Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 1006/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.921,15 EUR nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 08.06.2010 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten. Der Streitwert wird auf 8.921,15 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Vergütung für eine stationäre Behandlung.
Die Klägerin behandelte in einem von ihr betriebenen Krankenhaus eine Versicherte der Beklagten in der Zeit vom 17.02.2009 bis zum 11.04.2009 stationär und verlangte hierfür mit einer vom 13.04.2001 datierenden und per Datenträgeraustausch am 28.04.2009 übersandten Rechnung einen Betrag von 17.538,83 Euro, wobei sie als Hauptdiagnose "S22.06 Fraktur eines Brustwirbels: T11 und T 12" zugrunde legte. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, zeigte jedoch mit Schreiben vom 14.06.2009 (eingegangen bei der Klägerin am 22.06.2009) an, sie habe den MDK mit der sozialmedizinischen Überprüfung der Dauer der stationären Behandlung sowie der Codierung beauftragt und begehrte die Übersendung näher bezeichneter Unterlagen. Nachdem sich letzteres zunächst verzögert hatte, kam der MDK schließlich in seinem Gutachten vom 20.04.2010 zu dem Ergebnis, die Codierung durch die Klägerin sei insoweit unzutreffend gewesen, als die Patientin sich die Brustwirbelkörperfraktur erst im Laufe der Krankenhausbehandlung zugezogen habe. Vielmehr müsse die Hauptdiagnose auf "I50.01 Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz" lauten. Gestützt hierauf nahm die Beklagte am 08.06.2010 eine Aufrechnung i.H.v. 8.921,15 Euro vor.
Am 18.08.2011 hat die Klägerin ihre Klage erhoben, die ursprünglich mit einer Verzinsungsforderung ab dem 16.05.2009 verbunden war.
Sie führt aus, die Beklagte könne sich nicht auf das Ergebnis der Prüfung durch den MDK berufen, da sie dessen Beauftragung erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist von sechs Wochen angezeigt habe.
&8195; Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.921,15 Euro nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 08.06.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die Brustwirbelkörperfraktur sei bereits aus Rechtsgründen nicht als Hauptdiagnose in Betracht gekommen, denn nicht sie habe zur stationären Aufnahme der Patientin geführt. Insoweit komme es nicht auf ein mögliches Fristversäumnis bei der Unterrichtung der Klägerin von der Beauftragung des MDK an. Im Übrigen könne sich die Klägerin auch nicht auf einen etwaigen Einwendungsausschluss berufen, da sie sich ohne Rüge des Fristversäumnisses auf eine inhaltliche Prüfung durch den MDK eingelassen habe. Es verstoße gegen das Verbot des venire contra factum proprium, wenn sie sich im Prüfverfahren nicht auf einen verspäteten Eingang der Anzeige berufe und dem MDK sogar ihre Unterlagen zur Verfügung stelle. Verzichte ein Krankenhaus zunächst bewusst auf den Schutz der Fristenregelung, so handele es treuwidrig, wenn es sich später auf genau diese Regelung berufe.
Die Klägerin repliziert hierauf, auch ein Ausschluss der von ihr zugrunde gelegten Hauptdiagnose aus Rechtsgründen lasse keinen zwingenden Schluss auf die richtige Hauptdiagnose zu. Dergleichen lasse sich nur unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes klären. Hierfür sei es allerdings zu spät, denn das Gesetz sehe ausdrücklich eine sechswöchige Ausschlussfrist vor, die von Amts wegen zu beachten sei. Auch habe sie, die Klägerin, keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der die Beklagte zu nunmehr hinfälligen Dispositionen im Prüfverfahren veranlasst habe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Akten beider Beteiligter verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Verzinsungsantrag auch begründet.
A.) Die Klage ist statthaft als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG); sie ist nicht fristgebunden und eines Vorverfahrens bedurfte es nicht.
B.) Die Klage ist in der Hauptsache und auch hinsichtlich der zuletzt korrigierten Zinsforderung begründet.
I.) Der Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch fünftes Buch gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung des Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 3).
1.) Die von der Klägerin vorgenommene Codierung ist aufgrund des Verstreichens der Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V durch das Gericht nicht mehr überprüfbar.
a) Bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der erbrachten Leistung durch den MDK zeitnah durchzuführen, § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen, § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.
b) Die Vorschrift wird in der Rechtsprechung überwiegend als Ausschlussfrist verstanden (BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 15, Rn. 37, obiter dictum; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.09.2009, L 5 KR 81/09), nach deren Ablauf Prüfungen durch den MDK "unzulässig" (so wörtlich BT-Drucksache 16/3100 S. 171) sind und die Krankenkasse keine medizinischen Einwendungen mehr vorbringen kann (so ausdrücklich SG Darmstadt, Urteil vom 20.05.2010, S 18 KR 344/08, juris, Rn. 20; SG Dortmund, Urteil vom 22.07.2011, S 8 KR 140/09, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urteil der Kammer vom 25.07.2011, S 6 KR 151/11, juris). § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V enthält insoweit eine punktuell vom sozialprozessualen Amtsermittlungsgrundsatz abweichende Ausschlusswirkung, die insbesondere schon um die Vorschrift nicht im Ergebnis leerlaufen zu lassen auch im gerichtlichen Verfahren gilt (auch hierzu SG Darmstadt, a.a.O.). Auch das Urteil des BSG vom 16.12.2008 (B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 15) steht dieser Sichtweise nicht entgegen, denn im dort entschiedenen Fall war § 275 Abs. 1c SGB V mangels Rückwirkung nicht einschlägig (BSG, a.a.O. = juris, Rn. 37).
c) Diese Präklusionswirkung betrifft auch den im vorliegenden Fall streitigen Sachverhalt.
aa) Erfasst werden von der Präklusionswirkung der Vorschrift all diejenigen tatsächlichen Umstände, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich sind (d.h. diejenigen Umstände, die auch das Gericht nur nach Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu klären vermag (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 25.07.2011, S 6 KR 151/11, juris).
bb) Hierzu gehört auch die medizinische Seite der Codierung. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V für die Prüfung rechtlicher Fragen irrelevant ist (so auch Urteil der Kammer vom 25.07.2011, a.a.O.). Allerdings handelte es sich bei der Frage nach der zutreffenden Codierung nicht um eine reine Rechtsfrage. Obwohl feststehen dürfte, dass die Fraktur eines Brustwirbels (die sich die Patientin ausweislich eines in der Akte der Klägerin befindlichen Arztbriefes erst am 15.03.2009 und somit während des Krankenhausaufenthalts zugezogen hat) nicht als Hauptdiagnose in Betracht kommt, ergibt sich hieraus nicht etwa im Gegenschluss, dass nur die vom MDK angenommene Hauptdiagnose "Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz" richtig sein kann. Insbesondere haben worauf die Klägerin hinweist noch verschiedene andere (auch vom MDK anerkannte) Diagnosen vorgelegen, die jedenfalls nicht alle in Zusammenhang mit der Fraktur eines Brustwirbelkörpers am 15.03.2009 (oder der zu Beginn des Aufenthalts erlittenen Femurfraktur) stehen: So waren daneben auch u.a. schwere motorische Funktionseinschränkungen, Diabetes, Linksherzinsuffizienz, Inkontinenz, eine Infektion mit Streptokokken und eine schwere kognitive Funktionseinschränkung zu diagnostizieren.
d) Dass die Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige verstrichen war, ist unstreitig. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsakte geht auch die Beklagte von einem Eingang der Rechnung am 28.04.2009 aus. Dass für die Wahrung der Frist nicht das Datum des Anzeigeschreibens, sondern dessen Zugang beim Krankenhausträger ausschlaggebend ist, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen über das Wirksamwerden rechtlich relevanter Erklärungen.
2.) Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, es sei der Klägerin verwehrt, sich auf die Rechtsfolgen des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V zu berufen.
a) Die Klägerin hat sich nicht etwa in prozessrechtlich relevanter Weise rügelos auf die inhaltlichen Einwendungen der Beklagten eingelassen. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V enthält keine Einrede, auf deren Erhebung verzichtet werden könnte, sondern - wie bereits dargelegt - eine Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist (SG Dortmund, Urteil vom 22.07.2011, S 8 KR 140/09). Allein die Tatsache, dass § 275 Abs. 1c SGB V tendenziell den Krankenhäusern zugutekommt, impliziert noch nicht, dass es in deren Belieben gestellt wäre, sich auf die Schutzwirkung dieser Ausschlussfrist zu berufen. Eine Ausgestaltung als bloße Einrede (für die i.Ü. auch der Wortlaut keinerlei Anhaltspunkt bietet) liefe dem Zweck der Vorschrift - Bürokratieabbau und Beschleunigung des Abrechnungsverfahrens - zuwider. Somit hätte es keiner ausdrücklichen "Berufung" der Klägerin auf die Ausschlusswirkung des § 275 Abs. 1c SGB V bedurft, während umgekehrt auch eine "rügelose Einlassung" auf das MDK-Gutachten nicht bedeutet hätte, dass das Gericht nunmehr zur inhaltlichen Prüfung verpflichtet gewesen wäre. § 275 Abs. 1c SGB V statuiert aus Beschleunigungsgründen eine Abweichung vom sozialgerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatz, bewirkt jedoch nicht dessen Aufgabe hin zur zivilprozessualen Dispositionsmaxime.
b) Aus weitgehend denselben Gründen kann sich die Beklagte auch nicht auf das Verbot in sich widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) berufen. Eine rechtswirksame Erklärung des Inhalts, sie werde sich in einem späteren Gerichtsverfahren nicht auf die Ausschlusswirkung berufen, konnte die Klägerin nach dem soeben Gesagten nicht wirksam abgegeben, zumal es lebensfremd erscheint, der bloßen Übersendung einer Akte einen derartigen Aussagegehalt beizumessen. Somit käme die von Amts wegen zu beachten Ausschlusswirkung im Ergebnis nur dann nicht zum Tragen, wenn die Klägerin wirksam einen Klageverzicht erklärt hätte, wie er jedoch (ungeachtet der Frage nach einem möglichen Formerfordernis) erst recht nicht in der reinen Übersendung einer Akte liegen kann.
c) Nicht zu prüfen braucht das Gericht, ob die Beklagte nach den Grundsätzen des venire contra factum proprium den Ersatz von Aufwendungen für das MDK-Gutachten verlangen kann. Einen solchen Anspruch (der im Übrigen weit hinter der hier streitigen Forderung zurückbliebe) müsste die Beklagte darlegen und vor allem beziffern.
II.) Die Zinsforderung beruht auf den §§ 14 Abs. 1, 12 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Hamburg). Die Beklagte verweist in diesem Punkt zu Recht darauf, dass eine Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Aufrechnung in Betracht kommt. Dem ist die Klägerin zuletzt auch nachgekommen.
C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Vergütung für eine stationäre Behandlung.
Die Klägerin behandelte in einem von ihr betriebenen Krankenhaus eine Versicherte der Beklagten in der Zeit vom 17.02.2009 bis zum 11.04.2009 stationär und verlangte hierfür mit einer vom 13.04.2001 datierenden und per Datenträgeraustausch am 28.04.2009 übersandten Rechnung einen Betrag von 17.538,83 Euro, wobei sie als Hauptdiagnose "S22.06 Fraktur eines Brustwirbels: T11 und T 12" zugrunde legte. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, zeigte jedoch mit Schreiben vom 14.06.2009 (eingegangen bei der Klägerin am 22.06.2009) an, sie habe den MDK mit der sozialmedizinischen Überprüfung der Dauer der stationären Behandlung sowie der Codierung beauftragt und begehrte die Übersendung näher bezeichneter Unterlagen. Nachdem sich letzteres zunächst verzögert hatte, kam der MDK schließlich in seinem Gutachten vom 20.04.2010 zu dem Ergebnis, die Codierung durch die Klägerin sei insoweit unzutreffend gewesen, als die Patientin sich die Brustwirbelkörperfraktur erst im Laufe der Krankenhausbehandlung zugezogen habe. Vielmehr müsse die Hauptdiagnose auf "I50.01 Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz" lauten. Gestützt hierauf nahm die Beklagte am 08.06.2010 eine Aufrechnung i.H.v. 8.921,15 Euro vor.
Am 18.08.2011 hat die Klägerin ihre Klage erhoben, die ursprünglich mit einer Verzinsungsforderung ab dem 16.05.2009 verbunden war.
Sie führt aus, die Beklagte könne sich nicht auf das Ergebnis der Prüfung durch den MDK berufen, da sie dessen Beauftragung erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist von sechs Wochen angezeigt habe.
&8195; Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.921,15 Euro nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 08.06.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die Brustwirbelkörperfraktur sei bereits aus Rechtsgründen nicht als Hauptdiagnose in Betracht gekommen, denn nicht sie habe zur stationären Aufnahme der Patientin geführt. Insoweit komme es nicht auf ein mögliches Fristversäumnis bei der Unterrichtung der Klägerin von der Beauftragung des MDK an. Im Übrigen könne sich die Klägerin auch nicht auf einen etwaigen Einwendungsausschluss berufen, da sie sich ohne Rüge des Fristversäumnisses auf eine inhaltliche Prüfung durch den MDK eingelassen habe. Es verstoße gegen das Verbot des venire contra factum proprium, wenn sie sich im Prüfverfahren nicht auf einen verspäteten Eingang der Anzeige berufe und dem MDK sogar ihre Unterlagen zur Verfügung stelle. Verzichte ein Krankenhaus zunächst bewusst auf den Schutz der Fristenregelung, so handele es treuwidrig, wenn es sich später auf genau diese Regelung berufe.
Die Klägerin repliziert hierauf, auch ein Ausschluss der von ihr zugrunde gelegten Hauptdiagnose aus Rechtsgründen lasse keinen zwingenden Schluss auf die richtige Hauptdiagnose zu. Dergleichen lasse sich nur unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes klären. Hierfür sei es allerdings zu spät, denn das Gesetz sehe ausdrücklich eine sechswöchige Ausschlussfrist vor, die von Amts wegen zu beachten sei. Auch habe sie, die Klägerin, keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der die Beklagte zu nunmehr hinfälligen Dispositionen im Prüfverfahren veranlasst habe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Akten beider Beteiligter verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Verzinsungsantrag auch begründet.
A.) Die Klage ist statthaft als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG); sie ist nicht fristgebunden und eines Vorverfahrens bedurfte es nicht.
B.) Die Klage ist in der Hauptsache und auch hinsichtlich der zuletzt korrigierten Zinsforderung begründet.
I.) Der Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch fünftes Buch gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung des Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 3).
1.) Die von der Klägerin vorgenommene Codierung ist aufgrund des Verstreichens der Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V durch das Gericht nicht mehr überprüfbar.
a) Bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der erbrachten Leistung durch den MDK zeitnah durchzuführen, § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen, § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.
b) Die Vorschrift wird in der Rechtsprechung überwiegend als Ausschlussfrist verstanden (BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 15, Rn. 37, obiter dictum; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.09.2009, L 5 KR 81/09), nach deren Ablauf Prüfungen durch den MDK "unzulässig" (so wörtlich BT-Drucksache 16/3100 S. 171) sind und die Krankenkasse keine medizinischen Einwendungen mehr vorbringen kann (so ausdrücklich SG Darmstadt, Urteil vom 20.05.2010, S 18 KR 344/08, juris, Rn. 20; SG Dortmund, Urteil vom 22.07.2011, S 8 KR 140/09, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urteil der Kammer vom 25.07.2011, S 6 KR 151/11, juris). § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V enthält insoweit eine punktuell vom sozialprozessualen Amtsermittlungsgrundsatz abweichende Ausschlusswirkung, die insbesondere schon um die Vorschrift nicht im Ergebnis leerlaufen zu lassen auch im gerichtlichen Verfahren gilt (auch hierzu SG Darmstadt, a.a.O.). Auch das Urteil des BSG vom 16.12.2008 (B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 15) steht dieser Sichtweise nicht entgegen, denn im dort entschiedenen Fall war § 275 Abs. 1c SGB V mangels Rückwirkung nicht einschlägig (BSG, a.a.O. = juris, Rn. 37).
c) Diese Präklusionswirkung betrifft auch den im vorliegenden Fall streitigen Sachverhalt.
aa) Erfasst werden von der Präklusionswirkung der Vorschrift all diejenigen tatsächlichen Umstände, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich sind (d.h. diejenigen Umstände, die auch das Gericht nur nach Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu klären vermag (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 25.07.2011, S 6 KR 151/11, juris).
bb) Hierzu gehört auch die medizinische Seite der Codierung. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V für die Prüfung rechtlicher Fragen irrelevant ist (so auch Urteil der Kammer vom 25.07.2011, a.a.O.). Allerdings handelte es sich bei der Frage nach der zutreffenden Codierung nicht um eine reine Rechtsfrage. Obwohl feststehen dürfte, dass die Fraktur eines Brustwirbels (die sich die Patientin ausweislich eines in der Akte der Klägerin befindlichen Arztbriefes erst am 15.03.2009 und somit während des Krankenhausaufenthalts zugezogen hat) nicht als Hauptdiagnose in Betracht kommt, ergibt sich hieraus nicht etwa im Gegenschluss, dass nur die vom MDK angenommene Hauptdiagnose "Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz" richtig sein kann. Insbesondere haben worauf die Klägerin hinweist noch verschiedene andere (auch vom MDK anerkannte) Diagnosen vorgelegen, die jedenfalls nicht alle in Zusammenhang mit der Fraktur eines Brustwirbelkörpers am 15.03.2009 (oder der zu Beginn des Aufenthalts erlittenen Femurfraktur) stehen: So waren daneben auch u.a. schwere motorische Funktionseinschränkungen, Diabetes, Linksherzinsuffizienz, Inkontinenz, eine Infektion mit Streptokokken und eine schwere kognitive Funktionseinschränkung zu diagnostizieren.
d) Dass die Frist aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige verstrichen war, ist unstreitig. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsakte geht auch die Beklagte von einem Eingang der Rechnung am 28.04.2009 aus. Dass für die Wahrung der Frist nicht das Datum des Anzeigeschreibens, sondern dessen Zugang beim Krankenhausträger ausschlaggebend ist, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen über das Wirksamwerden rechtlich relevanter Erklärungen.
2.) Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, es sei der Klägerin verwehrt, sich auf die Rechtsfolgen des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V zu berufen.
a) Die Klägerin hat sich nicht etwa in prozessrechtlich relevanter Weise rügelos auf die inhaltlichen Einwendungen der Beklagten eingelassen. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V enthält keine Einrede, auf deren Erhebung verzichtet werden könnte, sondern - wie bereits dargelegt - eine Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist (SG Dortmund, Urteil vom 22.07.2011, S 8 KR 140/09). Allein die Tatsache, dass § 275 Abs. 1c SGB V tendenziell den Krankenhäusern zugutekommt, impliziert noch nicht, dass es in deren Belieben gestellt wäre, sich auf die Schutzwirkung dieser Ausschlussfrist zu berufen. Eine Ausgestaltung als bloße Einrede (für die i.Ü. auch der Wortlaut keinerlei Anhaltspunkt bietet) liefe dem Zweck der Vorschrift - Bürokratieabbau und Beschleunigung des Abrechnungsverfahrens - zuwider. Somit hätte es keiner ausdrücklichen "Berufung" der Klägerin auf die Ausschlusswirkung des § 275 Abs. 1c SGB V bedurft, während umgekehrt auch eine "rügelose Einlassung" auf das MDK-Gutachten nicht bedeutet hätte, dass das Gericht nunmehr zur inhaltlichen Prüfung verpflichtet gewesen wäre. § 275 Abs. 1c SGB V statuiert aus Beschleunigungsgründen eine Abweichung vom sozialgerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatz, bewirkt jedoch nicht dessen Aufgabe hin zur zivilprozessualen Dispositionsmaxime.
b) Aus weitgehend denselben Gründen kann sich die Beklagte auch nicht auf das Verbot in sich widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) berufen. Eine rechtswirksame Erklärung des Inhalts, sie werde sich in einem späteren Gerichtsverfahren nicht auf die Ausschlusswirkung berufen, konnte die Klägerin nach dem soeben Gesagten nicht wirksam abgegeben, zumal es lebensfremd erscheint, der bloßen Übersendung einer Akte einen derartigen Aussagegehalt beizumessen. Somit käme die von Amts wegen zu beachten Ausschlusswirkung im Ergebnis nur dann nicht zum Tragen, wenn die Klägerin wirksam einen Klageverzicht erklärt hätte, wie er jedoch (ungeachtet der Frage nach einem möglichen Formerfordernis) erst recht nicht in der reinen Übersendung einer Akte liegen kann.
c) Nicht zu prüfen braucht das Gericht, ob die Beklagte nach den Grundsätzen des venire contra factum proprium den Ersatz von Aufwendungen für das MDK-Gutachten verlangen kann. Einen solchen Anspruch (der im Übrigen weit hinter der hier streitigen Forderung zurückbliebe) müsste die Beklagte darlegen und vor allem beziffern.
II.) Die Zinsforderung beruht auf den §§ 14 Abs. 1, 12 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Hamburg). Die Beklagte verweist in diesem Punkt zu Recht darauf, dass eine Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Aufrechnung in Betracht kommt. Dem ist die Klägerin zuletzt auch nachgekommen.
C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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