Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
48
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 905/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Leistungspflicht der Beklagten für eine Sehhilfe.
Der am XX.XX.1969 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, erhielt am 21. Oktober 2008 von seinem behandelnden Augenarzt Dr. S. eine Verordnung für eine Sehhilfe. Aus der Verordnung ergab sich, dass es sich um eine Versorgung infolge des Zerbrechens der vorhandenen Brille bei einer Änderung um mindestens 0,5 Dioptrien (auf -8,25 bzw. -10,7 Dioptrien) handelte. Eine Sehbehinderung mindestens nach Stufe 1 der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Klassifikation liegt bei dem Kläger nicht vor.
Am 24. Oktober 2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten. Ob diesem unmittelbar eine mündliche Ablehnung folgte, ist zwischen den Beteiligten ungeklärt. Mit Auftrag vom 25. Oktober 2008 beschaffte sich der Kläger selbst eine Brille. Der Rechnungsbetrag beträgt 773 EUR (299 EUR je Brillenglas, 175 EUR Brillenfassung).
Mit schriftlichem Bescheid vom 30.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab mit der Begründung, es liege kein Ausnahmefall vor, in dem eine Kostenübernahme für eine Sehhilfe möglich sei. Mit seinem Widerspruch vom 1. Dezember 2008 trug der Kläger vor, eine Brille sei für ihn zwingend erforderlich, die WHO-Klassifizierung sei widersinnig, er sei ohne Brille nicht in der Lage, auch nur ansatzweise an einem geordneten Leben teilzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Gemäß §§ 12, 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit §§ 12 bis 17 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HilfsM-RL) sei eine Sehhilfe zur Verbesserung der Sehschärfe verordnungsfähig bei Versicherten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufwiesen. Diese liege vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillen- oder möglichen Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge maximal 0,3 betrage oder das beidäugige Gesichtsfeld maximal 10 Grad bei zentraler Fixationsei. Eine therapeutische Sehhilfe sei verordnungsfähig, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen diene. Bei dem Kläger lägen nach der Verordnung weder die Voraussetzungen für die Versorgung mit Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung noch die Voraussetzungen für die Versorgung mit einer therapeutischen Sehhilfe vor.
Mit seiner am 31. Juli 2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Übernahme wenigstens eines Zuschusses von 50 EUR durch die Beklagte. Es könne nicht darauf ankommen, ob mit der Korrektur eine Restsehschwäche verbleibe, wenn ohne die Korrektur ein geordnetes, menschenwürdiges Leben nicht möglich sei. Führe eine Korrektur zu einer sehr guten Sehschärfe, so sei sie medizinisch doch erst recht sinnvoll und angezeigt. Die Vorschrift des § 33 SGB V sei in dieser Form verfassungswidrig, da nicht nachvollziehbar sei, warum bei Sehhilfen derartig verfahren werde, bei anderen Hilfsmitteln jedoch nicht. Auch die Unterscheidung zwischen Personen bis 18 Jahren und solchen, die älter seien, sei willkürlich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Zuzahlung von 50,00 EUR für die am 08.11.2008 selbst beschaffte Brille zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezüglich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die den Streitgegenstand betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, welche dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2009 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Zuzahlung zu der am 8.11.2008 selbst beschafften Brille.
Als Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf eine – teilweise - Kostenerstattung kommt lediglich § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind einem Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sich der Versicherte die Leistung deshalb selbst beschaffen musste. Unabhängig davon, ob der Kläger vorliegend den Versorgungsweg eingehalten bzw. die Entscheidung der Krankenkasse abgewartet hat, hat die Beklagte die Leistung jedenfalls nicht zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs. 2 SGB V haben Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht nach Abs. 2 S. 2 der Vorschrift Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Nach Abs. 2 S. 3 der Vorschrift bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Auf die Voraussetzungen einer Sehbeeinträchtigung nach Stufe 1 der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation sowie auf die Voraussetzungen des Anspruchs auf therapeutische Sehhilfe ist nicht näher einzugehen, nachdem weder der in den Akten befindliche Sachverhalt noch der Vortrag der Beteiligten Anhaltspunkte dafür bieten, dass danach ein Anspruch auf eine entsprechende Versorgung hätte bestehen können. Insoweit wird daher auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug genommen, § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der weitestgehende Ausschluss der Versorgung mit Sehhilfen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Vorrangiger Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung ist Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip. Der in einem System der Sozialversicherung Pflichtversicherte hat typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der ihm im Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistungen. In einer solchen Konstellation der einseitigen Gestaltung der Rechte und Pflichten der am Versicherungsverhältnis Beteiligten durch Gesetz (vgl. § 31 SGB I) und durch die auf ihm beruhenden Rechtsakte der Leistungskonkretisierung, schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Daraus lässt sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung ableiten. Jedoch sind gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind. Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall sind darüber hinaus auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur: BVerfG, Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 – juris, Rdnr. 49 ff., 56).
Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich erlaubt, den Versicherten über den Beitrag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in der Form von Zuzahlungen zu bestimmten Leistungen zu beteiligen, jedenfalls, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungswegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. nur BVerfG a.a.O. Rdnr. 58 f.). Das in § 12 Abs. 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot markiert die finanziellen Grenzen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung von der Belastbarkeit der Beitragszahler und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gezogen wird (BVerfG, Beschluss vom 5.3.1997 – 1 BvR 1071/95 – juris Rn. 10).
Vor diesem Hintergrund ist die Begrenzung des Leistungsanspruchs bei der Versorgung mit Sehhilfen auf Kinder und Jugendliche sowie auf besonders schwer sehbeeinträchtigte Versicherte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/1525, S. 85) ist insoweit ausgeführt, auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts habe der Sachleistungsanteil der Krankenkassen bei der Versorgung mit Sehhilfen im Durchschnitt rd. 50 Euro betragen. Obwohl dieser Betrag eine medizinisch notwendige Versorgungfinanziell vollständig abdecke, seien Versicherte im Durchschnitt bereit, darüber hinaus schätzungsweise rd. 150 Euro für medizinisch nicht notwendige Leistungen (z. B. Entspiegelung und/oder Tönung der Gläser) auszugeben. Sie trügen damit aus nicht medizinischen Gründen schätzungsweise 70 bis 80 % der Gesamtkosten einer Sehhilfenversorgung. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Leistungsausgrenzung erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordere. Diese Erwägungen sind sachgerecht und spiegeln nach Auffassung des Gerichts die Sachlage zutreffend wider. Die Kammer hält es dabei für allgemeinkundig, dass vor der Gesetzesänderung durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) der Festbetrag für Sehhilfen von den Versicherten - wie es auch der Kläger beantragt hat – als "Zuschuss" gesehen wurde und aus Gründen der Optik oder des Komforts oftmals ein Vielfaches dieses Festbetrages tatsächlich für die Sehhilfe investiert wurde, wobei der Umfang des selbst finanzierten Betrages von den finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Versicherten abhing. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die Versorgung mit Sehhilfen – von den im Gesetz normierten Ausnahmen: Kinder und Jugendliche, besonders schwer beeinträchtigte Versicherte und therapeutische Sehhilfen abgesehen - ganz in die Eigenverantwortung des Versicherten zu verlagern, nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als sich die Einschätzung, der Wettbewerb auf dem Markt für Sehhilfen werde sich durch die vorgenommene Ausgrenzung zum Vorteil der Konsumenten intensivieren (BT-Drs 15/1525, S. 85), offensichtlich bewahrheitet hat, denn eine Internet-Recherche ergab, dass es gegenwärtig möglich ist, für deutlich unter 50 EUR eine komplette Brille mit Gestell und Kunststoffgläsern in der eigenen Stärke zu erwerben. Das preisgünstigste Angebot lag bei 19 EUR.
Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist in der Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Kinder und Jugendliche nicht zu sehen. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt auch insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs. Art. 3 Abs. 1 GG ist danach dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Beschluss vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 – juris Rn. 139; Beschluss vom 23.3.1994 – 1 BvL 8/85 – juris Rn. 54; Beschluss v. 17.2.1997 - 1 BvR 1903/96 – juris Rn. 6). Nach diesen Grundsätzen ist die getroffene Regelung nicht zu beanstanden. Sie gewährleistet, dass Kindern und Jugendlichen, unabhängig von dem Vermögen und dem Wohlwollen ihrer Eltern, ein Leistungsanspruch auf eine Sehhilfe erhalten bleibt. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Sehfehler, die in der frühen Kindheit nicht korrigiert werden, später auch hinsichtlich der Folgeschäden meist nur noch unvollständig behebbar sind. Ein normales Sehen ist für die Gesamtentwicklung im Kindes- und Jugendalter von großer Bedeutung (BT-Drs. 15/1525, S. 85). Setzt die Behandlung von Sehfehlern bei Kindern zu spät ein, so ist mit lebenslanger irreversibler Schwachsichtigkeit zu rechnen. Ebenso ist ein gutes Sehvermögen Voraussetzung für die Entwicklung der visuellen Intelligenz. Kann diese nicht ausgebildet werden, so sind Störungen der Intelligenz und der Persönlichkeitsentwicklung zu befürchten (zu alledem: "Sehfehler bei Kindern: rechtzeitig erkennen", Deutsches Ärzteblatt 2003, Heft 9, A-516; "Kinder mit Schulproblemen" und "Früher Beginn von Vorsorge", Deutsches Ärzteblatt 2011, Heft 3, S. 39).
Die Privilegierung besonders schwer betroffener Versicherter, die auch bei optimaler Versorgung noch eine erhebliche Sehschwäche aufweisen und damit nur noch eine Minderung dieser Sehschwäche zur Aufrechterhaltung einer gewissen Alltagskompetenz erreichen können, ist sachgerecht und nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Privilegierung therapeutischer Sehhilfen, also derjenigen Hilfsmittel, die entweder tatsächlich eine dauerhafte Verbesserung des Zustandes in dem Sinne in Aussicht stellen, dass künftig auf eine Sehhilfe ganz verzichtet werden kann oder aber dafür sorgen, dass Folgeerkrankungen unterbleiben.
Ein Vergleich mit Versicherten, die eine Versorgung mit anderen Hilfsmitteln benötigen, ist schon im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu Art. 2 GG nicht angebracht. Dem Gericht ist kein anderes Hilfsmittel bekannt, welches in medizinisch notwendigem Umfang für einen relativ niedrigen Preis erworben werden kann, regelmäßig jedoch von den Versicherten ohne medizinische Notwendigkeit, sondern ausschließlich wegen des damit verbundenen Tragekomforts und der besseren Optik zu einem Vielfachen dieses Preises tatsächlich erworben wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß 144 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Leistungspflicht der Beklagten für eine Sehhilfe.
Der am XX.XX.1969 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, erhielt am 21. Oktober 2008 von seinem behandelnden Augenarzt Dr. S. eine Verordnung für eine Sehhilfe. Aus der Verordnung ergab sich, dass es sich um eine Versorgung infolge des Zerbrechens der vorhandenen Brille bei einer Änderung um mindestens 0,5 Dioptrien (auf -8,25 bzw. -10,7 Dioptrien) handelte. Eine Sehbehinderung mindestens nach Stufe 1 der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Klassifikation liegt bei dem Kläger nicht vor.
Am 24. Oktober 2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten. Ob diesem unmittelbar eine mündliche Ablehnung folgte, ist zwischen den Beteiligten ungeklärt. Mit Auftrag vom 25. Oktober 2008 beschaffte sich der Kläger selbst eine Brille. Der Rechnungsbetrag beträgt 773 EUR (299 EUR je Brillenglas, 175 EUR Brillenfassung).
Mit schriftlichem Bescheid vom 30.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab mit der Begründung, es liege kein Ausnahmefall vor, in dem eine Kostenübernahme für eine Sehhilfe möglich sei. Mit seinem Widerspruch vom 1. Dezember 2008 trug der Kläger vor, eine Brille sei für ihn zwingend erforderlich, die WHO-Klassifizierung sei widersinnig, er sei ohne Brille nicht in der Lage, auch nur ansatzweise an einem geordneten Leben teilzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Gemäß §§ 12, 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit §§ 12 bis 17 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HilfsM-RL) sei eine Sehhilfe zur Verbesserung der Sehschärfe verordnungsfähig bei Versicherten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufwiesen. Diese liege vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillen- oder möglichen Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge maximal 0,3 betrage oder das beidäugige Gesichtsfeld maximal 10 Grad bei zentraler Fixationsei. Eine therapeutische Sehhilfe sei verordnungsfähig, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen diene. Bei dem Kläger lägen nach der Verordnung weder die Voraussetzungen für die Versorgung mit Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung noch die Voraussetzungen für die Versorgung mit einer therapeutischen Sehhilfe vor.
Mit seiner am 31. Juli 2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Übernahme wenigstens eines Zuschusses von 50 EUR durch die Beklagte. Es könne nicht darauf ankommen, ob mit der Korrektur eine Restsehschwäche verbleibe, wenn ohne die Korrektur ein geordnetes, menschenwürdiges Leben nicht möglich sei. Führe eine Korrektur zu einer sehr guten Sehschärfe, so sei sie medizinisch doch erst recht sinnvoll und angezeigt. Die Vorschrift des § 33 SGB V sei in dieser Form verfassungswidrig, da nicht nachvollziehbar sei, warum bei Sehhilfen derartig verfahren werde, bei anderen Hilfsmitteln jedoch nicht. Auch die Unterscheidung zwischen Personen bis 18 Jahren und solchen, die älter seien, sei willkürlich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Zuzahlung von 50,00 EUR für die am 08.11.2008 selbst beschaffte Brille zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezüglich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die den Streitgegenstand betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, welche dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2009 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Zuzahlung zu der am 8.11.2008 selbst beschafften Brille.
Als Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf eine – teilweise - Kostenerstattung kommt lediglich § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind einem Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sich der Versicherte die Leistung deshalb selbst beschaffen musste. Unabhängig davon, ob der Kläger vorliegend den Versorgungsweg eingehalten bzw. die Entscheidung der Krankenkasse abgewartet hat, hat die Beklagte die Leistung jedenfalls nicht zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs. 2 SGB V haben Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht nach Abs. 2 S. 2 der Vorschrift Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Nach Abs. 2 S. 3 der Vorschrift bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Auf die Voraussetzungen einer Sehbeeinträchtigung nach Stufe 1 der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation sowie auf die Voraussetzungen des Anspruchs auf therapeutische Sehhilfe ist nicht näher einzugehen, nachdem weder der in den Akten befindliche Sachverhalt noch der Vortrag der Beteiligten Anhaltspunkte dafür bieten, dass danach ein Anspruch auf eine entsprechende Versorgung hätte bestehen können. Insoweit wird daher auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug genommen, § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der weitestgehende Ausschluss der Versorgung mit Sehhilfen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Vorrangiger Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung ist Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip. Der in einem System der Sozialversicherung Pflichtversicherte hat typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der ihm im Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistungen. In einer solchen Konstellation der einseitigen Gestaltung der Rechte und Pflichten der am Versicherungsverhältnis Beteiligten durch Gesetz (vgl. § 31 SGB I) und durch die auf ihm beruhenden Rechtsakte der Leistungskonkretisierung, schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Daraus lässt sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung ableiten. Jedoch sind gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind. Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall sind darüber hinaus auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur: BVerfG, Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 – juris, Rdnr. 49 ff., 56).
Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich erlaubt, den Versicherten über den Beitrag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in der Form von Zuzahlungen zu bestimmten Leistungen zu beteiligen, jedenfalls, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungswegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. nur BVerfG a.a.O. Rdnr. 58 f.). Das in § 12 Abs. 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot markiert die finanziellen Grenzen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung von der Belastbarkeit der Beitragszahler und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gezogen wird (BVerfG, Beschluss vom 5.3.1997 – 1 BvR 1071/95 – juris Rn. 10).
Vor diesem Hintergrund ist die Begrenzung des Leistungsanspruchs bei der Versorgung mit Sehhilfen auf Kinder und Jugendliche sowie auf besonders schwer sehbeeinträchtigte Versicherte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/1525, S. 85) ist insoweit ausgeführt, auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts habe der Sachleistungsanteil der Krankenkassen bei der Versorgung mit Sehhilfen im Durchschnitt rd. 50 Euro betragen. Obwohl dieser Betrag eine medizinisch notwendige Versorgungfinanziell vollständig abdecke, seien Versicherte im Durchschnitt bereit, darüber hinaus schätzungsweise rd. 150 Euro für medizinisch nicht notwendige Leistungen (z. B. Entspiegelung und/oder Tönung der Gläser) auszugeben. Sie trügen damit aus nicht medizinischen Gründen schätzungsweise 70 bis 80 % der Gesamtkosten einer Sehhilfenversorgung. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Leistungsausgrenzung erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordere. Diese Erwägungen sind sachgerecht und spiegeln nach Auffassung des Gerichts die Sachlage zutreffend wider. Die Kammer hält es dabei für allgemeinkundig, dass vor der Gesetzesänderung durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) der Festbetrag für Sehhilfen von den Versicherten - wie es auch der Kläger beantragt hat – als "Zuschuss" gesehen wurde und aus Gründen der Optik oder des Komforts oftmals ein Vielfaches dieses Festbetrages tatsächlich für die Sehhilfe investiert wurde, wobei der Umfang des selbst finanzierten Betrages von den finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Versicherten abhing. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die Versorgung mit Sehhilfen – von den im Gesetz normierten Ausnahmen: Kinder und Jugendliche, besonders schwer beeinträchtigte Versicherte und therapeutische Sehhilfen abgesehen - ganz in die Eigenverantwortung des Versicherten zu verlagern, nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als sich die Einschätzung, der Wettbewerb auf dem Markt für Sehhilfen werde sich durch die vorgenommene Ausgrenzung zum Vorteil der Konsumenten intensivieren (BT-Drs 15/1525, S. 85), offensichtlich bewahrheitet hat, denn eine Internet-Recherche ergab, dass es gegenwärtig möglich ist, für deutlich unter 50 EUR eine komplette Brille mit Gestell und Kunststoffgläsern in der eigenen Stärke zu erwerben. Das preisgünstigste Angebot lag bei 19 EUR.
Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist in der Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Kinder und Jugendliche nicht zu sehen. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt auch insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs. Art. 3 Abs. 1 GG ist danach dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Beschluss vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 – juris Rn. 139; Beschluss vom 23.3.1994 – 1 BvL 8/85 – juris Rn. 54; Beschluss v. 17.2.1997 - 1 BvR 1903/96 – juris Rn. 6). Nach diesen Grundsätzen ist die getroffene Regelung nicht zu beanstanden. Sie gewährleistet, dass Kindern und Jugendlichen, unabhängig von dem Vermögen und dem Wohlwollen ihrer Eltern, ein Leistungsanspruch auf eine Sehhilfe erhalten bleibt. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Sehfehler, die in der frühen Kindheit nicht korrigiert werden, später auch hinsichtlich der Folgeschäden meist nur noch unvollständig behebbar sind. Ein normales Sehen ist für die Gesamtentwicklung im Kindes- und Jugendalter von großer Bedeutung (BT-Drs. 15/1525, S. 85). Setzt die Behandlung von Sehfehlern bei Kindern zu spät ein, so ist mit lebenslanger irreversibler Schwachsichtigkeit zu rechnen. Ebenso ist ein gutes Sehvermögen Voraussetzung für die Entwicklung der visuellen Intelligenz. Kann diese nicht ausgebildet werden, so sind Störungen der Intelligenz und der Persönlichkeitsentwicklung zu befürchten (zu alledem: "Sehfehler bei Kindern: rechtzeitig erkennen", Deutsches Ärzteblatt 2003, Heft 9, A-516; "Kinder mit Schulproblemen" und "Früher Beginn von Vorsorge", Deutsches Ärzteblatt 2011, Heft 3, S. 39).
Die Privilegierung besonders schwer betroffener Versicherter, die auch bei optimaler Versorgung noch eine erhebliche Sehschwäche aufweisen und damit nur noch eine Minderung dieser Sehschwäche zur Aufrechterhaltung einer gewissen Alltagskompetenz erreichen können, ist sachgerecht und nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Privilegierung therapeutischer Sehhilfen, also derjenigen Hilfsmittel, die entweder tatsächlich eine dauerhafte Verbesserung des Zustandes in dem Sinne in Aussicht stellen, dass künftig auf eine Sehhilfe ganz verzichtet werden kann oder aber dafür sorgen, dass Folgeerkrankungen unterbleiben.
Ein Vergleich mit Versicherten, die eine Versorgung mit anderen Hilfsmitteln benötigen, ist schon im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu Art. 2 GG nicht angebracht. Dem Gericht ist kein anderes Hilfsmittel bekannt, welches in medizinisch notwendigem Umfang für einen relativ niedrigen Preis erworben werden kann, regelmäßig jedoch von den Versicherten ohne medizinische Notwendigkeit, sondern ausschließlich wegen des damit verbundenen Tragekomforts und der besseren Optik zu einem Vielfachen dieses Preises tatsächlich erworben wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß 144 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved