Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 32 AS 817/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grundsicherung für Arbeitssuchende - Einkommensanrechnung - steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen - zweckbestimmte Einnahme
Bemerkung
Beruflich bedingte Verpflegungsmehraufwendungen (Spesen), die der Arbeitgeber steuerfrei (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 i.V.m. § 3 Nr. 13 EStG) zahlt, stellen zweckbestimmte Einnahmen i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II dar und sind daher nicht als Einkommen anzure
I. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 31.7.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Juli 2007 i.H.v. 146,10 EUR je Kläger, – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Monate August bis November 2007 i.H.v. 156,62 EUR je Monat und Kläger, – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 143,47 EUR je Kläger sowie – der Klägerin zu 1. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Januar 2008 i.H.v. 96,78 EUR und dem Kläger zu 2. für den Monat Januar 2008 i.H.v. 96,77 EUR zu gewähren.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 9/10.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung der vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gezahlten Spesen auf den Bedarf für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für die Zeit von Juli 2007 bis Januar 2008.
Die Klägerin zu 1. bezog – gemeinsam mit dem vormaligen Kläger zu 3., ihrem im Jahr 2000 geborenen Kind – vom Beklagten bereits im Jahr 2005 und 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1. ist 1976 geboren und erwerbslos. Der 1974 geborene Kläger zu 2. ist als Kraftfahrer erwerbstätig. Die Kläger bewohnen mit ihrem gemeinsamen Kind, dem vormaligen Kläger zu 3., ein Einfamilienhaus in 02708 Obercunnersdorf. Die Kosten der Unterkunft betragen 427,83 EUR (Schuldzinsen und sonstige kalte Nebenkosten). Die Heizkosten belaufen sich inkl. der Kosten für Warmwasseraufbereitung auf 38,00 EUR.
Der Kläger zu 2. ist bei der Spedition T. als Kraftfahrer angestellt. Der Weg zur Arbeit beträgt 24 km; die Strecke legt der Kläger zu 2. pro Monat 8-mal zurück. Für seine Kfz-Haftpflichtversicherung wendet der Kläger zu 2. monatlich 16,53 EUR auf. Er ist jede Arbeitswoche jeweils von Sonntag oder Montag bis Freitag oder Samstag im Fernverkehr unterwegs. Der Arbeitgeber zahlt neben dem Arbeitsentgelt einen steuerfreien Zuschuss als Spesen, der sich an § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 EStG (i.V.m. § 3 Nr. 13 EStG) orientiert. Hiernach stehen dem Kläger für eine 24-stündige Abwesenheit vom Arbeits- und Wohnort ein Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand i.H.v. 24 EUR, für eine Abwesenheit von weniger als 24, aber mindestens 14 Stunden i.H.v. 12 EUR und eine Abwesenheit von weniger als 14, aber mindestens 8 Stunden i.H.v. 6 EUR zu. Der Monatslohn fließt dem Kläger zu 2. ebenso wie die Spesenzahlung jeweils im Folgemonat zu.
Im Einzelnen standen dem Kläger zu 2. ausweislich der Arbeitsstundennachweise des Arbeitgebers im streitbefangenen Zeitraum folgende Spesenzahlungen zu:
Monat Spesen gesamt Abwesenheiten 24 Stunden 14-24 Stunden 8-14 Stunden Juni (Zufluss Juli) 2007 384,00 EUR 12x 8x Juli (Zufluss August) 2007 444,00 EUR 16x 5x August (Zufluss September) 2007 276,00 EUR 10x 3x September (Zufluss Oktober) 2007 420,00 EUR 15x 5x Oktober (Zufluss November) 2007 348,00 EUR 12x 5x November (Zufluss Dezember) 2007 444,00 EUR 15x 7x Dezember 2007 (Zufluss Januar 2008) 306,00 EUR 10x 5x 1x
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Arbeits- und Stundennachweise Bl. 68-104 und Bl. 122-132 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Zusätzlich zu den genannten Spesenzahlungen floss dem Kläger zu 2. Arbeitslohn wie folgt zu: Juli 2007 bis November 2007 (jeweils für die Vormonate) 1.054,77 EUR netto (1.481,00 EUR brutto), Dezember 2007 (für November 2007) 1.088,01 EUR netto (1.550,00 brutto) und Januar 2008 (für Dezember 2007) 1.088,19 EUR netto (1.550,00 EUR brutto). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gehaltsnachweise Bl. 114-121 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Eingang 3.7.2007 beantragten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auf den der Beklagte mit Bescheid vom 31.7.2007 Leistungen für den Monat Juli 2007 i.H.v. 0,69 EUR und für die Monate August 2007 bis Januar 2008 i.H.v. monatlich 0,71 EUR bewilligte. Als Kosten der Unterkunft erkannte der Beklagte 443,14 EUR an; er zog nämlich Warmwasseraufbereitungskosten i.H.v. insgesamt 5,70 EUR monatlich ab. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bewilligungsbescheides wird auf Bl. 139 ff. der Verwaltungsakte verwiesen.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 3.8.2007 Widerspruch ein, mit dem sie die Nichtanrechnung der vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gewährten steuerfreien Spesen begehrten. Auf diesen Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2008 – Posteingang bei den Klägern am 21.1.2008 – der Bewilligungsbescheid vom 31.7.2008 insoweit abgeändert, als für den Monat Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 114,71 EUR bewilligt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheides wird auf Bl. 153 ff. der Verwaltungsakte verwiesen.
Am 21.2.2008 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus dem Widerspruchsverfahren weiterverfolgen. Zudem halten sie auch den Abzug der Warmwasserpauschale für rechtswidrig. Nachdem zunächst auch das gemeinsame Kind der Kläger zu 1. und 2. als Kläger zu 3. eigene Ansprüche geltend gemacht hatte, hat der Kläger zu 3. seine Klage in der mündlichen Verhandlung am 2.2.2009 zurückgenommen.
Die Kläger zu 1. und 2. beantragen zuletzt,
den Beklagten zu verpflichten, den Klägern unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 31.7.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung der dem Kläger zu 2. von seinem Arbeitgeber gewährten steuerfreien Spesen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die steuerfrei gezahlten Spesen seien keine zweckbestimmten Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. In der Branche, in der der Kläger zu 2. beschäftigt sei, seien Spesenzahlungen zur Ersparnis von Lohnnebenkosten und zur Nettolohnoptimierung üblich. Daher müssten sie grundsätzlich auch auf den Bedarf angerechnet werden. Berücksichtigung könnten nur solche Mehraufwendungen finden, die tatsächlich und nachweisbar durch die Ortsabwesenheit entstünden. Für Pauschalisierungen sei daher kein Raum.
Der Kammer haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsakten des Beklagten zur BG-Nr. 07208 BG 1012217 vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, soweit das Urteil auf ihnen beruht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist aus dem in Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Die Kammer hatte auch unter Berücksichtigung des zuletzt gestellten Antrags über die Ansprüche der Kläger zu 1. und 2. auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II insgesamt zu entscheiden. Nach der gefestigten Rechtsprechung hat das Gericht bei einem Streit über höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (siehe nur BSG, Urt. v. 5.9.2007 – B 11b AS 49/06 R – Rdnr. 19; Urt. v. 16.5.2007 – B 11b AS 29/06 R – Rdnr. 18). Nicht zu entscheiden war daher lediglich über die Ansprüche des Klägers zu 3., der seine Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat.
II. Die Klage der Kläger zu 1. und 2. ist zum ganz überwiegenden Teil begründet. Der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 31.7.2007 ist in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 zumindest teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten, soweit der Beklagte neben dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2. auch die vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gezahlten Verpflegungsmehraufwendungen als Einkommen auf den Bedarf angerechnet hat. Die Kläger haben jeweils Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II, die ihnen durch die genannten Bescheide rechtswidrig verwehrt werden.
1. Die Kläger erfüllen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 19 S. 1 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 7 Abs. 3 SGB II gehören u.a. zudem zur Bedarfsgemeinschaft die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1), als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (Nr. 3c) sowie die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (Nr. 4).
a) Die Kläger zu 1. und 2. sind erwerbsfähige Hilfebedürftige, die als Partner in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II leben. Der vormalige Kläger zu 3. ist das gemeinsame Kind der Kläger zu 3. und daher gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Kläger sind insbesondere hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 SGB II, da sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern können.
b) Der Bedarf der Kläger (§ 19 Abs. 1 S. 1 SGB II) ermittelt sich wie folgt. Als Regelleistung für einen Erwerbsfähigen sieht § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in der hier geltenden Fassung 347 EUR vor, den Klägern zu 1. und 2. standen hiervon gemäß § 20 Abs. 3 SGB 90 %, d.h. jeweils 312 EUR zu.
Die hier letztlich nicht mehr streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) betragen 427,82 EUR (Schuldzinsen i.H.v. 336,03 EUR und sonstige Nebenkosten i.H.v. 91,79 EUR), die Heizkosten 38,00 EUR. Da mit der Heizung der Kläger auch die Warmwasserbereitung durchgeführt wird, die Kosten für Haushaltsenergie aber Bestandteil der Regelleistung sind (§ 20 Abs. 1 SGB II), ist von den Heizkosten eine sog. Warmwasserpauschale abzuziehen. Diese beträgt für die Kläger zu 1. und 2. jeweils 5,63 EUR und für den vormaligen Kläger zu 3. 3,76 EUR (zur Höhe der Warmwasserpauschale ausführlich BSG, Urt. v. 27.2.2008 – B 14/11b AS 15/07 R). Als (reine) Heizkosten verbleiben daher 22,98 EUR so dass die Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt für die Bedarfsgemeinschaft 450,80 EUR betragen.
Die Kosten der Unterkunft sind im Hinblick auf den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach Kopfteilen aufzuteilen, so dass von den gesamten Kosten der Unterkunft auf die Klägerin zu 1. 150,27 EUR und auf den Kläger zu 2. 150,26 EUR entfallen. Die Klägerin zu 1 hat damit einen Gesamtbedarf von 462,26 EUR, der Kläger zu 2 von 426,27. Für den Monat Juli 2007 ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf nur i.H.v. 28/30 gegeben ist, da der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für jeden Kalendertag (§ 40 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB II), aber erst ab Antragstellung am 3.7.2007 besteht (siehe § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II).
c) Einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben die Kläger nur soweit, als sie – auch unter Berücksichtigung des Einkommens der jeweils anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft – hilfebedürftig sind (§ 9 Abs. 1 und 2 SGB II). Dabei sind einsetzbares Vermögen und das Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen (§§ 11 und 12 SGB II). Da die Kläger über Vermögen über die in § 12 Abs. 2 SGB II bezeichneten Freibeträge hinaus nicht verfügen, kommt es hier allein auf das erzielte Einkommen an. Als Einkommen zu berücksichtigen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II.
aa) Als Einkommen zu berücksichtigen ist damit zunächst das Kindergeld für den vormaligen Kläger zu 3. i.H.v. 154,00 EUR, das als dessen Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (§ 11 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 2 SGB II). Die Versicherungspauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V ist hiervon nach Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift nicht in Abzug zu bringen (BSG, Urt. v. 18.6.2008 – B 14 AS 55/07 R – Rdnr. 31 ff.).
bb) Als Einkommen ist sodann das Erwerbseinkommen des Klägers zu 2. zu berücksichtigen. Die Anrechnung hat dergestalt zu erfolgen, dass als Ausgangsbasis der Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens das ausgewiesene Einkommen abzüglich der dem Kläger zu 2 vom Arbeitgeber gewährleisteten Spesen für beruflich bedingte Verpflegungsmehraufwendungen anzusetzen ist. Denn bei diesen Spesen handelt es sich um zweckbestimmte Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II (siehe bereits Urt. der Kammer vom 5.1.2009, S 32 AS 4709/08; ebenso Mecke, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008 § 11 Rdnr. 39; SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18 ff.; SG Detmold, Urt. v. 22.6.2006 – S 7 AS 152/05 – juris-Rdnr. 22; im Ergebnis offen, aber deutlich in diese Richtung LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25.8.2006 – L 5 B 549/06 AS ER, juris-Rdnr. 14, ebenso LSG Mecklemburg-Vorpommern, Beschl. v. 29.6.2007 – L 8 b 229/06 – juris-Rdnr. 25 ff.). Zwar sind nach § 11 Abs. 1 S.1 SGB alle Einnahmen in Geld und Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat von diesem Grundsatz aber in § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II für zweckbestimmte Einnahmen eine Ausnahme gemacht, die die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift sind hier erfüllt. Insbesondere handelt es sich um zweckbestimmte Einnahmen, die anderen Zwecken als Leistungen nach dem SGB II dienen [hierzu unter (1)] und die die Lage des Klägers zu 2. nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären [unter (2)]. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II wird insbesondere auch nicht durch § 6 Abs. 3 ALG II-V verdrängt [unter (3)].
(1) Die dem Kläger zu 2. ausgezahlten Spesen für beruflich bedingte Mehraufwendungen sind zweckbestimmte Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. Sinn des Gesamtkonzepts des § 11 SGB II (i.V.m. den Vorschriften der ALG II-V) ist es, eine Anrechnung solcher Leistungen als Einkommen auf den Bedarf zu erreichen, die im Einzelfall den selben Zwecken wie die Leistungen nach dem SGB II dienen, nämlich den Lebensunterhalt zu sichern. Hierdurch soll einerseits verhindert werden, dass der Grundsicherungsträger Leistungen erbringt, die dem Betreffenden (infolge eines Einkommens) zur Sicherung des Lebensunterhalts doppelt zur Verfügung stehen. Zum anderen soll insbesondere § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II verhindern, dass der Zweck einer Leistung, die erkennbar nicht der Sicherung des Lebensunterhalts dient, dadurch vereitelt wird, dass sie auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet wird (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 16). Daraus folgt, dass eine Leistung ist i.S.d. Vorschrift zweckbestimmt ist, wenn ihr erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen werden kann und die Leistung im Fall ihrer Anrechnung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ihren Zweck nicht erreichen würde (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 16). Ausgehend von diesen Grundsätzen dienen Spesenzahlungen nicht demselben Zweck wie das Arbeitslosengeld II. Dieses dient der Sicherung des Lebensunterhalts von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht auf anderem Wege beseitigt werden kann (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 17). Die dem Arbeitnehmer gewährten Spesenzahlungen sind durch vertragliche Abreden, die gesonderte Ausweisung in der Lohnabrechnung sowie – ergänzend – ihre sozialversicherungs- und einkommensteuerrechtliche Behandlung (siehe § 3 Nr. 13 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 EStG) hinreichend zweckbestimmt (vgl. SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18). Sie dienen – anders als die Leistungen nach dem SGB II – insbesondere nicht der Sicherung des Lebensunterhalts. Ziel dieser Sonderzahlung ist es, die Mehraufwendungen auszugleichen, die die berufliche Betätigung des Klägers zu 2. mit sich bringen. Es handelt sich dabei vor allem um den Verpflegungsbedarf, der nicht durch die Regelleistung (§ 20 Abs. 1 SGB II) abgedeckt ist. Mit den Spesenzahlungen sollen nämlich die erhöhten Kosten der Ernährungsbeschaffung ausgeglichen werden, die eine auswärtige Beschäftigung fernab vom eigenen Haushalt mit sich bringt (vgl. SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18). Ausgeglichen werden sollen aber auch solche Kosten, die gerade dem Beruf des Fernfahrers immanent sind, insbesondere Aufwendungen für die hygienische Versorgung an Raststätten oder Autohöfen. All dies sind Leistungen, die ersichtlich vom Zweck der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht erfasst sind.
(2) Die Gewährung solcher Sonderzahlung verbessert die Lage der Kläger hier auch nicht derart, dass daneben Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht gerechtfertigt wären. Es kann hier dahinstehen, ob dies bereits deshalb der Fall ist, weil die Spesen steuer- und sozialversicherungsrechtlich privilegiert sind. Zu diesem Ergebnis käme man, wenn man dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal in § 11 Abs. 3 SGB II lediglich als Kor¬rektiv gegen missbräuchliche privatrechtliche Gestaltungen verstünde und diese bereits dann als ausgeschlossen betrachtete, wenn und weil der Gesetzgeber diese Leistungen anderweitig (nämlich im Einkommensteuer- sowie Sozialversicherungsrecht) für angemessen hielte (so ausdrücklich SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 19). Denn jedenfalls in Konstellationen, in denen der Empfänger der Spesenzahlung diese feststellbar zumindest üblicherweise auch zweckentsprechend verwendet, stehen die Leistungen dem Empfänger tatsächlich nicht mehr zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung, so dass Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt sind (siehe zu diesem Aspekt bei zweckbestimmten Leistungen BSG, Urt. v. 30.9.2008 – B 4 AS 19/07 R – Rdnr. 19). So liegt der Fall hier: Der Kläger zu 2. hat sich dahin eingelassen, die Spesen im wesentlichen im Tagesverlauf zu verbrauchen. Nicht notwendig erscheint es hingegen, jede dieser Ausgaben zu dokumentieren und (z.B. durch Kassenzettel) zu belegen. Dies widerspräche dem Sinn gerade einer Pauschalenregelung.
(3) Auch aus § 6 Abs. 3 ALG II-V ergibt sich nichts Abweichendes. Nach dieser Vorschrift ist für Mehraufwendungen für Verpflegungen, wenn der Hilfebedürftige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten Erwerbstätigkeit entfernt erwerbstätig ist, für jeden Kalendertag, an dem er wegen dieser Tätigkeit von seiner Wohnung bzw. dem Tätigkeitsmittelpunkt mindestens zwölf Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag i.H.v. 6,00 EUR vom Einkommen abzusetzen. Diese Vorschrift hat keinen Bezug zu Spesenzahlungen des Arbeitgebers, sondern berücksichtigt – unabhängig von solchen Zahlungen und davon, als was der Betreffende beschäftigt ist – den Verpflegungsmehraufwand mit einem Pauschbetrag. Diese Vorschrift kann aber als rangniedere Norm § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II nicht denaturieren. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB regelt demgegenüber auch den spezielleren Fall. Eine Einschränkung des § 11 Abs. 3 SGB II durch die ALG II-V wäre im Übrigen auch nicht ermächtigungskonform, da § 13 SGB II keine Ermächtigung enthält, Einnahmen, die nach § 11 SGB II ausdrücklich nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, selbst wiederum als Einkommen zu qualifizieren. § 6 Abs. 3 ALG II-V ist also so auszulegen, dass er nur dann Anwendung findet, wenn die dort genannten Pauschbeträge nicht bereits Gegenstand von Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II sind. Hieraus aber folgt zugleich, dass § 6 Abs. 3 ALG II-V hier nicht zusätzlich zu Anwendung kommen kann, sondern in dieser besonderen Konstellation von § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II verdrängt wird.
(4) Unter Außerachtlassung der Spesenzahlungen ist das Einkommen des Klägers zu 2 in folgender Weise anzurechnen. Neben den Freibeträgen nach § 30 SGB II (und ggf. § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) die Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 EUR gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V, der Pauschbetrag i.H.v. 15,33 EUR gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V sowie die Kosten für die Wegstrecke zur Arbeit, und zwar als Pauschale i.H.v. 0,20 EUR für den jeweils zurückgelegten, einfachen Arbeitsweg (§ 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V). Der Arbeitsweg des Klägers zu 2. beträgt 24 km; die Strecke legt er pro Monat 8-mal zurück. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind als Einkommen des Klägers zu 2. anzurechnen für die Monate Juli bis November 2007 745,64 EUR, für Dezember 2007 777,75 EUR und für Januar 2008 777,93 EUR. Für den Monat Juli ist zu berücksichtigen, dass lediglich 28/30 von 745,64 EUR anzurechnen sind, da der Anspruch erst ab dem 3.7.2007 besteht (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB II). Dem liegt im Einzelnen folgende Berechnung zugrunde:
Für die Monate Juli bis November 2007: Bruttoeinkommen: 1481,00 EUR Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) 100,00 EUR 1. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 1 SGB II 140,00 EUR 2. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 SGB II (wenn brutto ) 800 EUR) 68,10 EUR Nettoeinkommen 1054,00 EUR Summe der Freibeträge 308,10 EUR Zwischenergebnis: anzurechnendes Einkommen (Nettoeinkommen abzügl. Summe der Freibeträge) 745,19 EUR Pauschbetrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V 30,00 EUR Beiträge zur Kfz-Haftpflicht (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3) 16,53 EUR Werbungskostenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V 15,33 EUR Wegstreckenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V 38,40 EUR Summe der vier vorgenannten Positionen (wenn ) 100 EUR, dann Abzug statt Grundfreibetrag) 100,26 EUR
Im Ergebnis zu berücksichtigendes Einkommen 745,64 EUR
Für Monat Dezember 2007: Bruttoeinkommen: 1550,00 EUR Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) 100,00 EUR 1. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 1 SGB II 140,00 EUR 2. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 SGB II (wenn brutto ) 800 EUR) 70,00 EUR Nettoeinkommen 1088,01 EUR Summe der Freibeträge 310,00 EUR Zwischenergebnis: anzurechnendes Einkommen (Nettoeinkommen abzügl. Summe der Freibeträge) 778,01 EUR Pauschbetrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V 30,00 EUR Beiträge zur Kfz-Haftpflicht (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3) 16,53 EUR Werbungskostenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V 15,33 EUR Wegstreckenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V 38,40 EUR Summe der vier vorgenannten Positionen (wenn ) 100 EUR, dann Abzug statt Grundfreibetrag) 100,26 EUR
Im Ergebnis zu berücksichtigendes Einkommen 777,75 EUR
Für Monat Januar 2008: Bruttoeinkommen: 1550,00 EUR Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) 100,00 EUR 1. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 1 SGB II 140,00 EUR 2. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 SGB II (wenn brutto ) 800 EUR) 70,00 EUR Nettoeinkommen 1088,19 EUR Summe der Freibeträge 310,00 EUR Zwischenergebnis: anzurechnendes Einkommen (Nettoeinkommen abzügl. Summe der Freibeträge) 778,19 EUR Pauschbetrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V 30,00 EUR Beiträge zur Kfz-Haftpflicht (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3) 16,53 EUR Werbungskostenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V 15,33 EUR Wegstreckenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V 38,40 EUR Summe der vier vorgenannten Positionen (wenn ) 100 EUR, dann Abzug statt Grundfreibetrag) 100,26 EUR
Im Ergebnis zu berücksichtigendes Einkommen 777,93 EUR
cc) Die Anrechnung der unter aa) und bb) ermittelten Einkommen auf den unter b) ermittelten Bedarf ergibt folgende Ansprüche der Kläger.
Das Kindergeld ist auf den Bedarf des vormaligen Klägers zu 3. anzurechnen (§ 11 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 2 SGB II). Das Einkommen des Klägers zu 2. ist auf den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach den danach noch verbleibenden Bedarfsanteilen aufzuteilen (§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB II). Hiernach ergibt sich folgendes Bild:
Kläger zu 2. Klägerin zu 1. gemeinsames Kind (Kläger zu 3.) Einzelbedarfe (Regelleistung + Kosten der Unterkunft) 462,27 EUR 462,26 EUR 358,26 EUR Kindergeld 154,00 EUR Restbedarf 462,27 EUR 462,26 EUR 204,26 EUR Bedarfsanteile 40,95 % 40,95 % 18,10 %
Die Anrechnung des Einkommens des Klägers zu 2. nach den aufgezeigten Bedarfsanteilen ergibt folgende Ansprüche der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2: für den Monat Juli 2007 – unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen aufgrund der Antragstellung am 3.7.2007 Leistungen nur i.H.v. 28/30 zu erbringen sind – für beide Kläger jeweils 146,38 EUR, für die Monate August bis November 2007 i.H.v. 156,91 EUR je Monat und Kläger, für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 143,76 EUR je Kläger und für den Monat Januar 2008 i.H.v. 143,69 EUR je Kläger.
2. Unter Berücksichtigung dieses Anspruchs ist der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 31.7.2007 in Ge¬stalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit er – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Juli 2007 i.H.v. 146,10 EUR je Kläger, – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Monate August bis November 2007 i.H.v. 156,62 EUR je Monat und Kläger, – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 143,47 EUR je Kläger sowie – der Klägerin zu 1. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Januar 2008 i.H.v. 96,78 EUR und dem Kläger zu 2. für den Monat Januar 2008 i.H.v. 96,77 EUR nicht bewilligt. Über die Bewilligung von Leistungen an den vormaligen Kläger zu 3. war nach Rücknahme der Klage nicht mehr zu entscheiden.
III. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Dem Beklagten waren hier die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger insoweit aufzuerlegen, als die Kläger obsiegt haben. Unterlegen waren die Kläger nur insoweit, als sie den Abzug der Warmwasserpauschale durch den Beklagten beanstandet haben.
IV. Gegen dieses Urteil ist die Berufung statthaft, ohne dass es einer Zulassung der Berufung durch die Kammer bedurfte (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 EUR.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 9/10.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung der vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gezahlten Spesen auf den Bedarf für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für die Zeit von Juli 2007 bis Januar 2008.
Die Klägerin zu 1. bezog – gemeinsam mit dem vormaligen Kläger zu 3., ihrem im Jahr 2000 geborenen Kind – vom Beklagten bereits im Jahr 2005 und 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1. ist 1976 geboren und erwerbslos. Der 1974 geborene Kläger zu 2. ist als Kraftfahrer erwerbstätig. Die Kläger bewohnen mit ihrem gemeinsamen Kind, dem vormaligen Kläger zu 3., ein Einfamilienhaus in 02708 Obercunnersdorf. Die Kosten der Unterkunft betragen 427,83 EUR (Schuldzinsen und sonstige kalte Nebenkosten). Die Heizkosten belaufen sich inkl. der Kosten für Warmwasseraufbereitung auf 38,00 EUR.
Der Kläger zu 2. ist bei der Spedition T. als Kraftfahrer angestellt. Der Weg zur Arbeit beträgt 24 km; die Strecke legt der Kläger zu 2. pro Monat 8-mal zurück. Für seine Kfz-Haftpflichtversicherung wendet der Kläger zu 2. monatlich 16,53 EUR auf. Er ist jede Arbeitswoche jeweils von Sonntag oder Montag bis Freitag oder Samstag im Fernverkehr unterwegs. Der Arbeitgeber zahlt neben dem Arbeitsentgelt einen steuerfreien Zuschuss als Spesen, der sich an § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 EStG (i.V.m. § 3 Nr. 13 EStG) orientiert. Hiernach stehen dem Kläger für eine 24-stündige Abwesenheit vom Arbeits- und Wohnort ein Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand i.H.v. 24 EUR, für eine Abwesenheit von weniger als 24, aber mindestens 14 Stunden i.H.v. 12 EUR und eine Abwesenheit von weniger als 14, aber mindestens 8 Stunden i.H.v. 6 EUR zu. Der Monatslohn fließt dem Kläger zu 2. ebenso wie die Spesenzahlung jeweils im Folgemonat zu.
Im Einzelnen standen dem Kläger zu 2. ausweislich der Arbeitsstundennachweise des Arbeitgebers im streitbefangenen Zeitraum folgende Spesenzahlungen zu:
Monat Spesen gesamt Abwesenheiten 24 Stunden 14-24 Stunden 8-14 Stunden Juni (Zufluss Juli) 2007 384,00 EUR 12x 8x Juli (Zufluss August) 2007 444,00 EUR 16x 5x August (Zufluss September) 2007 276,00 EUR 10x 3x September (Zufluss Oktober) 2007 420,00 EUR 15x 5x Oktober (Zufluss November) 2007 348,00 EUR 12x 5x November (Zufluss Dezember) 2007 444,00 EUR 15x 7x Dezember 2007 (Zufluss Januar 2008) 306,00 EUR 10x 5x 1x
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Arbeits- und Stundennachweise Bl. 68-104 und Bl. 122-132 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Zusätzlich zu den genannten Spesenzahlungen floss dem Kläger zu 2. Arbeitslohn wie folgt zu: Juli 2007 bis November 2007 (jeweils für die Vormonate) 1.054,77 EUR netto (1.481,00 EUR brutto), Dezember 2007 (für November 2007) 1.088,01 EUR netto (1.550,00 brutto) und Januar 2008 (für Dezember 2007) 1.088,19 EUR netto (1.550,00 EUR brutto). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gehaltsnachweise Bl. 114-121 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Eingang 3.7.2007 beantragten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auf den der Beklagte mit Bescheid vom 31.7.2007 Leistungen für den Monat Juli 2007 i.H.v. 0,69 EUR und für die Monate August 2007 bis Januar 2008 i.H.v. monatlich 0,71 EUR bewilligte. Als Kosten der Unterkunft erkannte der Beklagte 443,14 EUR an; er zog nämlich Warmwasseraufbereitungskosten i.H.v. insgesamt 5,70 EUR monatlich ab. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bewilligungsbescheides wird auf Bl. 139 ff. der Verwaltungsakte verwiesen.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 3.8.2007 Widerspruch ein, mit dem sie die Nichtanrechnung der vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gewährten steuerfreien Spesen begehrten. Auf diesen Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2008 – Posteingang bei den Klägern am 21.1.2008 – der Bewilligungsbescheid vom 31.7.2008 insoweit abgeändert, als für den Monat Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 114,71 EUR bewilligt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheides wird auf Bl. 153 ff. der Verwaltungsakte verwiesen.
Am 21.2.2008 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus dem Widerspruchsverfahren weiterverfolgen. Zudem halten sie auch den Abzug der Warmwasserpauschale für rechtswidrig. Nachdem zunächst auch das gemeinsame Kind der Kläger zu 1. und 2. als Kläger zu 3. eigene Ansprüche geltend gemacht hatte, hat der Kläger zu 3. seine Klage in der mündlichen Verhandlung am 2.2.2009 zurückgenommen.
Die Kläger zu 1. und 2. beantragen zuletzt,
den Beklagten zu verpflichten, den Klägern unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 31.7.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung der dem Kläger zu 2. von seinem Arbeitgeber gewährten steuerfreien Spesen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die steuerfrei gezahlten Spesen seien keine zweckbestimmten Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. In der Branche, in der der Kläger zu 2. beschäftigt sei, seien Spesenzahlungen zur Ersparnis von Lohnnebenkosten und zur Nettolohnoptimierung üblich. Daher müssten sie grundsätzlich auch auf den Bedarf angerechnet werden. Berücksichtigung könnten nur solche Mehraufwendungen finden, die tatsächlich und nachweisbar durch die Ortsabwesenheit entstünden. Für Pauschalisierungen sei daher kein Raum.
Der Kammer haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsakten des Beklagten zur BG-Nr. 07208 BG 1012217 vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, soweit das Urteil auf ihnen beruht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist aus dem in Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Die Kammer hatte auch unter Berücksichtigung des zuletzt gestellten Antrags über die Ansprüche der Kläger zu 1. und 2. auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II insgesamt zu entscheiden. Nach der gefestigten Rechtsprechung hat das Gericht bei einem Streit über höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (siehe nur BSG, Urt. v. 5.9.2007 – B 11b AS 49/06 R – Rdnr. 19; Urt. v. 16.5.2007 – B 11b AS 29/06 R – Rdnr. 18). Nicht zu entscheiden war daher lediglich über die Ansprüche des Klägers zu 3., der seine Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat.
II. Die Klage der Kläger zu 1. und 2. ist zum ganz überwiegenden Teil begründet. Der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 31.7.2007 ist in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 zumindest teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten, soweit der Beklagte neben dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2. auch die vom Arbeitgeber des Klägers zu 2. gezahlten Verpflegungsmehraufwendungen als Einkommen auf den Bedarf angerechnet hat. Die Kläger haben jeweils Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II, die ihnen durch die genannten Bescheide rechtswidrig verwehrt werden.
1. Die Kläger erfüllen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 19 S. 1 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 7 Abs. 3 SGB II gehören u.a. zudem zur Bedarfsgemeinschaft die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1), als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (Nr. 3c) sowie die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (Nr. 4).
a) Die Kläger zu 1. und 2. sind erwerbsfähige Hilfebedürftige, die als Partner in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II leben. Der vormalige Kläger zu 3. ist das gemeinsame Kind der Kläger zu 3. und daher gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Kläger sind insbesondere hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 SGB II, da sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern können.
b) Der Bedarf der Kläger (§ 19 Abs. 1 S. 1 SGB II) ermittelt sich wie folgt. Als Regelleistung für einen Erwerbsfähigen sieht § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in der hier geltenden Fassung 347 EUR vor, den Klägern zu 1. und 2. standen hiervon gemäß § 20 Abs. 3 SGB 90 %, d.h. jeweils 312 EUR zu.
Die hier letztlich nicht mehr streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) betragen 427,82 EUR (Schuldzinsen i.H.v. 336,03 EUR und sonstige Nebenkosten i.H.v. 91,79 EUR), die Heizkosten 38,00 EUR. Da mit der Heizung der Kläger auch die Warmwasserbereitung durchgeführt wird, die Kosten für Haushaltsenergie aber Bestandteil der Regelleistung sind (§ 20 Abs. 1 SGB II), ist von den Heizkosten eine sog. Warmwasserpauschale abzuziehen. Diese beträgt für die Kläger zu 1. und 2. jeweils 5,63 EUR und für den vormaligen Kläger zu 3. 3,76 EUR (zur Höhe der Warmwasserpauschale ausführlich BSG, Urt. v. 27.2.2008 – B 14/11b AS 15/07 R). Als (reine) Heizkosten verbleiben daher 22,98 EUR so dass die Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt für die Bedarfsgemeinschaft 450,80 EUR betragen.
Die Kosten der Unterkunft sind im Hinblick auf den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach Kopfteilen aufzuteilen, so dass von den gesamten Kosten der Unterkunft auf die Klägerin zu 1. 150,27 EUR und auf den Kläger zu 2. 150,26 EUR entfallen. Die Klägerin zu 1 hat damit einen Gesamtbedarf von 462,26 EUR, der Kläger zu 2 von 426,27. Für den Monat Juli 2007 ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf nur i.H.v. 28/30 gegeben ist, da der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für jeden Kalendertag (§ 40 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB II), aber erst ab Antragstellung am 3.7.2007 besteht (siehe § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II).
c) Einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben die Kläger nur soweit, als sie – auch unter Berücksichtigung des Einkommens der jeweils anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft – hilfebedürftig sind (§ 9 Abs. 1 und 2 SGB II). Dabei sind einsetzbares Vermögen und das Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen (§§ 11 und 12 SGB II). Da die Kläger über Vermögen über die in § 12 Abs. 2 SGB II bezeichneten Freibeträge hinaus nicht verfügen, kommt es hier allein auf das erzielte Einkommen an. Als Einkommen zu berücksichtigen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II.
aa) Als Einkommen zu berücksichtigen ist damit zunächst das Kindergeld für den vormaligen Kläger zu 3. i.H.v. 154,00 EUR, das als dessen Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (§ 11 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 2 SGB II). Die Versicherungspauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V ist hiervon nach Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift nicht in Abzug zu bringen (BSG, Urt. v. 18.6.2008 – B 14 AS 55/07 R – Rdnr. 31 ff.).
bb) Als Einkommen ist sodann das Erwerbseinkommen des Klägers zu 2. zu berücksichtigen. Die Anrechnung hat dergestalt zu erfolgen, dass als Ausgangsbasis der Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens das ausgewiesene Einkommen abzüglich der dem Kläger zu 2 vom Arbeitgeber gewährleisteten Spesen für beruflich bedingte Verpflegungsmehraufwendungen anzusetzen ist. Denn bei diesen Spesen handelt es sich um zweckbestimmte Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II (siehe bereits Urt. der Kammer vom 5.1.2009, S 32 AS 4709/08; ebenso Mecke, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008 § 11 Rdnr. 39; SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18 ff.; SG Detmold, Urt. v. 22.6.2006 – S 7 AS 152/05 – juris-Rdnr. 22; im Ergebnis offen, aber deutlich in diese Richtung LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25.8.2006 – L 5 B 549/06 AS ER, juris-Rdnr. 14, ebenso LSG Mecklemburg-Vorpommern, Beschl. v. 29.6.2007 – L 8 b 229/06 – juris-Rdnr. 25 ff.). Zwar sind nach § 11 Abs. 1 S.1 SGB alle Einnahmen in Geld und Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat von diesem Grundsatz aber in § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II für zweckbestimmte Einnahmen eine Ausnahme gemacht, die die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift sind hier erfüllt. Insbesondere handelt es sich um zweckbestimmte Einnahmen, die anderen Zwecken als Leistungen nach dem SGB II dienen [hierzu unter (1)] und die die Lage des Klägers zu 2. nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären [unter (2)]. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II wird insbesondere auch nicht durch § 6 Abs. 3 ALG II-V verdrängt [unter (3)].
(1) Die dem Kläger zu 2. ausgezahlten Spesen für beruflich bedingte Mehraufwendungen sind zweckbestimmte Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II. Sinn des Gesamtkonzepts des § 11 SGB II (i.V.m. den Vorschriften der ALG II-V) ist es, eine Anrechnung solcher Leistungen als Einkommen auf den Bedarf zu erreichen, die im Einzelfall den selben Zwecken wie die Leistungen nach dem SGB II dienen, nämlich den Lebensunterhalt zu sichern. Hierdurch soll einerseits verhindert werden, dass der Grundsicherungsträger Leistungen erbringt, die dem Betreffenden (infolge eines Einkommens) zur Sicherung des Lebensunterhalts doppelt zur Verfügung stehen. Zum anderen soll insbesondere § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II verhindern, dass der Zweck einer Leistung, die erkennbar nicht der Sicherung des Lebensunterhalts dient, dadurch vereitelt wird, dass sie auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet wird (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 16). Daraus folgt, dass eine Leistung ist i.S.d. Vorschrift zweckbestimmt ist, wenn ihr erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen werden kann und die Leistung im Fall ihrer Anrechnung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ihren Zweck nicht erreichen würde (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 16). Ausgehend von diesen Grundsätzen dienen Spesenzahlungen nicht demselben Zweck wie das Arbeitslosengeld II. Dieses dient der Sicherung des Lebensunterhalts von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht auf anderem Wege beseitigt werden kann (BSG, Urt. v. 6.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 – Rdnr. 17). Die dem Arbeitnehmer gewährten Spesenzahlungen sind durch vertragliche Abreden, die gesonderte Ausweisung in der Lohnabrechnung sowie – ergänzend – ihre sozialversicherungs- und einkommensteuerrechtliche Behandlung (siehe § 3 Nr. 13 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 EStG) hinreichend zweckbestimmt (vgl. SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18). Sie dienen – anders als die Leistungen nach dem SGB II – insbesondere nicht der Sicherung des Lebensunterhalts. Ziel dieser Sonderzahlung ist es, die Mehraufwendungen auszugleichen, die die berufliche Betätigung des Klägers zu 2. mit sich bringen. Es handelt sich dabei vor allem um den Verpflegungsbedarf, der nicht durch die Regelleistung (§ 20 Abs. 1 SGB II) abgedeckt ist. Mit den Spesenzahlungen sollen nämlich die erhöhten Kosten der Ernährungsbeschaffung ausgeglichen werden, die eine auswärtige Beschäftigung fernab vom eigenen Haushalt mit sich bringt (vgl. SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 18). Ausgeglichen werden sollen aber auch solche Kosten, die gerade dem Beruf des Fernfahrers immanent sind, insbesondere Aufwendungen für die hygienische Versorgung an Raststätten oder Autohöfen. All dies sind Leistungen, die ersichtlich vom Zweck der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht erfasst sind.
(2) Die Gewährung solcher Sonderzahlung verbessert die Lage der Kläger hier auch nicht derart, dass daneben Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht gerechtfertigt wären. Es kann hier dahinstehen, ob dies bereits deshalb der Fall ist, weil die Spesen steuer- und sozialversicherungsrechtlich privilegiert sind. Zu diesem Ergebnis käme man, wenn man dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal in § 11 Abs. 3 SGB II lediglich als Kor¬rektiv gegen missbräuchliche privatrechtliche Gestaltungen verstünde und diese bereits dann als ausgeschlossen betrachtete, wenn und weil der Gesetzgeber diese Leistungen anderweitig (nämlich im Einkommensteuer- sowie Sozialversicherungsrecht) für angemessen hielte (so ausdrücklich SG Dresden, Beschl. v. 26.6.2008 – S 21 AS 1805/08 – juris-Rdnr. 19). Denn jedenfalls in Konstellationen, in denen der Empfänger der Spesenzahlung diese feststellbar zumindest üblicherweise auch zweckentsprechend verwendet, stehen die Leistungen dem Empfänger tatsächlich nicht mehr zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung, so dass Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt sind (siehe zu diesem Aspekt bei zweckbestimmten Leistungen BSG, Urt. v. 30.9.2008 – B 4 AS 19/07 R – Rdnr. 19). So liegt der Fall hier: Der Kläger zu 2. hat sich dahin eingelassen, die Spesen im wesentlichen im Tagesverlauf zu verbrauchen. Nicht notwendig erscheint es hingegen, jede dieser Ausgaben zu dokumentieren und (z.B. durch Kassenzettel) zu belegen. Dies widerspräche dem Sinn gerade einer Pauschalenregelung.
(3) Auch aus § 6 Abs. 3 ALG II-V ergibt sich nichts Abweichendes. Nach dieser Vorschrift ist für Mehraufwendungen für Verpflegungen, wenn der Hilfebedürftige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten Erwerbstätigkeit entfernt erwerbstätig ist, für jeden Kalendertag, an dem er wegen dieser Tätigkeit von seiner Wohnung bzw. dem Tätigkeitsmittelpunkt mindestens zwölf Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag i.H.v. 6,00 EUR vom Einkommen abzusetzen. Diese Vorschrift hat keinen Bezug zu Spesenzahlungen des Arbeitgebers, sondern berücksichtigt – unabhängig von solchen Zahlungen und davon, als was der Betreffende beschäftigt ist – den Verpflegungsmehraufwand mit einem Pauschbetrag. Diese Vorschrift kann aber als rangniedere Norm § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II nicht denaturieren. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB regelt demgegenüber auch den spezielleren Fall. Eine Einschränkung des § 11 Abs. 3 SGB II durch die ALG II-V wäre im Übrigen auch nicht ermächtigungskonform, da § 13 SGB II keine Ermächtigung enthält, Einnahmen, die nach § 11 SGB II ausdrücklich nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, selbst wiederum als Einkommen zu qualifizieren. § 6 Abs. 3 ALG II-V ist also so auszulegen, dass er nur dann Anwendung findet, wenn die dort genannten Pauschbeträge nicht bereits Gegenstand von Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II sind. Hieraus aber folgt zugleich, dass § 6 Abs. 3 ALG II-V hier nicht zusätzlich zu Anwendung kommen kann, sondern in dieser besonderen Konstellation von § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II verdrängt wird.
(4) Unter Außerachtlassung der Spesenzahlungen ist das Einkommen des Klägers zu 2 in folgender Weise anzurechnen. Neben den Freibeträgen nach § 30 SGB II (und ggf. § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) die Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 EUR gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V, der Pauschbetrag i.H.v. 15,33 EUR gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V sowie die Kosten für die Wegstrecke zur Arbeit, und zwar als Pauschale i.H.v. 0,20 EUR für den jeweils zurückgelegten, einfachen Arbeitsweg (§ 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V). Der Arbeitsweg des Klägers zu 2. beträgt 24 km; die Strecke legt er pro Monat 8-mal zurück. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind als Einkommen des Klägers zu 2. anzurechnen für die Monate Juli bis November 2007 745,64 EUR, für Dezember 2007 777,75 EUR und für Januar 2008 777,93 EUR. Für den Monat Juli ist zu berücksichtigen, dass lediglich 28/30 von 745,64 EUR anzurechnen sind, da der Anspruch erst ab dem 3.7.2007 besteht (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB II). Dem liegt im Einzelnen folgende Berechnung zugrunde:
Für die Monate Juli bis November 2007: Bruttoeinkommen: 1481,00 EUR Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) 100,00 EUR 1. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 1 SGB II 140,00 EUR 2. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 SGB II (wenn brutto ) 800 EUR) 68,10 EUR Nettoeinkommen 1054,00 EUR Summe der Freibeträge 308,10 EUR Zwischenergebnis: anzurechnendes Einkommen (Nettoeinkommen abzügl. Summe der Freibeträge) 745,19 EUR Pauschbetrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V 30,00 EUR Beiträge zur Kfz-Haftpflicht (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3) 16,53 EUR Werbungskostenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V 15,33 EUR Wegstreckenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V 38,40 EUR Summe der vier vorgenannten Positionen (wenn ) 100 EUR, dann Abzug statt Grundfreibetrag) 100,26 EUR
Im Ergebnis zu berücksichtigendes Einkommen 745,64 EUR
Für Monat Dezember 2007: Bruttoeinkommen: 1550,00 EUR Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) 100,00 EUR 1. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 1 SGB II 140,00 EUR 2. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 SGB II (wenn brutto ) 800 EUR) 70,00 EUR Nettoeinkommen 1088,01 EUR Summe der Freibeträge 310,00 EUR Zwischenergebnis: anzurechnendes Einkommen (Nettoeinkommen abzügl. Summe der Freibeträge) 778,01 EUR Pauschbetrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V 30,00 EUR Beiträge zur Kfz-Haftpflicht (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3) 16,53 EUR Werbungskostenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V 15,33 EUR Wegstreckenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V 38,40 EUR Summe der vier vorgenannten Positionen (wenn ) 100 EUR, dann Abzug statt Grundfreibetrag) 100,26 EUR
Im Ergebnis zu berücksichtigendes Einkommen 777,75 EUR
Für Monat Januar 2008: Bruttoeinkommen: 1550,00 EUR Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II) 100,00 EUR 1. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 1 SGB II 140,00 EUR 2. Freibetrag gem. § 30 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 SGB II (wenn brutto ) 800 EUR) 70,00 EUR Nettoeinkommen 1088,19 EUR Summe der Freibeträge 310,00 EUR Zwischenergebnis: anzurechnendes Einkommen (Nettoeinkommen abzügl. Summe der Freibeträge) 778,19 EUR Pauschbetrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V 30,00 EUR Beiträge zur Kfz-Haftpflicht (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3) 16,53 EUR Werbungskostenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a) ALG II-V 15,33 EUR Wegstreckenpauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b) ALG II-V 38,40 EUR Summe der vier vorgenannten Positionen (wenn ) 100 EUR, dann Abzug statt Grundfreibetrag) 100,26 EUR
Im Ergebnis zu berücksichtigendes Einkommen 777,93 EUR
cc) Die Anrechnung der unter aa) und bb) ermittelten Einkommen auf den unter b) ermittelten Bedarf ergibt folgende Ansprüche der Kläger.
Das Kindergeld ist auf den Bedarf des vormaligen Klägers zu 3. anzurechnen (§ 11 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 2 SGB II). Das Einkommen des Klägers zu 2. ist auf den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach den danach noch verbleibenden Bedarfsanteilen aufzuteilen (§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB II). Hiernach ergibt sich folgendes Bild:
Kläger zu 2. Klägerin zu 1. gemeinsames Kind (Kläger zu 3.) Einzelbedarfe (Regelleistung + Kosten der Unterkunft) 462,27 EUR 462,26 EUR 358,26 EUR Kindergeld 154,00 EUR Restbedarf 462,27 EUR 462,26 EUR 204,26 EUR Bedarfsanteile 40,95 % 40,95 % 18,10 %
Die Anrechnung des Einkommens des Klägers zu 2. nach den aufgezeigten Bedarfsanteilen ergibt folgende Ansprüche der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2: für den Monat Juli 2007 – unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen aufgrund der Antragstellung am 3.7.2007 Leistungen nur i.H.v. 28/30 zu erbringen sind – für beide Kläger jeweils 146,38 EUR, für die Monate August bis November 2007 i.H.v. 156,91 EUR je Monat und Kläger, für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 143,76 EUR je Kläger und für den Monat Januar 2008 i.H.v. 143,69 EUR je Kläger.
2. Unter Berücksichtigung dieses Anspruchs ist der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 31.7.2007 in Ge¬stalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit er – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Juli 2007 i.H.v. 146,10 EUR je Kläger, – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Monate August bis November 2007 i.H.v. 156,62 EUR je Monat und Kläger, – den Klägern zu 1. und 2. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Dezember 2007 i.H.v. 143,47 EUR je Kläger sowie – der Klägerin zu 1. weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Januar 2008 i.H.v. 96,78 EUR und dem Kläger zu 2. für den Monat Januar 2008 i.H.v. 96,77 EUR nicht bewilligt. Über die Bewilligung von Leistungen an den vormaligen Kläger zu 3. war nach Rücknahme der Klage nicht mehr zu entscheiden.
III. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Dem Beklagten waren hier die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger insoweit aufzuerlegen, als die Kläger obsiegt haben. Unterlegen waren die Kläger nur insoweit, als sie den Abzug der Warmwasserpauschale durch den Beklagten beanstandet haben.
IV. Gegen dieses Urteil ist die Berufung statthaft, ohne dass es einer Zulassung der Berufung durch die Kammer bedurfte (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 EUR.
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