 von der MainArbeit abgelehnt. Die Antragstellerin habe lediglich ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche. Daher greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Am 17.11.2015 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII. Am 27.11.2015 teilte die Antragsgegnerin telefonisch mit, dass sie die Leistungen nicht gewähren werde.
Am 1.12.2015 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Darmstadt einen Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz.
Die Antragstellerin ist der Meinung, dass sie einen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt und bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach dem SGB XII habe. Da sie keinen Anspruch nach dem SGB II habe, nicht zum Zwecke der Leistungserlangung eingereist sei und aufgrund der nahen Entbindung nicht arbeitssuchend sei, würden ihr die begehrten Leistungen nach dem SGB XII zustehen. Ihr und ihrem ungeborenen Kind würden erhebliche Nachteile drohen, da eine medizinische Versorgung und der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Ihr Girokonto sei mit 0,90 EUR im Minus und sie lebe derzeit lediglich von Lebensmittelspenden und kleinen Darlehen von Freunden. Sie habe kein Einkommen und kein Vermögen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin meint, dass die Antragstellerin nach § 21 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei, da die Antragstellerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Daran ändere auch der Leistungsausschluss nach dem SGB II nichts. Insoweit verweist die Antragsgegnerin auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts. Auch für die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es würde naheliegen, dass die Antragstellerin als ehemalige Erntehelferin eine Versicherung nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 188 Abs. 4 SGB V oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe. Dies stehe dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 11 SGB V ausgeschlossen sei. Dem Anspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung stehe auch nicht entgegen, dass die Krankenkasse von der Antragstellerin noch gewählt werden müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die zu der Antragstellerin geführten Leistungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Im Einzelnen:
1.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (also die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Diese Voraussetzungen sind glaubhaft zu machen (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung ZPO -). Dabei sind für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend. Deshalb sind auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Antragsverfahrens zutage getreten sind, zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 8.8.2008, Az. L 7 AS 149/08 B ER m.w.N). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.1988, Az.: 2 BvR 745/88; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.11.2002, Az.: 1 BvR 1586/02). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl., § 86b Rn. 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 25.11.2010, Az. L 6 AS 423/10 B ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.5.2005, Az. 1 BvR 569/05; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.07.2011, Az. L 7 AS 107/11 B ER). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.7.2011, Az. L 7 AS 107/11 B ER).
2.
Ausgehend von diesem Maßstab ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht worden. Im Einzelnen:
a) Nach § 19 Abs. 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
Nach den eingereichten Unterlagen, insbesondere den vorgelegten Kontoauszügen, bezieht die Antragstellerin kein Einkommen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin über ein Vermögen verfügt, welches den Vermögensschonbetrag (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 der VO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) überschreitet. Die Hilfebedürftigkeit würd von der Antragsgegnerin letztlich auch nicht in Abrede gestellt.
Daher hegt das Gericht keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin hilfebedürftig im Sinne des § 19 Abs. 1 SGB XII ist. Die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch liegen damit dem Grunde nach vor.
b) Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragstellerin gemäß § 21 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist.
§ 21 S. 1 SGB XII sieht zwar vor, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten.
Jedoch kann sich die Antragsgegnerin hierauf im vorliegenden Fall nicht berufen. Die Antragsgegnerin trägt zwar vor, dass bei der Antragstellerin die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II vorliegen, wonach Personen Leistungen nach dem SGB II erhalten, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Aber selbst wenn dies zutreffend wäre, könnte sich die Antragsgegnerin darauf nicht mit Erfolg berufen. Denn vorliegend würde der Ausschluss des § 21 S. 1 SGB XII trotzdem nicht greifen. Denn die Antragstellerin ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II und nach dem inzwischen bestandskräftigen Bescheid der MainArbeit vom 21.10.2015 vom Bezug von SGB II – Leistungen ausgeschlossen und damit nach der zutreffenden Auffassung der Antragstellerin dem SGB XII zugewiesen. Insoweit verweist das Gericht auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen in der Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 3.12.2015 zu dem Az. B 4 AS 44/15 R, in der es wörtlich heißt:
"Die Kläger haben jedoch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gegen die Beigeladene. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit der Kläger hatte. Die Beigeladene muss sich hier die Kenntnis des Beklagten zurechnen lassen. Ebenso wenig führt die "gesundheitlich" bestehende Erwerbsfähigkeit der Kläger zu 1) und 2) nach § 21 SGB XII zu einem Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Sie sind als nach dem SGB II Ausgeschlossene bei Hilfebedürftigkeit dem System des SGB XII zugewiesen."
Vor diesem Hintergrund wird sich die Antragsgegnerin auch nicht mehr mit Erfolg auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 22.5.2015 berufen können. Das Bundessozialgericht hat diesen Personenkreis durch das Urteil vom 3.12.2015 ausdrücklich dem SGB XII zugewiesen.
Demnach ist die Antragstellerin nicht gemäß § 21 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
c) Auch ein Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII steht im vorliegenden Fall dem geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht entgegen.
Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII sollen zwar Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben.
Aber auch darauf kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg berufen. Denn im vorliegenden Fall ist bereits nicht ersichtlich, dass die 1. Variante des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII einschlägig sein könnte. Es ist insbesondere weder von der Antragsgegnerin konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin zum Zwecke des Bezuges von Sozialhilfe in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Dafür liegen im hier anhängigen Eilverfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
Auch die Voraussetzungen der 2. Variante des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII stehen dem geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin nicht entgegen. Auch hier verweist das Gericht auf die überzeugenden Ausführungen des Bundessozialgerichts in der Pressemitteilung vom 3.12.2015 zu dem Verfahren mit dem Az. B 4 AS 44/15 R, in der es wörtlich heißt:
"Die Revision des Beklagten hatte im Sinne der Änderung des Urteils des LSG Erfolg. Nicht er hat den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende im streitigen Zeitraum zu erbringen, sondern die Beigeladene ist nach den Vorschriften des SGB XII verpflichtet, ihre Existenzsicherung im streitigen Zeitraum zu gewährleisten. Die Kläger unterfallen dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Die Kläger verfügten zwar nicht über ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche im Sinne dieser Vorschrift. Sie sind jedoch gleichwohl von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. ( ) Der Leistungsausschluss ist nach den Entscheidungen des EuGH in den Sachen "Dano" und "Alimanovic" auch europarechtskonform. Die Kläger haben jedoch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gegen die Beigeladene. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit der Kläger hatte. Die Beigeladene muss sich hier die Kenntnis des Beklagten zurechnen lassen. Ebenso wenig führt die "gesundheitlich" bestehende Erwerbsfähigkeit der Kläger zu 1) und 2) nach § 21 SGB XII zu einem Ausschluss von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Sie sind als nach dem SGB II Ausgeschlossene bei Hilfebedürftigkeit dem System des SGB XII zugewiesen. Zwar waren die Kläger wegen der fehlenden Freizügigkeitsberechtigung aufgrund des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII auch von einem Rechtsanspruch auf die Leistungen nach § 23 Abs 1 S 1 SGB XII ausgeschlossen. Diesem Personenkreis sind jedoch Leistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII im Ermessenswege zu erbringen. Insoweit schließt sich der erkennende Senat - vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zu einem Anspruch auf Gewährleistung der Existenzsicherung aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG - der des BVerwG zu der Vorgängervorschrift des § 120 BSHG an. Nach der hier anwendbaren Vorschrift des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Regelung räumt dem Sozialhilfeträger dem Grunde und der Höhe nach auf der Rechtsfolgenseite Ermessen ein. Im Falle eines verfestigten Aufenthalts - über sechs Monate - ist dieses Ermessen jedoch aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf Null reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist. So ist es auch im vorliegenden Fall, denn die Kläger haben sich im streitigen Zeitraum bereits mehr als zwei Jahre in Deutschland aufgehalten. Soweit der Beklagte bereits aufgrund der Verpflichtung durch das LSG im vorläufigen Rechtsschutz Leistungen erbracht hat, findet § 107 SGB X Anwendung."
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht im Rahmen des vorliegenden Einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall ebenfalls nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt und auch Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft zu gewähren hat. Denn auch hier ergibt sich dieser Anspruch aus § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII in Verbindung mit dem verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Insoweit wird auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2012 (Az. 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) verwiesen, in dem es heißt:
"Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu."
Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch davon aus, dass das Ermessen der Antragsgegnerin nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII dem Grunde und der Höhe nach auf Null reduziert ist, denn auch im vorliegenden Fall hält sich die Antragstellerin bereits länger als 6 Monate in A-Stadt auf, so dass von einem verfestigten Aufenthalt auszugehen ist (vgl. Pressemitteilung des Bundessozialgerichts zum Urteil vom 3.12.2015, Az. B 4 AS 44/15 R).
d) Dem Anspruch auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie keinen Anspruch auf Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung habe.
Dass ein solcher Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung bestehen könnte, ist für das Gericht nicht hinreichend ersichtlich. Die Antragsgegnerin meint zwar, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Erntehelferin nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 188 Abs. 4 SGB V oder zumindest nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Anspruch auf Krankenversicherungsschutz haben müsste.
Hier verkennt die Antragsgegnerin jedoch, dass Erntehelfer häufig – gerade wenn sie wie die Antragstellerin nur bei der Spargelernte helfen - nicht dem Versicherungspflichttatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V unterfallen. Zwar sieht § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vor, dass versicherungspflichtig Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, sind. Und es bestehen auch keine Bedenken, dass Erntehelfer abhängig Beschäftigte sind. Jedoch sind Erntehelfer nach § 7 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV versicherungsfrei in der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist (es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt). Hier war die Antragstellerin im Jahre 2015 jedoch zunächst eingereist um als Erntehelferin bei der Spargelernte zu helfen. Die Spargelsaison dauerte jedoch im Jahre 2015 nur etwa 7 Wochen (vgl. etwa http://www.focus.de/wissen/spargelsaison-2015-die-wichtigsten-fakten-zum-spargel id 4612015.html), somit kürzer als 50 Tage, so dass bei der Tätigkeit der Antragstellerin als Erntehelferin im Frühjahr 2015 – zumindest im Rahmen des Eilverfahrens - davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin als "zeitgeringfügig Beschäftigte" nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlag. Denn gerade bei Erntehelfern kann – wie hier - das Beschäftigungsverhältnis seiner Eigenart nach begrenzt sein, sogar selbst dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien kein befristetes Beschäftigungsverhältnis vereinbart hatten (vgl. jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 8 SGB IV, Rn. 46 m.w.N.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit als Erntehelferin berufsmäßig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ausgeübt haben könnte. Denn eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird nur dann berufsmäßig ausgeübt, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und der Beschäftigte damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht. Dies ist bei der Antragstellerin hier nicht ersichtlich. Somit ist nach Auffassung des Gerichts nicht wahrscheinlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit § 188 Abs. 4 SGB V haben könnte, weil noch nicht einmal ersichtlich ist, dass die Antragstellerin überhaupt als abhängig Beschäftigte nach § 5 Abs. 1 SGB V der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung unterlegen hat. Es spricht nämlich vor dem Hintergrund des Vortrages der Antragstellerin mehr dafür, dass die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV versicherungsfrei in der Gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sein dürfte. Daher dürfte es auch nach § 188 Abs. 4 SGB V nicht zu einer Überleitung der Antragstellerin in die freiwillige Mitgliedschaft bei einer Gesetzlichen Krankenversicherung gekommen sein.
Darüber hinaus kann sich die Antragsgegnerin im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch nicht darauf berufen, dass die Antragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Anspruch auf Krankenversicherungsschutz haben könnte. Diese Regelung sieht zwar vor, dass Personen gesetzlich krankenversichert sein sollen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren (Ziffer a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren (b). Jedoch sieht § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V gerade vor, das nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht versicherungspflichtig ist, wer nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII laufende Leistungen empfängt. Dies ist hier jedoch gerade der Fall. Denn der Gesetzgeber geht im Verhältnis des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V von einem Vorrang der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers aus (vgl. BT-Drs. 16/4247, S. 29). Eine Verschiebung der Krankheitskosten zugunsten der Sozialhilfeträger in die gesetzliche Krankenversicherung wollte der Gesetzgeber gerade verhindern. Dabei ist der Empfang solcher Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII bereits dann anzunehmen, wenn in absehbarer Zeit die Gewährung laufender Leistungen erwartet werden kann (vgl. jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 5 SGB V, Rn. 94, Urteil des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 17.09.2009, Az. L 16 (5) KR 206/08). Dies ist bei der Antragstellerin hier zumindest seit Beendigung der Tätigkeit als Erntehelferin der Fall, zumal sie auch bereits am 1.7.2015 einen Antrag auf Leistungen wegen Hilfebedürftigkeit gestellt hatte, den sich die Antragsgegnerin nach der ausdrücklichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zurechnen lassen muss. Daher spricht hier einiges dafür, dass hier auch die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht greift, da die Voraussetzungen des § 5 Abs.8a S. 2 SGB V vorliegenden dürften. Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass das Gericht im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch nicht abschließend prüfen kann, ob der Ausschluss des § 5 Abs. 11 SGB V greift, weil dafür weitere Ermittlungen notwendig sind, die das Gericht im Rahmen des Eilverfahrens nicht anstellen kann. Daher sind vor dem Hintergrund der weit fortgeschrittenen Schwangerschaft der Antragstellerin und der dringend gebotenen Absicherung der Antragstellerin bezüglich der Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft auch im Rahmen der Folgenabwägung zunächst vorläufig Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.
e) Im Ergebnis geht das Gericht daher davon aus, dass der Antragstellerin für die geltend gemachten Ansprüche im Rahmen des Eilverfahrens einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht hat.
3.
Die Antragstellerin hat darüber hinaus auch einen Anordnungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht. Denn die Antragstellerin ist hochschwanger. Gemäß dem vorgelegten Mutterpass ist der errechnete Geburtstermin der 11.1.2016. In einem so weit fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium kann es jederzeit dazu kommen, dass ärztliche Hilfe erforderlich ist. Auch ist es zum Schutz des ungeborenen Kindes und der hochschwangeren Mutter dringend geboten, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin umgehend sichergestellt wird.
Ein Anordnungsgrund ist somit ausreichend glaubhaft gemacht.
4.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch der Antragstellerin zumindest auch im Rahmen der Folgenabwägung zusteht. Dies gilt gerade für die geltend gemachten Leistungen bei Mutterschaft und Schwangerschaft.
Denn aus den bereits dargestellten Gründen ist im Rahmen des Eilverfahrens insoweit die vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage nicht möglich. Im Rahmen der Folgenabwägung geht das Gericht im Ergebnis auch davon aus, dass insoweit der Antragsgegnerin ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin auf Schutz ihres Lebens und ihrer Gesundheit aufgrund der Schwangerschaft besonderes im Rahmen der Folgenabwägung zu berücksichtigen. Dies gilt darüber hinaus auch bezüglich der Ansprüche, bei denen es – wie hier – darum geht, das grundrechtlich geschützten soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip). Daher müssen im Rahmen der Folgeabwägung die besonders gewichtigen Interessen der Antragstellerin Vorrang vor den Interessen der Antragsgegnerin haben, zumal hier zu berücksichtigen ist, dass hier nicht ersichtlich ist, an welche gesetzliche Krankenkasse sich die Antragstellerin derzeit wenden können soll und zumal es der Antragsgegnerin auch möglich wäre (wenn denn tatsächlich ein Anspruch gegenüber einer Gesetzlichen Krankenkasse bestehen würde) einen Antrag auf Erstattung gegenüber einer möglicherweise vorrangig zuständigen Krankenkasse gemäß §§ 102 ff. SGB X geltend zu machen.
5.
Im Ergebnis war dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung ganz überwiegend zu entsprechen.
Die einstweilige Anordnung war zeitlich zu beschränken, und zwar auf die Zeit ab Antragseingang beim Sozialgericht Darmstadt am 1.12.2015 bis zum 29.2.2016, weil im einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige dringliche Notlage beseitigt werden soll (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.07.2011 – L 7 AS 107/11 B ER). Dabei war es hier sachgerecht die Antragsgegnerin bis zum 29.2.2016 vorläufig zur Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt und Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu verpflichten, da damit der Notlage der Antragstellerin zunächst hinreichend Rechnung getragen wird. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung war der Antrag zur Klarstellung im Übrigen abzuweisen.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Teilabweisung wirkt sich bei der Kostenentscheidung nicht aus, da die Antragstellerin ganz überwiegend obsiegt hat.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved