Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 R 887/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 15.03.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2010 wird insoweit aufgehoben, als dort Säumniszuschläge wegen der Beiträge zum Umlageausgleichsverfahren aus Anlass von Mutterschaft festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 20 Prozent zu erstatten. &8195;
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Umlageausgleichsverfahren aus Anlass der Mutterschaft (sog. U 2-Umlage).
Die Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 28.01.2010 eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 durch. Nach Anhörung der Klägerin machte sie mit Bescheid vom 15.03.2010 eine Beitragsnachforderung i.H.v. 266.516,01 Euro geltend, wovon 210.785.- Euro auf eine Nacherhebung der U 2-Umlage unter Zugrundelegung des Umlagesatzes für die von der Klägerin als "freie Mitarbeiter" bezeichneten Beschäftigten entfiel, die die Beklagte im Wege eines sog. Beitragssummenbescheides festsetzte. Hinzu kamen Säumniszuschläge i.H.v. 50.383,50 Euro.
Die Klägerin erhob hiergegen am 15.04.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) stelle ausdrücklich auf die Arbeitnehmereigenschaft der Beschäftigten ab. Dem Gesetzgeber sei anlässlich der Einführung der Vorschrift klar gewesen, dass der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsbegriff weiter sei als der vornehmlich arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitsverhältnisses. Aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) ergebe sich gerade, dass es auch Beschäftigungsverhältnisse außerhalb von Arbeitsverhältnissen gebe. Weiterhin hätten die freien Mitarbeiterinnen der Klägerin auch gerade keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung innerhalb der Mutterschutzfristen. Gegen die Säumniszuschläge spreche auch, dass die Klägerin nach der letzten Betriebsprüfung versucht habe, die Einbeziehung unständig Beschäftigter in die Berechnung der U 2-Umlage zu klären. Ein entsprechender Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.11.2006 sei jedoch wegen mangels Beschwer als unzulässig verworfen worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20.09.2010 zurück. Sie führte aus, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von Rundfunkanstalten hätten auch als Arbeitnehmer i.S.d. § 7 Abs. 2 AAG zu gelten.
Hiergegen richtet sich die am 15.10.2010 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, zwar sei die Sozialversicherungspflicht der betroffenen freien Mitarbeiter unstreitig, jedoch lasse sich hieraus gerade nicht die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG ableiten. Vielmehr handele es sich ausweislich des bestandskräftigen Bescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 27.02.2002 um sonstige abhängig Beschäftigte i.S.d. 7 Abs. 1 SGB IV. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BfA setze sich in Widerspruch zu eigenem Vorverhalten, wenn sie nunmehr davon abweichen wolle.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 15.03.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2010 insoweit aufzuheben, als dort Beiträge zum Umlageverfahren aus Anlass von Mutterschaft nebst Säumniszuschlägen festgesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 13. und 14.11.2007 sowie auf das Urteil des SG des Saarlandes vom 18.01.2010 (S 14 R 252/09).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
&8195;
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich der Säumniszuschläge begründet. Insoweit sind die angefochtenen Entscheidungen rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG; dazu unter B). Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Umlageforderung ist die Klägerin durch die angefochtenen Entscheidungen nicht beschwert, denn diese sind rechtmäßig (dazu unter A).
A.) Die Beklagte durfte die U 2-Umlage auch unter Berücksichtigung der Entgelte für "freie Mitarbeiter" festsetzen und nachfordern.
I.) Die Träger der Rentenversicherung prüfen gem. § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Diese Befugnisse erstrecken sich auch auf die Überwachung des Umlageverfahrens nach dem AAG. Nach § 10 AAG finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Hierzu gehören insbesondere die §§ 28a bis 28r SGB IV (BT-Drs. 16/39, S. 14).
II.) Die Beklagte war nicht durch die Bindungswirkung (§ 77 SGG) des Bescheides der BfA vom 27.02.2002 am Erlass der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Entscheidungen gehindert. Die Bindungswirkung einer Entscheidung erstreckt sich stets nur auf deren Gegenstand. Gegenstand des Bescheides vom 27.02.2002 waren Beiträge und Umlagen im Zeitraum vom 01.12.1996 bis zum 31.12.2000. Weiterhin erwächst auch nur der Tenor eines Bescheides in Bindungswirkung (hier die Verpflichtung zur Zahlung weiterer 163.804,51 Euro), nicht auch die Gründe der Entscheidung, die lediglich zur Auslegung eines Tenors herangezogen werden können, falls dieser aus sich heraus nicht eindeutig ist. Beim Bescheid vom 27.02.2002 ist dies indes nicht der Fall, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die BfA über den Prüfzeitraum hinausreichende Feststellungen zur Einordnung bestimmter Rechtsverhältnisse in die Unterkategorien von § 7 Abs. 1 SGB IV hätte treffen wollen. Hierbei ist anzumerken, dass sie dazu nach einer – freilich neueren – Rechtsprechung des BSG auch nicht befugt gewesen wäre, denn wenn bereits die isolierte Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht zulässig ist (vgl. BSG, Urteile vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2, und vom 04.06.2009, B 12 R 6/08; zum Ganzen auch Merten, SGb 2010, 271 ff.), dann umso weniger die ("rein sozialversicherungsrechtlich" auch bedeutungslose) Zuordnung zu einer der Untergruppen des Beschäftigungsbegriffs.
III.) Die Beklagte hat die von der Klägerin geschuldete U 2-Umlage zutreffend unter Berücksichtigung auch des Entgelts festgesetzt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die von der Beklagten beschäftigten sozialversicherungspflichtigen "freien Mitarbeiter" bemessen wurden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen gewesen wären.
1.) Nach § 1 Abs. 2 AAG erstatten die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen den Arbeitgebern in vollem Umfang den vom Arbeitgeber nach § 14 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz, MuSchG) gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG), das vom Arbeitgeber nach § 11 des MuSchG bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG) und gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AAG die auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 2 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und nach § 61 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – soziale Pflegeversicherung (SGB XI) im sog. U 2-Verfahren, vgl. § 1 Abs. 3 AAG.
2.) Die Mittel zur Durchführung des U2-Verfahren werden von gem. § 7 Abs. 1 AAG den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern jeweils durch gesonderte Umlagen aufgebracht, die die erforderlichen Verwaltungskosten angemessen berücksichtigen. Die Umlagen sind jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden bemessen werden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären, § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG.
3.) Auch diejenigen "freien Mitarbeiter" der Klägerin, die als Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen sind und als solche der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliegen, sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG.
a) Der Begriff Arbeitnehmer ist im Anwendungsbereich des AAG nach sozialversicherungsrechtlichen und nicht nach arbeitsrechtlichen Kriterien auszulegen. Erst recht ist die Bezeichnung der konkreten wirtschaftlichen Beziehung durch die daran Beteiligten unbeachtlich.
aa) § 10 AAG sieht vor, dass die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Da die gesetzliche Krankenversicherung für die Bestimmung der Versicherungspflicht in § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Sache nach auf die allgemeinen Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV Bezug nimmt (vgl. nur Kruse, in: LPK-SGB V, § 5, Rn. 4), muss die dort enthaltene Bestimmung, wer kraft seiner Beschäftigung in den Schutzbereich der Sozialversicherung fällt und für wen daher Beiträge entrichtet werden müssen, auch im Anwendungsbereich von § 7 Abs. 2 AAG gelten. Dies gilt umso mehr, als auch nach dem MuSchG das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen der Frau i.S.d. § 1 Nr. 1 MuSchG und ihrem Arbeitgeber in weiten Teilen öffentlich-rechtlich und vor allem sozialversicherungsrechtlich überlagert ist (vgl. §§ 13, 14 MuSchG). Unter Zugrundelegung sozialversicherungsrechtlicher Maßstäbe sind jedoch auch die freien Mitarbeiter der Klägerin als Arbeitnehmer i.S.d. § 7 Abs. 2 AAG anzusehen. Hierbei kann dahinstehen, ob § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG tatsächlich ausnahmslos auf alle Form der Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV Bezug nimmt. Jedenfalls dringt die Klägerin mit dem Argument nicht durch, § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG spreche mit der Bezugnahme auf Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildende nur einen Teil ihrer Beschäftigten i.S.d. § 7 SGB IV an.
bb) Zwar ist richtig, dass eine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV nicht zwingend ein Arbeitsverhältnis voraussetzt. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die sog. freien Mitarbeiter der Beklagten (die unstreitig sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind) deswegen keine Arbeitnehmer i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG wären, weil ihrer Beschäftigung keine Arbeitsverhältnisse zugrunde lägen.
cc) Die Bezeichnung als "freier Mitarbeiter" (ein vom Gesetz nicht verwandter Terminus) sagt als solche noch nichts über die sozialversicherungsrechtliche Einordnung aus (Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 7 SGB IV, Rn. 125, Stichwort "Freie Mitarbeiter"). Künstler und Publizisten, die in Anwendung des speziell für diese Berufsgruppen entwickelten Kriterienkatalogs Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind, zählen nicht kraft einer gegenüber dem Regelfall gelockerten Einbindung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (etwa durch den Verzicht auf die Vorgabe von Arbeitszeiten) zu der in § 7 Abs. 1 SGB IV erwähnten Gruppe der Beschäftigten, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Als Beschäftigungsverhältnisse außerhalb eines Arbeitsverhältnisses anerkannt sind in Rechtsprechung und Schrifttum die sog. arbeitnehmerähnlichen Verhältnisse, bei denen die Tätigkeit nicht in der Wertschöpfung, sondern einem insbesondere rehabilitativen Zweck dient (z.B. die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung oder die betriebliche Berufsbildung i.S.d. § 7 Abs. 2 SGB IV), hinzu kommen bestimmte stark öffentlich-rechtlich überlagerte Beschäftigungsverhältnisse (vgl. Seewald, a.a.O., Rn. 16 b) sowie besonders ausgestaltete Verhältnisse, deren Rechtsnatur als Beschäftigung das Gesetz eigens anordnet (z.B. Heimarbeiter i.S.d. § 12 Abs. 2 SGB IV). Das Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren "freien Mitarbeitern" ist jedoch weder von einem besonderen "nicht-wirtschaftlichen" Zweck geprägt, noch findet sich dort eine öffentlich-rechtliche Überlagerung. Hierbei kommt es – wie bereits gesagt – auch nicht darauf an, ob "freie Mitarbeiter" arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer einzuordnen wären, denn weder übernimmt das Sozialversicherungsrecht die arbeitsrechtlichen Begriffe und die arbeitsrechtliche Differenzierung (anstelle vieler: Seewald, a.a.O., Rn. 142) noch kennt es selbst einen einheitlichen Begriff des Arbeitnehmers (so ist etwa im Arbeitsförderungsrecht auch und gerade der Arbeitslose unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes). &8195;
b) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie schulde "für" die "freien Mitarbeiter" deswegen keine Umlage, weil diese auch keine Ansprüche nach dem MuSchG geltend machen könnten.
aa) Zunächst steht keinesfalls fest, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin und den "freien" Mitarbeiterinnen nicht im Einzelfall doch als Arbeitsverhältnis i.S.d. § 1 Nr. 1 MuSchG zu qualifizieren wäre – mit der Folge, dass die betroffene freie Mitarbeiterin Ansprüche gegen der Klägerin oder aber der zuständigen Krankenkasse hätte. Auch arbeitsrechtlich entfaltet die von den Vertragsparteien gewählte Bezeichnung keinerlei Bindungswirkung, sondern es ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach der persönlichen Abhängigkeit und Unselbständigkeit des "freien Mitarbeiters" zu fragen (Buchner/Becker, MuschG, 8. Aufl., 2008, § 1, Rn. 14). Speziell bei den Mitarbeitern von Rundfunkanstalten hat die Rechtsprechung die Arbeitnehmereigenschaft mehrfach bejaht (vgl. die Nachweise bei Buchner/Becker, a.a.O., Rn. 17 Stichwort "Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter").
bb) Im Übrigen macht das AAG die Höhe der Umlage auch nicht von der Wahrscheinlichkeit abhängig, mit der der Arbeitgeber Leistungen nach dem MuSchG erbringen muss und daher Erstattungsansprüche nach dem AAG geltend machen kann. Vielmehr sind bei dem Ausgleichs- und Umlageverfahren nach dem AAG weder der Anteil der beschäftigten Frauen an der Gesamtbelegschaft noch deren Entgelthöhe von Bedeutung (hierzu und zum Folgenden aus neuerer Zeit LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08): Nur wenn alle am Ausgleichs- und Umlageverfahren beteiligten Arbeitgeber hinsichtlich der Finanzierung der im Arbeitsverhältnis entstehenden Zusatzkosten bei Schwangerschaft aufgrund von Mutterschutzgesetzen unabhängig von Geschlecht und Anzahl der Beschäftigten gleich behandelt werden, können sie durch ihr Einstellungsverhalten ihre finanzielle Belastung nicht beeinflussen, sodass eine mittelbare Frauendiskriminierung vermieden wird.
&8195; IV.) Die Beklagte durfte die Umlage auch im Wege eines Summenbescheides festsetzen.
1.) Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (sog. Summenbescheid), wenn ein Arbeitgeber seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung von Lohnunterlagen (§ 28 f Abs. 1 Satz 1 SGB IV, Aufzeichnungspflicht) nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen, § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV. Das Gericht hat nach dem zu § 28p SGB IV Gesagten (siehe oben unter I) keine Zweifel an der grundsätzlichen Anwendbarkeit auch dieser Regelung auf die U 2-Umlage.
2.) Die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Summenbescheides waren vorliegend erfüllt. Eine personenbezogene Beitragsbemessung hatte hier für den einzelnen "freien Mitarbeiter" (d.h. die betroffenen Beschäftigten) versicherungsrechtlich keine ersichtliche Bedeutung (vgl. zu den wesentlichen Kriterien für den Erlass eines Summenbescheides insbesondere BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R). Eine mögliche arbeitsrechtliche Bedeutung kann eine personenbezogene Feststellung deswegen nicht erforderlich machen, da die Beklagte (oder ein anderer Träger der Sozialversicherung) hierzu ohnehin keine bindenden Feststellungen treffen kann. Im Übrigen kann die Entscheidung des prüfenden Rentenversicherungsträgers, sich der Form des Summenbescheides zu bedienen, im nachfolgenden Gerichtsverfahren nur beanstandet werden, wenn der Summenbescheid bei Abschluss des Widerspruchsverfahrens angesichts einer Gesamtwürdigung des zu beurteilenden Sachverhalts als unverhältnismäßig erscheinen musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war (BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R, juris, Rn. 28). Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinne liegt jedoch schon deswegen nicht vor, weil sich die Beklagte in enger Zusammenarbeit mit der Klägerin sichtlich bemüht hat, möglichst eng an dem Ergebnis zu bleiben, dass die im Einzelnen nicht mehr mögliche personenbezogene Festsetzung gebracht hätte.
B.) Hinsichtlich der in den angefochtenen Entscheidungen ebenfalls geltend gemachten Säumniszuschläge ist die Klage hingegen begründet. Die Beklagte durfte diese Zuschläge nicht fordern.
I.) Es erscheint bereits fraglich, ob die Beklagte sich hierfür überhaupt auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage berufen kann.
1.) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.
2.) Es steht bereits zu bezweifeln, dass diese Vorschrift überhaupt auf die U 2-Umlage Anwendung findet bzw. dass § 10 AAG i.V.m. § 24 SGB IV eine hinreichend konkrete Ermächtigungsgrundlage enthält (anders ohne nähere Begründung SG Leipzig, Urteil vom 24.11.2009, S 8 KR 201/07).
a) Eine direkte Anwendung von § 24 SGB IV scheitert bereits daran, dass die U 2-Umlage kein Beitrag zur Sozialversicherung i.S.d. § 24 SGB IV ist. Zwischen der Beitragsentrichtung und der Teilnahme am Umlagesystem nach dem AAG bestehen erhebliche strukturelle Unterschiede. Das U 2-Umlageverfahren fungiert wirtschaftlich als Versicherung des Arbeitgebers gegen das Risiko, aufgrund der Bestimmungen des Mutterschutzes ohne Gegenleistung Zahlungen an die Arbeitnehmerin leisten zu müssen. Wirtschaftlich fungiert der Arbeitgeber somit selbst als Versicherter (hierzu insbesondere BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 1 KR 12/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08).
b) Ebenso erscheint fraglich, ob § 10 AAG auch die Geltung von § 24 SGB IV im Anwendungsbereich des AAG anordnet. Während die Anwendung von § 24 SGB IV auf die Winterbau-Umlage (als dem in der Rechtsprechung am häufigsten abgehandelten Fall von Säumniszuschlägen auf Umlagen) auf einer ausdrücklichen Verweisung beruhte (enthalten in § 3 Abs. 2 der zum 01.05.2006 außer Kraft getretenen Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld), verweist § 10 AAG pauschal auf die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften. Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/39, S. 14) lässt sich hierzu nur entnehmen, dass die ergänzende Anwendung der "notwendigen" sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften sichergestellt werden solle, wozu "insbesondere auch" die des Dritten Abschnitts des SGB IV zählen sollen (zu denen § 24 SGB IV allerdings nicht gehört).
II.) Letztlich kann die Frage der Anwendbarkeit von § 24 SGB IV jedoch dahinstehen, denn auch im Bejahensfall kann sich die Klägerin mit Erfolg auf § 24 Abs. 2 SGB IV berufen: Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
1.) Der Verschuldensmaßstab des § 24 Abs. 2 SGB IV entspricht dem in § 276 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und umfasst somit Vorsatz und Fahrlässigkeit (BSG, Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R). Für eine vorsätzliche Nichtabführung der Umlage (die Kenntnis von der Zahlungspflicht voraussetzt, vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 7, Rn. 33) gibt es keine Anhaltspunkte und auch Fahrlässigkeit ist nicht gegeben. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB.
2.) Die Unkenntnis von den genauen Berechnungskriterien der streitigen Umlage erscheint für sich betrachtet vor dem Hintergrund nicht fahrlässig, dass die Einbeziehung der "freien Mitarbeiter" in die Berechnung der Umlage alles andere als offensichtlich ist und es hierzu – wie oben dargestellt – ausführlicher Gesetzesauslegung bedarf. Einschlägige Rechtsprechung lässt sich bis auf die zitierte (und im Übrigen auch nicht veröffentlichte) Entscheidung des SG des Saarlandes aus dem Jahr 2010 nicht feststellen, wie das AAG denn insgesamt ein rechtsprechungsarmes Gebiet darstellt. Auch bei näherer Beschäftigung mit der Rechtsmaterie erscheint es nicht wenigstens leicht fahrlässig, auf der Basis der Verschiedenheit der Begriffe "Arbeitnehmer" und Beschäftigter" zu einer Rechtsauslegung zu gelangen, wonach § 7 Abs. 2 AAG dediziert auf arbeitsrechtliche Begriffe und Abgrenzungen Bezug nimmt (ein Eindruck, der durch die ausdrückliche Nennung der Auszubildenden in der Vorschrift noch bestärkt wird). Auch die Auslegung der zutreffend als einschlägig erkannten sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (§ 7 Abs. 1 SGB IV) im Sinne einer Einordnung der "freien Mitarbeiter" als "sonstige", d.h. nicht im Arbeitsverhältnis stehende Beschäftigte ist zwar nach Überzeugung der Kammer nicht zutreffend, aber unter Heranziehung allgemeiner juristischer Auslegungsmethoden doch immerhin vertretbar.
3.) Weiterhin hat die Klägerin auch nicht etwa dadurch fahrlässig gehandelt, dass sie es unterlassen hätte, in dieser Situation eine Klärung durch die zuständigen Behörden herbeizuführen. Ein früherer Versuch, die immerhin in weiterem Zusammenhang mit der hier streitigen Rechtsfrage stehende Frage nach der Berücksichtigung unständig Beschäftigter bei der Berechnung der U 2-Umlage zu klären, ist daran gescheitert, dass die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen ihren (nach einer früheren Betriebsprüfung ergangenen) Bescheid vom 13.11.2006 mangels Beschwer als unzulässig behandelt hat.
C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen. Arbeitgeber sind in Bezug auf Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG kostenprivilegiert gem. § 183 SGG (BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 1 KR 12/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08). Vor diesem Hintergrund kommen weder eine Erstattungspflicht wegen Kosten der Beklagten in Betracht noch die Festsetzung eines Streitwerts.
&8195;
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Umlageausgleichsverfahren aus Anlass der Mutterschaft (sog. U 2-Umlage).
Die Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 28.01.2010 eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 durch. Nach Anhörung der Klägerin machte sie mit Bescheid vom 15.03.2010 eine Beitragsnachforderung i.H.v. 266.516,01 Euro geltend, wovon 210.785.- Euro auf eine Nacherhebung der U 2-Umlage unter Zugrundelegung des Umlagesatzes für die von der Klägerin als "freie Mitarbeiter" bezeichneten Beschäftigten entfiel, die die Beklagte im Wege eines sog. Beitragssummenbescheides festsetzte. Hinzu kamen Säumniszuschläge i.H.v. 50.383,50 Euro.
Die Klägerin erhob hiergegen am 15.04.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) stelle ausdrücklich auf die Arbeitnehmereigenschaft der Beschäftigten ab. Dem Gesetzgeber sei anlässlich der Einführung der Vorschrift klar gewesen, dass der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsbegriff weiter sei als der vornehmlich arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitsverhältnisses. Aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) ergebe sich gerade, dass es auch Beschäftigungsverhältnisse außerhalb von Arbeitsverhältnissen gebe. Weiterhin hätten die freien Mitarbeiterinnen der Klägerin auch gerade keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung innerhalb der Mutterschutzfristen. Gegen die Säumniszuschläge spreche auch, dass die Klägerin nach der letzten Betriebsprüfung versucht habe, die Einbeziehung unständig Beschäftigter in die Berechnung der U 2-Umlage zu klären. Ein entsprechender Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.11.2006 sei jedoch wegen mangels Beschwer als unzulässig verworfen worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20.09.2010 zurück. Sie führte aus, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von Rundfunkanstalten hätten auch als Arbeitnehmer i.S.d. § 7 Abs. 2 AAG zu gelten.
Hiergegen richtet sich die am 15.10.2010 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, zwar sei die Sozialversicherungspflicht der betroffenen freien Mitarbeiter unstreitig, jedoch lasse sich hieraus gerade nicht die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG ableiten. Vielmehr handele es sich ausweislich des bestandskräftigen Bescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 27.02.2002 um sonstige abhängig Beschäftigte i.S.d. 7 Abs. 1 SGB IV. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BfA setze sich in Widerspruch zu eigenem Vorverhalten, wenn sie nunmehr davon abweichen wolle.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 15.03.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2010 insoweit aufzuheben, als dort Beiträge zum Umlageverfahren aus Anlass von Mutterschaft nebst Säumniszuschlägen festgesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 13. und 14.11.2007 sowie auf das Urteil des SG des Saarlandes vom 18.01.2010 (S 14 R 252/09).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
&8195;
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich der Säumniszuschläge begründet. Insoweit sind die angefochtenen Entscheidungen rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG; dazu unter B). Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Umlageforderung ist die Klägerin durch die angefochtenen Entscheidungen nicht beschwert, denn diese sind rechtmäßig (dazu unter A).
A.) Die Beklagte durfte die U 2-Umlage auch unter Berücksichtigung der Entgelte für "freie Mitarbeiter" festsetzen und nachfordern.
I.) Die Träger der Rentenversicherung prüfen gem. § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Diese Befugnisse erstrecken sich auch auf die Überwachung des Umlageverfahrens nach dem AAG. Nach § 10 AAG finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Hierzu gehören insbesondere die §§ 28a bis 28r SGB IV (BT-Drs. 16/39, S. 14).
II.) Die Beklagte war nicht durch die Bindungswirkung (§ 77 SGG) des Bescheides der BfA vom 27.02.2002 am Erlass der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Entscheidungen gehindert. Die Bindungswirkung einer Entscheidung erstreckt sich stets nur auf deren Gegenstand. Gegenstand des Bescheides vom 27.02.2002 waren Beiträge und Umlagen im Zeitraum vom 01.12.1996 bis zum 31.12.2000. Weiterhin erwächst auch nur der Tenor eines Bescheides in Bindungswirkung (hier die Verpflichtung zur Zahlung weiterer 163.804,51 Euro), nicht auch die Gründe der Entscheidung, die lediglich zur Auslegung eines Tenors herangezogen werden können, falls dieser aus sich heraus nicht eindeutig ist. Beim Bescheid vom 27.02.2002 ist dies indes nicht der Fall, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die BfA über den Prüfzeitraum hinausreichende Feststellungen zur Einordnung bestimmter Rechtsverhältnisse in die Unterkategorien von § 7 Abs. 1 SGB IV hätte treffen wollen. Hierbei ist anzumerken, dass sie dazu nach einer – freilich neueren – Rechtsprechung des BSG auch nicht befugt gewesen wäre, denn wenn bereits die isolierte Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht zulässig ist (vgl. BSG, Urteile vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2, und vom 04.06.2009, B 12 R 6/08; zum Ganzen auch Merten, SGb 2010, 271 ff.), dann umso weniger die ("rein sozialversicherungsrechtlich" auch bedeutungslose) Zuordnung zu einer der Untergruppen des Beschäftigungsbegriffs.
III.) Die Beklagte hat die von der Klägerin geschuldete U 2-Umlage zutreffend unter Berücksichtigung auch des Entgelts festgesetzt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die von der Beklagten beschäftigten sozialversicherungspflichtigen "freien Mitarbeiter" bemessen wurden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen gewesen wären.
1.) Nach § 1 Abs. 2 AAG erstatten die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen den Arbeitgebern in vollem Umfang den vom Arbeitgeber nach § 14 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz, MuSchG) gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG), das vom Arbeitgeber nach § 11 des MuSchG bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG) und gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AAG die auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 2 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und nach § 61 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – soziale Pflegeversicherung (SGB XI) im sog. U 2-Verfahren, vgl. § 1 Abs. 3 AAG.
2.) Die Mittel zur Durchführung des U2-Verfahren werden von gem. § 7 Abs. 1 AAG den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern jeweils durch gesonderte Umlagen aufgebracht, die die erforderlichen Verwaltungskosten angemessen berücksichtigen. Die Umlagen sind jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden bemessen werden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären, § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG.
3.) Auch diejenigen "freien Mitarbeiter" der Klägerin, die als Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen sind und als solche der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterliegen, sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG.
a) Der Begriff Arbeitnehmer ist im Anwendungsbereich des AAG nach sozialversicherungsrechtlichen und nicht nach arbeitsrechtlichen Kriterien auszulegen. Erst recht ist die Bezeichnung der konkreten wirtschaftlichen Beziehung durch die daran Beteiligten unbeachtlich.
aa) § 10 AAG sieht vor, dass die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Da die gesetzliche Krankenversicherung für die Bestimmung der Versicherungspflicht in § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Sache nach auf die allgemeinen Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV Bezug nimmt (vgl. nur Kruse, in: LPK-SGB V, § 5, Rn. 4), muss die dort enthaltene Bestimmung, wer kraft seiner Beschäftigung in den Schutzbereich der Sozialversicherung fällt und für wen daher Beiträge entrichtet werden müssen, auch im Anwendungsbereich von § 7 Abs. 2 AAG gelten. Dies gilt umso mehr, als auch nach dem MuSchG das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen der Frau i.S.d. § 1 Nr. 1 MuSchG und ihrem Arbeitgeber in weiten Teilen öffentlich-rechtlich und vor allem sozialversicherungsrechtlich überlagert ist (vgl. §§ 13, 14 MuSchG). Unter Zugrundelegung sozialversicherungsrechtlicher Maßstäbe sind jedoch auch die freien Mitarbeiter der Klägerin als Arbeitnehmer i.S.d. § 7 Abs. 2 AAG anzusehen. Hierbei kann dahinstehen, ob § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG tatsächlich ausnahmslos auf alle Form der Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV Bezug nimmt. Jedenfalls dringt die Klägerin mit dem Argument nicht durch, § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG spreche mit der Bezugnahme auf Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildende nur einen Teil ihrer Beschäftigten i.S.d. § 7 SGB IV an.
bb) Zwar ist richtig, dass eine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV nicht zwingend ein Arbeitsverhältnis voraussetzt. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die sog. freien Mitarbeiter der Beklagten (die unstreitig sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind) deswegen keine Arbeitnehmer i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG wären, weil ihrer Beschäftigung keine Arbeitsverhältnisse zugrunde lägen.
cc) Die Bezeichnung als "freier Mitarbeiter" (ein vom Gesetz nicht verwandter Terminus) sagt als solche noch nichts über die sozialversicherungsrechtliche Einordnung aus (Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, § 7 SGB IV, Rn. 125, Stichwort "Freie Mitarbeiter"). Künstler und Publizisten, die in Anwendung des speziell für diese Berufsgruppen entwickelten Kriterienkatalogs Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind, zählen nicht kraft einer gegenüber dem Regelfall gelockerten Einbindung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (etwa durch den Verzicht auf die Vorgabe von Arbeitszeiten) zu der in § 7 Abs. 1 SGB IV erwähnten Gruppe der Beschäftigten, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Als Beschäftigungsverhältnisse außerhalb eines Arbeitsverhältnisses anerkannt sind in Rechtsprechung und Schrifttum die sog. arbeitnehmerähnlichen Verhältnisse, bei denen die Tätigkeit nicht in der Wertschöpfung, sondern einem insbesondere rehabilitativen Zweck dient (z.B. die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung oder die betriebliche Berufsbildung i.S.d. § 7 Abs. 2 SGB IV), hinzu kommen bestimmte stark öffentlich-rechtlich überlagerte Beschäftigungsverhältnisse (vgl. Seewald, a.a.O., Rn. 16 b) sowie besonders ausgestaltete Verhältnisse, deren Rechtsnatur als Beschäftigung das Gesetz eigens anordnet (z.B. Heimarbeiter i.S.d. § 12 Abs. 2 SGB IV). Das Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren "freien Mitarbeitern" ist jedoch weder von einem besonderen "nicht-wirtschaftlichen" Zweck geprägt, noch findet sich dort eine öffentlich-rechtliche Überlagerung. Hierbei kommt es – wie bereits gesagt – auch nicht darauf an, ob "freie Mitarbeiter" arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer einzuordnen wären, denn weder übernimmt das Sozialversicherungsrecht die arbeitsrechtlichen Begriffe und die arbeitsrechtliche Differenzierung (anstelle vieler: Seewald, a.a.O., Rn. 142) noch kennt es selbst einen einheitlichen Begriff des Arbeitnehmers (so ist etwa im Arbeitsförderungsrecht auch und gerade der Arbeitslose unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes). &8195;
b) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie schulde "für" die "freien Mitarbeiter" deswegen keine Umlage, weil diese auch keine Ansprüche nach dem MuSchG geltend machen könnten.
aa) Zunächst steht keinesfalls fest, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin und den "freien" Mitarbeiterinnen nicht im Einzelfall doch als Arbeitsverhältnis i.S.d. § 1 Nr. 1 MuSchG zu qualifizieren wäre – mit der Folge, dass die betroffene freie Mitarbeiterin Ansprüche gegen der Klägerin oder aber der zuständigen Krankenkasse hätte. Auch arbeitsrechtlich entfaltet die von den Vertragsparteien gewählte Bezeichnung keinerlei Bindungswirkung, sondern es ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach der persönlichen Abhängigkeit und Unselbständigkeit des "freien Mitarbeiters" zu fragen (Buchner/Becker, MuschG, 8. Aufl., 2008, § 1, Rn. 14). Speziell bei den Mitarbeitern von Rundfunkanstalten hat die Rechtsprechung die Arbeitnehmereigenschaft mehrfach bejaht (vgl. die Nachweise bei Buchner/Becker, a.a.O., Rn. 17 Stichwort "Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter").
bb) Im Übrigen macht das AAG die Höhe der Umlage auch nicht von der Wahrscheinlichkeit abhängig, mit der der Arbeitgeber Leistungen nach dem MuSchG erbringen muss und daher Erstattungsansprüche nach dem AAG geltend machen kann. Vielmehr sind bei dem Ausgleichs- und Umlageverfahren nach dem AAG weder der Anteil der beschäftigten Frauen an der Gesamtbelegschaft noch deren Entgelthöhe von Bedeutung (hierzu und zum Folgenden aus neuerer Zeit LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08): Nur wenn alle am Ausgleichs- und Umlageverfahren beteiligten Arbeitgeber hinsichtlich der Finanzierung der im Arbeitsverhältnis entstehenden Zusatzkosten bei Schwangerschaft aufgrund von Mutterschutzgesetzen unabhängig von Geschlecht und Anzahl der Beschäftigten gleich behandelt werden, können sie durch ihr Einstellungsverhalten ihre finanzielle Belastung nicht beeinflussen, sodass eine mittelbare Frauendiskriminierung vermieden wird.
&8195; IV.) Die Beklagte durfte die Umlage auch im Wege eines Summenbescheides festsetzen.
1.) Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (sog. Summenbescheid), wenn ein Arbeitgeber seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung von Lohnunterlagen (§ 28 f Abs. 1 Satz 1 SGB IV, Aufzeichnungspflicht) nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen, § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV. Das Gericht hat nach dem zu § 28p SGB IV Gesagten (siehe oben unter I) keine Zweifel an der grundsätzlichen Anwendbarkeit auch dieser Regelung auf die U 2-Umlage.
2.) Die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Summenbescheides waren vorliegend erfüllt. Eine personenbezogene Beitragsbemessung hatte hier für den einzelnen "freien Mitarbeiter" (d.h. die betroffenen Beschäftigten) versicherungsrechtlich keine ersichtliche Bedeutung (vgl. zu den wesentlichen Kriterien für den Erlass eines Summenbescheides insbesondere BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R). Eine mögliche arbeitsrechtliche Bedeutung kann eine personenbezogene Feststellung deswegen nicht erforderlich machen, da die Beklagte (oder ein anderer Träger der Sozialversicherung) hierzu ohnehin keine bindenden Feststellungen treffen kann. Im Übrigen kann die Entscheidung des prüfenden Rentenversicherungsträgers, sich der Form des Summenbescheides zu bedienen, im nachfolgenden Gerichtsverfahren nur beanstandet werden, wenn der Summenbescheid bei Abschluss des Widerspruchsverfahrens angesichts einer Gesamtwürdigung des zu beurteilenden Sachverhalts als unverhältnismäßig erscheinen musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war (BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R, juris, Rn. 28). Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinne liegt jedoch schon deswegen nicht vor, weil sich die Beklagte in enger Zusammenarbeit mit der Klägerin sichtlich bemüht hat, möglichst eng an dem Ergebnis zu bleiben, dass die im Einzelnen nicht mehr mögliche personenbezogene Festsetzung gebracht hätte.
B.) Hinsichtlich der in den angefochtenen Entscheidungen ebenfalls geltend gemachten Säumniszuschläge ist die Klage hingegen begründet. Die Beklagte durfte diese Zuschläge nicht fordern.
I.) Es erscheint bereits fraglich, ob die Beklagte sich hierfür überhaupt auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage berufen kann.
1.) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.
2.) Es steht bereits zu bezweifeln, dass diese Vorschrift überhaupt auf die U 2-Umlage Anwendung findet bzw. dass § 10 AAG i.V.m. § 24 SGB IV eine hinreichend konkrete Ermächtigungsgrundlage enthält (anders ohne nähere Begründung SG Leipzig, Urteil vom 24.11.2009, S 8 KR 201/07).
a) Eine direkte Anwendung von § 24 SGB IV scheitert bereits daran, dass die U 2-Umlage kein Beitrag zur Sozialversicherung i.S.d. § 24 SGB IV ist. Zwischen der Beitragsentrichtung und der Teilnahme am Umlagesystem nach dem AAG bestehen erhebliche strukturelle Unterschiede. Das U 2-Umlageverfahren fungiert wirtschaftlich als Versicherung des Arbeitgebers gegen das Risiko, aufgrund der Bestimmungen des Mutterschutzes ohne Gegenleistung Zahlungen an die Arbeitnehmerin leisten zu müssen. Wirtschaftlich fungiert der Arbeitgeber somit selbst als Versicherter (hierzu insbesondere BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 1 KR 12/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08).
b) Ebenso erscheint fraglich, ob § 10 AAG auch die Geltung von § 24 SGB IV im Anwendungsbereich des AAG anordnet. Während die Anwendung von § 24 SGB IV auf die Winterbau-Umlage (als dem in der Rechtsprechung am häufigsten abgehandelten Fall von Säumniszuschlägen auf Umlagen) auf einer ausdrücklichen Verweisung beruhte (enthalten in § 3 Abs. 2 der zum 01.05.2006 außer Kraft getretenen Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld), verweist § 10 AAG pauschal auf die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften. Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/39, S. 14) lässt sich hierzu nur entnehmen, dass die ergänzende Anwendung der "notwendigen" sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften sichergestellt werden solle, wozu "insbesondere auch" die des Dritten Abschnitts des SGB IV zählen sollen (zu denen § 24 SGB IV allerdings nicht gehört).
II.) Letztlich kann die Frage der Anwendbarkeit von § 24 SGB IV jedoch dahinstehen, denn auch im Bejahensfall kann sich die Klägerin mit Erfolg auf § 24 Abs. 2 SGB IV berufen: Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
1.) Der Verschuldensmaßstab des § 24 Abs. 2 SGB IV entspricht dem in § 276 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und umfasst somit Vorsatz und Fahrlässigkeit (BSG, Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R). Für eine vorsätzliche Nichtabführung der Umlage (die Kenntnis von der Zahlungspflicht voraussetzt, vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 7, Rn. 33) gibt es keine Anhaltspunkte und auch Fahrlässigkeit ist nicht gegeben. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB.
2.) Die Unkenntnis von den genauen Berechnungskriterien der streitigen Umlage erscheint für sich betrachtet vor dem Hintergrund nicht fahrlässig, dass die Einbeziehung der "freien Mitarbeiter" in die Berechnung der Umlage alles andere als offensichtlich ist und es hierzu – wie oben dargestellt – ausführlicher Gesetzesauslegung bedarf. Einschlägige Rechtsprechung lässt sich bis auf die zitierte (und im Übrigen auch nicht veröffentlichte) Entscheidung des SG des Saarlandes aus dem Jahr 2010 nicht feststellen, wie das AAG denn insgesamt ein rechtsprechungsarmes Gebiet darstellt. Auch bei näherer Beschäftigung mit der Rechtsmaterie erscheint es nicht wenigstens leicht fahrlässig, auf der Basis der Verschiedenheit der Begriffe "Arbeitnehmer" und Beschäftigter" zu einer Rechtsauslegung zu gelangen, wonach § 7 Abs. 2 AAG dediziert auf arbeitsrechtliche Begriffe und Abgrenzungen Bezug nimmt (ein Eindruck, der durch die ausdrückliche Nennung der Auszubildenden in der Vorschrift noch bestärkt wird). Auch die Auslegung der zutreffend als einschlägig erkannten sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (§ 7 Abs. 1 SGB IV) im Sinne einer Einordnung der "freien Mitarbeiter" als "sonstige", d.h. nicht im Arbeitsverhältnis stehende Beschäftigte ist zwar nach Überzeugung der Kammer nicht zutreffend, aber unter Heranziehung allgemeiner juristischer Auslegungsmethoden doch immerhin vertretbar.
3.) Weiterhin hat die Klägerin auch nicht etwa dadurch fahrlässig gehandelt, dass sie es unterlassen hätte, in dieser Situation eine Klärung durch die zuständigen Behörden herbeizuführen. Ein früherer Versuch, die immerhin in weiterem Zusammenhang mit der hier streitigen Rechtsfrage stehende Frage nach der Berücksichtigung unständig Beschäftigter bei der Berechnung der U 2-Umlage zu klären, ist daran gescheitert, dass die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen ihren (nach einer früheren Betriebsprüfung ergangenen) Bescheid vom 13.11.2006 mangels Beschwer als unzulässig behandelt hat.
C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen. Arbeitgeber sind in Bezug auf Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG kostenprivilegiert gem. § 183 SGG (BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 1 KR 12/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08). Vor diesem Hintergrund kommen weder eine Erstattungspflicht wegen Kosten der Beklagten in Betracht noch die Festsetzung eines Streitwerts.
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Rechtskraft
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