S 6 AS 273/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 AS 273/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
&8195; Der Bescheid des Beklagten vom 19.08.2010 – betreffend die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.03.2010 – in der Gestalt des Bescheides vom 03.11.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2010 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zum einem Fünftel zu erstatten. Die Berufung des Beklagten wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate Januar, April, Mai und Juni 2010

Die am XXXXX1971 geborene Klägerin beantragte Ende November 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei sie angab, sie arbeite bei der Firma W. GmbH & Co. KG, könne aus diesem Einkommen jedoch ihren Lebensunterhalt nicht decken und habe auch keinen Anspruch auf Beschäftigung in einem bestimmten Umfang. Überdies habe sie noch bis Ende 2009 eine weitere Beschäftigung in der Buchhandlung T ...

Nachdem die Klägerin im Laufe des Monats Januar Nachweise zu ihrem in diesem Monat zugeflossenen Einkommen beim Beklagten eingereicht hatte, bewilligte dieser mit Bescheid vom 02.02.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 30.06.2010 i.H.v. monatlich 524,90 Euro, wobei er (ausgehend von der Einkommensbescheinigung der Firma W. für November 2009) ein monatliches Nettoeinkommen von (unbereinigt) 614,22 Euro anrechnete.

Auf entsprechende Aufforderungen des Beklagten hin teilte die Klägerin in der Folgezeit die Höhe ihres monatlichen Erwerbseinkommens mit, weiterhin kündigte sie im Februar 2010 an, sie werde ab dem 01.04.2010 in einem Umfang von 20 Stunden wöchentlich bei der Firma L. arbeiten.

Mit insgesamt 4 Bescheiden vom 19.08.2010 setzte der Beklagte sodann die Leistungen wie folgt fest und hob zugleich Leistungen für folgende Zeiträume und in folgender Höhe auf:

Nr. Zeitraum Festsetzung Aufhebung 1 01.01.2010 bis 31.01.2010 032, 46 Euro 492,44 Euro 01.02.2010 bis 28.02.2010 618,48 Euro 01.03.2010 bis 31.03.2010 532,68 Euro 2 01.04.2010 bis 30.04.2010 148,43 Euro 376,47 Euro 3 01.05.2010 bis 31.05.2010 322,22 Euro 202,68 Euro 4 01.06.2010 bis 30.06.2010 313,47 Euro 211,43 Euro

Zugleich hörte er wegen einer Erstattung der Beträge, in deren Höhe er den Bescheid vom 02.02.2010 aufgehoben hatte, an und verlangte schließlich mit Bescheid vom 03.09.2010 einen Betrag von 1283,02 Euro erstattet.

Die Klägerin legte am 15.09.2010 und 21.09.2010 Widerspruch gegen die ersten vier Bescheide vom 19.08.2010 sowie gegen den Erstattungsbescheid vom 03.09.2010 ein und führte zur Begründung aus, der Beklagte dürfe die Aufhebung nicht auf § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) stützen, da er bei Erlass des Bescheides vom 02.02.2010 trotz bereits eingereichter Abrechnungen der Firmen W. und T. ein deutlich zu niedriges Einkommen angesetzt habe. Somit liege jedenfalls ein atypischer Fall von § 48 SGB X vor. Auch auf § 45 SGB X lasse sich die Aufhebung nicht stützen, da die Klägerin den Beklagten rechtzeitig und vollständig von ihrer Einkommenssituation informiert habe.

Mit zwei Bescheiden vom 03.11.2010 änderte der Beklagte daraufhin die Leistungsbewilligung für Januar 2010 erneut ab (Bewilligung von 320,58 Euro) und reduzierte den Erstattungsbetrag auf 994,90 Euro (Aufhebung für Januar 2010 i.H.v. 204,32 Euro anstatt bisher 492,44 Euro).

Die Klägerin hielt nunmehr entgegen, auch die Aufhebung für April 2010 sei rechtswidrig. Die Leistungsbewilligung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, denn der Beklagte sei aufgrund Ermessensreduzierung verpflichtet gewesen, ein Durchschnittseinkommen zu ermitteln und zugrunde zu legen. Hilfsweise müsse gelten, dass der Beklagte zu einer Bewilligung nur für kürzere Abschnitte oder aber nur vorläufig verpflichtet gewesen sei. Zudem sei der Bescheid vom 02.02.2010 aber auch schon deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte die im Januar 2010 erfolgten Mitteilungen zur Einkommenshöhe nicht berücksichtigt habe. Dieser Fehler erfasse den gesamten Dauerverwaltungsakt. Schließlich habe der Beklagte früher auf die mitgeteilte Arbeitsaufnahme bei der Firma L. reagieren müssen.

Mit zwei Bescheiden vom 20.12.2010 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Änderungsbescheide vom 19.08.2010 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 20.01.2011 erhobene Klage.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 19.08.2010 – betreffend die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.03.2010 – in der Gestalt des Bescheides vom 03.11.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2010 aufzuheben,

die Bescheide vom 19.08.2010 – betreffend die Zeiträume vom 01.04.2010 bis zum 30.06.2010 – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligte bleiben bei ihrer jeweiligen Auffassung.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

&8195;

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin ist nur durch die angefochtene Entscheidung hinsichtlich Januar 2010 (Bescheid vom 19.08.2010 in der Fassung des Bescheides vom 03.11.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2010) beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die übrigen angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig. Der Beklagte durfte die Leistungsbewilligung für Januar 2010 nicht wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse aufheben, denn die Bewilligung war für Januar 2010 bereits rechtswidrig erfolgt; eine Rücknahme für Januar 2010 scheitert an schutzwürdigem Vertrauen (dazu A). Hinsichtlich der übrigen Monate (effektiv betroffen sind nur April, Mai und Juni 2010) war die Leistungsbewilligung indes ursprünglich rechtmäßig und nach § 48 Abs. 1 SGB X aufzuheben.

A) Die Aufhebung der Leistungsbewilligung für Januar war - auch nach Erlass des Teilabhilfebescheides vom 03.11.2010 - rechtswidrig.

I.) Als Grundlage hierfür kommt nicht – wovon der Beklagte offenbar ausgeht – § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht, denn der Bescheid vom 02.02.2010 war insoweit (d.h. hinsichtlich der damals bereits rückwirkend erfolgten Leistungsbewilligung für Januar 2010) anfänglich rechtswidrig. Anfänglich rechtswidrig ist ein Bescheid, der objektiv betrachtet bereits bei Erlass nicht hätte ergehen dürfen. Dies ist auch der Fall, wenn sich Einkommen anspruchsschädlich auswirkt, das nach Antragstellung, aber vor Bescheidung erzielt und erst nach Bescheidung bekanntgeworden oder sonst rechtlich gewürdigt worden ist (Waschull, in: LPK-SGB X, 3. Aufl., 2011, § 45, Rn. 16). Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 02.02.2010 Kenntnis von genau jenen Tatsachen, auf die er später dessen Aufhebung gestützt hat. Ein Kontoauszug, der die Zahlungseingänge der Firmen T. und W. im Januar 2010 erkennen lässt, lag dem Beklagten ausweislich des Eingangsstempels in der Akte des Beklagten bereits Mitte Januar 2010 vor.

II.) Hieraus ergibt sich zugleich, dass einer Rücknahme des besagten Bescheides für den Monat Januar 2010 schutzwürdiges Vertrauen seitens der Klägerin entgegensteht. Der rechtswidrige Bescheid beruhte nicht auf unzutreffenden oder unvollständigen Angaben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. SGB X) und die Klägerin hätte die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung auch nicht erkennen können. Da Bewilligungsbescheide der Beklagten die Rechenschritte bei der Einkommensanrechnung nicht hinreichend sicher erkennen lassen (zum Verschuldensmaßstab Waschull, a.a.O., Rn. 42: erforderlich ist, dass sich die Fehlerhaftigkeit ohne Mühe erkennen lässt), war die Klägerin nicht gehalten, diese im Einzelnen nachzuprüfen.

B.) Nicht begründet ist die Klage hingegen, soweit sie sich gegen die teilweise Aufhebung für die Monate April, Mai und Juni 2010 richtet.

I.) Grundlage der Aufhebung ist insoweit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, in der zum Zeitpunkt, an dem Widerspruchsbescheid erlassen wurde, geltenden Fassung, a.F.) und § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III), wonach ein Dauerverwaltungsakt (wie ihn der Bescheid vom 02.02.2010 unzweifelhaft darstellt) mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§§ 7, 9 SGB II).

II.) Hinsichtlich der Leistungsbewilligung für die Monate April bis Juni 2010 war der Bescheid anfänglich rechtmäßig.

1.) Zunächst kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, die Rechtswidrigkeit der Bewilligung für den Monat Januar schlage auch auf die Bewilligung in den Folgemonaten durch. Da der Bescheid (schon angesichts der bei der Einkommensanrechnung vorgegebenen monatsgenauen Betrachtungsweise) die jeweiligen Leistungsansprüche in verschiedenen Monaten regelte, kann auch seine Rechtmäßigkeit nur monatsweise geprüft werden.

2.) Unklar ist, wieso der Beklagte nach Auffassung der Klägerin im Wege einer Ermessensreduzierung gezwungen gewesen sein sollte, ein Durchschnittseinkommen gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, Alg II-V) zu bilden. Es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsträger sich um eine passgenaue Anrechnung von Einkommen bemüht.

3.) Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Leistungen für kürzere Zeiträume als gesetzlich vorgesehen zu bewilligen, § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.

4.) Der Bescheid vom 02.02.2010 war nicht etwa deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte dort die Leistungen trotz eines erkanntermaßen schwankenden Einkommens nicht nur vorläufig, sondern endgültig bewilligt hat. Ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht verpflichtet, bei vorhersehbar schwankendem Einkommen die Leistungen nur vorläufig zu bewilligen (anders SG Chemnitz, Urteil vom 16.08.2011, S 37 AS 1853/10, juris).

a) Grundlage einer vorläufigen Bewilligung wäre im streitigen Zeitraum § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III (in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung) gewesen, wonach über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden konnte, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich war, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorlagen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hatte.

aa) Ein Zwang zur vorläufigen Bewilligung ergab sich hieraus schon deswegen nicht, weil die Vorschrift der Behörde Ermessen einräumte (Düe, in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., 2010, § 328, Rn. 18). Zwar wurde und wird im einschlägigen Schrifttum durchaus diskutiert, ab wann von einer Ermessensreduzierung "auf Null" auszugehen war, jedoch betraf diese Diskussion nicht die Frage, ob anstelle einer endgültigen Entscheidungen eine vorläufige ergehen musste, sondern gleichsam umgekehrt die Frage, ab welchem Grad der Wahrscheinlichkeit die Behörde vorläufig bewilligen musste (auch hierzu Düe, a.a.O. mit Nachweisen zum Streitstand). Auch aus dem ebenfalls von der pauschalen Verweisung in § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II a.F. erfassten § 328 Abs. 1 Satz 3 SGB III ergab sich nichts anderes, denn diese Vorschrift verpflichtete die Behörde nur dazu, auf einen (ausdrücklich auf eine vorläufige Entscheidung gerichteten) Antrag des Arbeitslosen darüber zu entscheiden, ob sie vorläufig bewilligte. Einen Anspruch auf eine vorläufige Entscheidung anstelle einer endgültigen hat auch § 328 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht eingeräumt.

bb) Insbesondere ist das durch § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III eingeräumte Ermessen eines Leistungsträgers auch nicht im Fall schwankenden Einkommens dergestalt "auf null" reduziert, dass nur eine vorläufige Bewilligung rechtmäßig wäre (so aber SG Chemnitz, a.a.O.). Hierbei ist zunächst zu beachten, dass der (gerade bei der Ermessensausübung zu beachtende) Zweck der Regelung insgesamt nicht etwa in einem "Schutz" des Leistungsberechtigten vor einer endgültigen Entscheidung liegt, sondern in der Vermeidung von Deckungslücken (im SGB III-Bereich verbunden mit der Eintrittspflicht eines subsidiär zuständigen Leistungsträgers und entsprechenden Schwierigkeiten bei der Erstattung, vgl. nur Düe, a.a.O.). Dies gilt vor allem deswegen, weil eine vorläufige Bewilligung den Leistungsberechtigten nicht etwa besser stellt als eine endgültige – im Gegenteil ermöglichte § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III eine gerade nicht an die die besonderen (Vertrauensschutz-) Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB X gebundene (Düe, a.a.O., Rn. 24) nachträgliche Aufhebung oder Abänderung mit der Folge einer Erstattungspflicht, § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Mit anderen Worten: Im Falle einer vorläufigen Bewilligung hätte die Klägerin im vorliegenden Fall nicht erheblich anders – und tendenziell sogar eher schlechter – gestanden als im Fall der tatsächlich erfolgten endgültigen Bewilligung. Auch das vom SG Chemnitz (a.a.O.) zur Begründung angeführte Urteil des BSG vom 28.06.1990 (4 RA 57/89, SozR 3-1300 § 32 Nr. 2) zwingt nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Das im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (zu einer solchen Streitigkeit ist das BSG-Urteil ergangen) geltende Verbot eines vorzeitigen Verfahrensabschlusses wird im Anwendungsbereich von SGB II und SGB III deswegen durch die Möglichkeit einer vorläufigen Bewilligung durchbrochen (hierzu Wolff-Dellen, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl., 2011, § 40, Rn. 5), weil die in diesen Gesetzen vorgesehenen Leistungen ihr Ziel nur dann erreichen können, wenn sie zeitnah erbracht werden (vgl. ausführlich Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler/Bartz/ Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl., 2008, § 328, Rn. 2 ff.).

b) Auch aus dem vom SG Chemnitz (a.a.O.) zitierten Urteil des BSG vom 02.06.2004 (B 7 AL 58/03 R, SozR 4-4100 § 115 Nr. 1) ergibt sich nichts anderes. Das BSG hat dort ausdrücklich entschieden, dass in Fällen, in denen ein regelmäßiges Nebeneinkommen anzurechnen ist, eine Bewilligung bereits im Voraus endgültig zu erfolgen hat, und weiter ausgeführt, dass es bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld zum Zeitpunkt der Entscheidung nie sicher feststeht, dass der Anspruch überhaupt oder in der Form fortbesteht, in der er sich zum Zeitpunkt der Bewilligung ergibt. Gleichwohl ist es – so das BSG weiter –unzulässig, noch nicht endgültig zu entscheiden, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung keine konkreten Anhaltspunkte für eine mögliche Änderung vorliegen. Diese Entscheidung lässt sich nicht verallgemeinernd auf das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende anwenden. Anders als bei der Anrechnung von sog. mühevollem Nebeneinkommen auf das nach dem SGB III geleistete Arbeitslosengeld (dort § 141 SGB III) können sich die Leistungsansprüche nach dem SGB III aus den unterschiedlichsten Gründen und – wegen des Aktualitätsgrundsatzes – täglich ändern. Somit wäre eine endgültige Bewilligung im Voraus schon in allen Fällen ausgeschlossen, in denen Einkommen auf Stundenlohnbasis erzielt wird oder aus anderen Gründen als der schwankenden Stundenzahl unterschiedlich hoch ausfällt (Gratifikationen, Urlaubsgeld) etc. Hätte der Gesetzgeber dies bei Erlass des SGB II beabsichtigt, so hätte er nicht in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II (alter wie neuer Fassung) lapidar angeordnet, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden sollen.

c) Eine Verpflichtung, vorläufig anstelle von endgültig zu entscheiden, ergab sich auch nicht aus den einschlägigen Vorschriften des SGB II oder der Alg II-V. § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 Alg II-V stellt, wenn Schwankungen der laufenden Einnahmen zu erwarten sind, die Zugrundelegung eines monatlichen Durchschnittseinkommens in das Ermessen der Behörde. Satz 3 der Vorschrift knüpft an eine vorläufige Bewilligung an, gebietet sie aber nicht.

d) Im Übrigen hätte nicht nur – wie bereits dargelegt – eine vorläufige Bewilligung die Klägerin angesichts der Einkommensanrechnung nicht wesentlich besser gestellt, sondern auch eine auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme würde zum selben Ergebnis führen (zur Möglichkeit einer Umdeutung in diesem Zusammenhang Wolff-Dellen, a.a.O., Rn. 7: die Sperrwirkung des § 43 Abs. 3 SGB X entfällt wegen § 330 SGB III).

III.) Auch die übrigen Voraussetzungen der Aufhebung für die Vergangenheit sind erfüllt, insbesondere wirkt sich ein fehlendes Verschulden nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gerade nicht zum Vorteil der Klägerin aus. Die einschlägige Frist ist gewahrt.

IV.) Ermessen war nicht auszuüben, § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II SGB II a.F. i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III.

C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung des Beklagten beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr.1, Abs. 2 SGG. Eine Berufung der Klägerin bedarf nicht der Zulassung.
Rechtskraft
Aus
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